Mediale Geschichtsfälschung - lassen wir uns von Verleumdungen manipulieren?

  • Günther Oettinger hat schlicht und einfach eine Wahrheit gesagt- Hans Filbinger war kein Nazi. Er war Widerstandskämpfer. Alles heult auf, ohne sich um die historische Wahrheit zu kümmern oder zu differenzieren. Lassen wir uns wirklich von solchen Medienwahrheiten manipulieren?


    Filbinger war erzkonsevativ, deutschnational und damit von der Grundeinstellung schon gegen die Nationalsozialisten. Er war für das Kabinett der Widerständler des 20. Juni vorgesehen, die Herren um Stauffenberg und Beck waren ja auch nicht gerage verdächtig Anhänger von Herrn Marx zu sein- aber ist heute wirklich schon jeder Antikommunist gleich ein Nationalsozialist (das wird natürlich verkürzt zu Nazi, sonst würde man ja den geliebten Sozialismus beleidigen- auch das eine mediale Manipulation, auf die man leicht reinfallen kann). Oder haben wir gerade wg. Osterwoche saure Gurkenzeit und es geht kein anderes Thema? Alle Medien jedenfalls tun so, als sei ein moralisch zweifelhaftes Verhalten und eine Verstrickung in Unrechtsjustiz, die man Herrn Filbinger nun wirklich vorwerfen kann gleichbedutend mit der Einstellung Nationalsozialist zu sein. Das ist so absurd, wie wenn heute ein Mensch sagt ich bin Amerikaner und ich glaube an Gott und dann sagt man zu ihm, du bist für den Irakkrieg, weil Herr Bush Amerikaner ist und erklärt an Gott zu glauben.

  • Es wäre besser gewesen, Oettinger hätte bei der Trauerfeier für diesen "furchtbaren Juristen" in einigen Punkten ganz einfach nur das Maul gehalten. Egal ob nun Nazi oder nicht Nazi!

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Dein Beitrag macht mich sehr nachdenklich und erinnert mich einmal mehr an den Nachrichtenfred, den Tom mal angeregt hatte.
    Ich gebe zu, daß ich keine Ahnung über Herrn Filbinger habe. Ich bin also zunächst auf das angewiesen, was mir (sonst seriöse) Medien, wie der MDR als Meldung darbieten. Nun weiß ich, die haben in der Meldung NICHT gesagt, dass Herr Oettigner Geschichtsfälschung betriebe, sondern dass ihm dies vorgeworfen wird. (soviel zum Thema mediale Geschichtsfälschung - eine Gefahr beim schelten!)


    In der Sache bin ich nicht klar, was ich denken soll. Das, was ich gehört habe, klingt nicht nach Widerstandskämpfer, aber das war ja eben nur ein Ausschnitt. Plausibel ist mir allerdings die Kombination aus Konservativismus und Widerstand. Die gesamte Bewegung um den 20. Juni, die Leute, die aus der Abwehr heraus gegen das Regime gearbeitet haben, nicht zuletzt Bonhoeffer stehen für national-konservative Kreise, die sich heftig gegen die Herrschaft des "kleinen Gefreiten" gewehrt haben.
    Ich erhoffe mir von meinem Sender da in den nächsten Tagen etwas mehr Horizonterweiterung. Ich bins gewohnt, dass sie in solchen Fragen oft mehrere recht gescheite Leute vors Mikro holen und ordentlich befragen. So kann ich mir vielleicht ein Bild machen. Dein Beitrag, Beo, läßt mich zumindest vorsichtiger sein.

  • Wenn es Literatur aus dem jeweiligen Feld, hier der Geschichtswissenschaft gibt, versuche ich es meist, wenn ich genug Zeit habe und mir das Thema zu wichtig erscheint, eher dort. Hier werden gerade solche kontroversen Punkte thematisiert.
    Wenn man einmal mitbekommen hat, wie in den Medien ein Thema, mit dem man sich intensiv (sei es beruflich oder privat) beschäftigt hat, zerhackstückt wird - sowohl mit verdrehten Informationen oder nachweisbar schlechter Recherche des Journalisten, dann ist das frustrierend.
    Manchmal wird - gerne bei geschichtsträchtigen Themen - durchaus Unsinn geredet. Gerade und leider auch bei den sogenannten "Wissensmagazinen".


