ZitatOriginal von Tom
Die Erklärung für die Existenz des ganzen, die man "Gott" nennt oder "Götter" (der monotheistische Ansatz ist ja einer der jüngsten), hat Jahrtausende auf dem Buckel. Sie ist an keiner Stelle schlüssig, nicht beweisbar und zu guten Teilen sogar widerlegt; es ist schlicht eine fixe (aber nutzbringende) Idee, die von Leuten stammt, die sich mit Felsbrocken die Schädel eingeschlagen haben. Nebenbei liefert diese Idee eine gute Rechtfertigung für jede Menge Regeln, Rituale - und damit für Machtkonstruktionen. Als Bonbon für die drangsalierten Gläubigen hielt sie das (auch noch von niemandem fotografierte) Paradies bereit, deshalb sind sie auch heute noch dazu bereit, dieser Idee zu folgen - die sie als Kinder von ihren Eltern eingeimpft bekommen haben.
Diese Argumentation ist in ihrer Polemik albern.
Offenbar fand und findet die Mehrzahl der Menschen auf diesem Planeten die Erklärung, dass eine göttliche Kraft hinter der Welt steht oder gar permanent in ihr wirkt, durchaus schlüssig. Sind die alle dumm und nur Du und Deinesgleichen seid klug? Objektiver wäre es, den Atheismus ähnlich der Überfettung als Zivilisationskrankheit zu begreifen.
Für viele Gläubige ist diese "fixe Idee" nur dann "nutzbringend", wenn Gott wirklich existiert - ansonsten verschwenden sie viel Lebenszeit oder riskieren sogar ihr Leben - gerade in totalitären Staaten wie etwa dem stalinistischen Russland war es lebensgefährlich, einer Religion anzuhängen. Auch heute noch ist die Religionszugehörigkeit ein Hauptmotiv für Verfolgung - auch und gerade in Ländern, die auf einer atheistischen Staatsphilosophie fußen.
Dass eine Religion das Leben ihrer Anhänger prägt und dadurch auch "Regeln und Rituale" und durchaus auch "Macht" konstituiert, ist ganz selbstverständlich. Das liegt aber weniger in der Existenz Gottes begründet als darin, dass jede Überzeugung dies tut (wer überzeugt ist, dass Fleisch ungesund ist, wird der Regel folgen, sich vegetarisch zu ernähren; je nach Grad seiner Überzeugung wird er auch andere an seinem "Wissen" teilhaben lassen wollen, also "missionarisch" tätig sein). Umso mehr gilt das für Ideologien - auch und gerade für atheistische. Siehe Hitler, Mao, Stalin.
Auch das Gewaltmonopol liegt nicht bei Gläubigen, im zwanzigsten Jahrhundert war es eher umgekehrt. Beispielsweise den jüdischen Glauben als "Wurzel der Gewalt" hinzustellen angesichts der Ereignisse Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, wo eine atheistische Ideologie sich die "Austilgung" seiner Anhänger auf die Fahnen geschrieben hatte, wäre infam.
Richtig ist auch, dass kulturelle Prägung und Elternhaus einen wesentlichen Einfluss auf die Religion eines Menschen haben, aber es gibt so viele Beispiele, in denen die Religion gewechselt wird, dass man sie nicht als Einzelfälle abtun kann. Auch in diesem Thread wurde davon berichtet. Die monokausale Erklärung "Eltern katholisch = Kind katholisch" greift viel zu kurz.