Was sind eigentlich "Nachrichten"?

  • Wir diskutieren in diesem Thread gerade über das popmoderne Thema "Kampf- und Komasaufen". Dabei stellte sich u.a. die Frage, warum wir das tun. Nicht das Komasaufen, sondern das Darüberreden. Ich war gerade an der frischen Luft, und vor einem Zeitungsladen stand ein Aufsteller mit der heutigen Überschrift der "B.Z.", das ist die BILD-Schwester für Berlin:


    Wieder Wettsaufen: Schülerin (15) lag mit 4,1 Promille im Park!


    (Größer geht nicht, die Eule hat keine BILD-Lettern.)


    In diesem Thread hat Nudelsuppe auf einen hochinteressanten Artikel verlinkt, der sich damit befaßt, welche Inflation an populistischen Verboten in den letzten Jahren auf uns eingehagelt hat - und was noch zu erwarten ist. Insbesondere bei der Diskussion um Kampfhunde läßt sich eine direkte Verbindung zur "Berichterstattung" der Medien finden, wobei ich jetzt mal davon absehe, auf das "Unterschichtfernsehen" und die o.g. Zeitungen einzuschlagen. Tatsächlich haben sich damals so gut wie alle an der "Diskussion" beteiligt, und im Ergebnis wurde ein Gesetz erlassen, das Maulkörbe für viele Hunderassen vorschrieb, nur nicht, wie man im verlinkten Artikel nachlesen kann, die gefährlichste von allen, den Deutschen Schäferhund.


    Warum aber reden wir über solche Themen? Warum sind uns Kampfhunde und ein paar Dutzend Jugendliche, die sich per "Flatrate" die Kante geben, wichtiger als zum Beispiel die gut 6.000 Frauen, die tagtäglich in afrikanischen Ländern auf bestialische Weise beschnitten werden - mit einer Todesrate von 5 bis 20 Prozent (je nach "Verfahren")? Warum reden wir über ein Mädchen, das mit einem bemerkenswerten Promillewert aufgefunden wurde, aber nicht über die fast zwanzigtausend Menschen, die alleine in Deutschland Jahr für Jahr an den Folgen des Alkohols sterben?


    Die Antwort lautet m.E.: Weil uns die Medien diese Themen vorgeben. Und warum tun sie das? Weil wir Kunden sind, und die Medien mit ihrer "Berichterstattung" um uns werben. Es gibt einen Krieg um Nachrichten, einen Kampf um dramatische, widerwärtige, erregende, anschauliche Beiträge, die meistens weder repräsentativ noch gesamtgesellschaftlich bedeutungsvoll sind. Genau damit aber wird operiert, mit der Unfähigkeit des Zuschauers, zu relativieren. Wir hören von einem Jugendlichen, der besoffen aufgefunden wird, wir fressen die Verbindung zum "Flatrate"-Saufen, ohne darüber nachzudenken, und wir thematisieren, was uns vorgekaut wird. Das tun wir nicht erst seit dem Aufkommen des Privatfernsehens, aber es hat die Entwicklung verstärkt.


    Es tritt aber noch ein Effekt ein, der bis vor ein paar Jahren undenkbar war: Die Politik reagiert auf solche Vorgänge - siehe Kampfhundeverbot, siehe aber auch Diskussion in einigen Bundesländern um die sogenannten "Flatrate-Partys". Das ist sehr bemerkenswert, war es früher doch so, daß unsere Mandatsträger die populistische Berichterstattung, die keine ist, weitgehend ignoriert haben, wohlwissend, daß jede dieser Schwemmen auch wieder abebbt, in Wochenfrist aus den Köpfen der eben noch heiß diskutierenden ist.


    Was ich damit sagen will? Keine Ahnung, muß ich noch drüber nachdenken. Vermutlich geht es mir darum, daß man kritisch sein sollte und sich nicht von Medien, die werbefinanziert sind und um kritiklose Zuschauer buhlen, ein Weltbild vorschreiben lassen. Die Welt ist anders. Und es ist unsere, nicht die von RTL und meinethalben auch ZDF.

  • Es gibt dazu ein ganz grandioses Gedicht von Matthias Claudius. Das zeigt, dass das Thema sooo neu nicht ist, genau wie der Voyeurismus der den Marktwert solcher "Nachrichten" ausmacht.