    Und wenn man dann gegen eine breite Öffentlichkeit sagt: das ist falsch, glaubt das kein Mensch. Die haben das ja schließlich dort in den Medien gesagt.


    Ist Wissen jetzt ochlokratisch - je mehr Masse sich für eine Meinung findet, umso richtiger wird es?

  • Der Titel dieses Threads allein ist ein Zeichen für Manipulation.


    Die rhethorische ? Frage ist allgemein formuliert, die Antwort darauf ist eine Ehrenrettung eines Mannes, der in zweifelhaftem Ruf steht.


    Die klare Einordnung von Hans Filbinger als 'Widerstandskämpfer' ist ebenso polemisch wie seine Benennung als 'Nazi'.
    Für seine Nähe zum Kreis des 20. Juli haben wir keine Belege, nur Filbingers Worte.


    Seine Unterschriften unter zwei Todesurteilen sind vorhanden, eines davon wurde vollstreckt.


    Die ganze Angelegenheit ist höchst problematisch. Es erheben sich da einige Fragen. Zum Beispiel die nach der Rolle der Juristen im Dritten Reich. Nach der Rolle des Militärs und der Militärjuristen.
    Nach der Kontinuität des juristischen Apparats in der Bundesrepublik.
    Darauf wollte Rolf Hochhuth in den späten 70er Jahren aufmerksam machen und da war es in meinen Augen auch höchste Zeit für so ein Thema.


    Die nächste Frage ist die, wie man einen Mann wie Filbinger in der Tradition sowohl von Baden-Württemberg als auch der BRD sieht und ihn einordnet.


    Tatsächlich vernebelt die Einteilung hie Nazi-da Widerstand die ganze komplizierte Geschichte um Recht und Moral und Tradition und Entstehung der BRD und und und beträchtlich.


    Der Wikipedia-Artikel zu Filbinger ist im übrigen ziemlich solide als Erstinformation, aber da in Wikipedia ja jeder rumschreiben kann, sogar Kommunisten - Himmel, hilf, Demokratie!! - überlasse ich es jeder/jedem, dort nachzulesen und verlinke nicht.


    Gegen Manipulation hilft nur Information.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus



  • :write :write :write


    Mich hat heute früh nur der allgemeine Reflex aller Menschen gestört, denen man ein Mikro vor die Nase gehalten hat.


    Das man über Filbingers Ruf, wie über den aller Juristen im Dritten Reich sich Gedanken machen kann und dort eine individuelle Bewertung vorzunehmen ist, das sehe ich genauso. Es gab dort alle möglichen Formen des Verhaltens, die unterschiedliche kollektive und individuelle Ursachen haben. Man tut aber dem Verhältnis zur Geschichte keinen guten Dienst, wenn man alles in eine Schublade steckt und das Schild Nazi draufklebt und dann ur sagt Nazi- bäh, damit habe ich doch nichts zu tun. Viel wichtiger wäre zu versuchen sich in die Situation wenigstens ansatzweise hineinzuversetzen und dann zu überlegen- wie würde ich mich verhalten oder verhalten haben. Nur aus dieser Sicht der Dinge heraus kann man m.E. das wichtige Ziel erreichen, das infolge von Information und Abwägung von Entscheidungsalternativen nie wieder jemand sagen darf (und zwar egal ob zu Recht oder als Ausrede) - ich musste doch so handeln, ich hatte keine Alternative.

  • Filbinger als einen Mann des Widerstandes während des Dritten Reiches zu bezeichnen, ist eine Beleidigung aller der Frauen und Männer die wirklich aktiv Widerstand geleistet haben.


