Das ganze Leben umarmen - Bettina Eistel

  • Autobiographie eines "Contergan-Kindes"


    Verlag: Ehrenwirth
    Erschienen: 2007
    Seiten: 300


    Inhalt
    Bettina Eistel ist 1961 ohne Arme auf die Welt gekommen. Meine Mutter erschreckt noch heute, wenn sie an die Totenstille zurückdenkt, die im Kreisssaal herrschte, als ich aus ihrem Bauch schlüpfte. Ich war zwar ein Wunschkind, aber dann das. Bettina ist eines der rund 10.000 so genannten Contergan-Kinder. Sie hat keine Arme - aber einen starken Willen. Mit Optimismus und Ideenreichtum setzt sie sich gegen die Ausgrenzung aus der normalen Welt zur Wehr! Ihre Stärke verdankt sie nicht zuletzt dem Sport: Seitdem sie als erfolgreichste deutsche Dressurreiterin bei den Paralympics in Athen 2004 abschnitt, hat ihr Leben sich erneut gewandelt ...


    Meinung
    Bettina Eistel ist eine bewundernswert starke Frau. Nicht unbedingt nur, weil sie aufgrund ihrer fehlenden Arme unter erschwerten Bedingungen das Leben zu meistern hat, sondern auch, weil sie mit einer aussergewöhnlich hohen Portion Rückgrat, Lebensmut und Humor ausgestattet ist.


    Die Lektüre des Buches ist durchweg lebensbejahend. Bettina hatte das große Glück in einer sehr liebe-und rücksichtsvollen Familie aufzuwachsen, die ihr von Anfang an ein weitestgehend normales Leben ermöglichen wollte. Das war zur Nachkriegszeit nicht unbedingt einfach. Viele Menschen begegneten ihren Eltern und später auch ihr mit Distanz bis hin zur Abneigung. Ihre Mutter erkämpfte Bettinas Rechte schwer und musste nicht selten gesundheitlich dafür bezahlen. Auch von ihrer hochbegabten Schwester erfuhr Bettina von Geburt an Liebe, Zuwendung und uneingeschränkte Solidarität. Der Vater, als Ruhepol der Familie, brachte seine Frauen immer auf den ruhigen Boden der Tatsachen zurück und ermutigte Bettina in jeder Lebenslage zu ihren Vorhaben.


    Das es Bettina gelungen ist, eine solch herausragende Persönlichkeit zu werden und sich als dreimalige Deutsche Meisterin mit körperlicher Behinderung im Dressurreiten zu behaupten, ist unglaublich und faszinierend und höchstwahrscheinlich nicht unwesentlich auf ihr großartiges Elternhaus zurückzuführen. Dieses Elternhaus und den Weg "nach oben" hat sie auf beeindruckende und herzerwärmende Weise in ihrer Autobiografie verewigt.


    Das vorliegende Buch ist nicht nur sehr informativ und aufklärend hinsichtlich der Contergan-Katastrophe, sondern auch ungemein erfrischend, frech und ehrlich in Bezug auf das Leben selbst.
    Und wieder einmal wird auch allzu deutlich, dass es meist die behinderten Menschen sind, die im Leben ein hohes Maß an Menschenkenntnis und Feingefühl benötigen, um es ihren Mitmenschen zu vereinfachen, mit ihren Handicaps einfach ganz normal umzugehen. Wobei Bettina zu keinem Zeitpunkt das Gefühl aufkommen lässt, dass ihre Behinderung der fehlenden Arme sie je an irgend einem Vorhaben hätten hindern können. Im Gegenteil, für diese Frau gibt es nur die nächste Herausforderung - keine Probleme.

  • Ich hab Bettina Eistel gerade bei "Beckmann" gesehen. Da sie mir auf Anhieb sehr sympathisch war, hab ich hier gleich mal gesucht, ob es eine Rezi zu ihrem Buch gibt und siehe da, ich bin fündig geworden :-) Bettina Eistel ist eine sehr erfrischende, lebensbejahende und witzige Frau, die voll im Leben steht. Es ist beeindruckend, wie sie mit ihrem Handicap umgeht. In einem kleinen Film konnte man sehen, wie sie im Alltag ohne Arme auskommt. Dieses Buch will/muß ich auf jeden Fall lesen und hoffe, daß das Buch ähnlich erfrischend ist wie sie selbst.