    Was sind Nachrichten? Ich habe eine Zeit lang in der Lokalredaktion einer Tageszeitung als Praktikant meine Augen offen halten dürfen. Da kommen ständig "Nachrichten" an. Meldungen, wo hier einer einen Hammer hat fallen lassen und dort eine einen Schönheitspreis für das rechte Ohrläppchen gewonnen hat. Es ist die Verantwortung der Redakteure, aus dem Wust der Meldungen, die sie bekommen und aus dem, was die Korrespondenten liefern, das herauszufiltern, was wirklich von allgemeinem Interesse ist ... So entstehen Nachrichten...
    Wir wären völlig hirnlos, wollten wir annehmen, daß da nicht jemand lenkend und meinungsBILDend einzugreifen vermag und dies auch tut. Und so gibt rasch eines das andere: das gelenkte Interesse wird solange gelotst bis wir am Ende selbst glauben, das daß, was im Fernsehen kommt wirklich die Massen interessiert und womöglich auch noch wahr ist, was in Zeitungen steht ...
    Ich traue mittlerweile fast jeder Statistik, vorausgesetzt, sie war bisher nie in den Medien!

  • Na dann antworte ich mal für mich, weil ich ja diejenige war, die betreffenden Fred eröffnet hat. :grin



    Ich war gerade an der frischen Luft, und vor einem Zeitungsladen stand ein Aufsteller mit der heutigen Überschrift der "B.Z.", das ist die BILD-Schwester für Berlin:


    Da hast du mir einiges voraus. War heute nur auf dem Balkon und hatte keine Zeitung in der Hand. Aber das Internet hilft mit vielen Seiten ja aus. ;-)


    Warum aber reden wir über solche Themen? Warum sind uns Kampfhunde und ein paar Dutzend Jugendliche, die sich per "Flatrate" die Kante geben, wichtiger als zum Beispiel die gut 6.000 Frauen, die tagtäglich in afrikanischen Ländern auf bestialische Weise beschnitten werden - mit einer Todesrate von 5 bis 20 Prozent


    Weil uns das Hemd manchmal näher ist als die Hose? ;-)
    Weil ich diesen Trend schon länger beobachte als er von den Medien zur Auflagensteigerung missbraucht wird.
    Weil ich persönlich damit in Berührung komme. Also anders als mit den Frauen in Afrika.


    Die Antwort lautet m.E.: Weil uns die Medien diese Themen vorgeben. Und warum tun sie das? Weil wir Kunden sind, und die Medien mit ihrer "Berichterstattung" um uns werben.


    Trifft für mich nur äusserst selten zu. Aber wie schon gesagt, Dinge, die mich persönlich betreffen, die spreche ich auch gern an. Egal welches Blättchen oder welcher Sender sich dazu äußert.


    Die Politik reagiert auf solche Vorgänge - siehe Kampfhundeverbot, siehe aber auch Diskussion in einigen Bundesländern um die sogenannten "Flatrate-Partys".


    Du hättest dir ruhig mal nen Ruck geben sollen und einen Querschnitt dieser Blättchen kaufen und lesen sollen, dann hättest du vielleicht bemerkt dasniemand etwas tut, es nur darüber gesprochen wird. ;-)
    Und genau DAS war es was mich ja so ärgerte. Es gibt Gesetze und Regelungen und keine Sau interessiert es. Wozu gibt es die dann frage ich mich?
    Allenthalben wird darauf aufmerksam gemacht wie die Gesellschaft verroht, wegschaut, ignoriert. Und wird dann mal mit dem Finger auf etwas gezeigt kommen dann Leute wie du und meinen man täte es nur weil es in irgendeinem Käseblättchen geschrieben wurde. Aussagen wie: jo, früher haben wir ja auch oder die Eltern sollten mehr auf die Kiddies achten, ihnen Respekt abverlangen...


    Ja wer bitte schön? Wenn doch alle Infos aus der Presse oder dem TV ignorieren oder verharmlosen?


