Wolfgang Brenner - Bollinger und die Friseuse

  • Über den Autor
    Wolfgang Brenner, geb. 1954 in Quierschied/Sar, lebt als freier Journalist und Autor in Berlin und im Hunsrück. „Bollinger und die Friseuse“ ist der erste Band einer Reihe von „Grenzfällen“, die Felix Bollinger in dem fiktiven deutsch-französischen Grenzort Schauren zu lösen hat.


    Klappentext
    Eigentlich ist Schauren ja viel zu klein für Felix Bollinger. Auf der linken Seite der Hauptstrasse eine Boulangerie, ein winziger Supermarché und ein paar heruntergekommene Läden, auf der rechten schmucke Häuser mit farblich darauf abgestimmten Geranien, ein Baumarkt mit einem Parkplatz so groß wie ein Fußballfeld und sogar ein Aldi.


    Jahrelang haben sich Franzosen und Deutsche darum gestritten, welcher Nationalität der Revierleiter der dortigen europäischen Polizeistation haben soll. Nun endlich hat man sich geeinigt und Felix Bollinger in den verschlafenen Grenzort versetzt.


    Nach einer tödlichen Panne muß die große Hoffnung des höheren Polizeidienstes leider wieder von unten anfangen. Und das mit zwei verschrobenen Dorfpolizisten an seiner Seite, unter denen bisher die Anarchie geblüht hat.


    Ein Glück, daß in der deutsch-französischen Doppelgemeinde bisher kaum etwas passiert ist. Belastbar ist Felix Bollinger nämlich auch nicht, und da er seine berufliche Kompetenz vor allem durch Lektüre erworben hat, ist er in der praktischen Polizeiarbeit etwas hilflos. Anfangs glaubt er noch, mit der Dorfbevölkerung klarzukommen. Angespornt von Lotte, der betörenden Gattin des mächtigen Bürgermeisters Pierre Brück, tappt er jedoch in die unsichtbaren Fallgruben der Provinz, als er sich in den Kopf setzt, den Fall des Friseurs Georges Niederbronn noch einmal aufzurollen, der sich an seinem minderjährigen Lehrmädchen Lydia vergriffen haben soll.


    Meine Meinung
    Ich habe noch nie von Wolfgang Brenner gehört oder gelesen, doch der Klappentext hört sich mal nach etwas anderem an als das Übliche und so habe ich mich neugierig auf das Experiment der „deutsch-französischen Polizeistation“ eingelassen. Seltsam sind die Leute da. Voller Vorurteile. Aber jenseits der Grenze sieht es auch nicht anders aus. Auch der nächste Ort, Ramwiller, ist nicht besser. Noch dazu sehen die Schaurener mit Abscheu auf die Ramwillerer hinab – und natürlich umgekehrt. Aber gut, sowas kenne ich ja gut aus der alten „Städtefreundschaft“ Nürnberg – Fürth. 


    Bollinger kommt nach einer von ihm verursachten tödlichen Einsatzpanne – sozusagen als Strafversetzung nach Schauren. Und es ist weiß Gott eine Strafe, dorthin zu kommen: seine beiden neuen Kollegen, die dort bereits Dienst schieben, sind genauso verschroben und eigenwillig – auch in ihrer Dienstauffassung – wie die anderen Einwohner. Noch dazu hatte sich einer der beiden selbst Hoffnungen auf den Posten des Revierleiters gemacht. Kein leichter Einstand für Bollinger, der von der „echten“ Polizeiarbeit auf der Straße nicht allzuviel Ahnung zu haben scheint.


    Der Fall selbst ist ein wenig verworren – nichts scheint erst so, wie es ist – und am Ende sieht alles gaaaaanz anders aus. Eigentlich ist dieser Krimi kein wirklicher Krimi, denn der Ermittlungsarbeit des kuriosen Trios werden immer wieder ihre Grenzen gesetzt. Dennoch kommt es am Schluß zu einem doch etwas unerwarteten Ergebnis. Doch das müßt ihr bei Interesse schon selbst nachlesen.


