Redeverbot über Homosexualität

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Um es mit Dieter Nuhr zu sagen:


    "Wenn man von einer Sache keine Ahnung hat. Einfach mal Schnauze halten. "


    mit wem redet/diskutiert man eigentlich, wenn man das - wie auch immer messbare - meiste wissen von einer sache hat?


    bo :help

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Was an dem Wort "Institution" verstehst du nicht?


    Oder habe ich irgendwo geschrieben, das Christentum sei die älteste Religion der Welt?


    Hallo, Rabarat


    Das Wort "Institution" verstehe ich sehr gut. Ein wenig Erklärungsbedarf sehe ich allerdings darin, was genau Du in dem Zusammenhang dieses Threads als Institution ansiehst. Aus Deinen Äußerungen schließend vermute ich, dass Du die römisch-katholische Kirche meintest. Und die ist mit Sicherheit nicht 2000 Jahre alt.


    Es gibt ja eine Menge Unterscheidungsmerkmale, die die römisch-katholische Variante von anderen christlichen Richtungen abhebt. Nicht von ungefähr wird von "christlichem Gleichmut" gesprochen und nicht von katholischem. Ich nehme die Schärfe Deines Postings also nicht als persönlichen Angriff, sondern als Zeichen Deines Eifers. Auch wenn die Eiferer (Zeloten) altertümlicherweise Juden waren.


    Grüssli, blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Hallo, Rabbi.


    Zitat

    Ja, lieber Licht, dann gib mal gut Acht!


    Mal davon abgesehen, daß dicht an der persönlichen Beleidigung war, was Du mir geschrieben hast - eine persönliche Frage: Geht es Dir um eine Diskussion oder darum, mit allen verfügbaren Mitteln Recht (in Deinem Sinne) zu erstreiten?

  • Lieber Blaustrumpf,


    da ich dich ja auch aus einem anderen Forum kenne, weiß ich ganz gut, dass du auch deine Themen hast, bei denen du äußerst eifrig bist, du Zelot du :grin


    Ich will nicht darum streiten, wie alt die rk-Kirche nun ist. Alt genug jedenfalls, dass kein Taubenzüchterverein mithalten kann und vermutlich auch keine andere religiöse Institution. Für meine Argumentation spielte es aber absolut keine Rolle, ob es nur 1000, 1500 oder 2000 Jahre sind.


    Ob die rk-Kirche nun gut, schlecht, böse, heilbringend, kugelrund oder kariert mit blauen Streifen ist, spielt keine Rolle. Hier werden wir sicher zu keiner übereinstimmenden Meinung kommen.


    Zurück zur Frage, ob die Homophobie der polnischen Regierung Ausdruck ihres Katholizismus ist.


    Herangezogen als Beleg der Homophobie der rk-Kirche wurde in jüngerer Vergangheit der Erlass des Vatikans, Homosexuelle möglichst nicht zum Priesteramt zuzulassen.


    Wer noch ein bisschen Fairness walten lässt, muss zugeben, dass diesem Erlass die öffentliche (nicht kirchliche, sondern zivile) Empörung über die homoerotischen "Untriebe" im Priesterseminar St. Pölten waren.


    B XVI: "„Auch wenn die Kirche den fraglichen Personen tiefen Respekt erweist, so kann sie zu den Priesterseminaren und zu den heiligen Weihen dennoch jene nicht zulassen, die Homosexualität praktizieren ..."


    Ich erkenne unumwunden an, dass man über den Ausschluss von Homosexuellen zum Priesteramt (wobei das ja so gar nicht stimmt, aber ich will mich jetzt nicht in einem Nebengleis verlieren) unterschiedlicher Auffassung sein kann, aber das Erweisen tiefen Respekts ist wohl kaum die Haltung von homophoben Menschen.


    Außerdem betrifft der Ausschluss nicht Menschen mit homosexuellen Neigungen, sondern solche, die sie praktizieren. Das aber ist mit dem Zölibat ohnehin nicht vereinbar; weder für Heten noch für Homos.


    Ob das Zölibat nun gut oder schlecht ist, tut hier nichts zur Sache. Dies wäre eine ganz eigene Diskussion. Fakt ist lediglich, dass es hier eben keine unterschiedliche Behandlung zwischen Heten und Homos gibt (für beide gilt das Zölibat), und dass den Homosexuellen ausdrücklich tiefer Respekt entgegengebracht wird.