    Schöne Welt. :rolleyes Aber wir haben ja unsere Bücher und können uns dahinter verstecken oder wesentlich wichtigere Dinge aus ihnen entnehmen. ;-)


    Grüßle Heaven, die sich weiter über Dinge aus ihrem Umfeld interessiert oder aufregt :wave

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • ach so...und die Frage, was sind Nachrichten...
    Das sind für mich weltweite Infos. Mal interessant, mal berührend, mal völlig unwichtig, aber zu unserem Alltag dazu gehörend. Bei denen einen fühlt man sich aufgerufen Innitiative zu ergreifen, mandere hört man sich nur an weil sie weit weg sind und man wohl wenig Einfluss darauf hat oder wieder andere lassen einen sein eigenes Weltbild überdenken und fragt sich wie man einen sinnvollen Einfluss nehmen kann.


    Aber in der großen Masse die uns täglich überschwemmt findet man natürlich auch viel Murks was eigentlich keine Sau interessiert. Und da ist es schnurz ob man irgendwelche Privatsender, die öffentlich Rechtlichen oder vermeintlich echte Nachrichtensender wie NTV oder N24 einschaltet. :rolleyes

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  • Hallo, Heaven.


    Dann war es ein Zufall, daß Du dieses Thema angesprochen hast, während es quasi zeitgleich durch die Presse geistert? ;-)


    Aber die Kampfsauferei war ja auch nur ein Anlaß für meine Frage. Es ging mir mehr um das, was licht ausgeführt hat, und um die Frage, inwieweit wir glauben, daß unsere Realität mit dem übereinstimmt, was die Medien für ein Bild zeichnen - wir haben hier viele Diskussionen, die zu der Annahme verleiten könnten, daß es tatsächlich so ist, angefangen bei der heißen "Turbo Rolf"-Debatte über Papstzitate-Streitgespräche und vieles mehr bis hin zur oben genannten.
    Und darüberhinaus ging es mir um diese obskure Entwicklung des Hinterherhechelns der Politiker. Das war, wie gesagt, früher nicht so, und es befremdet mich. Sehr.

  • Tom
    Es war insofern Zufall, dass mir das Thema schon länger auf den Nägeln brennt, aber als ich es im Net als Schlagzeile sah, inspirierte es mich nun endlich mal was dazu zu sagen. ;-)


    Aber wie du schon sagst, woher sollen wir wissen was an den Nachrichten wirklich dran ist? Man kann nur vermuten, sollte sich aber davor hüten alles als Murks abzutun. Bleibt also nur eigene Erfahrung die einen mehr zu den Themen wissen lässt.
    Was dann wiederum das Hemd näher als die Hose sein lässt. Sprich, ich weiß mehr über meine unmittelbare Umwelt als was in Afrika wirklich abgeht. Da kann ich mich nur auf die Essenz der Vielfalt der Nachrichten stüzen. Richtig soweit? ;-)


    Und was Licht betrift.....ich schweige lieber. :rolleyes

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  • Ähmm, Heaven ... was bitte soll ich mit dieser Andeutung anfangen?? IOch würde Dich bitten: entweder Du läßt solche Andeutungen oder Du schreibst, was Du denkst.

  • Zitat

    Original von Tom
    Was heißt "Nachricht" eigentlich? Verwechseln wir dieses Synonym für "Neuigkeiten" nicht zu häufig mit "Information" im werthaltigen Sinn?



    Das Wort Nachricht leitet sich vom Nachrichter, häufiger Scharfrichter genannt, ab. Im Begriff Nachrichter, so viel wie Richter nach dem Richter, wird der Aspekt der nachrichterlichen Urteilsvollstreckung hervorgehoben. Da früher nicht so viele Menschen hingerichtet wurden, wie gelegentlich kolportiert wird, und man von Henkern weiß, die nie eine Hinrichtung vollstreckten, mussten sich diese andere Erwerbsquellen erschließen. Unter anderem fanden sie als Boten, d. h. Berichter Verwendung.


    „NACHRICHT, f. erst seit dem 17. jahrh.


    mittheilung zum darnachrichten und die darnachachtung....
    überhaupt mittheilung einer begebenheit u.s.w.“.
    Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Band 7. Leipzig 1889, S. 103



    Klingt ganz danach, als solle man nach Aufnahme der Nachricht richten. :gruebel :lache


    Das tun doch viele. ;-)


    Ob nun Neuigkeit oder Information, den Wert derselben entscheidet doch jeder für sich selbst. Egal ob diese nun wahr oder unwar, unpluggd oder manipulativ ist.

