Warum glaubt ihr an Gott?

  • Zitat

    Original von magali
    ich kenne eine Menge Leute, die nicht nur an die 'Wunderwelt' des NT, sondern auch an die des AT glauben.
    Warum?
    Weil sie nicht auf die Idee kämen, es nicht zu tun.


    Dann haben sie eine begnadete Haltung Dinge anzunehmen.
    Eine, welche aber viele nicht teilen können.
    Ich im Besonderen nicht. Das macht aber nichts, mit gesetzten Soseins und Autoritäten hab ich leider immer noch Probleme.
    Im Falle von AT, NZ und Gegenwart liegt für viele der Zugang zum christlichen Weltbild verborgen, weil sie in einem deutlich veränderten Weltbild leben, aufgewachsen sind oder einfach einen anderen Verstehenszugang haben.
    Da oben ein Himmel, da unten eine Hölle? Erbschuld (ich bin schuldig, ohne selbst etwas begangen zu haben)? Wegen der Erkenntnis von Gut und Böse? Wie Bitte nochmal?


    Wenn ich an die Wunderwelt des NT und von mir aus auch AT glaube, muss ich ja an etwas glauben, sprich: eine Vorstellung von ihrer tragenden Bedeutung haben. Gerade die Bibel ist eine Fundgrube an Bildern und Verweisen. Und wenn ich sie als Mythos betrachte, brauche ich einen anderen Zugang, als noch vor ein paar hundert Jahren. (Mir ist klar, dass ich dies nicht zwangsläufig muss, eine Bekannte von mir, die beiden Theologen sitzt, sieht die Bibel traditioneller im wörtlichen Sinne geltend an - aber ein solches Verständnis wirst du heute nicht oft finden, für viele ist die Bibel ein Buch, welches wie alle eines birgt: Bedeutungen und die Frage der Auslegung.)


    Das Problem ist, dass wenn etwas sich mit meiner Wahrnehmung beißt oder mich in eine schizophren anmutende Geisteslage zwingt - und hier spreche ich aus meiner Warte, da ist es mir recht egal, ob andere diesen Graben einfach "überglauben" können - ich nicht glauben kann. Nicht weil ich nicht will, sondern weil mir sich ohne einen Zusammenhang das Verständnis (im Sinne der Vorstellung, einer Ahnung) entzieht. Woran glaube ich denn? Daran, dass was da steht, wahr ist? Ja, was steht denn da?
    Wenn ich es nicht verstehen, mir nicht vorstellen kann - nur fiktional wie science fintion - dann kann ich es schwer glauben. Denn wie kann ich etwas glauben, wenn ich nicht mal wüsste, was? Dass da einer am Kreuz gestorben ist? Ja, aber woran soll ich dabei glauben? Dass er gestorben ist, glaub ich gerne. Aber der einfache physische Tod ist nicht grad das Verständnisproblem. Oder?
    Und warum sollte es wahr sein - weil es geschrieben steht? In welcher Abschrift?
    Die Bibel ist historisch. Das sricht nicht gegen ihren Wahrheitswert. Nur für einen erschwerten Zugang. Hegel kann ich heute auch nicht mehr in derselben Weise lesen wie seine Zeitgenossen. Einfach, weil sich mein Geisteshorizont unter anderen Bedingungen gebildet hat.
    Weshalb sollte der Glaube immer für Nichterklärbares, Nichtlogisches stehen?
    Und: Das ist eine Sicht, die den Glauben mehr und mehr aus dem Lebensvollzug entfernt. Wie kann ich denn einfach wider allen Geistes daran glauben? Glauben kann ich nur, wenn ich etwas für wahr halte. Und dafür haber ich durchaus Gründe -die haben nur nicht "Beweischarakter", sondern "Verstehenscharakter".