    In diesem Sinne ist die Homophobie der poln. Reg. eben kein Ausdruck ihres Katholizismus.

  • Zitat

    Original von Waldlaeufer


    Moral?


    *hömm hömm*


    Auch die nicht. Sonst wird es ja ausnehmend langweilig. :grin



    Hier haben wir laute Positionen der römisch-katholischen Kirche in den Printmedien gegen die Gesetzvorlage, dass in Mexico City (Distrito Federal) demnächst bis zur 14. Schwangerschaftswoche ein Abort vorgenommen werden darf. Bisher ist Abtreibung verboten. Mexico als Land ist wie Frankreich ein laizistischer Staat, in dem die Kirche offiziell keine politischen Kommentare machen darf. Ich frage mich, wieso sie es dennoch tut.
    Eine Sache wäre ja eine Predigt, bei denen sie von Schwangerschaftsabbrüchen abraten würde, aber öffentlich Leute, die zu diesem Schritt gezwungen sind, zu verdammen, ist eine ganz andere.

  • Zitat

    Original von Tom
    Hallo, Rabbi.



    Mal davon abgesehen, daß dicht an der persönlichen Beleidigung war, was Du mir geschrieben hast - eine persönliche Frage: Geht es Dir um eine Diskussion oder darum, mit allen verfügbaren Mitteln Recht (in Deinem Sinne) zu erstreiten?


    Also Tom, dass gerade du diese Frage stellst ist schon kurios. :wave


    Aber im Ernst: Natürlich verselbständigen sich solche Diskussionen und reissen einen mit. Und auf einen grünen Zweig kommen wir ohnehin nicht. Das wissen wir alle, die wir hier mitdiskutieren. Schließlich liegen schon zuviele ergebnisfreie Diskussionen dieser Art hinter uns.


    Ich schätze, in einem persönlichen Gespräch liefe das anders, weil man da gezwungen wäre, besser auf die Argumente der anderen einzugehen. So aber besteht die Gefahr, dass man alles überliest, was einen gerade nicht in den Kram packt, und sich statt dessen auf das stürzt, wo man wieder dreinhauen kann.


    Dein eben getätigtes Posting belegt dies hervorragend. Du ignorierst eigentlich mein komplettes Posting und wirfst irgendetwas in den Raum, das gerade gut in deine Linie passt. Möglicherweise geht das mir genauso. Wir haben eben alle das in der Bibel so schön dargelegte Problem, dass wir den Splitter im Auge des anderen leichter sehen, als den Balken im eigenen. Ich will mich da keinesfalls von ausnehmen.


    Mehr als Zeitvertreib ist das doch hier am Ende nicht. Jedenfalls habe ich noch nicht erlebt, dass einer der Beteiligten im Laufe einer solchen Forums-Diskussion seine Meinung geändert hätte. Im persönlichen Gespäch hngegen gibt es so etwas schon. Wobei mir klar, dass wir beide bei dem Thema auch im persönlichen Gespräch zu keiner Annäherung kämen. Muss ja auch nicht sein.


  • ja,ja, mit wem spricht der Solipsist? Mit dir natürlich. Mit wem auch sonst. :lache

  • Kinners, Kinners...
    weder spricht es von Weisheit Blödsinn über Religion rechtfertigen zu wollen noch Religion zur Blödsinnigkeit zu reduzieren.
    Wenn ein Ei in der Schachtel kaputt ist, schmeiß ich den Rest ja auch nicht unbesehen weg. :pille
    Womit wir bei der Verallgemeinerungs-Thematik wären.


    Lieber Haumaldrauf, ich meine Rabarat, solltest du Blaustrumpf wirklich länger kennen und solltest du dir ebenso über die Bedeutung der Bezeichnung "Blaustrumpf"im Klaren sein, wüsstest du, dass DER Blaustrumpf eine DIE Blaustrumpf ist.
    Womit wir wieder bei der Gender-Thematik wären. :grin


    Oryx
    Wie kommst du darauf, dass moralisches Leben als "langweilig" zu verstehen sei.



    Insgesamt wiederholt sich hier einiges, läuft parallel usw.
    Ist nicht schlimm.
    Stellt sich nur die Frage, wieviel hier wirklich trotz gegenseitiger Diskussionsheischerei vom anderen gelesen wird.


