Die Bücherdiebin (The Book Thief) von Markus Zusak

  • Zitat

    Original von Bartlebooth
    Die Kritik am schweren Hineinkommen in den Lesefluss kann ich ja ein Stück weit nachvollziehen, aber die am "Saumensch"? Das ist ein Schimpfwort, das Markus Zusak von seiner Mutter hat, die aus der Nähe von München stammt. Mag sein, dass es heute nicht mehr gebräuchlich ist, aber die Geschichte spielt in den 40ern. Man muss das Wort ja nicht schön finden, aber ihm die Verwendung eines authentischen bayerischen Ausdrucks vorzuwerfen, weil man ihn selbst nicht kennt, finde ich ziemlich eigenartig.


    Ich gehöre ja auch zu denjenigen, die in die Richtung kritisiert hatten. Aber mir geht es nicht um das Wort "Saumensch" an sich (welches ich übrigens sehr wohl kenne), sondern über den sehr übermäßigen Gebrauch des Wortes. Und es mag sein, dass Markus Zusak dieses Wort von seiner Mutter überliefert bekam, aber eben dieser übermäßige Gebrauch hat mich einfach zu oft aus dem Lesefluß geworfen. Auch wenn ich nicht in den 40ern Kind war und meine Verwandten nicht mehr leben, die dies bezeugen könnten... der sehr sehr häufige Gebrauch war für mich völlig überzogen.


    Was ja nichts daran ändert, dass es beim Lesen trotzdem mein Monatshighlight wurde. Mich störte auch nicht, dass der Tod die Tode "spoilerte" :grin... das hat mein Interesse an der Geschichte nicht gemindert.

  • Zitat

    Original von bartimaeus
    Was ich mich schon länger frage - warum erwartet man von Bücher immer Spannung und Action streng nach dem Spannungskurvenmodell? :gruebel


    Tja, berechtigte Frage. Dazu kommt bei diesem Buch noch, dass die Spannungskurve durchaus gehalten wird. Nur weil der Tod schon vorher erzählt, wen er so alles holt (und ich meine: wen holt er nicht?), heißt es ja noch nicht, dass wir erfahren, wie das alles geschieht. Und was da am Ende alles geschieht bzw. nicht geschieht, hat mich durchaus überrascht.


    Herzliche Grüße, Bartlebooth.

  • Das Buch hat bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen, aber am Ende bin ich froh, dass ich es gelesen habe.


    Erst einmal habe ich mehrere Anläufe gebraucht, um reinzukommen. Den Prolog fand ich sehr anstrengend, weil ich nicht recht verstand, wer nun wer war, mir die Situationen nicht recht vorstellen konnte, die Sache mit den Farben nicht recht einsah... Die Art des Erzählers, kurze fettgedruckte Einschübe einzufügen, wie Merksätze in einem Lehrbuch, hat mir von Anfang an gefallen, kapiert habe ich das alles aber auch nicht gleich.


    Irgendwann hatte ich aber den Prolog überwunden, und dann begann die "richtige" Geschichte. Die Szene im Zug bzw. im Schnee fand ich immer noch sehr schwer zugänglich, vielleicht auch wegen der Erzählperspektive, aber als Liesel einmal in Molching angekommen war, wurde es endlich besser.


    Oder auch nicht, die erste Hälfte fand ich nämlich - wie schon im "Bücher, die jeder mag, nur du nicht"-Thread geschreiben - sehr unspektakulär, um nicht zu sagen tendenziell langweilig. Der Erzähler war zwar angeblich der Tod, das spielte aber fast keine Rolle, es hätte genauso gut jemand anders sein können. Und die kurzen Sätze haben mich extrem genervt.


    Eine Frage zum "Saumensch": Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich hierbei nicht um "den Menschen", sondern um "das Mensch" (= Frau, Mädchen) handelt? :gruebel In Kombination mit "Saukerl" schien mir das naheliegend. Und da hat es mich auch nicht sehr gestört. Überhaupt fand ich die deutschen Wort-Einsprengsel (hab's auf Englisch gelesen) ganz in Ordnung, abgesehen mal von "Grande Straße" (warum heißt das nicht "Große Straße"?? sie schien mir doch die Funktion zu haben) und ein paar anderen kleinen Fehlern. Dass die deutschen Wörter fast immer auf Englisch erklärt wurden, war für mich natürlich unnötig, aber ich fand's gut gemacht.