    Hier setz ich mal drei frei zugängliche Zitate von Bultmann hier rein, damit du weißt, was ich in Bezug auf die Wunderwelt meine:


    „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar machen, daß er, wenn er das für die Haltung des christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht.“ (Neues Testament und Mythologie, 1941, 18)


    „Der eigentliche Sinn des Mythos ist nicht der, ein objektives Weltbild zu geben; vielmehr spricht sich in ihm aus, wie sich der Mensch selbst in seiner Welt versteht; der Mythos will nicht kosmologisch, sondern anthropologisch - besser: existential interpretiert werden.“ (Neues Testament und Mythologie, 1941, 22)


    „Wie kann meine Schuld durch den Tod eines Schuldlosen (wenn man von einem solchen überhaupt reden darf) gesühnt werden? Welche primitiven Begriffe von Schuld und Gerechtigkeit liegen solcher Vorstellung zugrunde? Welch primitiver Gottesbegriff? Soll die Anschauung vom sündentilgenden Tode Christi aus der Opfervorstellung verstanden werden: welch primitive Mythologie, daß ein Mensch gewordenes Gotteswesen durch sein Blut die Sünden der Menschen sühnt!“ (Neues Testament und Mythologie, 1941, 20)



    post scritptum:
    Das Lachen bezog sich auf Chruchills Verweis zum Osterlachen.

  • @waldläufer


    danke für die Ausführungen, das macht mir Deine Position etwas klarer.


    Ich komme immer noch nicht mit der Bedeutung des Worts 'glauben' zurecht.
    der Widerspruch zu 'wissen' ist irgendwie in meinem Kopf festgetackert.
    Glauben ist für mich 'nicht-wissen'.
    Ich glaube, daß der Zug um halb elf fährt = ich weiß es nicht genau.


    Bultmann klingt interessant und bestechend, aber schon beim ersten Zitat hätte ich Einwände. Warum soll ein Radio oder Aspirin z.B. dem Gedanken von Leben nach dem Tod widersprechen? Oder einem sprechenden Dornbusch? Odeer Satan in der Wüste?
    Und warum widersprucht dem ein Ziehbrunnen nicht?
    Das Rad und die Schrift gibt es schon im AT.
    Ist das nicht eine Überbewertung moderner Technik?
    :gruebel


    Zu Osterlachen: ja, habe ich kapiert, kaum daß ich nachgefragt hatte. War etwas verschlafen. :grin
    Ich kenne das nur aus dem Barock.
    Persönlich sicher nicht, streng protestantische Prägung. Alles, was mit Gott zu tun hat, hat mit gebührendem Ernst behandelt zu werden.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @Waldläufer:
    Obwohl ich die von Dir gebrachten Bultmann-Zitate keineswegs unterschreiben würde - mir drängt sich der Eindruck eines stark limitierten Vorstellungsvermögens auf Seiten Bultmanns auf -, und auch zu Deiner skizzierten Auffassung von Erbsünde und Opfertod Christi eine Menge runterschlucke, um den Thread nicht zu verwässern, kann ich dem Folgenden nur zustimmen:


    Zitat

    Original von Waldlaeufer
    Das Problem ist, dass wenn etwas sich mit meiner Wahrnehmung beißt oder mich in eine schizophren anmutende Geisteslage zwingt - ... - ich nicht glauben kann.


    Meine persönliche Definition ist:
    Glaube folgt aus dem Wissen und den Erfahrungen, die ein Mensch im Laufe seines bisherigen Lebens angesammelt hat. Er ist sozusagen angewandte, extrapolierte Wissenschaft. Deswegen hielte ich heutzutage auch den Begriff "Überzeugung" oder meinetwegen auch "Grundüberzeugung" für besser, weil er die Verständigung mit Leuten erleichtert, denen der theologische Kontext solcher Begrifflichkeiten wie "Glaube" fremd ist.
    Ansichten, die dem Wissen widersprechen, sind nicht Glaube, sondern Aberglaube.

  • Zitat

    Original von Bernard
    @Waldläufer:
    Obwohl ich die von Dir gebrachten Bultmann-Zitate keineswegs unterschreiben würde - mir drängt sich der Eindruck eines stark limitierten Vorstellungsvermögens auf Seiten Bultmanns auf


    Och, Bultmann ist schon ziemlich komplex. Deswegen lohnt es sich, den schmalen Eindruck durch das vertiefende Lesen desselben zu revidieren.
    Sein hermeneutischer Ansatz wurde auch heiß diskutiert.
    Von protestantischer, katholischer aber auch philosophischer Seite.


