Schöne Verhältnisse - Edward St Aubyn

  • Na, das sind ja wirklich schöne Verhältnisse in dieser Familie. Mich hats gegraust und ich habe mich geschüttelt.


    Ich kann noch nicht einmal sagen, daß dies ein "gutes Buch" ist, denn die Schilderung dessen, was sich hier ereignet (und das vor dem Wissen, daß der Roman durchaus autobiographische Züge trägt!), läßt mich schaudern.


    Sodom und Gomorrha ist echt Dreck gegen diese Zustände. Vornehme Herablassung gepaart mit allen möglichen Süchten. Schlechtes Benehmen gegen sich selbst und andere und was das übelste ist: Physische und psychische Mißhandlung des Sohnes.


    Wo bin ich da nur hineingeraten. :yikes


    Muß man sich so was antun? Nein, das muß man natürlich nicht. Das Buch ist auch ganz gewiß nicht im herkömmlichen Sinn als "gut" zu bezeichnen und es gibt Tage, an denen ich mir kein "solches" Buch antun kann und möchte.


    Dennoch ist das Buch ungemein lesenswert, auf eine abschreckende Art und Weise. Die Protagonisten sind - obwohl zu upper class gehörend - derart asozial, daß es schon verstörend ist.


    Ein interessantes Buch ist das. Ein Lehrstück der menschlichen Abgründe. Nichts für jeden Tag - aber dennoch lesenswert. Ich denke, wenn ich den Nachfolger ebenfalls in die Hände bekommen, werde ich ihn auch lesen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Rabenschwarzer Humor steht auf den Klappentext - konnte ich nicht finden. Muß ein Druckfehler sein- rabenschwarzer Horror triffts besser. Ein Buch bei desem Lesen kein Lesevergnügen aufkommt- das Buch soll keines erzeugen. Ein Buch das ich trotzdem zuende gelesen habe, weil es gut geschreiben ist, interessant zu lesen ist - aber einen Inhalt hat, der starke Nerven braucht um nicht laut zu brüllen: Nein, so geht da nicht!

    Zitat

    Original von Batcat
    Dennoch ist das Buch ungemein lesenswert, auf eine abschreckende Art und Weise. Die Protagonisten sind - obwohl zu upper class gehörend - derart asozial, daß es schon verstörend ist.


    Ein interessantes Buch ist das. Ein Lehrstück der menschlichen Abgründe. Nichts für jeden Tag - aber dennoch lesenswert. Ich denke, wenn ich den Nachfolger ebenfalls in die Hände bekommen, werde ich ihn auch lesen.


    :write Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • Püüh, obwohl nur 188 Seiten lang, ein sehr anstrengendes Buch.
    Vorallem vor dem Hintergrund, dass es sich quasi um eine Autobiographie handelt, kann einem wirklich nur das Grausen packen.


    Hinter einer Fassade von Reichtum und Interlekt tummelt sich so alles an "Abartigkeiten", was mir erdenklich erscheint.


    Das, was Sohn Patrick dort an einem Tag erlebt/erleidet, ist so schockierend, dass es nicht verwundert, dass er später zu Drogen griff.


    Nachdem ich es eigentlich schon nach etwa 60 Seiten aus der Hand legen wollte, hatten die Ereignisse dann doch so einen Sog entwickelt, dass ich weiter lesen musste.


    Auch ein Kompliment an den Autor. Dieses in so komprimierter Form auf den Punkt zu bringen, ist schon eine herausragende Leistung.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Ich hab mir die drei im englischen sammelband gekauft, der sich da 'Some Hope - A Trilogy' nennt; innen drinnen sind 'Never Mind', 'Bad News', und eben 'Some Hope'.
    Ich häng noch immer in 'Never Mind' im zweiten drittel, weil die figuren nicht wirklich sympathisch sind.


    Was, schon wieder unbekannt? Das unding wurde im Picador-verlag verlegt, und hat die ISBN 0330435888, die hierzuland unbekannt ist.


    Hier isses im ausland-amazon

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • So, ich hab zumindest den Never Mind - Teil ausgelesen, und bin jetzt endlich bei Bad NEws angekommen... ich muss sagen, nach der erzählung des ersten bands, die eigentlich nur den horriblen dinner-tag beinhaltete, wirds jetzt interessanter... nun ja, ein unsympathler als leiche gleich am anfang, es kann gar nimmer schlecht werden :grin


    HEHE nach dem 7. Edit, ist oben das buch aufgetaucht... die vier am schluss der zehnernummer wars! die dreizehnernummer hat drei achten am schluss... das verstehe, wer will :rolleyes

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


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  • Wunderbar, es ist vollbracht:
    die Trilogie entpuppte sich nach dem zweiten band als durchaus steigerungsfähig:


    Zeitlich beschreibt das buch gerade mal ein, zwei tage pro band, lässt aber kaum fragen über den werdegang und die charakterisierung der in verschiedenen nebensträngen beobachteten personen offen, ist also sehr ökonomisch gehalten.


