Ysabel - Guy Gavriel Kay

  • Inhalt


    In seinem nunmehr 10. Roman weicht Kay zum ersten mal von seiner ueblichen historischen Fantasy ab und siedelt die Geschichte in der Provence des 21. Jahrhunderts an, webt dabei mehr als 2000 Jahre Geschichte der Region mit ein. Der 15jaehrige Kanadier Ned Marriner begleitet seinen Vater Edward, ein beruehmer Fotograph, zu einem Auftrag nach Aix-en-Provence waehrend seine Mutter mit den "Medecins Sans Frontiers" im Buergerkrieg in Darfour weilt. Als Ned die alte Kathedrale besichtigt, trifft er Kate Wenger, eine Austauschschuelerin aus New York, attraktiv - und eine Streberin, die Ned als wandelndes Geschichtsbuch zur Seite steht. Sie werden im aeltesten Teil der Kirche von einem mysterioesen Mann ueberrascht, der sie mit einem Messer bedroht und warnt sie seien in eine sehr alte Geschichte hineingestolpert, die keinen Platz fuer Kinder hat. Aber natuerlich werden sie dennoch in eine uralte Fehde mit reingezogen, eine Geschichte mit mythischen Figuren, Liebe und Lebensgefahren fuer alle Beteiligten. Verknuepft wird diese uralte Geschichte mit Neds Familiengeschichte, die auch einige unausgesprochene Geheimnisse birgt.


    Autor


    Guy Gavriel Kay wurde 1954 in Weyburn, Saskatchewan, Kanada, geboren. Nachdem der kandadische Autor Michael Tolkien bei der Herausgabe des Silmarillion geholfen hatte, beschloß er, selbst Fantasy zu schreiben. Während seine erste Trilogie "A Fionavar Tapestry" sich stark am tolkienschen Stil orientiert, sind seine späteren Werke nahe am historischen Roman angesiedelt. Dabei zeichnet sich der ehemalige Anwalt durch genaue historische Recherchen aus, und vermutlich fließt auch die Tatsache in die Bücher mit ein, daß er sie meistens am Ort seiner Inspiration (in Europa) schreibt.


    Meine Meinung


    Ich sollte vorweg sagen, dass ich normalerweise keine Fantasy lese. Guy Gavriel Kays Buecher sind da die grosse Ausnahme fuer mich. Zum einen, weil er auch historische Fantasy schreibt, die sehr gut recherchiert ist. Zum anderen wegen seiner sehr schoenen Sprache. Und in seinem letzten Roman The Last Light of the Sun waren die Fantasy Elemente sehr zurueckhaltend und fuer mich daher das i-Tuepfelchen auf einen hervorragenden historischen Roman.


    In seinem neuesten Buch steht die Gegenwart im Vordergrund. Da webt Kay dann ueber 2000 Jahre Geschichte der Provence mit rein. Diese Geschichte wimmelt aber nur so von Fantasy und sagenhaften Figuren, Geistern, Druiden und mythischen Ritualen. Diese Verbindung ist Kay ausgezeichnet gelungen. Ebenso die Verbindung zur eigenen Familiengeschichte der Hauptfigur des 15jaehrigen Ned.


    Zur Verdeutlichung des Kontrastes Gegenwart - mythische Geschichte eignet sich ein Teenager natuerlich besonders gut, der mit iPod, emails und moderner Rockmusik ausgestattet wird. Stellenweise kommen diese Kontraste sehr humorvoll herueber, so dass ich beim Lesen einige Male laut lachen konnte. Manchmal wird es einem beim Lesen aber auch schon etwas zu viel und zu ueberzogen.


    Man merkt diesen Kontrast auch in Kays Schreibstil. Seine Sprache wirkt moderner und etwas weniger poetisch als in seinen anderen Buechern. Es ist hier aber absolut passend und bleibt dabei weiterhin Kays Schreibstil treu.


    Die Charaktere werden sehr gut gezeichnet auch wenn sie aufgrund der fuer Kay eher wenigen Seiten nicht so tief entwickelt werden koennen, wie Kay das in seinen anderen Romanen schafft. Dies trifft insbesondere auf die mythischen Figuren aus der Vergangenheit zu, die eher schablonenhaft bleiben.


