Zunehmende Verrohung+Schilderung von Gewalt in Büchern

  • Ich habe Bukowski vor rund 20 Jahren mal in einer Lesung erlebt - genial! Ein echter Wahnsinnstyp!
    Der absolute Meister der Short Stories! Da kommt niemand auch nur annähernd ran.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Taki, ich habe die Bücher vor sehr langer Zeit gelesen und fand sie nicht so sehr gewaltgeladen. Sicher, die Sprache ist hart (ich habe sie im Original gelesen) und sehr direkt. Die Dinge werden beim Namen genannt.
    Muss da noch einmal reinschauen, vielleicht sehe ich das heute anders :grin

  • hallo EllaBella


    ich bins nur...hef


    genau dieses Thema habe ich in einem anderen Forum zur Diskussion gestellt und bin als Krimiautor dafür nieder gemacht worden...
    Gut, dass du mal das anschneidest.
    Ich bin deiner Meinung, dass Autoren eine gewisse Verantwortung tragen.
    Gut...ein Krimi kommt nicht ohne eine Leiche aus. Aber das muss doch nicht exessiv beschrieben werden. Überhaupt lenken solche Beschreibungen vom eigentlichen Thema....der Unterhaltung des Lesers... ab....
    Autor/innen sollten sich einer gewissen Ethik unterwerfen.
    Es gibt wahrlich Grenzen, die uns Autoren ins Abseits stellen.
    Mag sein, dass ich da zu altmodisch bin, aber ich vermeide in meinen Krimis jede Gewaltdarstellung. Es geht auch anders.


    Dein hef buthe

  • Zunächst bin ich geneigt zu sagen: Oh, ihr Mimöschen, da wird das Leben geschildert, wie es ist. Es tut nun mal weh, wenn eine Frau ihren Mann schlägt oder ein Mann seine Frau vergewaltigt, so eine Eroberung einer Burg im Mittelalter war keine intelektuelle Auseinandersetzung, sondern für jeden Überlebenskampf und der Körper ist nun mal so ausgelegt, das dieser Adrenalinsuperausstoß mit Sex abgebaut werden kann und die Frauen der eben massakrierten Männer nicht bereit waren freiwillig den Siegern die Beine breit zu machen. Dann ist es Realität, wo so etwas heute noch passiert, dass es zu Gewaltexzessen kommt, Realität, dass Morde keine Liebeserklärungen sind. Im Kampf Mensch gegen Mensch geht es anders zu als im Kampf Knopfdruck gegen Knopfdruck. Das Grauen in beiden Fällen ist einfach nur anders- nach dem Abwurf einer Atombombe ist einfach nichts mehr da, dass sich zu Vergewaltigen lohnt. In historischen Romanen oder auch in Krimis nicht nur Histörchen zu schildern, sondern auch Realitäten halte ich nicht für verfehlt.


    Allerdings ist manchmal fraglich, wie genau diese Realität geschildert werden muß. So viele Informationen, dass sich der Leser in seiner Phantasie genau das Grauen ausmalen kann sollte es schon sein, soviel, dass der Phantasie kein Raum mehr bleibt muß es nicht sein.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Zunächst bin ich geneigt zu sagen: Oh, ihr Mimöschen, da wird das Leben geschildert, wie es ist.


    Genauso ist es! Warum sollte man in einem Buch die Augen vor der Realität verschließen und warum Dinge nicht so schildern wie sie sind? Alles andere ist doch nur Augenwischerei!
    Und in einem Krimi wirkt es schon seltsam, wenn dort das Opfer "poetisch" erschossen oder erstochen wird. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


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    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Bücherfrau
    Hallo Voltaire,


    da ist was dran, aber müssen die Opfer - wie in den letzten Jahren Mode - immer gleich zerstückelt und zu rituellen Mustern angeordnet werden?


    Viele Grüße,
    Bücherfrau ;-)



    Das darf natürlich kein Selbstzweck sein, wenn es aber für die Geschichte wichtig ist, dann muss man auch solche Dinge aufschreiben - vielleicht kann man ja Bücher mit einem kleinen Hinweis versehen, dass es eben sehr hart werden kann oder hart ist.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


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  • Zitat

    Original von Bücherfrau
    da ist was dran, aber müssen die Opfer - wie in den letzten Jahren Mode - immer gleich zerstückelt und zu rituellen Mustern angeordnet werden?