    Leider hat man auch die Rolle der Juristen, insbesondere die der Richter, während des Dritten Reichs nur sehr oberflächlich untersucht. So ist beispielsweise nie ein Richter für seine nazistischen Urteile zur Verantwortung gezogen worden.


    Und es ist bezeichnend für dieses Land, dass ein Mensch wie Filbinger in höchste Staatsämter aufsteigen konnte, während viele Zwangsarbeiter noch heute auf Entschädigung warten. Da passt in meinen Augen wirklich so einiges absolut nicht zusammen.


    Oettinger sollte wenigstens jetzt Charakter zeigen und zurücktreten. Aber die Charaktersuche bei der politischen Kaste ist zumeist ein erfolgloses Unterfangen.


    Es wird so enden:
    Oettinger bleibt im Amt und Filbinger wird der Namenspatron für so manche deutsche Schule, Straße und wahrscheinlich gibt es dann auch bald einen "Hans-Filbinger-Preis" gestiftet vom Land Baden-Württemberg, der Menschen zugute kommen soll, die sich für durch Diktatur Verfolgte und Bedrohte einsetzen.

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  • Das Problem an deinem Post Voltaire ist, dass er einen einzigen wahren Satz enthält.


    Du beleidigst all die, die Filbingers passiver Widerstand gerettet hat, du beleidigst alle die ohne Filbingers Widerstand getötet worden wären.


    Nicht richtig ist auch, dass nie ein Richter für seine nazistischen Urteile zur Verantwortung gezogen worden sei, es wurde kein Richter wegen Rechtsbeugung rechtskräftig verurteilt- aber nach dem Krieg starben etliche Richter in Lagern oder wurden wegen ihrer Taten im Nazionalsozialismus bestraft (eben nur nicht unter dier Überschrift Rechtsbeugung für manipulierte Urteile).


    Was dagegen spricht, dass ein Demokrat, der Hans Filbinger immer war, schon zu der Zeit, als er in der Weimarer Republik politisch aktiv war, in der Demokratie der Bundesrepublik Verantwortung übernommen hat, erschlisst sich mir nicht.


    Das alles hat nichts damit zu tun, dass Filbinger zu Recht aus dem Amt gejagt wurde, da er sich im Rahmen der "Filbinger- Affäre" nicht richtig verhalten hat.


    Das sich Filbinger für durch Diktatur Verfolgte und Bedrängte eingesetzt hat ist historische Wahrheit.


    Das er ein erzkonservativer, unbelehrbarer, strenger Katholik und Sturkopf war auch.

  • beowulf


    Es tut mir leid, aber so ganz ernst kann ich deinen Beitrag nicht nehmen. Filbinger hat sich, wie viele andere auch, in den Dienst der Nazis gestellt und auch nach der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht weiterhin sein Unwesen getrieben.


    Und es ist eine historische Tatsache, dass kein einziger Richter für seine während der Nazizeit ausgesprochenen Todesurteile zur Rechenschaft gezogen wurde.


    Nach dem Kriege stellte sich Deutschland als ein Land dar, dass von Widerstandskämpfern nur so wimmelte, niemand hatte zwölf Jahre zuvor die NSDAP gewählt, wir waren ein Volk von aufrechten und unbeugsamen Demokraten - ein Szenario in das dieser unselige Filbinger nur zu gut reinpasste.


    Aber es ist müssig diese Diskussion zu führen, das Ewiggestrige wird wohl immer genügend Luft zum Atmen bekommen.


    Filbinger der aufrechte Demokrat - sorry, aber ich könnte k....... bei solchen oder ähnlichen Äußerungen.

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  • In manchen Beiträgen kommt Teil eins deiner Signatur immer wieder beispielhaft zum Vorschein, lieber Voltaire.


    Deine Entrüstung in allen Ehren. Der"Fall Filbinger" und die Rede Oettingers (die ich nicht als Fauxpas, sondern als eiskalte politische Berechnung auffasse) bietet genug Anlass zur Diskussion. Ebenso populistisch, wie Oettinger seine Sätze in BaWü platziert hat, sind allerdings die Reaktionen all derer, die sich jetzt öffentlich entrüsten, weil sie endlich mal wieder von Mikrofonen entdeckt wurden ... (stimmts, Frau Voigt?).