    Deiner Glaubensdef. stimme ich aber zu. Sehr schön ausgedrückt.

  • Zitat

    Original von Bernard



    Meine persönliche Definition ist:
    Glaube folgt aus dem Wissen und den Erfahrungen, die ein Mensch im Laufe seines bisherigen Lebens angesammelt hat. Er ist sozusagen angewandte, extrapolierte Wissenschaft. Deswegen hielte ich heutzutage auch den Begriff "Überzeugung" oder meinetwegen auch "Grundüberzeugung" für besser, weil er die Verständigung mit Leuten erleichtert, denen der theologische Kontext solcher Begrifflichkeiten wie "Glaube" fremd ist.
    Ansichten, die dem Wissen widersprechen, sind nicht Glaube, sondern Aberglaube.


    Deinem letzten Satz zufolge basiert ein Gutteil dessen, worauf die etablierte christlichen Kirche sämtlicher Richtungen heutzutage beruht, auf Aberglauben.


    Ich bin fasziniert.


    Als Materialistin nicht zuletzt von der Abwehr, den das Einlassen auf 'Unlogik', 'Glaube', echte Metaphysik bei Menschen auslöst, die einen Gott glauben. Entschuldigung, für logisch halten.


    Ach, was ist nur aus dem guten alten Glaubensbekenntnis geworden.
    :gruebel

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • magali :


    Irgendwer hat mal gesagt:
    Ein jeder nennt diejenigen Gedanken klar, die den gleichen Grad der Verwirrung aufweisen wie seine eigenen.


    Ich kann bestätigen, dass Dein Eindruck auf Gegenseitigkeit beruht. Die Naivität des Atheismus erscheint mir, je nach Vertreter, amüsant oder herzerweichend.


    Nicht wahrzunehmen, dass gerade das Christentum mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Wissenschaft steht (wie übrigens auch der Islam), fällt in die Kategorie "amüsant". :lache
    Angesichts des desaströsen Zustands des Religionsunterrichts (soweit ich Einblick habe) allerdings beinahe schon verständlich. Wenn ich manchmal höre, was die Leute so für Christentum halten, komme ich zum Schluss, dass ich bei deren Informationsstand wohl auch aus der Kirche ausgetreten wäre.

  • ja, Bernhard,


    das liegt daran, daß es gut dreißig Jahre her ist, daß ich im Religionsunterricht war.
    Ich lese auch wenig Zeitung und kirchliche gar nicht - frau hat so arg viel zu tun, daß sie Prioritäten setzen muß - deshalb ist es mir entgangen, daß 'Vergebung der Sünden, Auferstehung von den Toten und ein ewiges Leben' inzwischen zu den verbürgten wissenschaftlichen Erkenntnissen gehören.


    Ich werde versuchen aufzuholen, gesteh mir eine Pause zu angesichts des gerade erlebten Schocks.


    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Wenn ich Tom jetzt richtig verstanden habe, will er bewirken, dass ich mein Antworten auf das, was er et al. im "anderen" Fred posten hier gebe?


    Nun gut.


    Ich habe die Erfahrung gemacht und das zeigt Toms Posting nur mal wieder, dass wer behauptet nicht zu glauben doch glaubt. Und der Glaube, der diese Gläubigen auszeichnet wird dann leicht gefährlich, wenn man nämlich geistig nicht so weit ist wie Tom, der trotzdem (zumindestens manchmal- im gefährlichen Grenzbereich immer) in der Lage ist zu differenzieren, so droht der Glaube, den ich meine, nämlich der Glaube nur an sich selbst und die eigenen gewonnenen Erkenntnisse schnell abzugleiten an den Glauben im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein- ein Anspruch, den zumindestens die christliche Religion in dieser Absolutheit bereits überwunden haben dürfte.

