Nabend,
das ist eine kleine Geschichte von mir.
Ihr könnt euch gerne drüber äußern.
Viel Spaß beim lesen.
Vorlagen:
Braveheart – Stirling
Wikipedia – Schlacht von Stirling Bridge
Eine Erzählung über Stirling Bridge
In den Highlands zog der Herbst ein und allmählich schlich sich die
Kälte auch in die Stuben der Schotten. Benjamin trennte sich von
seinem gemütlichen Sessel, um das fast erloschene Feuer noch zu
retten. Obwohl er nichts an den Füßen trug, war ihm nicht kalt, denn er
kniete auf einem gemütlichen Kuhfell, welches in der Nähe des
Steinkamins auf dem kaltem Grund lag. Seine jungen Hände warfen
die Holzscheite vom Stapel in die Glut. Funken stoben auf. Das etwas
feuchte Holz knisterte stark. Er stand auf und flitzte schnell zurück in
seine warmen Felle und Pelze, mit denen er sich einwickelte, so dass
lediglich sein Kopf aus dem Knäuel ragte. Danach blicke er gebannt in
die neuen tänzelnden Flammen. Wie in Trance saß er da. Er hatte
vollkommen vergessen, dass ihm sein Onkel Henrik noch eine
Geschichte erzählen wollte.
Dieser sah Benjamin die ganze Zeit über stillschweigend zu, wie er
gelegentlich seufzte und mit gläsernen Blick in den Kamin schaute.
»Was hast du?«, fragte Henrik mit rauer Stimme und unterbrach so
die harmonische Ruhe. Benjamin drehte den Kopf in seine Richtung,
wie ein verlorener Mensch in der Dunkelheit, der nach dem verhallen
des Geräusches in die Richtung der Quelle sah.
»Wo bist du mit deinen Gedanken, Junge?« Ein Grinsen stahl sich
auf sein narbiges Gesicht. »Hat das Mädchen von den Stevens dir etwa
den Kopf verdreht?« Benjamin wandte seinen Blick wieder zum
Kamin. Seine warmen Wangen schimmerten in rötlicher Scham.
»Ihr Name ist Sonja, Onkel.«
»Ich kenne ihren Namen... Schaust du ihr nach?«
»Zwischen uns gibt es schon etwas mehr als nur Schauen. Doch ihre
Eltern wollen nicht, dass wir uns sehen.«
Henrik schob die braune Felldecke von seinen Beinen, stand auf und
ging zu einen kleinen, mattschwarzen Kessel, den er von der Wand
nahm. Er tat es mit aller Gelassenheit der Welt.
»Nicht sehen, mh?«, murmelte er vor sich hin.
Unweit vom Haken des Kessels ließen getrocknete Kräuter, baumelnd
an einem gespannten Faden, ihre Blätter gen Boden pendeln.
Nachdem Henrik Wasser aus einem Holzeimer in den Kessel geschüttet
und ihn über das Feuer gehängt hatte, schnitt er ein paar der
Kräuterbündel ab und warf sie hinein. Kurz darauf erfüllte ein starker
Pfefferminzduft die ganze Steinhütte.
»Du musst wissen, ich kenne Darwin und seine Frau. Ich könnte ein
paar Wörtchen mit ihnen wechseln, wenn du mir versprichst, dass mit
Sonja nichts passiert.«
Benjamins rötliche Wangen wurden nun von einem strahlenden
Lächeln und riesigen Grübchen verziert. Unter dem flackernden Licht
des Feuers leuchteten seine blauen Augen hell auf. Das lange Haar lag
ihm zerzaust auf den Schultern.
»Versprochen!«, kam es ohne ein Zögern aus seinem Mund. »Gleich
morgen in der Früh?«
Henrik lachte unverhohlen, während er im Kessel mit einem Holzlöffel
rührte. »In der Ruhe liegt die Kraft, mein Junge.«
»Es ist wegen Sonja. Ich kann nicht mit dem Gedanken leben, sie
alleine Daheim sitzen zu lassen, während sie lieber bei mir sein möchte.