    Ich hab mich zuerst gefragt, wie man auf die beschreibung 'hilarious' und 'witty' am einband kommt, die rezensionen scheinen von leuten zu stammen, die das buch nicht wirklich gelesen haben:


    NEVER MIND: Der erste teil und die dortigen konversationen beschrieben nur die klägliche mittelmässigkeit der berauschten teilnehmer, ist eher schockierend.
    BAD NEWS: Der zweite teil ist mit der wenig erbaulichen haupthandlung und den teils kuriosen, teils ekelhaften nebeneffekten des drogenkonsums gespickt, die mehr tragisch als komisch sind.
    Erst SOME HOPE, der dritte teil, ist 'nüchtern' und gibt dem leser das gefühl amüsante und 'witty' dialoge mitzuerleben, wie am cover versprochen. Es sind viele kleine weise erkenntnisse und allzumenschliche betrachtungen auf einer schnur aufgereiht, die ihn durchaus lesenswert machen, und der krönende abschluss des buchs sind.


    Zuguterletzt hab ich unter all den unsympathischen und unsympathsicheren figuren doch noch einen lieblingscharakter gefunden, Anne Eisen, die mir trotz aller zwischenmenschlicher schwäche als mittelklassephilosophin am nächsten steht, aber sie gehört nicht wirklich in die beschriebene upper-class,


    ...uups, spoiler für nochnichtgelesenhabende... :wow
    ...genauso wie wohl teilweise der INHALT der drei bücher:


    NEVER MIND, der erste teil, beschreibt die gäste, die sich zu einer dinnerparty im provenzalischen ferienhaus der familie Melrose einfinden, und darunter auch, wie in dieser von diversen süchten geprägten umgebung

    Ich fand das einfach skandalös. :fetch


    BAD NEWS, der zweite teil, handelt davon, dass der inzwischen 22jährige, schwer drogenkranke Patrick die asche seines vaters in New York abholt, wo dieser in einem hotel plötzlich verstarb. (Es wird irgendwie nicht erklärt, wie der mann, der sich seine letzten lebensjahre nach seiner scheidung verarmt in einem südfranzösischen haus eingesperrt hatte, von dort zum sterben wieder hinaus nach New York kam, aber angesichts der wirrnisse des lebens der hauptfigur/des autors, entschuldbar.) Das leben des 22jährigen dreht sich fast ausschliesslich um die frage, wann er sich den nächsten schuss setzt, und wie lange sein vorrat an pulvern, tabletten und spritzen wohl reichen wird, und wo er mehr herkriegt. Kurz: degoutant. :yikes


    SOME HOPE, der dritte teil, ist ein wiedersehen der noch lebenden/ überlebenden figuren der ersten beiden teile, die sich auf einem englischen landsitz zu einem riesendinner unter dem vorsitz der Prinzessin Margret einfinden, das eine der drei frauen vom ersten dinner für ihren fremdgehenden mann gibt, der sich mit dem gedanken trägt, sich von seiner alten frau scheiden zu lassen und ein von ihm geschwängertes junges topmodel zwecks männlichen erben zu heiraten. Patrick, inzwischen dreissig, wagt er es endlich sich seinem engsten drogenfreund anzuvertrauen, und beendet somit den einsamen, inneren kampf gegen seine erinnerungen. :-)


    Das vielleicht schockierendste in dem buch ist, dass Patrick zum schluss kommt, der lange emotionale, innere kampf gegen seinen vater hat ihn stark gemacht. - Und das war genau der gedanke des bösartigen, desillusionierten vaters,

    Eine nützliche lektion, die seinen sohn auf das leben vorbereiten sollte, etwas, das er ihm mitgeben kann, und das ihm in allen weiteren wirrnissen gewiss erhalten bleibt. In die richtung: was dich nicht umbringt, macht dich stark. :wow
    facit: ein bösartiges buch, aber am schluss bleibt das deutsche wort, das Patrick suchte: ein 'Hoffnungsschimmer', dass er darüber letztendlich hinwegkommen wird.


    EDIT... ich hoff, jetzt sind alle tippfleher weg

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


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    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Was für ein Buch!
    Völlig vorurteilsfrei bin ich daran gegangen, es zu lesen, habe ich es doch nur gekauft, weil dem kleinen Kind das Cover mit den Angelhaken und Blinkern so gut gefallen hat.
    So rechnete ich denn auch mit einer bösen, aber harmlosen Familiengeschichte und war dann, als sich die Handlung völlig anders entwickelte, sofort gefesselt.
    Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist David, zynischer, weil auf allen Gebieten erfolgloser Aristokrat, der nun, da er dank der Apanage seiner neurotischen Frau ein luxuriöses Leben führen kann, nichts weiter im Sinn hat, als seine gesamte Umgebung zu unterwerfen. Dafür schreckt er auch vor den schlimmsten Methoden nicht zurück.