    Gruß.

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Lieber Blaustrumpf,


    da ich dich ja auch aus einem anderen Forum kenne, weiß ich ganz gut, dass du auch deine Themen hast, bei denen du äußerst eifrig bist, du Zelot du :grin


    Hallo, Rabarat


    Zelotin, bitte. So viel Zeit sollte schon sein.


    Zitat

    Original von Rabarat
    Für meine Argumentation spielte es aber absolut keine Rolle, ob es nur 1000, 1500 oder 2000 Jahre sind.


    Bitteschön, wenn ich mich nicht irre, kam das mit den 2000 Jahren allerdings von Dir. Oder gilt auch hier der schöne Satz vom "messt sie nicht an ihren worten sondern an ihren taten"?


    Zitat

    Original von Rabarat
    Zurück zur Frage, ob die Homophobie der polnischen Regierung Ausdruck ihres Katholizismus ist.
    (…) In diesem Sinne ist die Homophobie der poln. Reg. eben kein Ausdruck ihres Katholizismus.


    Bitteschön, ist sie eben doch. Die Homophobie der polnischen Regierung ist Ausdruck ihres Katholizismus. Ihres. Des Katholizismus der polnischen Regierung nämlich, oder genauer, jener Form des Katholischseins, wie es die betreffenden Mitglieder der frei gewählten polnischen Regierung bekunden und betreiben.


    Es wäre allerdings ein schöner Moment, wollte sich der Heilige Stuhl gelegentlich einmal äußern hinsichtlich der Deckungsgleichheit des Katholizismusses der polnischen Regierung und der offiziellen Lehrmeinung der Heiligen Römischen Mutter.


    Schöne Grüße von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Hallo, Rabarat.


    Du hast selbst das hier geschrieben:


    Zitat

    Herangezogen als Beleg der Homophobie der rk-Kirche wurde in jüngerer Vergangheit der Erlass des Vatikans, Homosexuelle möglichst nicht zum Priesteramt zuzulassen.


    Wer noch ein bisschen Fairness walten lässt, muss zugeben, dass diesem Erlass die öffentliche (nicht kirchliche, sondern zivile) Empörung über die homoerotischen "Untriebe" im Priesterseminar St. Pölten waren.


    Jetzt mal ganz unter uns. Meinst Du wirklich, daß die Vorgänge in St. Pölten nicht nur Anlaß waren?


    Ich meine, hey, es ist eine Kirche. Niemand muß da Mitglied sein. Zudem gibt es zig Kirchen zur Auswahl. Sollen sie doch gegen Homosexualität sein, obwohl der Rest der Welt gelernt hat, wie sagst Du: "Der Mode zu folgen." Ist ja in Ordnung, niemand wird gezwungen, sich ein Papstbild an die Wand zu hängen oder morgens in Richtung Rom zu beten oder den schwulen Sohn in die Wüste zu schicken. Aber dieser Versuch, sich im Rahmen der selbstgesteckten Grenzen tolerant zu geben, ohne es zu sein, das ist doch wirklich lächerlich.

  • um vielleicht mal wieder zum Thema zu kommen: eigentlich ist es egal, welche Einstellung zu solch grobem Unfug mißbraucht wird. Nun waren es katholische Christen, die ihrem Papst meinen auf die Weise treu ergeben zu sein. An andern Orten machen andere Idioten anderen Mist und begründen es mit einer Religion oder einer Ideologie ...


    Fakt ist, dass da rassistische Züge ausgelebt werden. Und das finde ich (unabhängig vom Glauben, der da mißbräuchlich dafür als Begründung herangezogen wird) zum kotzen.

  • @Waldläufer: Weil, wenn man sich ausschliesslich in engen Grenzen bewegt, oft nicht weit kommt. Das Austesten und Überschreiten von Grenzen ist ja auch Teil eines Reifeprozesses, bei dem das Individuum lernt, was gesellschaftlich noch akzeptabel ist oder gar die Akzeptanz zu einer Sichtweise verändert.