    Liebe Grüße
    Sabine


    Ich :lesend"Talberg 1935" von Max Korn

    Ich höre "Mein Leben in deinem" von Jojo Moyes

    SuB: 163

  • Milla: Echt? Super, eine Leserunde. Da bin ich gerne dabei. Werde ich mir gleich notieren und mir das Buch bis dahin besorgen! Vielen Dank für den Hinweis! :-) :wave

    Liebe Grüße
    Sabine


    Ich :lesend"Talberg 1935" von Max Korn

    Ich höre "Mein Leben in deinem" von Jojo Moyes

    SuB: 163

  • Ich habe das Buch heute fast in einem Rutsch gelesen. Vor kurzem gab es eine Dokumentation über Bettina Eistel auf 3sat, in der auch einige Bilder, die in diesem Buch abgebildet sind, geziegt wurden. Und die Art, wie Bettina Eistel präsentiert wurde, hat mich auf ihre Geschichte neugierig gemacht.


    Ich bin 12 Jahre später geboren und habe die Katastrophe um das Medikament Contergan, das als leichtes und sicheres Schlafmittel angepriesen wurde, gar nicht so recht mitbekommen. Die Deutlichkeit, in der Bettina Eistel beschreibt, was die 2-3malige Einnahme während der Schwnagerschaft bewirkte, ließen mich schaudern. Vor allem, weil die Verantwortlichen mit einem blauen Auge davon kamen.


    Doch das nur am Rande. Viel interessanter ist die Lebensgeschichte dieser Frau, die als Kind einiges durchmachen musste, die eine solche Lebenslust hatte, dass sie es geschafft hat, sich durchzubeißen, auch dank ihrer Familie, die einige Kämpfe durchzustehen hatte, bis Bettina ihr Abitur machen konnte.


    Ihre Schwester Barbara brachte sie zum Reiten, zunächst als Hobby, später als Hauptlebensinhalt, bis sie an Wettkämpfen teilnahm und schließlich auch bei Olympia auflief.


    Bewunderswert finde ich die Art, in der das Buch geschrieben wurde, teilweise kam es mir vor, als würde die Dame neben mir stehen und berichten, wie das damals alles so war, mit den Schulfreunden, mit den Männern, mit den Frauen um sie herum. Manches ist wirklich witzig, anderes bitter, aber die Lebensfreude und der Wille, dieses Leben zu genießen, kommen immer wieder durch.


    Dadurch, dass ich die Reportage gesehen habe, habe ich bereits erlebt, was Bettina Eistel alles mit ihren Füßen anstellen kann und um diese Gelenkigkeit beneide ich sie sehr.


    Ich kann das Buch "Das ganze Leben umarmen" sehr empfehlen, so sieht man als Nicht-Gehandicapter das Leben aus einer anderen Sicht, nimmt manches vielleicht mal als nicht so selbstverständlich hin und freut sich, dass man sich die Tränen oder den Schweiß mit zwei gesunden Händen wegwischen kann.


    Vielen Dank an Bettina Eistel für die Offenheit, mit der dieses Buch geschrieben ist. Das gibt von mir 9 Punkte. Der kleine Punktabzug nur dafür, dass der letzte Teil ziemlich "Pferde-lastig" ist, was mich persönlich nicht ganz so sehr interessiert hat.

  • Ein tolles Buch von und über eine tolle Frau. :anbet


    Ich schliesse mich den positiven Meinungen hier an und kann das Buch nur weiterempfehlen. :-)


    Bettina Eistel hatte das Glück in eine wunderbare Familie hineingeboren zu werden, die ihr immer den Rücken gestärkt hat und für sie gekämpft hat.
    Sie selbst kommt auch als sehr starke Persönlichkeit rüber - ansonsten hätte sie vielleicht nicht soviel erreicht in ihrem Leben.
    Sehr informativ und aufschlussreich sind auch ihre Erlebnisse und Erfolge mit ihren Pferden.


    Das Buch bekommt von mir 9 von 10 Punkten.

  • Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Mit viel Lebensfreude und mit viel Humor beschreibt Bettina Eistel ihr Leben. Dabei gelingt es ihr, die negativen Erfahrungen und Erlebnisse, so zu beschreiben, dass sie mich berührt haben, aber ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Fand ich klasse!


