OT: Alibi
Kurzbeschreibung:
Als Adam endlich die Entlassungspapiere der US Army in Händen hält, ergeht es ihm nicht anders als den meisten Überlebenden des Zweiten Weltkrieges, die – als sich der Rauch über den Trümmern verzogen hat – ungläubig aus einem Albtraum erwachen. Kaum in Venedig angekommen, stellt er fest, dass der strahlende Marmor und die goldenen Kuppeln nicht nur verzaubern, sondern auch blenden können. In der Stadt an der Lagune stürzt er sich mit Claudia Grassini, einer bei der Accademia angestellten Jüdin, in eine leidenschaftliche Affäre. Doch Claudia fällt es schwer, daraus eine ernsthafte Beziehung wachsen zu lassen. Je mehr Adam über ihre Vergangenheit erfährt, desto mehr versteht er, warum. Und plötzlich tritt ein Dämon dieser Vergangenheit wieder in Erscheinung: Dr. Gianni Maglione, der Arzt, der Claudias todkranken Vater – mit einem beiläufigen Kopfnicken – an ein SS-Kommando verraten haben soll. Ein ungeheurer Verdacht, an dem zunächst auch Adam zweifelt. Doch warum verliert Claudia kurz nach dem Eklat erst ihre Stelle und dann ihre Wohnung? Wozu ist der angesehene Venezianer mit dem durchdringenden Blick wirklich fähig?
Über den Autor:
Joseph Kanon, geboren 1946 in Pennsylvania, studierte am Trinity College in Cambridge und leitete u.a. jahrelang einen renommierten amerikanischen Verlag, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Sein Buch "Die Tage vor Los Alamos" wurde 1997 mit dem Edgar Award für das beste Debüt ausgezeichnet, ihm folgten mit "Der verlorene Spion" und "In den Ruinen von Berlin" zwei ebenfalls viel beachtete Romane. Kanon lebt mit seiner Frau, der Literaturagentin Robin Straus, in New York.
Meine Meinung:
Adam, amerikanischer Soldat, der zuletzt in Deutschland damit beschäftigt war, Nazis aufzuspüren, besucht seine Mutter in Venedig, doch in der Lagunenstadt, die äußerlich einen völlig unbeschadeten Eindruck macht, merkt er langsam, dass der Krieg auch hier seine Spuren hinterlassen hat und sich kaum jemand von ihnen befreien kann. Als die Frau, in die er sich verliebt, sich ebenfalls als Opfer herausstellt, wirft er seine Bedenken und seine moralischen Vorstellungen für sie über Bord.
In Joseph Kanons Roman über die unmittelbare Nachkriegszeit in Italien wird es für die Beteiligten, aber auch für den Leser zunehmend schwerer, Sympathien zu verteilen und bereits gefasste Meinungen über die Figuren beizubehalten. Schuld und Verantwortung sind die zentralen Themen, das Zusammen- oder Weiterleben der Opfer und Täter in all seiner Tragweite und Problematik aufgefächert. Die kurzfristige Romantik wird vollends von den Schatten der Vergangenheit und der Gegenwart überschattet, Misstrauen und Liebe, Vertrauen und Angst bestimmen das Leben und Verhalten der Hauptfiguren. Eine echte emotionale Beziehung zu den Figuren fällt schwer, vielleicht weil sie so komplex und irrational, und damit so real gezeichnet sind. Zurück bleibt der fade Nachgeschmack der Bedrohung und die Trauer um viele verschwendete Menschenleben.