    Moral ist ausserdem ein sehr dehnbarer Begriff und in jeder Gesellschaft anders zu bewerten. Früher war es in D amoralisch ein uneheliches Kind zu bekommen, heute ist es in D gesellschaftlich akzeptiert, aber ein paar tausend Kilometer südlich nicht.
    Homosexualität ist in vielen Gesellschaftsformen oder Religionen nicht akzeptiert, oft weil die persönliche Befriedigung des Sexualtriebes im Vordergrund steht und nicht die Reproduktion, die den Fortbestand der Gesellschaft sichern soll. Ob das nun moralisch richtig oder falsch ist, definiert jede Gesellschaftsform oder vielleicht sogar jede Familie für sich.
    Man kann keine allgemeine Moral haben, die für alle gilt.

  • Zitat

    Original von Oryx
    Ob das nun moralisch richtig oder falsch ist, definiert jede Gesellschaftsform oder vielleicht sogar jede Familie für sich.
    Man kann keine allgemeine Moral haben, die für alle gilt.


    Das ist nun wirklich ein interessanter Punkt, den ich wesentlich spannender finde als die Frage, ob die Politik der K-Brüder nun katholisch ist oder nicht.


    Es ist eine Grundsatzfrage, ob eine Gesellschaft alle ihre Regeln nach demokratischen Grundsätzen aufstellt, oder ob es unveränderliche Werte geben soll, die demokratisch nicht antastbar sind. Anders ausgedrückt: Geben wir alles dem Relativismus preis, oder gibt es in unserer Wertevorstellung auch Absoluta.


    Die Väter unseres Grundgesetzes haben alles ihnen mögliche dafür getan, in Deutschland eine stabile Demokratie zu errichten, und haben dennoch dieser Demokratie insoweit misstraut, dass sie Artikel verfasst haben, die nicht demokratisch veränderbar sind. Die Väter des Grundgesetzes sind also vom Vorhandensein absoluter Werte ausgegangen.


    Wenn jede Gesellschaft selbst festlegt, was "moralisch" in Ordnung ist und was nicht, so kann dies in demokratischen Gesellschaften nur bedeuten, dass die Mehrheit die Wertevorstellungen bestimmt. Wenn dies uneingeschränkt möglich ist, tun sich Abgründe auf.


    Greifen wir das Ausgangs-Beispiel in Polen auf. Angenommen, die politische Homophobie in Polen wäre typisch für die (polnischen) Katholiken, und nimmt man zur Kenntnis, dass 70 % der Polen praktizierende Katholiken sind, so wäre eine homophobe Haltung gerechtfertigt, wenn diese katholische Mehrheit das für richtig hielte, und unsere Aufregung darüber wäre unberechtigt, weil es schließlich Sache der Polen ist, wen sie diskriminieren und wen nicht.


    Noch schlimmer: Angenommen die Mehrheit der Deuschen hätte den Holocaust gewollt, wäre er dann gerechtfertigt?


    Ich denke, diese Beispiele zeigen, dass es problematisch ist, zu sagen, jede Gruppe müsse sich ihre Moral selbst zurecht legen.


    Es sieht doch so aus, dass wir einige unveränderliche Werte haben, die wir dem Relativismus nicht aussetzen dürfen. Unser Grundgesetz definiert solche Werte.


    Doch diese Grundwerte - gleich wie sie aussehen - basieren zwangsläufig auf den Wertvorstellungen derjeniger, die sie bestimmen. Diese können nur dann allgemeine Akzeptanz finden, wenn sich (nahezu) alle Menschen darin wieder finden. Muss es dann doch eine allgemeine "Moral" geben, die für alle gültig ist?


    Gruß


    Rabarat

  • Hallo, Rabarat.


    Zitat

    Unser Grundgesetz definiert solche Werte.


    Das ist nicht richtig. Es adaptiert Werte, aber es definiert sie nicht. Die im Abschnitt "Grundrechte" festgelegten "Jedermannsrechte" - wir nennen sie heute "Menschenrechte" - spiegeln einen moralischen Konsens wieder, aber sie definieren ihn keinesfalls. Die nachfolgenden Artikel regeln Gleichbehandlung, die Freiheit der Entfaltung, die Religionsfreiheit, die Meinungsfreiheit und vieles mehr. Das Grundgesetz ist direkt erkenntnisgesteuert, wenn man so will, denn es destilliert die schmerzlichen Erkenntnisse der vorangegangenen zwei Republiken, um die neu entstehende vor der Wiederholung dieser Erkenntnisphase zu schützen.