  • Grundsätzlich:


    Wenn ich im Bereich "Weltgeschehen-Diskussionen" ein Thema eröffne, kann ich m.E. nicht festlegen, wer in welcher Zielrichtung dort antworten darf. Wenn also hier die Frage gestellt wird "Warum glaubt ihr an Gott?", darf durchaus auch erklärt werden, warum man gerade das eben nicht tut oder kann. Umgekehrt muss auf die Frage "Warum glaubt ihr NICHT an Gott?" auch auf einzelne Punkte geantwortet bzw. können bestimmte Aspekte zur Diskussion gestellt werden dürfen.


    Wir haben hier keinen Bekenntnis-Thread, der gegenteilige Meinungen ausschließt oder in andere Themen "überweisen" kann.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Zitat

    Original von churchill


    Warum ist das Schiff der Kirche bis heute nicht untergegangen?
    Weil es von so vielen Nieten zusammengehalten wird ;-)


    GRÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖHL! :rofl


    Ich kann nicht mehr... Tränen wegwisch...
    Darf ich den Witz ausborgen, auf einen Zettel schreiben und ihn meinem Mann in die Unterlagenmappe schmuggeln, am besten als Post-it auf der Tagesordnung, bevor er zur nächsten Presbyteriumssitzung geht? Bitte, bitte.

  • Entschuldigung. Morgen schreib' ich was zu Rudi Bultmann. Ich habe von ihm nur vor 100 Jahren mal den "Jesus" gelesen, muss ich zugeben. Und einges quer zum Thema "Entmythologisierung", das mir damals nicht nur was für die Magisterarbeit, sondern auch viel für meinen eigenen Glauben gegeben hat.

  • Zitat

    Original von Tuzie
    GRÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖHL! :rofl


    Ich kann nicht mehr... Tränen wegwisch...
    Darf ich den Witz ausborgen, auf einen Zettel schreiben und ihn meinem Mann in die Unterlagenmappe schmuggeln, am besten als Post-it auf der Tagesordnung, bevor er zur nächsten Presbyteriumssitzung geht? Bitte, bitte.


    Witze sind Allgemeingut. Ich habe ihn leider nicht erfunden ;-)

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Warum glaube ich an Gott? Was heißt eientlich "glauben"? Ich halte es für unpassend, "Glauben" einfach mit "Nichtwissen" gleichzusetzen - wenn ich zu jemandem sage "ich glaub an dich" heißt das doch nicht "ich weiß zuwenig über dich" sondern im Gegenteil "ich vertraue auf dich". Genauso ist e auch in Bezug auf Gott - ich glaube an Ihn in dem Sinne, daß ich Ihm vertraue.


    Warum vertraue ich auf Gott? Weil Er mir noch keinen Grund gegeben hat, ihm zu mißtrauen. Alles, was Er in meinem Leben bisher bewirkt hat, hat sich auf die eine oder andere Weise im nachhinein als gut für mich herausgestellt. Dementsprechend gehe ich auch die augenblicklichen Herausforderungen zuversichtlich an - der Boss wird sich etwas dabei gedacht haben!


    Woher ich weiß, das Gott überhaupt existiert? Nun, das "weiß" ich sowenig, wie ich "weiß", daß die Leute existieren, die hier im Forum posten. Daß ich z.B. Batcat oder Heaven schon mal persönlich getroffen habe, kann ja auch eine Sinnestäuschung gewesen sein. Wenn ich Descartes "ich denke, also bin ich" nachvollziehe, dann weiß ich nur, daß es mindestens 2 denkende, fühlende Wesen geben muß - mich selbst, und die Person, die für alle meine Sinneseindrücke verantwortlich ist. Allerdings bin ich bisher mit der Annahme recht gut gefahren, daß jeder andere Mensch keine "Projektion" sondern eine eigenständige Persönlichkeit ist, ebenso jedes Haustier das ich kennengelernt habe, und ganz bestimmt auch Gott.

  • Hallo, Beo.


    Zitat

    ein Anspruch, den zumindestens die christliche Religion in dieser Absolutheit bereits überwunden haben dürfte.