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    Grüßle, Heaven


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  • Danke für diesen Fred, Tom


    Seit einiger Zeit stellt man ein wiederkehrendes Ritual fest, dass sich immer mehr verfestigt.
    Etwas "Unfassbares" geschieht. Ein Kind wird von einem Hund zerfleischt, ein Jugendlicher läuft Amok und erschießt Mitschüler, zwei Jugendliche haben sich ins Koma gesoffen.


    Schlimm genug, aber die Berichterstattung suggeriert, als wäre das ein allgemeines, jeden bedrohendes Problem, für das es einfache Lösungen gäbe - wenn die Politik nur handele. Beim Amoklauf sind es die "Killerspiele", beim Komatrinken die "Flatrates", bei den tödlichen Hunden besonders unheimliche Kampfhunde. Auffallend, dass hier neue, wertende Begriffe eine Rolle spielen. Natürlich ist der Schäferhund kein Kampfhund, sondern ein normaler deutscher Hund. Natürlich sind Killerspiele keine normalen Spiele etc.


    Das sind Scheindiskussionen, die bisher zu absurden Gesetzen und Verboten geführt haben und führen werden. Unsere Gesellschaft wird unfreier, der Druck auf den Einzelnen, sich angepasst zu verhalten, nimmt zu (und damit auch der Ausbruch von Gewalt). Schon jetzt wird man als Raucher von Nichtrauchern angepöbelt, auch wenn man in den "erlaubten Bereichen" raucht. Um es anders zu sagen: es gibt eine Tendenz, sich "zu Tode" zu schützen.


    Diese Entwicklung ist m. E. absolut kontraproduktiv.


    :wave
    Marcel

  • Ich glaube, irgendwie schmeisst ihr hier alles in einen Topf....Nachrichten und Schlagzeilen. Da sehe ich schon Unterschiede. :gruebel

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    Grüßle, Heaven


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  • Wir bekommen tagtäglich dermaßen viele Nachrichten, daß es eines ungeheueren Aufwands bedürfte, herauszufinden, was wichtig ist und was nicht.
    Alle diese Nachrichten enthalten Informationen, Millionen von Daten. Hier wäre gleichfalls ein ungeheuerer Aufwand nötig zu überprüfen, was richtig und was falsch.


    Wir benutzen die Medien als Sortierhilfe.
    Aber wir hinterfragen die 'Medien', also unsere Sortierhilfe nicht. Wir betrachten sie per se als Autorität.


    Eine weitere Sortierhilfe sind wir uns selbst. Tatsächlich nehmen Menschen eher das wahr, was bekannten Mustern entspricht, nach Gefühlslagen. Überhaupt scheint mir das Gefühl sehr wichtig zu sein beim Aufnehmen von 'Nachrichten'.


    Dazu kommt, daß Nachrichten ein Teil des social bonding sind. Wer dazugehören will, muß mitreden können. Also gibt es einen bestimmten Pool von Nachrichten oder Informationen, aus dem man sich bedienen muß, will man dazugehören. Redet die Bürogemeinschaft über den Grand Prix hat man mitzureden, sonst ist man draußen. Dito Kampfhunde. oder Kampfsaufen.


    Dazu kommt, daß man eine gewissen Hilflosigkeit spürt angesichts der Weltlage und des allseitigen Elends. Man will etwas tun und kann so wenig tun.
    Eine rein emotionale Diskussion über Kindesmißhandlung z.B. erweckt den Anschein, daß man etwas Gutes getan habe. Man setzt sich doch ein, spricht sich für etwas Gutes aus. Das ist echte Betrofenheit, die zugleich die tägliche politische Kleinarbeit für etwas scheut.


    Das Reden über Probleme, die die Medien vorgeben, ist auch ein Druckausgleich. Da verpufft Energie im gemeinsamen Klagen.


    Den Medien, egal ob Print oder TV oder Radio sind vor allem die Verkaufszahlen wichtig. Nachrichten sind Produkte auf einem Markt. So werden sie gehandelt.


