Kurz über den Autor dem Klappentext entnommen, da er einige wichtige Hinweise zum Buch enthält:
Ingo Schulze, 1962 in Dresden geboren, studierte von 1983 bis 1988 Klassische Philologie in Jena. Anschließend war er bis 1990 als Dramaturg am Landestheater Altenburg, dann in einer Zeitungsredation tätig. Diese Arbeit führte ihn 1993 für ein halbes Jahr nach Sankt Petersburg. Seither lebt er als freier Autor in Berlin.
Eine Deutsche reist per Bahn nach Sankt Petersburg und trifft im Zug einen Landsmann. Nach gemeinsam verbrachter Nacht verschwindet er, nicht ohne ihr eine Mappe mit Aufzeichnungen über diese Stadt und ihre Einwohner zu hinterlassen. In diesen Schriftstücken "habe er sich mehr und mehr der Neigung hingegeben, die Erfindung anstelle der Recherche zu setzen. Denn für ihn, so der deutsche Landsmann, sei etwas Ausgedachtes nicht weniger wirklich als ein Unfall auf der Straße."
Man kann sich schon denken, daß dieses Buch aus Kurzgeschichten besteht. Aber wo endet die Realität und wo beginnt die eingangs erwähnte Erfindung? Dieser Punkt war für mich manchmal schwer greifbar. Das mag damit zusammenhänge, daß ich seit einigen Jahren versuche "die russische Seele" zu verstehen und es einfach nicht kann.
Auf jeden Fall ist mindestens eine Person in jeder Geschichte immer für eine gewisse Zeit glücklich. Auch wenn dies für den Leser nicht immer nachvollziehbar ist. Sei es weil wir uns die absolute Armut der unteren Schichten nicht recht vorstellen können oder aber weil es wirklich in die Phantasie fällt.
Zwei Beispiele: eine arme alte Frau muss als Pförtnerin arbeiten um sich ein Zubrot zu verdienen. Als sie eines Tages ein Geschenk öffnet, im Irrglauben es wäre für sie bestimmt, will die Pförtnerin den Inhalt, ein Parfumfläschen, unter keinen Umständen wieder hergeben. Es kommt zu einem regelrechten Kampf mit dem rechtmäßigen Eigentümer und ihrem Chef. Die Pförtnerin wird natürlich entlassen.
In einer anderen Geschichte geht es um zwei Besucher einer russischen Sauna, die nach einer langen Zeit des Vorspiels eine junge Frau im warsten Sinne des Wortes verspeisen.
Amüsant und am Glaubhaftesten fand ich noch jene Geschichten über deutsche Geschäftsleute in der Stadt. Ihr Bemühen, mit altgedienter Gründlichkeit eine Firma aufzubauen, hatte natürlich etwas skuriles.
Viele Grüße
Leseratte