    Das ist genau das, was ich meine. Ich hab nichts gegen Morde in Krimis (auch Messerschlitzereien usw. gehen in Ordnung), aber müssen die Täter immer gleich pervers sein und mit dem Opfer vorher noch Sex haben und ihm dabei noch den Bauch aufschlitzen und muss dann auch noch über 2 Seiten geschildert werden aus welchen Körperöffnungen dann die Gedärme austraten und wieviel Blut aus Ohren, Augen etc. floß, wie der Täter sich dabei noch aufgeilt usw.?


    ....Und ich möchte auch nicht 5 Seiten Vergewaltigung mit Betteln des Opfers, Verprügeln, Zähne rausschlagen, halben Unterleib zerfetzen usw. lesen. Das alles kann man dann ja in entsprechender Literatur unterbringen (Horror, Thriller usw.) aber ich finde in der Abteilung Belletristik hat das dann nichts mehr zu suchen.


    Ich bezweifle auch stark, dass 90 % der Männer im Mittelalter brutale Schweine waren und ihre Frauen/Mädge/Freundinnen vergewaltigt haben. Oder dass der Großteil der Krieger bei einer Burgeroberung nichts Besseres zu tun hatten als die Säuglinge umzubringen oder schwangere Frauen fachmännisch zu zerlegen...usw.

  • Zitat

    Original von EllaBella
    Das ist genau das, was ich meine. Ich hab nichts gegen Morde in Krimis (auch Messerschlitzereien usw. gehen in Ordnung), aber müssen die Täter immer gleich pervers sein und mit dem Opfer vorher noch Sex haben und ihm dabei noch den Bauch aufschlitzen und muss dann auch noch über 2 Seiten geschildert werden aus welchen Körperöffnungen dann die Gedärme austraten und wieviel Blut aus Ohren, Augen etc. floß, wie der Täter sich dabei noch aufgeilt usw.?


    :wow Was lest ihr nur für Bücher??!


    Momo

    Momo


    Alles Wissen und alle Vermehrung unseres Wissens endet nicht mit einem Schlusspunkt, sondern mit einem Fragezeichen.
    -Hermann Hesse-

  • Zitat

    Original von EllaBella
    Das ist genau das, was ich meine. Ich hab nichts gegen Morde in Krimis (auch Messerschlitzereien usw. gehen in Ordnung), aber müssen die Täter immer gleich pervers sein und mit dem Opfer vorher noch Sex haben und ihm dabei noch den Bauch aufschlitzen und muss dann auch noch über 2 Seiten geschildert werden aus welchen Körperöffnungen dann die Gedärme austraten und wieviel Blut aus Ohren, Augen etc. floß, wie der Täter sich dabei noch aufgeilt usw.?


    Tja, und müssen Leute ganz langsam an einem Unfall vorbeifahren, um auch möglichst viel zu erkennen? Müssen wir Details wissen, wie der Serienmörder seine Opfer umgebracht hat? Und warum ist die Sensationspresse voll von schaurigen Details?


    Es bedient ein (großes) Publikum. Damals wie heute.


    :wave
    Marcel

  • kurzer, streckenweise polemischer exkurs zum thema mittelalterliche vergewaltigungen


    Die Romantik des 19. Jahrhunderts hatte tagesaktuell nicht viel, über dass sie sich ungefährdet enthusiasmieren konnte. Seit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (1806) bis zur Reichsgründung 1871 gab es kein Staatengebilde, das man ernsthaft hätte "Deutschland" nennen können.


    Da der Romantiker an sich, wenn er etwas auf sich hielt, einen gewissen revolutionären Impetus pflegten (und was konnte revolutionärer sein als ein einiges deutsches Reich zu fordern, ohne Kleinstaaterei mit Pass- und Zollkontrollen an jeder dritten Milchkanne), saßen sie ein bisschen in der Klemme. Revoluzzer waren pfui beim Establishment und so mancher Student, der wegen Raufhändel (vulgo: Duell) im Karzer gesessen hatte, wurde später landesflüchtig um nicht wieder hinter Gittern zu landen.