    In der Beurteilung der Rolle, die Politiker der frühen Bundesrepublik zu Zeiten der NS - Diktatur eingenommen hatten, würde ich mir allerdings mehr historisches Denken als bloße moralische Entrüstung wünschen. Ich habe nicht den Eindruck, als ob sich allzuviele der jetzt laut schreienden Entrüstungsspezialisten die Mühe machten, historisch zu denken und zu argumentieren. Es wäre ein interessantes Gedankenexperiment, sich vorzustellen, wie sich unsere Republik entwickelt hätte, wenn alle, die auch nur im Entferntesten politische, wirtschaftliche, militärische, juristische, kulturelle (die Aufzählung ist nicht vollständig) Positionen zwischen 1933 und 1945 eingenommen hatten, in der Bundesrepublik außen vor geblieben wären. In diesem Zusammenhang (!) erlaubt sich übrigens eine Parallelüberlegung zur Situation von Funktionsträgern nach der Wiedervereinigung.


    Wie gesagt, ein Gedankenexperiment. Aber zumindest entnehme ich den hier aufgeführten Meinungen, dass der "Fall Filbinger" verflixt viele Grauzonen aufweist und eben nicht so ganz einfach Schwarz-Weiß zu malen ist.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Churchill, das genau wird für mich jetzt langsam zum Problem- ich mag die danzen nur schwarz (oder besser braun)Seher nicht und will auf Grau aufmerksam machen, habe aber das Gefühl wie von selbst in dei weisse Ecke zu rutschen.

  • Diese Gefahr ist logisch. Wenn du reines Schwarz präsentiert bekommst, wirst du mit der Beimischung von Dunkelgrau nicht weit kommen. Da braucht es schon Weiß (muss ja nicht strahlend reingewaschen sein), um Grau analysieren zu können.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Was nu?


    Frank Bösch (Historiker): Hans Filbinger war Mitglied der SA und der NSDAP, somit könnte man ihn bereits als Nationalsozialisten bezeichnen.


    quelle: [URL=http://www.taz.de/dx/2007/04/13/a0147.1/text.ges,1]die linke taz[/URL]


    bo :gruebel

  • Zitat

    Original von bogart
    Frank Bösch (Historiker): Hans Filbinger war Mitglied der SA und der NSDAP, somit könnte man ihn bereits als Nationalsozialisten bezeichnen.


    Hm. Irgendwie finde ich diese Schlußfolgerung problematisch.
    Und das nicht mal unbedingt, weil die taz hier zitiert hat.
    Das Problem in diesem Falle ist, wie der Eintritt erfolgte. Durch die Gleichschaltung wurden ja viele (öffentliche und semiöffentliche) Organisationen einverleibt und einer Sammelstelle untergeordnet, deren Mitglieder gleichsam "übernommen", während andere "direkt" und unabhängig von öffentlichen Verbindungen beitraten. Es ist in jedem Falle schwierig und man sitzt immer in der Gefahrenecke zu relativieren oder zu kurz zu sehen. Es gibt in diesen Dingen kein zufriedenstellendes oder einfaches Urteil.
    Was das genannte Beispiel des Herrn Filbinger angeht, kenn ich mich nicht genug aus. Aber die Anmerkung ist auch eher allgemeiner gedacht.


  • Bei mir gibt es Null-Toleranz gegenüber Nazis!
    Und ich finde diese Typen widerlich, die jeden Nazi verteidigen und ihm vielleicht sogar noch attestieren, in Wahrheit sei er eigentlich ein Widerstandskämpfer gewesen - und darüber entrüste ich mich, auch wenn es dir vielleicht nicht so in den Kram passt. Schade eigentlich, dass man den Eulen dieser Geschichtsklitterung ein Podium gibt.

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