    Naja, und dann kam die zweite Hälfte, und alles wurde anders. :wow Wahrscheinlich ungefähr ab dem Zeitpunkt, als Max kommt, oder noch ein bisschen später. Da plätschert nicht mehr die Kinderzeit dahin, sondern es ist Nazizeit, und Liesel und ihre Familie beginnen die Auswirkungen zu spüren. Das fand ich sehr intensiv und ergreifend dargestellt, ganz aus der Perspektive von Liesel bzw. der Leute von Molching. Jetzt trat der Tod als Erzähler auch mehr hervor. Dass er jeweils schon recht früh erzählt, wer sterben wird, hat für mich den Gänsehautfaktor nur noch erhöht; ich habe die Personen zum Teil mit anderen Augen gesehen, wenn ich wusste, dass sie nicht mehr lange leben würden bzw. wie sie Tode kommen würden. Ich glaube, viele Geschichten könnten ganz genauso oder so ähnlich passiert sein; ich fand die Schilderung sehr authentisch und einfühlsam - teilweise hat es mich sehr mitgenommen.


    Der Schluss war mir insgesamt eine Spur zu kitschig, allein schon

    ... aber trotzdem hat mich die Schilderung, wie der Tod jeweils die Seelen an sich nahm, überzeugt und berührt.



    Nicht ganz funktioniert hat für mich allerdings die Sache mit Liesels selbstgeschriebenem Buch. Nur an ganz wenigen Stellen schreibt der Tod, wie Liesel etwas in ihrem Buch darstellt, ansonsten ist er es, der so erzählt, als sei er dabeigewesen - was er ja, von einigen Szenen abgesehen - nicht war. Das hätte noch besser ausgenutzt werden sollen, finde ich. Die "Faksimiles" von Max' Büchern - ich dachte, das waren die echten Seiten von Max, aber Liesel hat sie ja für ihr Buch reproduziert, und die Originale sind vermutlich verloren gegangen... das war mir nicht klar genug.


    Übrigens, "Reinhold Zucker" - ist "Zucker" nicht ein typisch jüdischer Name? Oder war das Zufall, dass der jüdische Held in "Alles auf Zucker" so hieß? Das hat mich ein bisschen irritiert, ich dachte, da kommt noch was.


    Also, Fazit: Die zweite Hälfte des Buchs mit ihren Schilderungen, wie die Leute auf dem Dorf dort in Bayern und vor allem ein 13-jähriges Mädchen die Nazizeit und den Krieg erleben und wie sie umeinander Angst haben und sich kümmern, macht es alles, alles wett. 6 Punkte für den ersten Teil, 9 für den zweiten, macht großzügige 8.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

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  • Zitat

    Original von bartimaeus
    Was ich mich schon länger frage - warum erwartet man von Bücher immer Spannung und Action streng nach dem Spannungskurvenmodell? :gruebel


    Streng nach Modell? Mir ist das Modell egal, nur ein Buch muss für mich spannend/interessant/abwechslungsreich/originell/... sein, irgendwie muss es mir doch gefallen oder? Und ich fand das Buch halt relativ langweilig, was nichts mit strengen "Spannungskurvenmodellen" zu tun hat.


    Aber ich sehe wohl bei den Rezensionen bei Amazon, dass ich mit meiner Meinung tendenziell eher alleine dastehe, daher möchte ich das Buch keinem madig machen. Ich fand es ja auch nicht richtig schlecht, aber eben alles andere als gut.

  • Es gibt anscheinend nur wenige Leser, denen das Buch nicht allzu sehr gefallen hat. Meinen Geschmack jedenfalls hat das Buch nicht so ganz getroffen. Es gehört doch eher in die Kategorie Jugendbücher und hätte ich es mit 16 gelesen, dann hätte es mich vielleicht begeistert, aber jetzt eben nicht mehr.


    Liesel ist mir nicht wirklich ans Herz gewachsen und auf das Schimpfwort „Saumensch“ reagierte ich ziemlich empfindlich bzw. genervt. (Ich kannte es als Fränkin bereits ;-) ) . Am sympathischsten fand ich immer noch Liesels Stiefvater.


    Sicher war der Aufbau des Buches etwas Besonderes, aber auch das hat mir nicht so zugesagt. Man hatte dann zwar schnell eine Seite gelesen, aber ich fand es irgendwie abgehackt. Ganz schrecklich fand ich den Erzähler „Tod“. Irgendwie war mir nicht so bewusst, dass aus Sicht des Todes berichtet wird.


    Aber das Buch hatte auch berührende Szenen, z.B. als Liesel dem Max vorliest usw…

    fand ich große Klasse. Neulich hat mir ein Mann aus dieser Zeit erzählt wie schwer es war an Papier heranzukommen. Für uns eigentlich unvorstellbar.


    Von mir gibt es 5 von 10 Punkten.


    Mariechen :
    Danke für die Zusatzinfo.

  • Ich komme gerade von meinem Bücherdealer.
    Wenn die Leserunde am 15. anfängt, muss ich das Buch doch haben ;-)
    Ihr habt mich ganz schön heiß gemacht auf das Buch.
    Auch mir gefällt die Jugendbuchausgabe besser. Zum Glück hatte ich die Wahl.
    Aber ich lasse es zugeschweißt, sonst fange ich sofort an zu lesen.