    Die EndverbraucherInnen sind keine 'dummen' Massen. Ich reagiere sehr heftig auf solche Ausdrücke wie 'Unterschichtenfernsehen', 'breite Massen' etc. Das sidn immer die andern, ja?
    Die jeweilige Sprecherin/der jeweilige Sprecher ist ausgenommen von dieser 'Masse'.
    Von eigenen Gnaden.


    Jede und Jeder hat Probleme, mit den Nachrichten heutzutage fertigzuwerden.



    Ich finde übrigens nicht, daß die Politiker in dem Sinne den Themen der Medien hinterherennen.
    In meinen Augen tun PolitikerInnen längst nichts mehr als das, was ihren Interessen dient.
    Das kommt in der Öffentlichkeit nicht gut an. Die 'Masse' spürt das genau.
    Wie schön also, wenn man als PolitikerIn in der Morgenzeitung ein Mitleids-Thema findet und eine schwungvoll populistische Rede halten kann. Das hält die WählerInnen bei der Stange, kostet nichts und hinterläßt einen guten Eindruck. Man tut anscheinend etwas für das Volk. Scheinbar.


    Ein Beleg dafür ist die sehr schiefe Diskussion zu 'Komasaufen'.
    Dort sagen viele: das war schon immer so.
    ( 'Schon immer' heißt in der Regel so ca. zwei Generationen :grin)
    Jugendschutzgesetze gab es auch 'schon immer'.
    Kaum einer wendet sie an.
    Das ist doch wohl das Fazit aus der Diskussion?


    Und damit ein Beleg, daß es den PolitikerInnen nicht so sehr daran gelegen ist, etwas zu tun, außer einen Wirtschaftszweig zu fördern, in dem Fall die Getränkeindustrie und verwandte Unterhaltungszweige.


    Und nein, ich finde eben nicht, daß es eine Tendenz gibt, uns zu Tode zu schützen. Außer vor Terroristen, natürlich.
    Aber das ist ein anderes Thema.
    Oder?

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • oder?


    Mit "zu Tode schützen" meine ich die immer weiter gehende Aufgabe persönlicher und privater Freiheiten zugunsten eines übergeordneten Schutzes. Wenn die Leute keine Killerspiele spielen dürfen, dann gibt es natürlich auch keine Amokläufer mehr. Wenn es keine Flatrates gibt, dann saufen sich Jugendliche auch nicht mehr ins Koma. Wenn wir jede Straße durch Überwachungskameras sichern würden hätten Terroristen keine Chance. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Aber immer geht ein (wenn manchmal auch kleines Stück) der Freiheit und eigenen Entscheidungsfreiheit drauf.


    :wave
    Marcel

  • Warum findet der Normalleser einer Zeitung eine Nachricht über Kampfsaufen Jugendlicher lieber als Schlagzeile vor, als die Nachricht wieviel Alkoholiker es gibt?


    Einfach- der Leser kann sofort beurteilen, dass er nicht zur Gruppe Jugendlicher gehört- bei den Alkoholikern wird das schwierig.


    Der Ruf nach dem Gesetzgeber ist heute eine Art Beißreflex auf schlechte Nachrichten- dabei wird echte Information gar nicht mehr wahrgenommen. Geschieht ein Mord an einem Kind, wird mit fettesten Schlagzeilen von dem Verschwinden des Kindes bis zur Verurteilung des Täters so ausgefürt, dass Umfragen ergeben, dass die Mehrheit der Deutschen der Meinung ist Kindermorde seien in den letzten dreissig Jahren der Anzahl nach explodiert-das Gegenteil ist der Fall.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Amokläufer gab es seltsamerweise auch schon vor Erfindung des Computers oder der Spielkonsole.


    Hunde können nichts dafür, wenn sie mißhandelt werden und sich dann nicht artgerecht verhalte.


    Komasaufen ist Mist, wird auch tatsächlich durch die Industrie mit speziellen "neuen" Sorten puscht- wenn dort Erziehungsversagen seitens Eltern und Schule geschieht ist die Konsequenz vorhersehbar.