«
Henrik griff nach zwei Becher, pustete den Staub heraus und füllte
sie mit dem Aufguss. Dafür tauchte er sie lediglich darin unter.
»Trink das, dann wird auch deine Nase warm.« Er reichte Benjamin
einen Becher und begab sich mit dem Anderen zurück auf seinen
inzwischen erkalteten Sitzplatz. »Also gut, morgen werde ich mit
ihnen reden, aber nur wenn du noch aufmerksam meiner Erzählung
lauschen kannst.«
»Kein Problem, außer es ist wieder die Geschichte von dem verrückten
Iren. Bei Der kann ich dir nichts versprechen.« Henrik verschränkte
seine Arme trotzig und schob die Brauen zusammen.
»Das ist eine meiner besten und lustigsten Geschichten.«, protestierte
er lautstark, jedoch ein wenig übertrieben und unglaubwürdig.
Dann lächelte und zwinkerte er Benjamin zu. Natürlich war er über
seine Kritik nicht verärgert. Schon immer hatte er gewusst, dass der Ire
auf Dauer langweilig werden würde.
»Von dem Iren wollte ich auch überhaupt nicht erzählen. Sondern
eine Geschichte aus meinem Leben.«
Benjamin richtete sich etwas auf. Aus seinem früheren Leben hatte
sein Onkel noch nicht allzu viel erzählt. Er konnte nur erahnen, wie
aufregend es gewesen sein musste.
»Was ist es für eine Geschichte? Eine Romanze?«
Henrik starrte für einen Augenblick in die Feuerstelle. Er lächelte
nur mit einem Mundwinkel.
»Ein Andermal vielleicht. Ich hatte heute eigentlich vor, dir von der
Schlacht um Stirling Bridge zu erzählen. Und ich denke, dabei sollten
wir es auch belassen.«
Benjamins Augen weiteten sich vor Erstaunen. Er hatte keine
Ahnung gehabt.
»Du warst dabei?«, rief er vor Begeisterung. »Hast du William
Wallace gesehen? Bist du mit ihm geritten?«, fragte Benjamin
wissbegierig, ohne auch nur Luft zu holen.
»Nun das war so...«, begann er.
»Und wie war das damals? Ihr habt sie bei der Brücke überrumpelt
und dann von allen Seiten getötet, stimmt's?«
»Junge, lass mich doch erstmal anfangen. Nachher kannst du immer
noch deine Fragen stellen.« Henrik unterbrach ihn nochmals, als
Benjamin zu einer weiteren Frage ausholen wollte. Bevor er jedoch
richtig begann, nahm er einen riesigen Schluck von seinem Tee.
»Also, an diesem elften September vor einige Jahren standen wir,
dicht an dicht zu Tausenden auf erhöhtem Gelände oberhalb der Abtei
von Craig auf der anderen Seite des Forth. Der Boden war noch feucht
und schlammig von dem langen Regen der vergangenen Tage.«
Henrik schloss die Augen und verstummt kurzzeitig.
»Die englische Armee kam gestaffelt über die Hügel. Vorweg ritten
die Pferde der Adelsmänner, dahinter die Kavallerie. Dann kamen die
englischen Schwertkämpfer, allesamt in schwerer Rüstung.«
»Wieviele waren es denn?«, warf Benjamin dazwischen.
»Es waren bestimmt fünf Mal mehr, als wir erwartet hatten. Die
Anzahl war erschreckend und zugleich für den ein oder anderen von
uns Kriegern ernüchternd. Du musst wissen, es waren nicht nur
Alteingesessene in unserer Armee. Größtenteils waren es einfache
Bauern, Handwerker, Bürger so wie du und ich, die sich eine Waffe
geschnappt und sich zum Kampf gestellt hatten.
Damals war ich zweiundzwanzig Jahre alt. Ich hatte deine Tante
schon kennen gelernt. Sie war wunderschön, mit ihrem blonden Haar
und ihren himmelblauen Augen. Wir wollten heiraten, taten es aber
vorerst nicht.«
»Warum?«, wollte Benjamin wissen und trank zurückhaltend von
seinem Tee.
