Kommissar Fischers zweiter Fall
Ulrike Renk: Seidenstadt-Morde. Tatort Niederrhein, Krefeld, 2006, LEPORELLO-Verlag, ISBN: 3-936783-17-9, Taschenbuch, 254 Seiten, Format: 11,5 x 19 x 2 cm, EUR 9,–
Zunächst sieht es ganz danach aus, als könne Kommissar Jürgen Fischer mit seiner Frau ruhigen Gewissens für ein paar Tage nach Amsterdam fahren. Die Einbruchdiebstähle in der Reitschule sind aufgeklärt und die beiden aktuellen Todesfälle sind eindeutig Selbstmorde.
Oder doch nicht?
Selbst im Urlaub ist Fischer unablässig mit den Gedanken bei den beiden Toten, was nicht nur daran liegt, dass die Amsterdam-Reise auf der ganzen Linie ein Flop ist. Irgendetwas stimmt nicht mit der Selbstmord-Theorie, das sagt ihm sein Instinkt: Ein Student und Leistungsschwimmer springt von der Rheinbrücke und ertrinkt. Eine junge Mutter nimmt eine tödliche Dosis Schlaftabletten. Beide hatten keinen nachvollziehbaren Grund für einen Suizid. Und beide hinterlassen gleichermaßen nichts sagende Abschiedsbriefe.
Guido Ermter, der Chef der Kripo, kann Fischers Bedenken nicht nachvollziehen. Und auch Martina Becker, die sympathische neue Staatsanwältin, sieht keinen Handlungsbedarf.
Erst als sich herausstellt, dass die 7 Monate alte Tochter der Toten verschwunden ist, kommt Bewegung in die Sache. Die Angehörigen des Kindes wähnten es in der Obhut des Jugendamts, doch dort weiß man von nichts. Wer also hat das Baby? Wen hat die Hausärztin angerufen, wenn nicht das Amt? Verschweigt sie der Polizei etwas?
Dann stellt sich heraus, dass die beiden mutmaßlichen Selbstmörder im selben Schwimmverein waren. Genau wie der Student Achim Ponzelar, der mit Anzeichen einer schweren Vergiftung im Krankenhaus liegt. Was geht hier vor? Spielen die undurchsichtigen Geschäfte eine Rolle, denen gleich mehrere Personen im Umfeld des Vereins nachzugehen scheinen? Warum verhält sich die Polizistin Sabine Thelen so eigenartig? Geht ihr nur aus persönlichen Gründen der Fall mit dem verschwundenen Kind nahe? Oder steckt mehr dahinter?
Und wenn Zeugen immer wüssten, dass sie wichtige Zeugen sind, wäre für die Polizei so manches leichter. So verstreicht wertvolle Zeit …
Nicht nur die Fälle sind auf vielfältige und überraschende Weise miteinander verflochten – die Beziehungen der Personen untereinander sind es ebenfalls. Man verfolgt auch diese persönlichen Verwicklungen und Entwicklungen am Rande des Kriminalfalls mit Spannung und Interesse.
Ein mörderisches Vergnügen rundum – nicht nur für Kenner der Region. Obwohl es natürlich immer einen zusätzlichen Reiz hat, wenn man die Schauplätze der Ereignisse aus eigener Anschauung kennt.
Ich bin jedenfalls schon gespannt auf Band drei der Seidenstadt-Reihe und freue mich auf ein Wiedersehen mit den Romanfiguren. Staatsanwältin Martina Becker sollte auf keinen Fall fehlen. Und auch ein gewisser alter Herr mit Hund bleibt hoffentlich gesund und fit und kann auch im nächsten Band wieder seine Spaziergänge unternehmen …