    Was das jetzt soll? Na, wenn ich nicht einfach jetzt ein freies, einiges und – horribile dictu! – demokratisches Deutschland fordern darf und das mehr oder weniger entspannt im Hier und Jetzt, wenden ich mich einfach mal der historischen Nabelschau zu. Neben der ein oder anderen Fluse fördere ich dort die guten alten Ritter, Kaiser Rotbart lobesam und alles, was da den Bauernstand recht eigentlich geknechtet hatte. Ach nein, das doch lieber nicht, die hehre Minne soll es sein. Und schon habe ich mir mein idealisiertes Mittelalter geschnitzt.


    Dass das nicht viel mit den tatsächlichen Lebensumstenden der herrschenden Schicht zu tun hat, ist mir in dem Moment recht eigentlich schnurz. Es geht doch nicht um historische Korrektheit, sondern darum, meine Sehnsucht nach Deutschland so zu ventilieren, dass ich nicht im Pariser Exil verweilen muss, wo mich so manches um den Schlaf bringen mag. Und weil dem Reinen natürlich alles rein ist, bleiben die Mägdlein fürderhin unbescholten, selbst wenn sie Aschenputtel auf der Raubritterburg sind.


    Tja. Und dann macht es auf einmal peng! und das Reich ist da. Zwar nicht ganz so wie bestellt, aber man ist wieder wer. Die Ritter werden auf einmal schon wieder langweiliger. Jetzt sind ganz andere Themen angesagt. Und klammheimlich geben wir dem Herrn Marx Recht, der die Frauenfrage als einen gesellschaftlichen Nebenwiderspruch abtut. Ist ja auch besser so. Die Frauen werden nachgerade vorwitzig, fordern das Recht auf Bildung. Wenn das so weitergeht, wollen die eventuell sogar noch studieren!


    Ja, und was soll das nun alles besagen? Natürlich ist es eine neuere Entwicklung, dass die Heldinnen der historisierenden Romane nicht nur in Gefahr geraten, sondern dabei auch benannt wird – eventuell sogar beschrieben –, was ihnen denn da widerfahre. Noch die grundsätzlich ja durchaus zur Tugend geneigte "Angelique" wurde im Bedarfsfall dann eben doch ohnmächtig, wenn das Autorengespann es nicht ohnehin beim allgemeinen Dahinschmelzen belassen mochte.


    Da gibt es diesen hübschen Spruch von dem alten Mann: "Wenn wir früher soweit waren, wie man heute gucken kann, dann hatten wir gewonnen." Soll heißen: Jupp, die Zeiten, die sind etwas *räusper* zeigefreudiger geworden. Leider sind sie auch hinguckfroher. Es zwingt einen ja niemand, etwas zu lesen. Und im "normalen" Roman ist das seitenweise Ausbreiten von Gekröse ja nun doch so häufig auch wieder nicht. Bei den Moritatensängern auf den Jahrmärkten allerdings schon, aber auch das wäre ein weites Feld, Luise.


    So. Finale. Etzetla. "Die Geheimnisse von Paris" (Sue, siehe unten) waren Stil bildend. Wer sein Publikum unterhalten will, greift auch heute noch gerne zu dem Strickmuster "Alles, was einem braven Menschen (beliebigen Geschlechts) widerfahren kann". Dass nun ausgerechnet die Vergewaltigung als solche plötzlich so "beliebt" geworden ist, hat meiner Meinung nach nichts (oder nur wenig) mit einer Neubewertung der Lebensumstände der mittelalterlichen Gesellschaft zu tun. Aber dafür ganz viel mit unserer Zeit.


    Für unsere aufgeklärte, westeuropa-zentrierte Gesellschaft ist Vergewaltigung eines der schlimmsten Dinge, die einer Frau widerfahren kann. Demzufolge MUSS sie schon fast in einem Roman zumindest drohen, wenn es richtig spannend werden soll. Womit soll man die Leser denn sonst erschrecken? Etwa mit korrekten Konjunktivbasteleien?


    Grüssli, blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Ich finde, dass man es sich sehr einfach macht, wenn man Gewaltszenen damit erklärt, dass dies nun mal die Realität sei. Zum einen (philosophisch gesehen) konstruiert sich jeder seine eigene Realität (vgl. Konstruktivismus) und zum anderen ist es unmöglich, in einem Buch die Realität abzubilden. Es werden immer nur Ausschnitte sein können. Wobei der Autor dabei zwangsläufig Schwerpunkte setzen muss.