»Damals beanspruchte der englische Landbesetzer die erste Nacht
mit der frisch vermählten Frau. Ein grausamer Akt, der im Nachhinein
eine eklige Blutspur bis zurück nach England zog. Wir wussten Alle,
dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sich genug schottische
Landsleute zusammen geschlossen hatte, um sich gegen die barbarische
Unterdrücken aufzulehnen.«
»Erzähl bitte weiter von der Schlacht.«, drängte er ihn.
»Es schadet nichts über ein wenig Hintergrundwissen zu verfügen,
mein Junge. Aber wie du willst. Zurück zu unserer demoralisierten
Armee.
»Warum de.mo.rali.siert?« Benjamin hatte nur eine ungefähre
Ahnung was das Wort bedeuten sollte.
»Du kannst dir nicht vorstellen, welch ein Anblick uns der Feind
lieferte. Wir waren um Klassen unterlegen und rechneten mit einer
satten Niederlage, doch nicht so Wallace. Er hatte einen Plan, mit dem
er uns den Sieg versprach. Jedenfalls spielte die Brücke eine
entscheidende Rolle in seiner Strategie und natürlich auch die
Beschaffenheit des Bodens.«
Während er weiter erzählte, erhob er sich, um sich einen neuen Tee
zu holen. Doch zuvor griff er nach einem dicken Holzscheit und warf
ihn ins Feuer.
»Die Engländer, unter dem Kommando des Kommandeurs John de
Warenne glaubten an den Sieg und passierten, angeführt von Hugh de
Cressingham - dem dreckigen Hund - die enge Brücke, statt eine der
zahlreichen seichten Stellen im Fluss zu nutzen. Was für Idioten, sage
ich dir.«
Henrik schmiegte sich wieder in seinen Sessel und trank einen
großen Schluck seines heißen Tees. Der Wind heulte und pfiff
anfänglich an den Fenstern und der Tür. Draußen rauschten die Blätter
der Ulme, die nahe dem Südfensters stand, an dem auch Henrik saß.
»Mir scheint es zieht ein Gewitter auf, Benjamin. Willst du schnell
nach Hause laufen, bevor der Heimweg zu gefährlich wird?«
Benjamin weitete überrascht seine Augen. »Erzähl weiter.«, befahl
er fast, jedoch mit einem flehenden Unterton. Zur Not würde er hier
im Sessel schlafen, wenn wirklich ein Gewitter aufziehen sollte,
dachte er sich.
»Ich kann doch auch morgen weiter erzählen.« Benjamin schüttelte
energisch den Kopf.
»Also schön.«, sagte er schließlich. »Wir haben gewartet.«
»Wie? Gewartet?«
»Ja, fast zwei Stunden. Aber das war keineswegs langweilig, nein.
Einige von uns - ich auch - haben sich vor Angst in die Röcke
geschissen. Nach Wallace Ansprache waren Etliche so überzeugt
worden, dass Sie vor Übermut ihre Röcke in die Luft rissen und ihre
Kronjuwelen dem Feind präsentierten.« Benjamin lachte vernehmlich.
»Ist das wahr? Du willst mich veralbern, oder?«
»Warum sollte ich das machen?« Henrik lächelte etwas, doch seine,
in Falten liegenden Stirn verriet Benjamin, dass er nicht amüsiert war,
sondern eine ernste Frage gestellt hatte. Er hoffte nichts Falsches
gesagt zu haben.
»Ich..Ich weiß nicht. Ich dachte nur, weil du vorhin von
Demaralsation gesprochen hast.« Henrik beugte sich etwas vor.
»Demoralisation, Benjamin. Sicher waren wir entmutigt, aber nur so
lange, bis Wallace der ganzen schottischen Armee seinen Plan in einer
großen Ansprache darlegte. Seine Stimme fesselte jeden der sie hörte.
Er rüttelte uns wach... erreichte unsere Herzen... unseren Verstand...
gab uns die Hoffnung wieder.