    :wow Jemand, der nicht gläubig ist, läuft Gefahr, einen Absolutheitsanspruch zu verinnerlichen, aber die christliche Religion tut das NICHT? Das nenne ich mal eine Verdrehung der "Wahrheiten".


    Christentum und Islam (und auch das Judentum, wenn ich richtig informiert bin) beanspruchen für sich, im Besitz der offenbarten Wahrheit zu sein, und sie formulieren daraus einen Absolutheitsanspruch, der alles andere ausschließt. Deshalb sind die Behauptungen von der Toleranz des jeweils anderen (und aller außerhalb) auch Makulatur. Es handelt sich hierbei um Grundsätze dieser Religionen, ohne die sie nicht funktionieren würden.


    Ich schreibe das nur, weil ich angesprochen wurde. Und ich bin ganz sicher nicht der Meinung, im Besitz einer wie auch immer gearteten "Wahrheit" zu sein, ganz im Gegenteil.

  • Juaaa Tom...Du hast es aber recht streng heute...

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Zitat

    Original von Tom
    Deshalb sind die Behauptungen von der Toleranz des jeweils anderen (und aller außerhalb) auch Makulatur.


    Eine Makulatur, die unter Anderem von den katholischen Päpsten mit Hingabe praktiziert wird. :lache
    Ich nehme an, die Schriften Papst Johannes Pauls II. dazu, dass das göttliche Licht durchaus auch über die katholische Kirche hinausstrahlt, hast Du nicht gelesen? Natürlich ist für einen Katholiken das katholische Glaubensbekenntnis 100% richtig, sonst wäre er keiner. Daraus folgt, dass keine andere Religion die 100% erreichen kann. Nicht aber, dass sie automatisch bei 0% landen würde. Die Überschneidungsbereiche sind zum Teil erheblich (Judentum) und zum Teil eher gering (Scientology), was dann eben auch die Gebiete absteckt, in denen man kooperieren kann.
    Dass man eine klare Position überzeugt vertritt, bedeutet nicht, dass man als Partner nicht taugt. Eher im Gegenteil. Gilt m.E. beinahe überall im Leben, so auch hier.

  • Hallo, Bernard.


    Nein, ich habe keineswegs alle Schriften sämtlicher Päpste gelesen. Du, vermute ich, schon. Glückwunsch. Ich habe aber auch den Hubbard-Schwachsinn (dazu darf ich hier vermutlich ungestraft Schwachsinn sagen) nicht gelesen, jedenfalls nicht in gänze. Na und? Jemand behauptet etwas Abwegiges, und ich soll jetzt alles lesen, was er (oder diese Gruppe) selbst und all seine Anhänger geschrieben haben? Wozu? Es reicht doch, daß die Grundidee und die allgemein bekannten Schriften zum Thema nicht nur nicht überzeugen, sondern vielmehr ... ach, lassen wir das.


    Zitat

    Natürlich ist für einen Katholiken das katholische Glaubensbekenntnis 100% richtig, sonst wäre er keiner. Daraus folgt, dass keine andere Religion die 100% erreichen kann. Nicht aber, dass sie automatisch bei 0% landen würde.


    Damit ist eine unauflösbare Gegnerschaft begründet. Wer von sich glaubt, im Besitz der absoluten Wahrheit und des "richtigen" Glaubens zu sein, und dem anderen bestenfalls 90%, meinetwegen sogar 99% zugesteht, behauptet letztlich, daß derjenige Unrecht hat. Schön, daß die katholische Kirche im Moment versucht, mit islamischen Vertretern (diese Kirche hat ja kein Oberhaupt) zu reden, was soll sie auch tun. Aber das heißt erstens nicht, daß es um einen Konsens im Glauben geht, das wird es keinesfalls, und zweitens bedeutete es auch nicht, daß im Ergebnis eine wie auch immer geartete "friedliche Koexistenz" steht, denn die darf es, wenn man den Absolutheitsanspruch zugrundelegt, niemals geben.

