Mediale Geschichtsfälschung - lassen wir uns von Verleumdungen manipulieren?

  • Zitat

    Original von churchill
    Mich würde (unabhängig vom Fall Filbinger) interessieren, wie du "Nazi" definierst bzw. wen du unter diesen Oberbegriff einordnest ...



    Nazis sind für mich die Menschen, die mitgemacht haben, entweder in verantwortlicher Position oder die als Mitläufer weggesehen haben und die auch heute noch die "Errungenschaften" des Dritten Reiches hochhalten und die auch noch die Ausschwitz-Lüge das Wort reden und und und.....


    Aber lass uns diese Diskussion beenden - es bringt nichts. Hier habt Eure Meinung, ich habe meine Meinung. Guten Abend.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Meinung bildet sich. Oder wird gebildet. Ich versuche zumindest, die Meinung anderer zu verstehen und frage deshalb nach ... Das Spektrum, das du schilderst, ist riesig ...

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Es ist im Grunde ja nicht von Bedeutung, ob Filbinger de jure ein "Nationalsozialist" war oder nicht. Es geht darum, wie weit er in dieser Zeit Verantwortung übernommen und Entscheidungen getroffen hatte und mit welchen persönlichen Freiräumen diese Entscheidungen verbunden waren. Dass der eine oder andere mit Filbingers Hilfe durch diese Zeit kam, ist übrigens kein besonders gutes Argument: Aufgrund persönlicher Kontakte und anderer Bedingungen wurden selbst von höchsten Amtsträgern - z.B. Goebbels - Einzelne "gerettet". Goebbels würde deshalb niemand als Widerstandkämpfer bezeichnen. Es geht um eine Gesamtschau der Verantwortlichkeit in diesem System. Und die ist historisch recht gut aufgearbeitet. Außer wohl von Filbinger selbst.

  • Voltaire


    Hm. Nationalsozialisten an Institutionen zu binden ist nicht gleichzusetzen mit der faschistischen Gesinnung. In einigen Fällen ist es notwendig sich auf das Einzelschicksal einzulassen. Das macht vieles nicht besser oder gar gut/richtig, aber verständlicher - und somit für die Nachwelt als Erfahrungsgrundlage wichtig. Um dem Geschehenen versuchsweise für die Zukunft gerecht zu werden, muss ich hinsehen. In alle Richtungen. Wie konnte das so laufen?
    Es ist falsch, die Nazis unterstützt zu haben (sei es aktiv oder passiv), aber ich wüsste nicht, ob ich damals richtig gehandelt hätte. Ich würde es mir wünschen - aber ich weiß um einige meiner Schwächen. Das ist aber ein potentieller Schritt wider den Gesinnugszwang.


    Ich kann deine kalte Wut natürlich verstehen.
    Gerade wenn man den gegenwärtig erstarkenden Anti-Semitismus und die demgegenüber wachsende Gleichgültigkeit (was mich erschreckt) beobachtet, sollte man nicht glauben, Vergangenheit und mit ihr Positionierung sei nicht im ständigen Neuvollzug.

  • Ein sehr lesenswertes Buch:


    Ingo Müller - Furchtbare Juristen

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Liebe/r Eiszapfen,


    ich muss dir gestehen - ich mag Beiträge dieser Art nicht:
    Du belässt es in Andeutungen (was gibt dir genau zu denken und aus in dem Falle aus welchem Grund?), klopfst dir weiterhin mit dem moralischen Fingerzeig selbst auf die Brust. So kommt es jedenfalls bei mir an und das hat für mich nur eine Frage zur Folge: Warum sprichst du etwas an, ohne es auszusprechen?


    Das macht mich nachdenklich.
    Gruß von Waldflaeufer

  • Zitat

    Original von Waldlaeufer
    Liebe/r Eiszapfen,


    ich muss dir gestehen - ich mag Beiträge dieser Art nicht:
    Du belässt es in Andeutungen (was gibt dir genau zu denken und aus in dem Falle aus welchem Grund?), klopfst dir weiterhin mit dem moralischen Fingerzeig selbst auf die Brust. So kommt es jedenfalls bei mir an und das hat für mich nur eine Frage zur Folge: Warum sprichst du etwas an, ohne es auszusprechen?