Wie gerne würde ich ihn dir zitieren.« Er lächelte traurig.
»Doch du kannst es nicht?«, fragte Benjamin vorsichtig. Henrik
seufzte in seinen Becher und der warme Dampf des Tees wälzte sich
hinaus.
»Richtig. Weißt du, ich glaube seine Worte liegen in meinem
Herzen und nicht in meinem Verstand.« Er trank einen großen Schluck
und lehnte sich wieder zurück. Es trat eine kurzes, aber angenehmes
Schweigen ein. Im Kamin knisterte es und ein großer, fast schon
verkohlter Scheit brach in zwei Hälften. Das obere Stück fiel in die
Glut und wirbelte eine kleine Aschewolke auf, die sich schnell wieder
verflüchtigte.
»Den Plan... Sein Plan würde ich jedoch nie vergessen.
Wir warteten, was ich ja schon gesagt habe, solange bis genügend
Engländer über der Brücke hinweg waren.
Dann war es endlich soweit. Wallace rief zum Angriff.
Wir rannten den Hügel hinab, direkt in die Vorhut. Schwerter
prallten aufeinander. Es wurde geschrien, gebrüllt, gekreischt. Blut
spritzte auf mein Kilt, als ich den Kopf von einem dieser Schweine
abschlug.« Henrik machte eine kurze Pause und sah ins Feuer. Er
versuchte keine Emotionen in seiner Stimme aufkommen zu lassen.
»Der Kampf gegen die Vorhut war schnell vorbei. Wir hatten nur
wenig Verluste hinnehmen müssen, doch die Schlacht hatte gerade erst
begonnen.
Einige hundert Schritt weiter südlich ritt die Kavellerie, die das
übelste Los von Allen gezogen hatte. Die Pferde liefen auf dem
sumpfigen Boden wie ein Mann mit nur einem Bein. Schnell hatten
wir auch Die aufgerieben.
Viele aus unserer Truppe waren schon in Kämpfe mit der Infanterie
verwickelt, während ich noch einen Engländer von seinem Pferd holte
und ihm mit meiner Klinge ins Herz stach.
Wallace hatte einen anderer Teil von uns zuvor schon einen weiten
Bogen um das Schlachfeld herum geschickt, um dem Feind in den
Rücken zu fallen. Ich war nicht bei dieser Truppe, aber ich weiß, dass
sie es geschafft hatten, bevor die Engländer von der Südseite her
Verstärkung schicken konnten, die Brücke zum Einsturz zu bringen.
Nun hatten wir leichteres Spiel mit den übrig gebliebenen
Engländern auf der Nordseite des Flusses. Viele dieser Bastarde
erkannten ihr Schicksal und versuchten zu flüchten.«
»Habt ihr sie gekriegt?«, wollte Benjamin unbedingt wissen.
»Ich glaub nicht, dass die meisten weit gekommen sind.«
»Und was ist dann passiert?«
»Nachdem wir die Engländer besiegt hatten und Hugh de Cressingham
gefangen genommen hatten, feierten wir unseren Sieg, indem wir
wild triumphierend schrien. Cressingham musste für das Büßen, was
seine Landsleute den Schotten jahrzehntelang angetan hatten. Ihm
wurde bei lebendigem Leib die Haut vom Fleisch gezogen.«
»Uff.« Mehr konnte Benjamin dazu nicht sagen.
»Ja, das war schon schlimm.« Nachdenklich sah er in seinen Becher.
»Ich denke, es reicht für Heute. Du solltest nach Hause laufen, bevor
der Sturm wirklich noch stärker wird. Wir sehen uns ja morgen schon
wieder.«
»Ja gut.«, willigte Benjamin ein. Doch er war traurig, dass es schon
vorbei war und hätte unbedingt mehr erfahren wollen.
»Schau nicht so, ich sagte doch, dass ich morgen mit Darwin reden
werde.« Henrik lächelte. Dann auch Benjamin.
Einen schönen Abend noch
Christian