    Beispiel: Wenn die Figur A einen Apfel ists, wird im Allgemeinen auch nicht geschildert werden, wie im Einzelnen die Zähne den Apfel zermalmen usw. Entweder wird es gar nicht beschrieben oder es wird gesagt, dass sie etwas isst oder es wird geschrieben, dass sie einen Apfel isst.


    Zurück zum Beispiel Mord in Krimis: Warum also genügt es nicht, zu sagen, die Figur X wird erschossen oder sonstiges? Warum muss seitenweise beschrieben werden, welche Gedärme aus welchen Öffnungen kommen?


    Nun kommen bei Literatur noch ästhetische und literarische Gesichtspunkte hinzu. Was soll damit bezweckt werden mit detailgenauen Beschreibungen von zerberstenden Körpern? Warum wird kein anderer Fokus vorgenommen? Ich finde es z.B. viel interessanter zu erfahren, welche Gedanken, dem Mörder währenddessen durch den Kopf gehen. Hier setzt für mich Literatur ein.

  • Zitat

    Original von taki32
    Zurück zum Beispiel Mord in Krimis: Warum also genügt es nicht, zu sagen, die Figur X wird erschossen oder sonstiges? Warum muss seitenweise beschrieben werden, welche Gedärme aus welchen Öffnungen kommen?


    Hallo, taki32


    Könnte ich da mal eine Literaturliste bekommen? Wo steht denn sowas, also in Mainstream-Büchern, nicht Splatter-Heftchen?


    Danke, blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Zitat

    Original von EllaBella


    Das ist genau das, was ich meine. Ich hab nichts gegen Morde in Krimis (auch Messerschlitzereien usw. gehen in Ordnung), aber müssen die Täter immer gleich pervers sein und mit dem Opfer vorher noch Sex haben und ihm dabei noch den Bauch aufschlitzen und muss dann auch noch über 2 Seiten geschildert werden aus welchen Körperöffnungen dann die Gedärme austraten und wieviel Blut aus Ohren, Augen etc. floß, wie der Täter sich dabei noch aufgeilt usw.?


    ....Und ich möchte auch nicht 5 Seiten Vergewaltigung mit Betteln des Opfers, Verprügeln, Zähne rausschlagen, halben Unterleib zerfetzen usw. lesen. Das alles kann man dann ja in entsprechender Literatur unterbringen (Horror, Thriller usw.) aber ich finde in der Abteilung Belletristik hat das dann nichts mehr zu suchen.



    Hallo blaustrumpf,


    ich habe nur (indirekt) zitiert (siehe oben). Selbst kann ich solchen Büchern nichts abgewinnen, wie ich schon weiter oben erklärt haben. Aus diesem Grund kann ich auch nicht mit Literaturlisten dienen.


    Taki

  • Also ich finde das es einfach nicht sein muss genau zu beschreiben wie sich ein Mann an einer Frau vergeht! Und wenn jemand so was lesen will sollte es zumindest im bereich Horror oder Krimi zu finden sein! Ebenfalls finde ich auch wie viele hier das sogar in den Büchern die Gewalt zunimmt! Man kann doch auch ein gutes Buch schreiben das sich mit der Realität beschäftigt und Vergehen jeglicher Art thematisieren schreiben ohne zu sagen: Sogar aus ihrer Nase quollen reste ihrers Hirns, dass....^^


    Ich meine es reicht doch schon wenn in den Medien immer mehr Gewalt zu finden ist die bis ins kleinste geschildert ist, bzw in Filmen wie Saw 3 ( den ich mir persönlich nie ansehen werde, da mir die Vorschau schon echt abartig vorkam), da muss es doch nicht auch noch in Büchern so sein, um die Psyche und die Vorstellungskraft soweit zu bekommen sich so etwas selbst vorstellen zu können!


    Liebe grüße :wave

  • Zitat

    Original von blaustrumpf
    Könnte ich da mal eine Literaturliste bekommen? Wo steht denn sowas, also in Mainstream-Büchern, nicht Splatter-Heftchen?


    Die Bücher, in denen ich diese Szenen gelesen habe, gehören zu den sog. Bestsellern in Buchhandlungen:
    Natsuo Kirino - Die Umarmung des Todes
    Iny Lorentz - Die Wanderhure
    Louis de Bernieres - Traum aus Federn und Stein
    Ken Follett - Die Säulen der Erde