Das Geheimnis des Cagliostro – Michael Schneider

  • Gebundene Ausgabe: 704 Seiten
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch, erschienen im Februar 2007


    Handlung:
    Klappentext:
    Es beginnt mit dem Ende: Im Jahr 1791 macht der Großinquisitor Zelada dem Grafen Cagliostro den Prozess. Der vom europäischen Adel hofierte, von den Massen geliebte und von den Brüdern seiner ägyptischen Loge verehrte »Großkophta« schweigt zumeist bei den Verhören, doch seine »Bekenntnisse, von eigener Hand in der Bastille verfasst« geben beredte Auskunft über ein atemberaubendes Leben, das immer am Abgrund entlangläuft und Zelada zunehmend in seinen Bann schlägt. Von frühester Jugend an hat Cagliostro seine Mitmenschen zu bezaubern und zu täuschen gewusst und es damit weit gebracht. Im Duktus eines Schelmenromans erzählt Michael Schneider vom unwahrscheinlichen Aufstieg eines Gossenjungen aus Palermo, der als Giuseppe Balsamo zur Welt kommt, zum gefeierten Heilkundigen und Logenvorsteher wird, immer in der Gefahr aufzufliegen und immer aufs Neue wagemutig und vom Schicksal begünstigt. Ein Leben an der Seite seiner Komplizin, der Gräfin Serafina, das in der sogenannten »Halsband-Affäre« gipfelt - und ein pralles Sittengemälde des 18. Jahrhunderts. Michael Schneider erzählt von einem Getriebenen, der sich nicht abfindet mit seiner Herkunft, sondern Großes wagt, viel gewinnt und alles zu verlieren droht. Ein Rebell mit guten Gründen, der sich gegen den Klerus auflehnt, die Vornehmen und Reichen prellt und seine Heilkunst für die Armen einsetzt, die er unentgeltlich behandelt. Ein Mann, der immer wieder seinen Kopf aus der Schlinge zieht - bis die Inquisition zuschlägt.


    Leseprobe:
    http://www.schneider-michael-s…robe_Cagliostro-Roman.pdf


    Zum Autor:
    Michael Schneider, geb. 1943 in Königsberg, studierte Naturwissenschaften, anschließend Philosophie, Sozial- und Religionswissenschaft. 1974 Promotion über Marx und Freud. Lektor, Journalist, Schauspieldramaturg, Professor an der Filmakademie in Ludwigsburg, Mitglied des PEN-Zentrums, des akademischen Beirats von Attac Deutschland und des magischen Zirkels.
    Einen Überblick über seine zahlreichen Veröffentlichungen, Essays, Romane, Novellen und Theaterstücke bietet seine Homepage: www.michael-schneider-schriftsteller.de


    Meine Meinung:


    Der selbsternannte Graf von Cagliostro existierte wirklich. Eine wahrhaft schillernde Persönlichkeit, dem der Autor sympathische und unsympathische Wesenszüge zuspricht und ihn damit nahe an den Leser heranführt.


    Michael Schneider folgt den realen Lebensdaten des Grafen Cagliostro:
    - 1743 Geburt (als Giuseppe Balsamo)
    - In Sizilien aufgewachsen
    - früher Eintritt ins Kloster
    - Gehilfe eines Apothekers
    - Reisen in diverse Länder
    - Heirat mit Lorenza Feliciani
    - 1776 Eintritt in Freimaurerloge
    - 1785 Halsbandaffäre und Einkerkerung in die Bastille
    - 1789 von der Inquisition verhaftet
    - 1795 Tod
    Michael Schneider springt in diesen Zeiten natürlich hin und her und erzeugt dadurch einen rasanten Ablauf.


    Die Sprache des Romans erinnert an den typischen Schelmenroman, z.B. auch an den Hochstapler Felix Krull von Thomas Mann gewürzt mit Bocaccios Decameron
    Die Lebhaftigkeit in Michael Schneiders Roman lassen die Seiten nur so dahinfliegen.


