So, ich bin nun komplett durch und etwas zwiegespalten.... leider.
Zunächst einmal bin ich mit einer sehr geringen Erwartungshaltung an dieses Buch herangegangen und wurde durch den angenehmen Erzählstil der Autorin äußerst positiv überrascht.
Die Idee der Geschichte ist ebenfalls ziemlich gut und es kommt auch durchaus Spannung auf. Ich war teilweise sogar richtig gefesselt, weil ich unbedingt wissen wollte, was da denn nun Auslöser war, was passiert ist und vor allem wie es weiter geht. (Obwohl ich meine eigene Variante schon seit den ersten paar Seiten im Kopf hatte, zweifelte ich ab und an immer mal wieder.)
Die Charaktere sind klar gezeichnet und handeln auf ihre Eigenschaften bezogen nachvollziehbar.
Das Buch wirkt optisch enorm ansprechend und der Einband ist trotz des schauderlichen Designverbrechens des Leratoverlagsbanners sehr hübsch.
Ich habe sehr kritisch gelesen und im gesamten Buch nur einen verzeihlichen Rechtschreibfehler gefunden.
Die Fußnoten empfand ich als sehr angenehm, so konnte ich mein angestaubtes Latein direkt auf Richtigkeit kontrollieren und brauchte nicht zu einem Anhang zu blättern.
Der Stammbaum vorne im Buch wirkte zunächst aufgrund der wenigen Figuren überflüssig, als es jedoch immer mysteriöser wurde, habe ich ihn sehr gerne zu Hilfe genommen und fand ihn sehr hilfreich.
Die Erzählart und die Zeitsprünge in jedem Kapitel empfand ich als sehr gut gelöst und sie steigerten die Spannung und wirkten passend zusammen gesetzt.
Das zu den positiven Dingen.
Jetzt kommen die Abers und Gründe, warum ich trotz der relative guten Unterhaltung die das Buch bot, das Buch nur bedingt empfehlen kann und werde. Ich arbeite mich also mal durch meine Notizen.
Erstmal das Erscheinungsbild...
1. Auf dem Buchrücken befindet sich das Zitat von David Kenlock, Autor von Dunkles Feuer, welcher sich zu dem Buch äußert.
Nun David Kenlock, ist ein so unbekannter Autor, daß die Nennung seines Namens in mir nicht mal ein leises Klingeln auslöste und ich lese wirklich viel. Gut, er hat einiges bei Scherz veröffentlicht, dennoch frage ich mich, was mir seine (sehr positive) Meinung auf diesem Buchrücken sagen will.... ? Da könnte aus meiner Sicht auch "Lieschen Müller findet das Buch gut" stehen...
Dann die Bequemlichkeit beim Lesen..
2. Der Buchrücken ist leider so wenig biegsam und die Schrift so nah an der Mittelfalz, daß es zum Kraftakt ausartete, das Buch zu lesen, ohne es zu beschädigen. (Ich hasse Knicke im Buchrücken)... aber ich habs geschafft.
Grundsätzliches...
3. Wie ich schon schrieb, Rechtschreibfehler habe ich trotz intensiver Aufmerksamkeit nur einen wirklichen gefunden, das ist Ok. Was nicht Ok war, waren die vielen Stellen, an denen statt einem Komma ein Punkt stand. Ich gebe zu an manchen Stellen, wäre es durchaus in Ordnung dort einen Punkt statt einem Komma zu setzen, aber mich haben die durch die vielen Punkte entstandenen seltsam kurzen Sätze irgendwie im Lesefluß behindert.
4. Die Autorin beginnt durch die oben angemerkte Punktsetzung mehrfach Sätze mit dem Wort DASS. (z.B. S 156 ziemlich unten) Ich weiß, dass man das unter bestimmten Vorausetzungen darf, aber es stört mich, es klingt nicht gut, wirkt irgendwie ungelenk und es tat mir persönlich im Auge weh und schubste mich jedesmal (ich glaub es waren 5 oder 6 Stellen) aus der Geschichte wieder raus.
Subjektives...
5. Die Kinder Joy und Samson führten für mich als Erwachsene sehr angenehme und sinnvolle Gespräche, allerdings nicht in einer kindgerechten Sprache. Das führte, dazu dass es mir enorm schwer fiel vor meinem inneren Auge tatsächlich Kinder zu sehen und keine erwachsenen. Die Sprache der beiden wirkte zu gereift und zu nachdenklich für Kinder in diesem Alter. (Speziell die Szenen als Joy erst 4 Jahre alt ist, wirkten auf mich so nicht sehr glaubwürdig) Mag sein, daß dies beabsichtigt war, auf mich wirkte es ein wenig ... hm .... unauthentisch.
6. Bibelzitate... auf jeder 2. oder 3. Seite wird entweder die Bibel oder Sturmhöhe zitiert. Nun ich bin nicht gläubig, dadurch störten mich die Bibelzitate sowieso, noch massiver, weil die Geschichte auch mit weniger Anspielungen und Belehrungen unter Zuhilfenahme der Bibel funktioniert hätte. Ganz bestimmt sogar...