  • @ Mary


    ich hab erst 50 Seiten gelesen, bin aber ueberrascht, dass meine Gedanken bisher die gleichen wie deine sind! Den Prolog fand ich auch schrecklich, bin ueber "Grande Strasse" gestolpert und vor allem enttaeuscht, dass der Tod als Erzaehler nicht wirklich neue Perspektiven bietet und hoechstens verwirrt.


    Andererseits bin ich froh, dass du vom zweiten Teil doch positiver sprichst. Denn sonst waere ich jetzt ernsthaft am ueberlegen das Buch abzubrechen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Liesl Meminger führt ein bewegtes Leben – in jungen Jahren muß sie bereits den Tod ihres Bruders beweinen und kommt zu Pflegeeltern. Sperrige Menschen scheinen dies zu sein. Besonders die Pflegemutter, Rosa Hubermann, lässt ihr oft Watschn zukommen und bezeichnet sie als Saumensch und Saukerl. Befremdend wirkt das zuerst, doch im Laufe der Geschichte kommt man dahinter, dass diese drastischen Bezeichnungen – so seltsam es sich auch anhört – eigentlich liebevoll gemeint sind und dass Rosa eigentlich ein herzensguter Mensch ist. Ihr Pflegevater Hans, der ihr das Lesen beibringt, obwohl er selbst es nicht besonders gut kann, sowieso.


    Im Laufe dieses dicken Buches tauchen wir immer tiefer ein in die Himmelstraße, das neue Zuhause von Liesl. Wir lernen ihre Bewohner kennen und leiden mit ihnen in dieser schweren Zeit der Nazidiktatur und des zweiten Weltkrieges. Ihre Schicksale gehen uns nahe und Seite um Seite wachsen sie uns mehr ans Herz …


    Ein Buch, auf das ich angesichts der Rezensionen hier schon sehr neugierig geworden bin – allerdings auch ein Buch, in das ich mich erst hineinfinden musste: Erst überrascht, dann besticht es durch den interessanten Kapitelaufbau mit den Überschriften, Einwürfen und teilweise auch Zeichnungen.


    Ungewöhnlich auch die Erzählperspektive: Der Tod ist es, der uns die Geschichte der Bücherdiebin und ihrer Freunde erzählt. Dabei erscheint der Tod als durchaus kultivierter und angenehmer Mann, der über die Entwicklungen in der Welt zu dieser Zeit auch nicht glücklich zu sein scheint.


    Sehr berührend empfand ich hier die Szenen, in der er die Seelen der KZ-Opfer aufsammeln muß. Zart und leise geschrieben machen sie das Grauen nur noch greifbarer – zumindest empfand ich das so.


    Das Ende des Buches empfand ich sehr, sehr berührend. Obwohl man bereits vorher schon schockiert und getroffen war, wie viele tote Seelen der Tod letztlich einzusammen hat, trifft einen der Schluß noch einmal besonders hart. Ich habe das Buch während eines Tages am Strand in einem Rutsch verschlungen und war am Ende heilfroh um die Sonnenbrille, die ich aufhatte. *schluchz*


    Ein Buch, dass ich mit einem dicken Kloß im Hals zugeschlagen habe und das erst einmal sacken musste.


    Ein Buch mit vielen wunderwunderschönen Momenten wie z.B. dem übermalten „Mein Kampf“, um nur einen zu nennen.


    Ein Buch, das so empfindsam und schön geschrieben wurde, dass es definitiv mein Monatshighlight wird.


    Eine wunderschöne, traurige Geschichte, die hier flüssig und mit sehr, sehr schönen Worten und Bildern erzählt wird. Obwohl der Autor weitestgehend auf blutige Details verzichtet, entsteht doch vor dem Auge ein sehr facettenreiches Bild der damaligen Zeit, sowohl der heiteren und düsteren Momente in der Himmelstraße als auch der finsteren Momente in der Welt.


    Ein Extralob hier auch an die Übersetzerin, die den sicher nicht ganz einfachen Stoff ganz wunderbar übersetzt hat.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Hallo Leseratten,


    nachdem ich am Wochenende einen Lesemarathon hingelegt habe, möchte ich Euch gerne ein weiteres Buch ans Herz legen. Diesmal handelt es sich jedoch nicht um einen Thriller:


    "Die Bücherdiebin" von Markus Zusak


    Es handelt sich um einen ungewöhnlich ergreifenden Roman, der meine Seele berührt hat.