  • Nudelsuppe


    das Schwierige ist, daß Rauchen, Alkohol, Hunde, Computerspiele etc. Grenzbereiche sind.
    Ich sitze nicht immer gern im Zigarettenrauch anderer. Ich rauche selber gelegentlich, bin aber für rauchfrei Gasträume.
    Ich finde, es gibt zuviele Hunde.
    :grin


    Leute mit ihren wie-immer-sie-heißen- Musikplayern in den Fahrzeugen des ÖNV nerven und Handies überall auch.
    À propos: man könnte statt über Trinkgewohnheiten auch über die immer größer werdende Zahl von Jugendlichen mit Hörschäden diskutieren ;-


    Ist es nicht so, daß es tatsächlich gälte, von seiten Aller, gewissen Verantwortungen wahrzunehmen?

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Sagen wir: Das Aussergewöhnliche ist aufmerksamkeiterregend und daher u.U. eine Nachricht wert. Heute lese ich im Universal, dass die mex. Drogenkartelle dieses Jahr 500 Morde zu verantworten haben. Ein einzelner Mord, wenn nicht gerade die Tochter einer bekannten oder wichtigen Persönlichkeit erschossen wird, ist unerheblich, keine Nachricht mehr wert, weil es zu einer Alltäglichkeit geworden ist und man diese Leute nicht kennt und daher auch kein Mitgefühl empfinden kann.


    Bei aussergewöhnlichen Ereignissen oder solchen, die im Kontext zu einer vorherigen Nachricht stehen, kann der Mensch die Information als für sich interessant einstufen, egal, wie banal sie eigentlich sein mag. Das kann der Tod der Pandabärin sein (man ist ja gerade auf Bären fixiert) oder eben Bingedrinking (Alkohol und Zigaretten) -> Zigarettenverbot -> Bars -> Alkohol.


    Hier gibt es seit Jahren "barra libre" (freie Bar), ab ca. 15 Euro für junge Erwachsene. So neu ist das Konzept also nicht. Allerdings weiss man als etwas Älterer, dass dort Alkoholika gepanscht werden, Eiswürfel mit Äther vermischt werden (damit der Rausch dem Betreiber billig kommt), usw.

  • Laut etymologischem Wörterbuch kommt Nachrichten von "Anweisung; etwas, nach dem man sich richten muss". Dies deckt sich mit meinen frühkindlichen Erfahrungen:
    Anfang der 70er kam einmal die Woche der Dorfbüttel, um Nachrichten zu verkünden:
    Wann die Weinlese beginnt, wann welche Waldwege befahren werden dürfen, wieviel dieses Jahr die Genossenschaft für den Zentner Kartoffeln bezahlt... Aber schon hier waren Mitteilungen eingestreut, die vornehmlich der Unterhaltung dienten: Hochzeiten, Geburten, Todesfälle oder, selten, wer wegen welcher Delikte mit der Polizei zu tun hatte.


    Dieser Mix findet sich meines Erachtens auch in den modernen Medien wieder, zumindest, mit Einschränkungen, den Öffentlich-Rechtlichen. Da aber heutzutage die "Anweisungen" (z.B. Gesundheitsreform, Mehrwertsteuererhöhung, Militäreinsätze) nur noch passiven Charakter besitzen (wir müssen nicht mehr warten, bis die Weinlese beginnt und dann loslegen, sondern beim Einkauf einfach mehr bezahlen), der Medienkonsument also nur noch mittelbar betroffen ist, wird die "Nachrichtenzeit" eben mit "Mitteilungen" aufgefüllt. Das kann eine neue Opernaufführung in Karlsruhe oder eine Familientragödie in Hinterposemuckel sein (was mich beides nicht die Spur interessiert)

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von magali
    Ist es nicht so, daß es tatsächlich gälte, von seiten Aller, gewissen Verantwortungen wahrzunehmen?


    Unbestritten. Eigenverantwortung (im Sinne sich verantwortlich zu verhalten). Wenn man Verantwortung immer mehr an einen vorgegebenen Rahmen bindet sinkt die Eigenverantwortung eher, als dass sie gestärkt wird. Eigene Werte werden dann durch Moral ersetzt, die das angeblich unmoralische ausgrenzt und verfolgt.


    :gruebel