    Moral ist aber nicht (nur) mit der Anerkenntnis der Menschenrechte gleichzusetzen. Letztgenanntes ist Bestandteil des erstgenannten, aber moralisches Handeln ist weit mehr als das Akzeptieren des Grundgesetzes. Viele unmoralische Handlungen sind absolut legal. Moral ist nicht nur die Gesamtheit der Werte und Normen (also z.B. des Grundgesetzes), die sich eine Gesellschaft auferlegt hat, sondern darüberhinaus (und letzteres einschließend) das sittliche Verständnis des Individuums (auch der Gruppe) sowie ein komplexes, ungeschriebenes Regelwerk für das Sozialsystem insgesamt. Dazu gehören Aspekte wie Höflichkeit und Toleranz, aber auch viele andere, deren Ausübung keinem einzelnen Menschen tatsächlich zwingend auferlegt ist.


    Zurück zu Deiner Frage. Die Menschenrechte - oder die "Jedermannsrechte" des Grundgesetzes - legen bei uns fest, daß es Rechte und Freiheiten gibt, daß alle Menschen gleichbehandelt werden sollten; Artikel 3 der Urfassung von 1949 sagt: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."


    Da steht nichts von sexuellen Präferenzen oder der sexuellen Orientierung. Bis 1969 galt der § 175 in Deutschland noch in seiner Form aus der Nazizeit, wodurch sämtliche sexuellen Handlungen unter Männern strafbar waren, sowie - im gleichen Paragraphen geregelt - "die Unzucht mit Tieren". Er wurde 1969 abgeschwächt, ab 1973 waren "nur noch" homosexuelle Handlungen strafbar, wenn sie von erwachsenen Männern an unter Achtzehnjährigen "vollzogen" wurden. Erst 1988 wurde der Paragraph ersatzlos gestrichen. Seitdem gilt, was für sexuellen Mißbrauch gilt, und zwar für alle Formen des sexuellen Handelns unter Menschen.


    Was ist geschehen? Die "moralischen Mehrheiten" hatten sich verschoben. Die Schwulenbewegung hat, mit Unterstützung verschiedener politischer Bewegungen, nicht nur in Deutschland einen Prozeß des Umdenkens bewirkt, der bei vielen längst noch nicht abgeschlossen ist, die Mandatsträger aber schlußendlich zum Handeln gezwungen hat. Klar, das war in seiner letzten Form erst 1988, im Rahmen des Rechtsabgleichs mit der DDR (!) der Fall, aber es ist geschehen. Fast vierzig Jahre nach der Urfassung des Grundgesetzes.


    Es kann also keineswegs davon die Rede sein, daß hier die "moralischen Grundsätze" des Grundgesetzes adaptiert wurden; das Grundgesetz hat sich nicht mit Sex und sexueller Ausrichtung befaßt, aus gutem Grund. Moral ist in Bewegung, deshalb können nur Grundwerte formuliert werden, und was aus den sich verändernden Strömungen ergibt, muß im Tagesgeschäft und in Einzelgesetzen geregelt werden. Wir haben diesen Prozeß zumindest gesetzlich 1988 abgeschlossen. Das hält viele Mitbürger allerdings nicht davon ab, Schwule zu mißachten, zu mißhandeln und am Stammtisch über sie herzuziehen.


    Die Frage ist: Haben "wir" damit "richtig" gehandelt und handeln alle anderen falsch, die es nicht tun? Nein. Der Umgang mit Homosexualität ist keine Frage der grund- oder verfassungsrechtlichen Normen, sondern obliegt tatsächlich der Einschätzung einer, von "Tagesmoral" geprägten, "Mehrheit". So schade wie das ist. Aber einem kirchenfürchtigen Katholiken ist nicht abzusprechen, Homosexuelle nicht gleichbehandeln zu wollen. Damit ist nicht die Duldung ihrer Mißachtung gemeint, sondern alle jenes, was wir in den letzten Jahren im Umgang mit Homosexuellen "gelernt" haben. Unsere moralischen Grundsätze haben sich geändert. Das heißt nicht, daß sie richtig sind, sie kommen uns nur - glücklicherweise - so vor.