    Ein unterhaltsames Buch, kein wirklicher Krimi meines Erachtens nach, aber wenn es der Einstieg in eine Reihe um Bollinger und seine chaotischen Kollegen ist, dann ist was wiederum in Ordnung so. Jetzt kennt man die Schaurener und weiß, was man von ihnen zu erwarten hat. Hoffentlich weiß das auch Felix Bollinger.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • In das beschauliche Örtchen Schauren hat man Felix Bollinger versetzt. Und er selbst sieht der Sache etwas unschlüssig entgegen. Einerseits genießt er den Abstand zum Fall des versehentlich erschossenen Juweliers in Saarbrücken, seinem früheren Einsatzort, andererseits jedoch glaubt er nicht an die trügerische Idylle des vermeintlich verbrechensfreien deutsch-französischen Dörfchens. Und so feiert er seinen Einstand mit den Ermittlungen an einem Fall, den die Dorfbewohner schon lange erledigt glaubten. Dabei zur Seite steht ihm das kleine Dorfpolizistenteam, das mitunter recht eigentümliche Ermittlungsmethoden anwendet. Natürlich hält sich die Begeisterung der Dorfbewohner über diese Arbeit des neuen Polizeichefs sehr in Grenzen.


    Wolfgang Brenner hat ein kleines, spannendes und interessantes Dorf-Psychogramm entworfen. Zwar spricht er von einem fiktiven Ort Schauren, doch nicht allzu schwer kann man sich beliebige Grenzdörfer heraussuchen und in Gedanken entsprechend anpassen - wahrscheinlich gelingt dies auch mit gewöhnlichen Dörfern. Mit einer feinen Portion Ironie und entwirft er einen Fall, der nicht nur eine Intrige nach der anderen zutage fördert, sondern letztendlich auch einen Mord und dessen - zugegebenermaßen eher unspektakulären - Auflösung.


    Felix Bollinger als Hauptfigur und Ich-Erzähler bleibt ein wenig kühl aussen vor. Kaum mehr als ein paar Worte werden dem tödlichen Fehlschuss, der ihn nach Schauren beförderte, gewidmet. Wenig mehr lässt er über seine bis dahin private Entwicklung verlauten. Die dadurch entstehende Distanz zur Figur Felix Bollinger wird über den Stil noch zusätzlich verschärft. Die Sätze reihen sich in kurzatmiger Diktathaftigkeit aneinander. Ein "Punkt" am Ende eines jeden Satzes drängt sich förmlich auf. Dieser Stil ist gewöhnungsbedürftig, vielleicht sogar ganz und gar Geschmackssache. Eine geringe Kluft zur Hauptfigur und seiner Art und Weise der Berichterstattung, die darauf zurückzuführen ist, ist jedenfalls spürbar und mag nicht jedermans Fall sein.


    Die schwach beleuchtete Vergangenheit des Felix Bollingers wird jedoch durch seine schwierige und ungewöhnliche Eingewöhnungsphase in Schauren ein wenig ausgeglichen. Felix scheint ein Mensch zu sein, der sich selbst nicht allzu ernst nimmt, gewisse Angelegenheiten mit dem größtmöglichen Optimismus anpackt und dennoch die nötige Ernsthaftigkeit, den nötigen Biss und den nötigen Gleichmut gegenüber Widerstand mitbringt, um glaubwürdig, konsequent und lebendig zu wirken. So gesehen mangelt es nicht an Charakterisierung der Hauptfigur, sie ist nur etwas anders gestaltet. Auch die übrigen Figuren sind originell, geheimnisvoll und sympathisch bis unsympathisch. In manchem Fall lässt sich sogar der ein oder andere "typische" Dorfbewohner wiedererkennen, was selbstverständlich keinesfalls (ab)wertend daher kommt.


    Interessant sind noch die in die Geschichte verwobenen klein- und großpolitische Zusammenhänge, die vom zweiten Weltkrieg bis zur gegenwärtigen Dorfpolitik reichen. Ein bisschen Grenzgeschichte am Rande sozusagen.


    Fazit: Der Auftakt zur neuen Serie um Felix Bollinger und das Grenzörtchen Schauren ist amüsante und intelligente Unterhaltung, wenngleich der Kriminalfall selbst eine hintergründige Rolle spielt und als Mittel zum Zwecke dient. Es bleibt zu hoffen, dass weitere "Grenzfälle" folgen.