    Das macht mich nachdenklich.
    Gruß von Waldflaeufer


    Du hast Recht, solche Beiträge, wie der von mir, sind immer etwas anrüchig. Es sollte auch nichts anderes sein als eine spontane Äußerung. Ich stehe genaugenommen sogar vor der Schwierigkeit, mich hier genau zu erklären. Es macht mich nur nachdenklich, wie man einen Mitläufer zum Widerstandskämpfer macht, aber vielleicht war dieser Herr Filbinger ja auch einer der Täter. Und kein Wort in dieser Diskussion zu den unzähligen Menschen die unendliches Leid erlitten haben, die hier geführte Diskussion wirkt auf mich kühl. Ich will hier nicht moralisieren, wie könnte ich das auch.

  • Es ging mir bei dieser Diskussion darum, das ich es nicht für richtig halte einen Mensch der "rechts" eingestellt war, der national eingestellt war und der erklärter Gegner des Nationalsozialismus war, solange dieser noch nicht die Macht hatte und im Krieg Widerstandskreisen nahestand- der aber auch ein ehrgeiziger junger Jurist war, der "etwas werden" wollte- in allem was man ihn vorwerfen kann, in allem was man besonders über die Rolle der Juristen im Dritten Reich sagen kann- einfach ein Etikett anklebt, das zum Beispiel ihn mit dem Mord am jüdischen Volk in Verbindung bringt, das ihn in eine Ecke stellt ausserhalb des eigenen Selbst und damit leicht zu vernichten. Das aber führt dazu aufzuhören mit den Gedanken, die hier auch angesprochen wurden, was hätte ich gemacht in der Situation in der damals diese Personen standen?

  • Liebe/r Eiszapfen
    Danke dir für die erklärenden Worte, verstehe nun mehr, worum es dir geht.
    Zu Herrn Filbinger kann ich wenig Wissenswertes beitragen, da weiß ich nicht genug.
    Aber die vermeintliche Kühlheit würde ich eher als Vorsicht und Unsicherheit empfinden - nicht zuletzt hat sich bestimmt jeder hier gefragt, was die Großeltern oder Eltern, ggf. Geschwister in dieser Zeit geglaubt, getan oder gewünscht haben. Oder wie man selbst sich verhalten hätte. Beowulf hat es auch nochmal angesprochen.
    Wenn ich die Menschen von damals in einen großen Kasten mit der Aufschrift "böse" stecke, verliere ich viel aus den Augen: was sind die unterschiedlichen Hintergründe so gehandelt zu haben; welcher Antrieb bestand, diese Schritte zu gehen...
    Was interessieren mich die Täter?
    Kann man natürlich abweisend fragen.
    Nur glaube ich eben, dass man dann nichts verstanden hat. Und vielleicht im nächsten Atemzug über die Nazis schimpft und selbst in blinder Selbstgerechtigkeit eine faschistische Gesinnung entwickelt.
    Das geht.
    Man trägt halt manchmal dannnur eine andere Farbe.

  • Könnte sich noch einmal jemand daran erinnern, daß ich oben schrieb, daß es für Filbingers Bedeutung im Widerstand Filbingers Wort gibt und sonst keine Belege, für die Todesurteile aber seine Unterschrift? Und einen Toten?
    Sowei eine rexcht verwickelte Lage, weil sich ein Teil der Geschichte bereits unter britischer Besatzung abspielte und man streiten kann, ob sich der damalige Marinerichter überhaupt noch hätte einmischen müssen?


    Vielleicht sollte man auch bedenken, daß keiner in die NSDAP eintreten mußte.
    Es gab Leute, die es nicht getan haben und die Folgen getragen.


    Man kann auch im Übermaß relativieren.
    Es geht nicht um Täter an sich. Es geht nicht darum, die Menschen in eine 'Böse'-Schublade zu stecken.
    Der Ansatz: ich- könnte- eventuell- so- gehandelt- haben- wie- Goebbels führt tatsächlich dahin, daß man schlußendlich für die Verbrechen der Nationalsozialisten keine Verantwortlichen mehr hat.
    Und dahin soll es in meinen Augen, ich schreibe das ganz offen, auch führen. Daher die Aussage: Filbinger war kein Nationalsozialist.
    Das ist eine sehr gefährliche Art der Diskussion.



    Es geht um eine ganz bestimmte Person, deren eigene Geschichte genugsam beleuchtet wurde, von vielen Seiten, die nun eine 'Ehrenrettung' erfahren soll.
    Mit Relativierung kommt man da nicht weiter.
    Manchmal muß man sich entscheiden. Oder das Thema übergehen.