    Die Geschichte wird dabei völlig unaufgeregt erzählt, und ich zumindest fand auch einiges an schwarzem Humor darin. Der Inhalt allein ist es, der einen mit voller Macht niederstreckt, und die Andeutungen in dem Buch


    ließen mich Schlimmstes befürchten.


    Erst als ich hier las, dass es sich um einen zumindest autobiographisch beeinflussten Roman handelt und mich über die Hintergründe informierte, begann ich die Geschichte unter ganz anderen Gesichtspunkten zu betrachten. Ich verstand plötzlich das Verständnis, dass zwischen den Zeilen aufblitzte, den Witz, mit dem man eine solche Geschichte schreiben kann, und freute mich wie Bolle, dass es im richtigen Leben offensichtlich sowas wie ein Happy End gibt.


    Ein verstörendes, aber absolut lesenswertes Buch!


    spätes Edit hat einen fiesen Spoiler entdeckt, den ich nun behoben habe

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

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  • Hm... Entgegen meiner Haltung nach Beendigung dieses Buches, glaube ich, dass ich nun doch, zumindest den zweiten Teil, noch lesen werde. Irgendwie reizt es mich sehr zu erfahren, wie der Protagonist selbst den Weg in die Normalität gefunden hat.

  • Ich hab jüngst dasda gelesen: wenn sich jemand besser unterhalten und weniger verstören lassen will, ist das die bessere wahl :grin
    On the Edge - Edward St.Aubyn

    DC :lesend


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  • Mir war vor dem Lesen absolut nicht bewußt, daß es sich bei "Schöne Verhältnisse" quasi um die Aufarbeitung der eigenen traumatischen Vergangenheit des Autors handelt, vielmehr dachte ich, es werde sich um einen Fall von Literatur mit rabenschwarzem Humor handeln.
    Weit gefehlt, man braucht schon starke Nerven, um die 188 Seiten zu Ende zu lesen, spätestens ab der Szene zwischen Vater und Sohn überkam mich heftiger Widerwille, überhaupt weiterzulesen über diese durch und durch pervertierte, kranke und asoziale Clique.
    Einzig Anne erschien mir halbwegs normal, ansonsten haben ja alle ordentlich einen an der Waffel, daß es nicht mehr christlich ist. Leidtragender ist der Sohn Patrick, wohl das Alter Ego von St Aubyn.
    Wäre es fiktive Literatur, würde ich sagen, überzeichnet und zu dick aufgetragen, mit dem autobiographischen Hintergrund hingegen finde ich es einfach nur schockierend und tieftraurig.
    Keinesfalls werde ich mir die weiteren Teile zu Gemüte führen, solche Aufarbeitungsliteratur zieht mich ungemein runter.

  • Der deutsche Titel Schöne Verhältnisse beschreibt schon sehr gut den zynischen Grundton dieses Buches. Schön sind die Verhältnisse in der Familie Melrose nur an der Oberfläche. Sie lebt in einem wunderschönen Landhaus in Südfrankreich, haben Geld und berühmte Freunde. David Melrose, der Vater der Familie, macht diesen Traum jedoch zu einem Alptraum. Sein Sadismus zeigt sich bereits in der grandiosen Eingangsszene, als er eine Hausangestellte zwingt ein freundliches Gespräch mit ihm zu führen, während sie schwere Wäsche trägt. David Melrose Sadismus ist kultiviert und glatt und darum um so schlimmer. Seine Frau zwingt er verdorbene Früchte mit dem Mund vom Boden zu essen und seinen Sohn vergewaltigt er als Strafe für eine Lappalie.
    In St Aubyns Roman wird ein einiziger Tag im Leben der Familie beschrieben. Die Figurenkonstellation erinnert an ein Kammerstück. Alles läuft auf ein abendliches Dinner mit Freunden hinaus, wiederum eine einzige Inszenierung von Davids Menschenhass. David Melrose ist der wirklich bösartige Charakter dieses Romans, aber auch die anderen Charaktere sind kaum besser. Fast alle scheinen die Angehörigen der englischen Upper Class vollkommen frei von moralischen Überlegungen zu sein. Einziges Ziel ist es den guten Ton perfekt zu treffen.
    St Aubyn zieht einen in eine wahnwitzige Welt von Snobismus, Ennui und vollkommenem Desinteresse an anderen Menschen. So sind die Berichte über Davids Verhalten gegenüber seiner Frau für die Beteiligten nicht viel mehr als pikante Anekdoten.
    Das könnte so unerträglich sein, dass man es nicht schafft, dieses Buch zu lesen, aber St Aubyn balanciert seinen Roman aus, mit einem scharfen, bösen Humor. Man schwankt zwischen Lachen und Grauen.
    Ein phantastischer Roman, mit das beste, was ich in letzter Zeit gelesen habe.