Originaltitel: La Ciutat Invisible
Aus dem Katalanischen übersetzt von Kirsten Brandt
Pieper, März 2007, 330 Seiten
Handlung:
Der junge Architekt Andrea Roselli kann sein Glück nicht fassen, als er im Jahr 1759 an den Königshof nach Madrid gerufen wird. Dort herrscht seit kurzem König Karl III., ein ehrgeiziger Bauherr und Förderer der Künste. Rosellis erster Auftrag wird es sein, den großen italienischen Maler Giambattista Tiepolo nach Madrid zu holen. Dies gelingt, und das Ansehen Rosellis steigt. So ist er einer der ersten, der an den Plänen des Königs beteiligt wird, im Ebrodelta eine prächtige Stadt nach dem Vorbild Sankt Petersburgs zu bauen. Doch dann verliebt sich Roselli in die falsche Frau und ein gefährliches Versteckspiel beginnt. Etwa zweihundertfünfzig Jahre später erhält der katalanische Galerist Emili Rossell von unbekanntem Absender die Tagebuchaufzeichnungen Rosellis und erfährt so von den dramatischen Ereignissen um die sagenhafte Stadt Sant Cales de la Ràpita. Dabei ahnt er noch nicht, dass er nur benutzt wird. Denn er soll das verschwundene Gemälde Tiepolos finden, das damals, im achtzehnten Jahrhundert, Andrea Roselli in höchste Gefahr brachte.
Über den Autor lat Klappentext:
Emili Rosales, 1968 in Katalonien geboren, gilt als einer der vielversprechendsten Autoren der neuen Generation katalanischer Schriftsteller. Diesem Ruf wurde er mit »Tiepolo und die unsichtbare Stadt« mehr als gerecht, das zum Bestseller wurde und 2004 den bedeutenden katalanischen Buchpreis Premi Sant Jordi erhielt. Inzwischen wird der Roman in zwanzig Sprachen übersetzt. Als Lektor eines spanischen Verlages entdeckte Rosales schon so manchen Bestseller.
Meine Meinung:
Der Roman besitzt zwei Handlungsebenen: Die Gegenwart, in der der Galerist Emili Rossell die Geschichte der unsichtbaren Stadt, die ihn seit seiner Kindheit fasziniert, nachforscht.
Im ersten Kapitel erzählt er viel wie er im Internat aufwuchs, später von seinem Leben in Barcelona. Er liest die „Erinnerungen an die unsichtbare Stadt“ aus der die zweiten Handlung besteht.
Die zweite Ebene ist ab 1759 angesiedelt, in der der Architekt Andrea Roselli zum Erzähler wird. Im Auftrag König Karl III von Spanien soll er eine neue, prachtvolle Stadt erbauen. Helfen soll ihm dabei der Maler Tiepolo.
Giambattista Tiepolo, bedeutender Maler des Rokoko, dessen Fresken auch Würzburg schmücken, steht im Mittelpunkt des zweiten Handlungsstranges. Leider wird er nur aus der Sicht des Erzählers geschildert und so nicht zu einem vollwertigen Charakter im Roman ausgebildet. Das gilt für andere Künstler (z.B. Luigi Vanvitelli, der italienische Architekt Francesco Sabatini oder der in St. Petersburg lebende Bartolomeo Rastrelli), die viel kleinere Bedeutung im Roman haben, genauso.
Die Dopplung der Charaktere aus Gegenwart und Vergangenheit und einer auch namentlich ähnlichen Beziehung zum Autor wirkt etwas konstruiert und gelingt meiner Einschätzung nach nicht. Ebenso wie die gesamte Konstruktion um die Geschichte der unsichtbaren Stadt mir manchmal zu umständlich war.
Gut gelungen sind die Beschreibungen der Lokationen, z.B. des Palast von Caserta, ca. 40 Kilometer nördlich von Neapel oder der Naturhafen bei der Bucht von Alfacs sowie den meisten Abschnitten im Ebrodelta, in Venedig und Madrid.
Das ganze Buch ist von architektonischen Kunstwerken durchzogen.
Die Geschichte der katalonischen Stadt Sant Carles de la Ràpita im Ebrodelta und den Bauwerken, die nach dem Tod des Königs nicht vollendet wurden, ist sicherlich erzählenswert.
Aber ich hätte es bevorzugt, wenn die beiden Handlungsstränge auch sprachlich besser von einander getrennt gewesen wären. Bei unaufmerksamen Lesen war es manchmal schwierig sie von einander zu unterscheiden.
Die Kapitel der Vergangenheit gefielen mir besser als die der Gegenwart, aber hier wie da wird der Leser zu viel belehrt.
Manchmal will der Autor zu viel erzählen. Das sein Held in Sankt Petersburg dann auch noch Gast am Hofe Katharinas der Großen wird, ist etwas zu viel des Guten.
Leider gab es immer mal Abschnitte, in denen konnte ich den üppigen Erzählstil, der sicherlich seine Qualitäten hat, streckenweise nicht so richtig genießen, da er zu ausschweifend gehalten ist und auf die Dauer nervt.
Für spanische bzw. katalonische Autoren ist der Stil und die Art der Erzählkonstruktion gewiss nicht ungewöhnlich, aber eine Autorin wie z.B. Maria Jaén hat mich da mehr überzeugt.
Viele einzelne Sätze oder Abschnitte sind zugegebenermaßen dann doch schön und gelungen konstruiert, wie man deutlich beim zweiten Lesen der zentralen Stellen merkt.
Das sprachliche Niveau ist sicherlich höher als das des durchschnittlichen historischen Romans und vielleicht hätte schon eine kleine Änderung in der Handlungsführung bewirkt, dass der Roman für mich besser funktioniert hätte.
So bin ich vom Roman hin- und her gerissen. Die starken Passagen sind so gut, dass sie eine gute Bewertung rechtfertigen. Die empfundenen Schwächen liegen auch etwas in meinem Leseverhalten und der Leseerwartung. Es ist auf jeden Fall notwendig, sich ganz auf den Roman einzulassen, dann ist das Lesen lohnenswert.