Weiterhin stellten diese Zitate Sturmhöhe und die Bibel irgendwie auf eine Stufe, was zwar für die Protagonisten durchaus stimmen mag, für den Leser aber schwer nachzuvollziehen ist. Ich muß zugeben die Zitate aus Sturmhöhe hätte ich, wenn ich nicht versprochen hätte, eine ausführliche Rezi zu schreiben, spätestens ab Seite 50 nur noch überflogen.
7. Kursiv Schrift...
Ich mag keine Kursivschrift, sie ist anstrengend zu lesen und ich finde sie einfach optisch unschön. Daher haben mich die langen Kapitel aus der Vergangenheit, welche komplett kursiv gedruckt waren, massiv gestört.
8. Sprache generell...
Die gesamte Sprache und wörtliche Rede wirkte auf mich nicht zeitgemäß. Weder für 1963 wo alles beginnt noch für 1994 wo die Geschichte ja endet.
Zu schwülstig und getragen drücken sich die Charaktere aus, ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl mich im 20. Jahrhundert zu befinden.
9. Die Geschichte und das Ende... (keine Angst ich verrate nichts)
Die Geschichte ist unheimlich dicht, wie Tintenteufel schon schrieb, dennoch hätte sie auf einigen Seiten mehr Raum gebraucht. Damit meine ich nicht, die Hinarbeit auf die Lüftung des Geheimnisses, die war ausreichend formuliert. Eher die Gefühle der einzelnen kamen mir zu kurz.
Es ist von tiefer Liebe die Rede, von Verzweiflung, von Haß von sehr intensiven Gefühlen und dennoch wird nie ganz klar, was diese Gefühle bewirkt, was sie auslösen, was sie aus den Personen machen. Es geht nicht tief genug und wabbert ein bißchen schwülstig auf der Oberfläche, um dann in einer für mich sehr simplen Auflösung von dannen zu ziehen.
Um meinen Eindruck zu verdeutlichen.
Ich kann zwölf Mal sagen. ICH LIEBE DICH! Aber dadurch wird nicht klar, was Liebe für mich bedeutet. Wie sehr ich liebe, was ich tue für die Liebe.
Kurz, mir wurde zuviel über Gefühle geschwafelt, ohne den Kern der Sache zu treffen.
Oder anders, die Gefühle werden ausgesprochen, aber nicht gelebt. Es wird nicht geschrien und geschimpft, es werden keine Gesten und Mimiken wiedergegeben, die Worte wie "Haß, WUT, EIFERSUCHT, ANGST" ausdrücken würden.
ACHTUNG SPOILER
10. Wiederholungen...
Das Buch ist mit seinen knapp 250 Seiten sehr kurz. Dennoch hielt es die Autorin für nötig gewisse Dinge immer wieder zu wiederholen und mehrfach zu erklären. (Beispiel z.B. die Behaarung von Joy während der Geburt und ihre übriggebliebene behaarte Stelle wird 3 Mal genannt und jedes Mal wird darauf hingewiesen, daß die Behaarung von der Mutter wegrasiert wurde. Zu oft für meinen Geschmack. Man kann dem Leser schon zu trauen, daß er sich so etwas auch nach ein oder zweimaligem Lesen merkt)
11. Das Ende...
Ich wußte leider nach den ersten paar Kapiteln was die Auflösung ist. Ich zweifelte zwar immer Mal wieder speziell
12. Sprachwechsel....
Durch das gesamte Buch hinweg zieht sich der Name Sturmhöhe. Warum wird in den letzten paar Kapiteln plötzlich das Buch nur noch Wuthering Heights genannt? (Klar bedeutet das gleiche, hat mich aber irritiert.)
FAZIT:
Durchaus kein schlechtes Buch. Für Liebhaber von tragischen Liebesromanen, vermutlich sogar ein sehr gutes Buch. Für mich ganz nette Unterhaltung zwischendurch, aber sicher nichts, was mir lange im Gedächtnis bleiben wird. Ich muß zu geben ich hatte, auch wenn das im Bezug auf einen Roman der Sturmhöhe von E. Bronte als Grundlage hat, etwas witzig klingen mag, die ganze Zeit einen kleinen Schachtelkobold im Kopf, der ab und an herausprang und lautstark "FANFICTION" kreischte, um dann wieder zu verschwinden.
@ Bronte Sister...
Ich hoffe du bist durch mein Genörgel nicht verschreckt, aber ich wollte mich wirklich intensiv mit dem Werk auseinander setzen, ich denke, das habe ich getan.
Deine Art zu erzählen fand ich durchaus ansprechend, ich würde auch ein zweites Buch von dir lesen wollen, aber nur wenn du was ganz eigenes versuchst. Lös dich von den Brontes, schreib so, wie dir der Schnabel wächst, ich möchte wetten, das wirkt sehr viel echter als dieses Buch.
Danke noch mal für das Buch und die nette Persönliche Widmung und viel Erfolg weiterhin auf den schriftstellerischen Pfaden.
5 Sterne von mir.