    Mir hat dazu vor allem gefallen wie spannend das Buch ist. Ich konnte es kaum aus der Hand legen und hatte es in wenigen Tagen durch. Das glich fuer mich dann die fuer meinen Geschmack doch zu Ueberhand nehmenden Fantasy Elemente aus.


    Fazit: Ein gelungener Roman, der mit viel Spannung Gegenwart, Geschichte und Fantasy verbindet. Ein paar kleinere Schwaechen machen ihn nicht weniger empfehlenswert. Und dafuer muss man kein eingefleischter Kay Fan sein :-)

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Schöne Rezension, liebe Beatrix! Na geh, Du solltest mir doch nicht zu viel Lust auf das Buch machen. Das war wohl nichts. :-]


    Obwohl ich schon dazusagen muß, daß ich so einem Plot ausweichen würde, wenn er nicht vom lieben Kay stammen würde. So aber bin ich nun sehr gespannt darauf, wie sich diese so ganz andere Geschichte von ihm lesen wird und freue mich sehr darauf.

  • Jetzt habe ich "Ysabel" endlich gelesen. Was für ein wundervolles Buch! Ich gestehe, ich war anfangs etwas enttäuscht als ich gehört habe, daß er diesmal in unserer Welt bleibt, wo er das doch so wunderschön macht, seine eigenen Welten nach dem Vorbild unserer Geschichte zu formen. Doch habe ich ihm unrecht getan, ihm, der einer meiner Lieblingsautoren in diesem Genre ist. Der Zugang ist hier ein anderer, aber die Methode ist exakt die gleiche. Das habe ich spätestens in der Szene gemerkt, als "es" losgeht und ich mich irrsinnig konzentrieren mußte, aus den Dialogen des "trios infernal" herauszulesen, wer sie wann waren. Schön gemacht, denn ich bin mir sicher, daß Kay für alles davon etwas in der Geschichte der Provence und Umgebung gefunden hat, was er auf seine Weise verwendet hat.


    Es stimmt schon, ein bißchen vage bleiben sie, die Drei, aber ich glaube, das ist eigentlich beabsichtigt. Gestört hat es mich nicht, es war insofern anregend, als daß ich am liebsten bei Kay ein Prequel in Auftrag geben würde, da ich sie faszinierend gefunden habe, besonders die beiden Männer, so daß ich gern mehr über ihre früheren Leben erfahren hätte.


    Ned und die Seinen fand ich sehr sympathisch. Es hat mir gut gefallen, daß er nicht allein oder mit Kate das Abenteuer durchgelebt hat, sondern daß die Erwachsenen seines Umfelds ebenfalls von Anfang an mit einbezogen waren.
    Und was für eine entzückende Überraschung von Kay für treue Fans!



    Der Stil hat mir auch gut gefallen, weil er den anderen Zugang Kays zu seinem Lieblingsspiel Geschichte in Fantasy umzumünzen sehr schön wiedergespiegelt hat, die Sprache der Internetgeneration in einem sehr alten und sehr mystischen Umfeld. Auch wenn ich absolut kein Problem damit hätte, jedes Jahr ein Buch nach dem Muster der geliebten alten zu bekommen, ist es doch auch schön zu sehen, daß Kay noch eine Menge Entwicklungspotential hat.


    Auch wenn es wohl wieder viele Jahre dauern wird, bis wir einen Roman von ihm bekommen, ich kann es jetzt schon kaum erwarten.

  • Hi Grisel!


    Na das ist ja was, erst warst du so zoegerlich diesen Kay ueberhaupt in die Hand zu nehmen ob des eher modernen Plots und zu wenig Fantasy - und dann verteilst du volle Punktzahl ;-)


    Deine Spoiler sind interessant, obwohl ich dazu gar nichts sagen kann, weil ich die ersten Buecher ja immer noch nicht gelesen hab. Und mich immer noch nicht rantraue - weil sie fuer mich zu sehr Fantasy sind ...

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Tja, der liebe Kay hat mich halt wieder mal erneut davon überzeugt, warum er in der Fantasy bei mir ganz oben steht. :-]
    Ich finde es auch schön, daß er mich immer wieder erstaunen kann.


    Zu den Spoilern.


    Falls Du die Vorgeschichte wissen willst:


    Das ganze ist halt ein Zuckerl für Altfans, wobei Neulinge dann eben vielleicht ein Ahaerlebnis haben, wenn sie doch die alten Kays mal lesen.

