Der Schneeleopard – Tschingis Aitmatow

  • Unionsverlag, März 2007, 320 Seiten, gebundene Ausgabe
    Aus dem russischen von Friedrich Hitzer
    Die Übersetzung folgt dem russischen Manuskript des Autors vom Februar 2006
    Am Ende des Buxhes sind ein Kapitel mit Worterklärungen der kirgisischen Begriffe (Anreden, Währungen etc.) sowie über Leben und Werk des Autors enthalten.


    Handlung laut Klappentext:
    Für beide scheint es keinen Platz mehr zu geben - weder für den alten Schneeleoparden Dschaa-Bars noch für den unabhängigen Journalisten Arsen, der gegen Oligarchen und Fanatiker anschreibt.


    Der einst unbezwingbare Schneeleopard Dschaa-Bars fühlt seine Kräfte schwinden und will sich zum Sterben in ein unzugängliches Tal im kirgisischen Hochgebirge zurückziehen. Und Arsen Samantschin, der unabhängige Journalist, wird von der Welle des entfesselten Kommerzes in seiner Heimat überrollt. Die Medien kuschen, Oligarchen und Fanatiker drängen sich vor, und seine große Liebe, die Sopranistin Aidana, feiert als Popstar Triumphe.
    Das Schicksal führt Arsen und den Schneeleoparden in einer atemberaubenden Wendung zusammen: arabische Prinzen haben sich zu einer luxuriösen Jagdpartie angekündigt. Arsen soll sie als Tourmanager und Dolmetscher begleiten. Aber nicht alle im Dorf wollen es hinnehmen, dass es bei diesem Geschäft so wenige Gewinner und so viele Verlierer gibt.

    Zum Autor:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Tschynggys_Aitmatow


    Meine Meinung:
    Der russische Originaltitel von 2006 hieß übersetzt Wenn Berge einstürzen. Die ewige Braut.
    Im deutschen wählte man den verkaufsfördernden Titel Der Schneeleopard, den ich ehrlich gesagt, auch mehr mag


    Es gibt im Roman zwei parallele Handlungen.
    Vom etwas abgehalfterten freischaffenden Journalisten Arsen, der nebenbei für seinen Onkel eine Jagdgesellschaft leiten soll und dabei in eine Entführungsgeschichte verwickelt wird.


    Dieser Teil des Romans ist gut, aber mich überzeugt noch mehr der naturalistisch gehaltene Teil über den Schneeleoparden, der alt geworden seine Partnerin an einen jüngeren Konkurrenten verliert, dadurch zum Einzelgänger wird, der auch schon bald keinen Erfolg bei seiner Jagd auf Bergziegen und Steinböcke mehr hat. Wie er erkennen muss, dass seine Zeit zu Ende geht, ist eindringlich beschrieben. Eine fast klassische Tiergeschichte.


    Mehr Raum nimmt aber der Teil um Arsen ein.
    Zitat: Du leidest an der Welt, weil Wort und Wirklichkeit auseinander klaffen.
    Du bist allein mit deinem Weltschmerz.

    Diese Gedanken Arsens könnten vielleicht auch die des Autors sein.


    Am Anfang gibt es eine lange, sehr schöne Szene mit Arsen und seiner geliebten Aidana beim Schloß in Heidelberg Hier erzählt Arsen die Parabel von der ewigen Braut, eine unglückliche Liebesgeschichte, die sich leitmotivisch durch den Roman zieht.


    Im Epilog ist eine Geschichte des Journalisten Arsen integriert.


    Über das dramatische Finale möchte ich lieber nichts verraten, um die Spannung zu erhalten.


    Fast 50 Jahre liegen zwischen Aitmatows bekanntesten Werk Dshamilja und diesem Buch und doch ist Aitmatows Sprache geblieben was sie ist: klassisch und zeitlos.


    Ich gebe 9 von 10 Punkten.

  • Ein wunderbar traurig-schöner Roman über das kirgisische Leben, seine Ureinwohner und die Schneeleoparden.
    Aitmatow schreibt mit einer Gelassenheit, die einem das Lesen erleichtert und es scheint, als fliegen die Seiten nur so dahin. Die Sprache Aitmatows ist relativ einfach und trotzdem gehoben romantisch. Das Ende kommt sehr abrupt und überrascht vermutlich jeden Leser bis dahin erst einmal. Meiner Meinung nach ein sehr gelungenes Buch über Korruption, die Beziehung zwischen Mensch und Tier, und natürlich der Liebe.

    "Katzen achten nicht drauf, welche Namen wir ihnen geben. Sie haben ihre eigenen Namen und brauchen unsre nicht. Darum schaut einen eine Katze auch immer so mitleidig an, wenn man sie beim Namen ruft, den man ihr gegeben hat, als ob man es nie lernt.

  • Tja, das war wieder eines der Bücher, die ich nicht zu Ende gelesen habe :-( Ich tu mich allerdings auch nicht schwer damit, ein Buch abzubrechen, wenn ich mich nicht hineinfinde …


    Meine Meinung:
    Mich hat die Erzählstimme genervt.
    Die beiden nebeneinander verlaufenden Handlungen um den Journalisten Arsen und den Schneeleoparden werden von einem allwissenden Erzähler erzählt, der nach meinem Empfinden viel zu deutlich immer wieder in Erscheinung trat. Es wimmelt in diesem Buch von Deutungen, Interpretationen und Kommentaren, die immer wieder in die Geschichte eingestreut werden. Aber als Leser will ich mir lieber meine eigene Meinung zum Erzählten bilden, hier hatte ich aber oft den Eindruck, dass mir meine Meinung vom Autor "vorgekaut" wird.
    Zu Beginn des Buches gab es z. B. viele (Voraus-)Deutungen über das Schicksal im allgemeinen und das Schicksal und Vorherbestimmung der beiden Handlungsträger im besonderen.
    Weitere Beispiele:
    Es werden Vorbereitungen zur Jagd im Gebirge getroffen, und promt steht da, dass, hätten die Tiere dies auch nur geahnt, sie schon längst in die Weiten des Himalaya geflohen wären. (In meinen Augen sind solche Anmerkungen auch keine Weisheiten …)
    Oder während eines Treffens der Organisatoren der Jagd fliegen mehrmals laut kreischende Schwalben in das Zimmer – die Deutung, dass die Schwalben ihren Unmut über die Planungen äußeren und ihre Unruhe auch hinaus ins Gebirge tragen, folgt sofort.


    Für mich hat diese erläuternde Art des Erzählens den Fortgang der Geschichte oft gehemmt. Was ich sehr schade fand, denn ich lese ja gerne Geschichten.


    Zudem verliefen die beiden Handlungsstränge deutlich parallel zueinander, was auf mich dann leider schon wieder sehr konstruiert gewirkt hat und was mich auch wieder aus dem Lesefluss der Geschichte herausgetragen hat.


    Von mir gibt es daher nur 5 Punkte.


    Ich kann mich nicht erinnern, dass andere Romane Aitmatows, den ich als Autor eigentlich sehr schätze, ebenfalls so stark auktorial erzählt sind. :gruebel