    Insgesamt ein spannender Lebensbericht einer tollen Frau! Und man muss kein Pferdenarr sein, um das Buch zu mögen...

  • Zitat

    Original von chiclana
    Insgesamt ein spannender Lebensbericht einer tollen Frau! Und man muss kein Pferdenarr sein, um das Buch zu mögen...


    OK..... das reicht.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Meine Meinung:


    Bettina Eistel strahlt durch ihre positive Art und ihren Humor eine Lebensfreude aus, an der sich so mancher Nicht-Gehandicapter ein Beispiel nehmen könnte. So macht es auch Spaß ihr durch ihre Biographie zu folgen, auch wenn es immer wieder Grenzen und Kämpfe, Wut und Ernüchterungen gab, durch die sie sich durchbeißen musste, das in der Regel aber erfolgreich gemeistert hat. Interessante Einblicke gibt es in die ganz und gar nicht immer so toleranten 70er Jahre, in der körperliche und geistige Behinderungen von der Gesellschaft noch gleichgesetzt wurden, in den Rückhalt und die Unterstützung einer tollen Familie, in die besonderen aber auch alltäglichen Probleme, die Bettina Eistel als Gehandicapte, aber auch als ganz normale junge Frau zu bewältigen hat, in die Anstrengungen aber auch Erfolge einer Olympionikin im Dressurreiten und vieles mehr. Eine positive und interessante Biographie, die es zu lesen lohnt!

  • Erst dachte ich, es wäre wieder eins der langweiligen Bücher über das Leben einer Person, die gegen alle Widerstände ihr Leben gemeistert hat.


    Ich habe dann ein paar Kommentare der Leserunde gelesen und beschlossen, mir das Buch auch zu kaufen.


    Scheint ja wirklich sehr interessant zu sein!
    Ist die nächste Anschaffung, wenn ich das nächste Gehalt bekommen habe :-)

  • Ich empfand das Buch als den Lebensbericht einer Frau, die mitten im Leben steht, ein mehr als erstaunliches Maß an positiver Lebenseinstellung hat und Rückschläge mit einer bewundernswerten Gelassenheit hinnimmt (zumindest liest es sich so). Bei den ganzen finanziellen Desastern wäre ich wohl mehrfach ausgerastet und verzweifelt.


    Ich gebe ganz offen zu, daß ich mich sehr unsicher fühle und oft nicht weiß, wie ich mich verhalten soll, wenn ich einem Menschen mit irgendeinem Handicap gegenüberstehe oder begegne. Das Buch hat mir hier wertvolle Hilfestellungen gegeben, mit solchen Situationen künftig, sagen wir, passender und angemessener bzw. richtiger umgehen zu können. Und ich vermute mal, daß das manchem anderen auch so gehen wird. Insofern kann das Buch sehr zum gegenseitigen Verständnis beitragen.


    Für mich als eigentlich überhaupt nicht an Sport interessiertem war es dennoch ganz interessant, so nebenbei zu erfahren, wie es hinter den Kulissen von internationalen Turnieren zugeht. Will heißen, auch wer sich nicht so für Sport im Allgemeinen oder Pferdesport im besonderen interessiert, wird an dem Buch seine Freude haben.


    Ich persönlich werde wohl als Folge von dem Buch nicht mehr von „behinderten“, sondern von „gehandicapten“ Menschen sprechen. Das ist zwar wieder ein Fremdwort mehr, jedoch schwingen in dem deutschen Wort (zumindest für mich) eher negative Untertöne mit, während „gehandicapt“ diese Assoziationen bei mir nicht auslöst. Und wenn ich das Buch richtig interpretiere, wird das auch von den Betroffenen so gesehen. Wieder was gelernt.


    Insgesamt eine sehr lesenswerte Autobiographie einer interessanten Frau, die ihr Leben mit bewundernswerter Energie und Gelassenheit meistert. Meinen Respekt!

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Ich gebe ganz offen zu, daß ich mich sehr unsicher fühle und oft nicht weiß, wie ich mich verhalten soll, wenn ich einem Menschen mit irgendeinem Handicap gegenüberstehe oder begegne. Das Buch hat mir hier wertvolle Hilfestellungen gegeben, mit solchen Situationen künftig, sagen wir, passender und angemessener bzw. richtiger umgehen zu können. Und ich vermute mal, daß das manchem anderen auch so gehen wird. Insofern kann das Buch sehr zum gegenseitigen Verständnis beitragen.