  • Wenn man alle lesen will, fände ich es am sinnvollsten, es in der Entstehungsreihenfolge zu lesen, weil man dann so richtig schön sehen kann, wie er sich entwickelt. Aber, so sehe das halt nur ich:


    -Fionavar - sehr nette Fingerübung, siehe erster Spoiler oben


    -Tigana - auch nett, aber hat mich noch nicht so begeistert


    -Arbonne - liebe ich


    -Al-Rassan - detto


    -Sarantium - vielleicht nicht so eingänglich und leicht liebbar, aber objektiv betrachtet der Höhepunkt seines Schaffens bisher


    -Last light of the sun - ein leichter Rückschritt, aber auch sehr gut


    -Ysabel - der nächste Höhepunkt, weil er hier ganz neue Wege eingeht

  • Ich hab ausserhalb jeglicher "Reihenfolge" gelesen und das geht gut, da eben nicht alle Buecher aufeinander aufbauen sondern eigenstaendig da stehen. Das gilt zumindest fuer:


    - Die Fuersten des Nordens/The Last Light of the Sun
    - Tigana
    - Ysabel


    Die hab ich in genau dieser Reihenfolge gelesen, also recht quer zum Erscheinungdatum und das macht bei diesen gar nichts aus :grin Ysabel ist noch nicht auf deutsch erschienen.


    Es gilt aber auch fuer diese Einzeltitel, die ich selber aber noch nicht gelesen hab, aber auf meinem Programm stehen. Ich glaub bei diesen Titeln ist es schwierig die deutschen Uebersetzungen im Buchhandel zu finden, sollten aber antiquarisch (booklooker, ebay ...) aufzutreiben sein.


    - Ein Lied fuer Arbonne
    - Die Loewen von Al-Rassan


    Es gibt dann noch 2 Buchreihen, wo man innerhalb der Reihe die Reihenfolge beachten sollte:


    * Fionavar - ist eine Trilogie, vom Stil wie "Herr der Ringe" wird mir gesagt
    * Sailing to Sarantinum - auch eine Trilogie


    "Die Herren von Fionavar" sind uebersetzt worden, weiss aber nicht ob sie schon oop sind. Sarantinum ist meines Wissens nach nicht uebersetzt worden. Oder weisst du was davon Grisel? Wenn, so sind auch diese nur noch antiquarisch aufzutreiben.


    Auf englisch sind alle bestellbar. Guy Gavriel Kay hat eine sehr schoene Sprache. Fuer jemanden, der gerade beginnt Buecher auf englisch zu lesen, wuerd ich sie nicht empfehlen, aber mit etwas Uebung sind sie gut zu lesen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Stimmt natürlich, die Bücher stehen eigentlich für sich. Das zu erwähnen hatte ich vergessen. Nur ist es gerade bei "Ysabel" nett, vorher "Fionavar" gelesen zu haben, aber kein Muss.


    Zitat

    Original von Beatrix
    [B]* Fionavar - ist eine Trilogie, vom Stil wie "Herr der Ringe" wird mir gesagt


    Nicht ganz. Eher eine nette, gut gemeinte Kopie, wobei Kay durchaus auch eigenes eingebracht hat. Aber das Vorbild ist deutlich erkennbar.


    Zitat

    Sarantinum ist meines Wissens nach nicht uebersetzt worden. Oder weisst du was davon Grisel? Wenn, so sind auch diese nur noch antiquarisch aufzutreiben.


    Wurde übersetzt und natürlich gesplittet. Aus 2 mach 4:


    Das Komplott
    Das Mosaik
    Der Neunte Wagenlenker
    Herr aller Herrscher


    Auf Deutsch scheint mir Kay aber fürchterlich OOP zu sein.


  • Die habe ich mir nach Empfehlung von Christoph Hardebusch (in der Troll-Leserunde) antiquarisch gekauft, alle in prima Zustand. :-) Nur die Zeit zum Lesen finde ich nicht so richtig. :rolleyes


    Ja, Bücher von Kay sind auf Deutsch meist vergriffen bzw. nicht lange lieferbar.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich konnte der Leseprobe zu "Ysabel" nicht widerstehen und da ich leider nicht weiß, ob amazon.uk auch zu den günstigen Preisen nach Deutschland liefert, habe ich tatsächlich die geforderten 18,95 von amazon.de akzeptiert... :-(