  • Ich bin Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Das ist ein demokratischer Staat. Seine Gesetze fußen also auf demokratischen Gesetzgebungsverfahren. Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der Deutschen sie im Kern für richtig hält. Wäre dem nicht so, würde sie Parteien wählen, die sie ändern.


    Ich bin deswegen aber nicht automatisch ein Feind von Frankreich oder Großbritannien. Die Deutschen halten offenbar ihre eigenen Gesetze für besser als diejenigen der Briten oder Franzosen - sonst würden sie sie ja in die entsprechende Richtung ändern. Wenn man also die deutschen Gesetze auf "100%" setzt, kommt man bei Frankreich oder UK auf "irgendwas nahe 100%", vielleicht 99%.


    Nun gibt es auch noch die EU. Im Wesentlichen gleiche Gesetze, über das Detail lässt sich streiten, und zwar, dass die Fetzen fliegen.


    Du weißt sicher, worauf ich mit meinem Bild hinaus will:
    Deutschland = Katholizismus.
    EU = Christentum.


    Jetzt gibt es noch die USA. Das ist der gleiche Kulturkreis, die Differenzen sind erheblich größer als zwischen den EU-Staaten. Dennoch ist man im Grundsatz befreundet.
    USA = Judentum.


    Dann ist da noch Japan. Exotisch, irgendwie fremd, aber auch kapitalistisch, in vielen Bereichen spricht man die gleiche Sprache. Vieles ist uns aber auch fremd. Ein Kaiserhaus? Hm. Aber dennoch: demokratische Wahlen haben sie und japanische Autos fahren wir auch.
    Japan = Islam.


    Dann gibt es noch Länder, mit denen wir echt wenig gemein haben. Königreich Nepal. Die haben ganz andere Probleme als eine mitteleuropäische Industrienation. Dennoch, manche Grundwerte teilen wir. Man ist auch irgendwie neugierig aufeinander.
    Nepal = z.B. Hinduismus, Sikhs, Jainas, ...


    Dann gibt es noch solche, mit denen wir lieber nichts zu tun haben. Die Militärdiktatur Myanmar zum Beispiel. Klar, wenn der Tsunami zuschlägt, bietet man Hilfe an, aber lieber ist einem, wenn man nichts "mit denen" zu tun hat. Insgeheim hofft man wohl auf einen Sturz des Regimes.
    Myanmar = Scientology.


    Diese Analogie trifft es recht gut, zumindest für mein Empfinden. Klar bin ich der Meinung, dass meine Auffassung richtig ist - sonst würde ich sie ändern. Dennoch kann ich mit Anderen Spaß haben, an gemeinsamen Fragen arbeiten etc. Ich kann sogar in Einzelfragen sagen: "Ihr (Franzosen/ Orthodoxen) habt da und da die besseren Regelungen als wir (Deutschen/ Katholiken)." Wenn ich allerdings feststelle, "In Frankreich/ bei den Amish ist alles besser", dann ist der Zeitpunkt gekommen, meinen Ausweis abzugeben und einen neuen zu beantragen.

  • Hallo, Bernard.


    Du wirst langsam müde, oder?


    Zitat

    Diese Analogie trifft es recht gut, zumindest für mein Empfinden.


    Für meines trifft sie es keineswegs. "Deutschland" ist keine Auffassung, sondern eine Nation, eine "zufällige" Ansammlung von Menschen (damit ist gemeint, daß Menschen "zufällig" in diese Nationalität hineingeboren werden), und "Deutscher" ist kein Glaube, sondern ein Zustand (bzw. eine Nationalität; ich empfinde "Deutscher" nicht als wesentlichen Aspekt meiner Persönlichkeit). Wer das verwechselt - das ist jetzt keine Unterstellung, die an Dich gerichtet ist -, ist ein Nationalist mit gefährlichen Tendenzen.


    Außerdem ist man Deutscher nicht durch Akzeptanz der Behauptung "Das Land der Deutschen ist das einzig wahre". Als bekennender Katholik/Muslim/Jude tut man jedoch genau das.