    Der Großinquisitor Zeleda liest Cagliostro Aufzeichnungen, in denen er von der Geburt an seinen Werdegang zum selbsternannten Grafen, gefeierter Heilkundiger und Logenvorsteher der Freimaurer schildert.
    Die Entwicklung von Cagliostro, eigentlich Giuseppe Balsamo, vom Gassenjungen zum kleinen Betrüger bis zum erfolgreichen Hochstapler wird ausführlich dargestellt, seine Neigung war allerdings von Anfang an vorhanden.
    Trotzdem sind die diversen Bilder von Cagliastro sehr unterschiedlich. Als jugendlicher wurde er in der Zeichenschule aufgrund seiner ärmlichen Kleidung verspottet,
    Als Gast des Kardinal Rohan auf Schloß Zabern in Straßburg, wo er einige Beispiele seiner hellseherischen Kräfte gibt, ist sein Auftreten inzwischen prächtig und großspurig.
    Ein langer Entwicklungsweg liegt dazwischen. Das so ein Charakter auch zahlreiche Begabungen hat, ist logisch. Er hat die Seele eines (verhinderten) Künstlers und neben der finanziellen Notwendigkeit ist seine Hochstapelei auch sein Lebenswerk. Zudem beschäftigt er sich mit so vielen Dingen auch viel mit medizinischen, künstlerischen und (pseudo)philosophischen Dingen. Einige Berichte seiner Erfolge als Scharlatan sind im Roman als Zeitungsartikel eingestreut. Seine Karriere gipfelt in der berühmten Halsbandaffäre, in die Marie Antoinette verwickelt war.


    Auch sehr wichtig für das Buch sind Inquisitor Zeledas Reaktionen auf Cagliostros Tagebuch, das ihn bei aller Abscheu aufwühlt, verzaubert, sogar verführt. Da stehen die Gefühle des Lesers doch tatsächlich manchmal in einem Einklang mit denen eines Inquisitors, den Michael Schneider doch realistisch entwirft. Unglaublich!
    Zwischen den Kapiteln des Tagebuchs sind auch immer wieder die Protokolle der Verhöre Cagliostros durch den Inquisitor geschaltet.


    Ein wuchtiges, monumentales Leseerlebnis!


    Lux in tenebris *


    *Licht in der Finsternis

  • Gratulation auch von mir, zu der gelungenen Rezension.
    Bis jetzt habe ich die ersten zweihundert Seiten gelesen und muss sagen: Ich bin enttäuscht!
    Zum Einen, weil bis jetzt noch nichts Unerwartetes geschehen ist, außer, dass im Italien des 18.Jahrhunderts der Johannestag im Dezember gefeiert wird und das Johannesfeuer bei zur Sommersonnenwende brennt. Aber es ist ja möglich, dass es früher mehrere Feiertage zu Ehren Johannes des Täufers gab. Nur, dass der heilige Blasius in Palermo als Schutzpatron der Blase (!) galt, während wir hier an seinem Namenstag den Hals gesegnet bekamen, das kaufe ich dem Autor nicht ab. Aber gut, das sind ja nur Kleinigkeiten.
    Was mich wirklich gestört hat, war die Schnitzeljagd durch Rom, inclusive aller fremdenführertauglichen Sehenswürdigkeiten, die in dem Besuch beim "Munde der Wahrheit" gipfelt, wo er sich doch tatsächlich nicht den "abgebissenen Arm" verkneifen konnte. Mamamia! Wer hätte nicht "Ein Herz und ein Krone" mit Audrey Heppburn und Gregory Peck gesehen? Und warscheinlich war der Gag damals schon nicht mehr neu!
    Überhaupt dieses Herumgescheuche durch die Stadt hat mich sehr gestört. Von Romantik keine Spur.
    Oje, jetzt habe ich aber viel geschimpft :fetch Und ich bin sehr froh, dass ich das alles loswerden konnte. Also nochmals danke für die Rezi.
    Vielleicht ist dieser Roman eher ein Männerbuch?
    Könnte mich eventuell jemand überzeugen es weiterzulesen?
    Kann sein, dass meine Erwartungen einfach zu hoch waren, nach den großspurigen Ankündigungen und dem Lobgesang auf den Autor.