    Ja, so gehts mir auch immer!
    Obwohl ich in meiner Jugend (hört sich an, als wär ich steinalt :lache) eine Freundin - es war eher ne lockere Freundschaft - hatte, die als Fötus die Nabelschnur um Beine und Arme hatte - also hat sie die Arme nur bis zu den Ellenbogen und die Beine bis zum Knie :-(
    Mit ihr konnte ich ganz gut umgehen, andere gehandicapte Menschen meide ich, weil ich eben nicht damit umgehen kann.


    Ich denke, das zwanghafte Weg-Gucken - das ich leider auch mache - ist am allerschlimmsten :-(


    Vielleicht sollte ich das Buch vorziehen um besser mit solchen Menschen umgehen zu können.... :gruebel

  • Zitat

    Original von Terrier
    Bei "behindert" frage ich mich auch immer, wer behindert wen :rolleyes


    Eine gute Frage, auf die ich allerdings auch keine allgemeingültige Antwort weiß. :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Wuermchen
    Eine sehr lesenswerte Biographie, die lebendig und mitreißend ein interessantes Leben beschreibt. Und jeder kann für sich etwas mitnehmen - das Buch motiviert, trotz Widerstände seine Wünsche und Träume zu erfüllen, weil man sieht, dass es funktionieren kann, auch wenn es schwer ist.


    :write :write Ich kann mich Wuermchen nur anschließen. Seitdem ich dieses Buch angefangen hab zu lesen, stelle ich mir in vielen Alltagssituationen vor, wie ich das nun ohne Arme gemacht hätte. Danke für den Einblick in Dein Leben, Bettina!

    Liebe Grüße
    Sabine


    Ich :lesend"Talberg 1935" von Max Korn

    Ich höre "Mein Leben in deinem" von Jojo Moyes

    SuB: 163

  • Die Leserunde habe ich nicht mitgemacht. Bei allem Interesse an der Person Bettina Eistel hat mich die Sache mit den Pferden ja doch eher abgeschreckt. Nun habe ich das Buch aber ausgeliehen bekommen und es an einem Tag gelesen.


    Bewundernswert, wie die gehandicapte Bettina Eistel ihr Leben meistert. Sie hat ihren eigenen Kopf, mit dem sie zur Not auch mal durch Wände geht. Das macht ihr Leben sicher nicht immer einfach - bringt sie jedoch auch sicher öfter ans Ziel als jemanden, der sich von anderen "kleinmachen" läßt.


    Einfach ist das Leben als Contergan sicher nicht - doch nie klingt Selbstmitleid oder Verzweiflung durch. Das Leben hat Bettina und ihrer Familie eine große Aufgabe gestellt und sie haben sie allesamit mit Bravour gelöst.


    Das war übrigens auch etwas sehr beeindruckendes: Zu lesen, wie Bettinas Eltern vom ersten Tag an stark für ihre Tochter eingetreten sind und für ihre Rechte gekämpft haben. Das war sicher oft sehr nerven- und kräftezehrend.


    Erschütternd auch, wie in den 60er Jahren oft noch über Behinderte gedacht oder gar gesprochen wurde. Da hat es mich mehr als einmal gegraust. Und dann die Einstellung, daß Körperbehinderte wohl auch ganz automatisch geistig behindert seien. Also, da ging mir ja bloß bei der Lektüre schon das Messer in der Tasche auf.


    Das Buch ist das beeindruckende Lebenszeugnis einer mutigen und beeindruckenden Frau (eigentlich auch der ganzen Familie) und man kann vor ihrem Selbstvertrauen und ihren Leistungen wirklich den Hut ziehen. Ein für alle Menschen sehr ermutigendes Beispiel, sich niemals entmutigen zu lassen und immer seinen Weg zu gehen.


    Den einzigen kleinen Punktabzug gibt es von mir eigentlich auch für den Schlußteil. Aber da kann die Autorin nix dafür. Ist ja nicht ihr Problem, daß ich dem Thema Pferde eigentlich so gar nichts abgewinnen kann. :grin

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Das habe ich heute beim Stöbern zufällig gefunden:


    Bettina Eistel gewinnt Bronze im Dressurreiten bei den Paralympics!


    Falls sie hier doch gelegentlich noch mal reinlinst: Ganz herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Leistung!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)