  • Rabarat : Nehmen wir doch gerade das Beispiel, welches offensichtlich ein Top-Thema in den deutschen Medien ist, das mit dem Urteil der Richterin zum Züchtigungsrecht im Koran.


    Ist die Sharia weniger moralisch als das Grundgesetz?


    Dass das GG der Leitfaden für D ist, ist gut und richtig, wenn man die Freiheiten für das Individuum und Gleichberechtigung von Mann und Frau als richtig erkennt. Wenn man in einer sexistischen (das ist auch das richtige Wort für die K-Brüder @licht) Gesellschaft lebt, dann haben Mann und Frau nicht den gleichen Wert. Wenn man in einer hierarchischen Gesellschaft lebt, dann hat man z.B. wie früher in D Ständerecht und ein gegliedertes Wahlrecht, falls überhaupt.


    Die Menschenrechte der UNO sind beispielsweise ein Versuch, allgemeine moralische Prinzipien zu finden. Aber nicht alle Länder haben sie ratifiziert.

  • Noch ein Gedankenspiel. Es ist ein bißchen bösartig. Aber es soll etwas demonstrieren, nicht jemanden diskreditieren.


    Der - abgeschaffte - § 175 des Strafgesetzbuches befaßte sich nicht nur mit sexuellen Handlungen unter Männern (tatsächlich nicht unter Frauen), sondern auch - quasi in einem Atemzug - mit "widernatürlichen sexuellen Handlungen an Tieren". (Was sind natürliche sexuelle Handlungen an Tieren? :wow). Übrigens gilt das heutzutage bestenfalls noch als "Sachbeschädigung". :grin
    Es gibt einige Menschen, die zoophil sind, bis hin zur Sodomie, also dem (umgangssprachlich) sogenannten "Verkehr mit Tieren". Dies gilt als pathologisch; die ICD-10 (International Classification of Diseases and Related Health Problems) klassifiziert das als "gestörte Sexualpräferenz" (Abschnitt F65). Das galt bis 1973 auch noch für Homosexualität. So fürchterlich lange ist das nicht her.


    Wir haben inzwischen verstanden, daß Homosexualität keineswegs pathologisch ist, sondern, wie viele Untersuchungen belegen, eine angeborene Orientierung, eine Eigenschaft wie blonde Haare oder blaue Augen. Das Verständnis dieses Umstandes ist längst nicht bei allen Zeitgenossen angekommen, wie das Thema dieses Threads belegt. Zudem gestehen wir jedem Menschen zu, sich für diese Orientierung zu entscheiden, und die Frage, ob sie angeboren ist oder nicht, spielt keine Rolle.


    Ihr wißt, was jetzt kommt.


    Wie gesagt, ich will keinesfalls Homosexuelle mit Sodomiten gleichsetzen. Aber beides sind sexuelle Präferenzen, die eine haben wir als "normal" erkannt, die andere nicht. Worin besteht der Unterschied? Ist es ein moralischer? Ein technischer? Übrigens könnte man auch Heterosexualität mit Sodomie vergleichen. Der Oberbegriff ist "Sexualität". Muß nicht jede Form von Sexualität akzeptiert werden?


    Was also, wenn die Sodomiten aus ihren grauen Verstecken hervorkröchen und lautstark nach Gleichbehandlung, nach Akzeptanz und einigem mehr verlangten? Was spräche dagegen? Die Tatsache, daß sich die Tiere nicht bewußt für die Beziehung entscheiden können? Tiere sind nach unserem Rechtsverständnis Dinge (übrigens auch so eine moralische Frage, die längst nicht zuende diskutiert ist).


    Ich weiß, das Beispiel ist sehr böse. Aber es soll zeigen, daß es in Wandlung begriffene moralische Maxime gibt, und daß dies keinesfalls bedeutet, daß das eine vermeintlich moralische Handeln richtiger ist als das andere. Die Akzeptanz homosexueller Menschen, ihre Gleichbehandlung, mehr noch, ihre Wertschätzung ist etwas, das in vielen Kulturen auf diesem Planeten nacktes Entsetzen auslöst.


    (Ich hoffe, es ist mir gelungen, diesen Beitrag so vorsichtig zu formulieren, wie ich das wollte. Wenn sich jemand angegriffen, beleidigt oder diskreditiert fühlt, werde ich ihn umgehend löschen.)