    Voltaire


    :write :write :write

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Magali


    Die Frage nach dem "wie hätte ich gehandelt" führt nicht zur Relativierung des Verbrechens oder gar zur Entschuldung der Verantwortlichen. Und es geht auch nicht um Goebbels, sondern ein paar Stufen tiefer. Goebbels allein wäre ein armer Irrer gewesen. Er war´s aber nicht (allein).
    Mir persönlich ging es auch nicht um Filbinger. (Soll ich es nochmal schreiben oder reichen dir die 3, 4 Mal...?) Oder gar um Relativierung.
    Du kannst natürlich das so sehen, du kannst aber genauso gut ein Hund Katze rufen und anschließend drauf warten, dass er ein Ei legt. Oder du kannst zur Abwechslung lesen, was eigentlich versucht wird zu sagen, nicht worauf du gerne antworten willst. DAS führt nicht zu gefährlichen, sondern frustrierend unsinnigen Monologen beider Seiten.


    Mir geht es um ganz simple Dinge: die Titelgebung der medialen Manipulation - und der gerne angenommenen Scheingerechtigkeit vieler Nachkriegsdeutscher.


    Manchmal muss man sich entscheiden, sagst du. Wofür? Wer sagt mir das?
    Hm, also doch der Versu<ch des Selberdenkens.
    Und - muss ich dies denn tun, ohne mir ein wenig mehr als nur die google earth Perspektive anzusehen?
    Es geht mir verdammt nochmal um Auseinandersetzung.
    DEUTLICHER: Wenn ich die Motivation von Person A nachvollziehen kann, macht es die Handlung nicht besser. Darum geht es auch nicht. Aber es zeigt Gefahren von Haltungen und Positionen, die man sehr wohl überall findet.
    Zum Beispiel andere gezielt in eine Ecke zu stellen und dann von Gefahren zu reden. Anders gesagt: Ich bin grad echt angepisst. Stell von mir aus deine Blumen in die von dir beabsichtigten Ecken, aber DRÜCK MIR NICHT EINEN STEMPEL auf, der NICHT AUS MEINEN WORTEN UND GEIST entpringt.

  • Ich habe Deinen Beitrag, auf den ich meinte, geantwortet zu haben, offenbar nicht verstanden.


    Mir ging es auch um die Scheingerechtigkeit, allerdings hier im Thread.
    Ich wollte direkt beim Thema Filbinger bleiben.


    Ich habe offenbar Deinen allgemeinen Ansatz nicht verstanden.
    Du aber meinen speziellen auch nicht.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ein (ehemaliges) Mitglied der nationalsozialistischen Partei ist ein Nationalsozialist, evt. gewesen.
    Ein Mensch, der das nationalsozialistische Vokabular im Munde führte, ist ebenfalls ein Nationalsozialist. Dass Herrn Filbinger ein national-konservatives "Reich" unter der Führung des Stauffenbergschen Umkreises vielleicht lieber gewesen wäre, ändert nichts an der Tatsache, dass er sich mangels Alternativen den Nationalsozialisten anschloss, die ihm im Grunde seines Herzens sicherlich zu proletarisch waren (aber diesen Umstand hat er durch den Beitritt zur SA ja erfolgreich vertuscht).
    Ein Mensch, der den Satz äußert: "was damals Recht war..." ist vielleicht kein Nationalsozialist, aber aber ein feiger, uneinsichtiger Rechtspositivist, der es einem schwer macht, das zu glauben.
    Der Rest Zweifel, der Filbinger während der NS-Zeit vielleicht blieb, reicht keinesfalls aus, ihn als Widerstandskämpfer zu rehabilitieren, und, im Sinne dieses unsäglichen Liedes "Die Gedanken sind frei", als passiven Widerständler hochzustilisieren.
    beowulf, wie definierst du Nationalsozialist? Zu denken: "Hitler ist doof" und gleichzeitig eifriges Rädchen im nationalsozialistischen Getriebe zu sein reicht m. E. nicht, keiner zu sein.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Das politisch eher schwachsinnige Zitat "was damals Recht war..." bezog sich auf die Anwendung des Militärstrafgesetzbuches von 1895, das hatte mit Adolf nichts zu tun, das zu wissen von einem Journalisten zu verlangen ist eindeutig politisch unvertretbar. Die Story mit der Erschiessung der Deserteure nach Kriegsende wurde Filbinger zwar in die Schuhe geschonen, der war zu derZeit aber in Norwegen, passiert ist das in Italien. Die Behauptung Filbinger sei ein eifriges Rädchen im Getriebe ist noch nie erhoben worden. Richtig ist, das Filbinger wegen politischer Unzuverlässigkeit kein juristisches Staatsexamen machen durfte und dann gekniffen hat. Er hat nicht gesagt okay, jetzt habe ich studiert und mag die Nazis nicht, dann fahre ich halt Straßenbahn, sondern er hat gesagt, dann trete ich in deie NSDAP ein, dann kann ich zweites Examen machen und als Jurist arbeiten. Er war kein Heiliger, aber eben auch kein Unterstützer und Förderer nationalsozialistischen Gedankenguts. Dazu wurde er erst Ende der 70er Jahre "gemacht", als die Atmosphäre zwischen Rechts und Links (heißer Herbst und Sympatisanthendebatte, Ratten und Schmeisfliegendebatte seitens der Rechtskonservativen, braunen Dreck schmeissen, seitens der Linken) ihren Höhepunkt erreicht hat. Auswirkungen dieser Hysterie haben wir bis heute- hätte Günther Grass damals etwas über seine Vergangenheit erzählt, seine Bücher wären nicht gekauft, sondern verbrannt worden- heute kann man es wenigstens diskutieren.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von beowulf ()

