Warum glaubt ihr an Gott?

  • Zitat

    Original von Tom
    Wie kann es einen allmächtigen, allgütigen und allwissenden Gott geben, wenn es zugleich Leid und Schrecken gibt?


    Na das ist doch einfach, wenns einen "lieben" Gott gibt, dann gibts auch einen "bösen" Teufel
    Und das Fegefeuer nicht vergessen..

  • Zitat

    Original von Tom
    Bitte was ist "Glauben" anderes als ein monokausaler Erklärungsansatz?


    Es ist so ziemlich alles andere ...
    Du scheinst zu unterstellen: "Jemand glaubt etwas - damit hat er eine Erklärung für alles, was in der Welt geschieht."
    Das ist selten.
    Meist ist es umgekehrt: "Jemand beobachtet die Welt - aus der Summe seiner Erkenntnisse wächst sein Glauben."


    Ich bezweifle nicht, dass Glauben naiv sein kann. Unglauben allerdings ist zwangsläufig naiv, denn er setzt eine umfassende Ignoranz wissenschaftlich erwiesener Tatsachen voraus.


  • Vielleicht nicht alle. Aber die Eltern, mit denen ich sprach, als ich drei Wochen mit meiner Tochter wegen der Herzoperation im Kommunehospital in Aarhus verbrachte. (Skejby Sygehuset war damals noch nicht gebaut.) Auf der Kinderstation lagen nicht nur Herzpatienten. Übrigens stellte ich damals fest, dass der Herzfehler meiner Tochter noch "harmlos" war.


    Zitat

    Original von Bernhard
    Das mag sein. Ich kann Dir auch keine geben. Ich würde aus solchen Vorkommnissen allerdings auch nicht auf die Existenz eines Gottes schließen.


    Glauben kann man auch als Suche nach einem "Sündenbock" brauchen.

  • Zur Frage nach der Theodizee, also danach wie der Glaube an einen gerechten, allmächtigen, allwissenden, gütigen Gott so recht gehen kann angesichts all des Leides nur eine Frage zum Nachdenken:


    Wer legt eigentlich die Kriterien für gut und gerecht fest?


    Die Entscheidung an dieser Stelle hat sehr weitreichende Konsequenzen.

  • Zitat

    Original von Mary
    Auf der Kinderstation lagen nicht nur Herzpatienten. Übrigens stellte ich damals fest, dass der Herzfehler meiner Tochter noch "harmlos" war.


    Ja, das kenne ich. Nur allzu gut.
    Doch ich habe deswegen meinen Glauben nie in Frage gestellt. Aber jeder Mensch ist nun mal anders.


    Gruss,


    Doc

  • Ist Glaube vielleicht auch zum Teil Erziehungssache?


    Meine Eltern waren nicht in der Kirche, getauft wurde ich im zarten Alter von 13 Jahren (möchtest du Konfirmationsgeschenke, dein Bruder wird jetzt getauft, dann ist es ein Aufwasch - Ende März war die Taufe, Mitte April seine Konfirmation) Vom Religionsunterricht wurde ich nicht befreit, in der ersten Klasse mussten wir mit gefalteten Händen im evangelischen Religionsunterricht sitzen. Bin ich nach Hause zu meiner Mutter gegangen und habe ihr erklärt, dass meine Freundin (katholisch) nicht im Unterricht die Hände falten muss. Meine Mutter ist dann zur Lehrerin (katholisch) gegangen, hat ihr die Sachlage erklärt und fortan habe ich den katholischen Unterricht mitgemacht. - Bis ich am Konfirmandenunterricht teilnehmen musste, habe ich in der Schule eisern verschwiegen, dass ich mittlerweile evangelisch getauft war.

  • Zitat

    Original von Mary
    Ist Glaube vielleicht auch zum Teil Erziehungssache?


    Schwierig zu beantworten. Ich kann da nur von meinen eigenen Erfahrungen sprechen.


    Ich bin überhaupt nicht in einem glaubensorientierten Umfeld aufgewachsen. Ich musste nicht zur Kirche gehen, bin also ganz freiwillig und ohne Zwang aus eigenem Antrieb da hin. Irgendwann kam aus der kindlichen Phase des Nicht-in-Frage-stellens die Pubertät, in der jeder Sinn und Zweck hinterfragt wird. Meine Religionslehrer hatten es zu der Zeit wahrlich nicht leicht mit mir. Die Firmung habe ich dann rundweg abgelehnt und bin bis ich geheiratet habe nicht mehr zur Kirche gegangen.
    Ein zwei Jahre zuvor hat aber schon ein Umdenken eingesetzt. Ähnlich, wie es Bernard irgendwo schon mal beschrieben hat, kam ich durch Hinterfragen, durch bewusste Wahrnehmung existentieller Fragen zum Glauben zurück. Ich habe damals schon jahrelang naturwissenschaftliche Literatur geradezu verschlungen. Mit jedem Buch über Astrophysik, Biologie, Kosmologie, etc. etc., kristallisierte sich meine Überzeugung immer mehr heraus, bis mir (wieder) klar wurde, dass ich glaube. Und das war mit einem Mal eine ganz andere Art von Glauben, als ich das noch als Kind in Erinnerung hatte. Es war viel klarer, präsenter.


    Meine eigenen Kinder habe ich in Bezug auf Religion immer in Ruhe gelassen. Freie Entscheidungen zu jeder Zeit. Ich habe es nicht unterstützt, wenn sie in die Kirche gehen wollten, aber auch zu keiner Zeit abgelehnt. Ich habe stets versucht Glaubensfragen, die natürlich gestellt werden, so objektiv wie möglich zu beantworten und dabei aber immer herausgestellt, dass mein Glauben keinen Absolutheitsanspruch hat. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg zum Glauben hin, oder eben davon weg finden.


    Sicherlich kann in vielen Fällen Glauben eine Erziehungssache sein, wenn man es als Eltern darauf anlegt. Aber letztlich treffen unsere Kinder irgendwann selbst eine Entscheidung in dieser Frage.


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Aber letztlich treffen unsere Kinder irgendwann selbst eine Entscheidung in dieser Frage.


    Das unterschreibe ich sofort! Und es kann von Kind zu Kind innerhalb einer Familie und damit derselben Prägung ganz unterschiedlich sein.

  • Doc Hollywood
    Kann man diese Frage eigentlich besser beantworten als du es gemacht hast? Ich glaube kaum!
    Eine klare Antwort auf eine klare Frage.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • @ Doc
    Danke für deine Worte. Vor allem das, was Du über religiöse Erziehung gesagt hast, hilft mir ungemein weiter.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")