  • beo,


    die Erschießung in Norwegen fand aber statt.
    Filbinger hat die Echtheit der Dokumente, die seine Unterschrift tragen, nie bestritten.
    Daß Filbinger bei der Erschießung dabei war, lege ich ihm nicht zur Last, das ist Usus. Das ist kein nationalsozialistisches Element.


    Es gibt Hinweise darauf, daß er bereits während des Studiums einen Artikel in einer Zeitschrift verfaßte - Studentenzeitschrift - in der er die Sprache der Nationalsozialisten weidlich benutzte.


    Und ja, er wurde der große Böse in einer aufgeheizten Debatte. So etwas ist immer falsch, weil man dann übersieht, wieviele seinesgleichen in seinem Schatten weiterhin unangetastet in Ehren und mit voller Pension alt und grau werden.


    Sicher hätte man das alles vermeiden könne, wenn man in der Nachkriegsgesellschaft die Vergangenheit nicht so schnell und feinsäuberlich (mit Hilfe der USA, Israels und des Vatikans) unter den Teppich gekehrt hätte.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Also wenn Filbinger, Gott hab ihn selig, als NSDAP-Mitglied, als SA-Mann und als Marinerichter nicht bewiesen hat, dass er ein astreiner Nazi war: Wer dann?
    Hans und Sophie Scholl von der Weißen Rose vielleicht?
    Wahrscheinlich, denn Filbinger war ja Widerstandskämpfer :pille


    Verlogenheit, Charakterlosigkeit, Konformismus, Schmierigkeit allenthalben.


    Aber diese Diskussion zeigt ein weiteres mal, dass der deutsche Widerstand erst so ungefähr in den späten 60er Jahren anfing, insbesondere mit Günther Grass, der sich ja erst im Jahr 2007 daran erinnern konnte (kurz vor Öffnung alter Ostarchive), dass er SS-Freiwilliger war.
    Und wurde flux nach der Ausbreitung seines wiedergefundenen Gedächtnisses zum OPFER. Auch kein schlechter Status.

  • Hier sind jetzt so viele Leute dabei, die Jura studiert haben. Daher wage ich einmal eine Frage zu stellen: Was wäre mit Filbinger passiert, wenn er den Posten nicht angenommen hätte, wenn er sich geweigert hätte, die Urteile zu sprechen, zu unterschreiben oder weiß der Kuckuck was? Wenn er also schlicht und einfach Widerstand geleistet hätte?



    Gruß von
    Mary, die in einer Zeit zur Schule ging, als im Geschichtsunterricht der zweite Weltkrieg überhaupt nicht erwähnt wurde - er hat gar nicht stattgefunden ...

  • Wie ich schon schreib- es wäre ihm generell nichts passiert- ausser das er an die Front gemusst hätte, das er für nichts studiert hätte und eben kein Karriere als Jurist hätte machen können, das er also schlicht und einfach ein Held sein müssen.