    Die Geschichte handelt von dem Mädchen Liesel, das während des dritten Reichs bereits alle Menschen, die sie liebt (Bruder, Mutter), verloren hat und bei liebevollen Pflegeeltern aufwächst. Als Liesel das allererste Buch im Alter von 10 Jahren stiehlt, versinkt sie quasi in den Zauber und die Faszination, die Worte in ihr auslösen können. Mir gingen die Beschreibungen sehr ans Herz, da auch ich eine große Buchliebhaberin bin. Später stiehlt sie noch weitere Bücher (aus dem Feuer bei Bücherverbrennungen, aus dem Fluß) und zeigt dem Leser deutlich, dass man in solch schwierigen Zeiten aus ganz kleinen Dingen Kraft, Lebensmut und Lebensfreude gewinnen kann.
    Wunderbar herausgearbeitet wird Liesels Freundschaft zu dem Nachbarjungen Rudi, mit dem sie durch dick und dünn geht.


    Im Laufe der Geschichte löst der Pflegevater ein altes Versprechen ein und versteckt einen Juden bei sich.......


    Markus Zusak macht in seinem Roman den Tod zum Erzähler der Geschichte und läßt ihn als warmherzigen Begleiter mit menschlichen Zügen auftreten. Der Autor schafft es, dass einem der Tod sympathisch wird, denn hier hat der Tod ein Herz und eine Seele.


    Und so bedrückend wie sich das Thema "Tod" oft darstellt, genauso tröstlich und beruhigend ist dieses Buch. Denn wüßte ich, dass der Tod so wäre, wie Zusak ihn beschreibt, so würde ich meine Seele am Ende meines Lebens gerne in seine Hände legen.


    Zusak gelingt es, diese Geschichte über das Dritte Reich ohne erhobenen Zeigefinger und ohne Anklage zu erzählen. Er berichtet behutsam vom Krieg, vom Holocaust, von Freundschaft und (Nächsten-)Liebe, von Menschen, die sich gegen das Regime gestellt haben und von Menschen, die dem Führer bedingungslos folgten.


    Neben der eindrucksvollen Aufarbeitung deutscher Geschichte, in sprachlich herausragender Art und Weise, besticht die ungewöhnliche und liebevolle Gestaltung des Buches durch eine besondere Einteilung und Bezeichnung der Kapitel sowie durch ans Herz gehende Zeichnungen.


    Das Buch ist eine Perle! Eines der schönsten Bücher, die ich je gelesen habe.
    __________________



    :lesend Zwei Leben von Vikram Seth


  • Dem kann ich mich nur anschliessen gestern Abend nachdem ich fertig gelsen hatte konnte ich auch nicht gleich ins Bett oder mir das nächste Buch nehmen.
    Ein wunderbares Buch, welches Schullektüre werden sollte denn ich war mit Liesel und Max im Keller , habe mit Suppe gegessen war beim Fussball spielen dabei.


    Und am Ende flossen Tränen meinerseits .

  • Ein Buch, dass ganz anders aufgemacht ist, als man es sonst gewohnt ist.


    Es handelt in der Nazi-Zeit, ist aber sprachlich, ganz im Gegensatz zum Thema, wunderbar geschrieben.


    Auch der Tod, der der Ich-Erzähler ist, bekommt menschliche Gefühle, wie Mitgefühl.
    Das Buch ist ein sehr farbenprächtiger Roman, trotz des traurigen Themas.


    Am Schluss war es dann so ergreifend, dass ich wirklich geweint habe.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Ich gehoere wohl auch zu den wenigen hier, die von diesem Buch nicht so ganz ueberzeugt sind. Dabei ist das Thema schon wichtig und auch in eine Erzaehlung verpackt, die viel Potential zu bieten hat. Liebenswerte Charaktere und alltaegliche Umgebung, die sicherlich treffend fuer die Zeit war. Nicht zuletzt der Tod als Erzaehler, den man kaum in anderen Buechern finden wuerde.


    Dennoch blieb Zusak hinter meinen Erwartungen zurueck. Der Tod lieferte einige nette Zitate, verdeutlichte sehr gut, dass man sich eigentlich gar nicht vorm Tod fuerchten sondern den Menschen selber als seinen schlimmsten Feind sehen sollte. Ansonsten fuehrte seine Perspektive aber eher dazu das es dem Leser schwerer gemacht wurde ins Buch reinzufinden. Von daher kann ich mir schon vorstellen, dass dieser Schreibstil bei vielen Jugendlichen nicht ankommen koennte. Andererseits ist der Plot aber zu einfach gestrickt, als dass er mich als Erwachsene wirklich beeindrucken koennte.


    Obendrein ist in der englischen Ausgabe auch noch ein dicker Fehler drin, wo behauptet wird, dass 1933 90% aller Deutschen unbeirrt fuer Hitler waren. In der deutschen Uebersetzung wurde das etwas abgemildert, aber es zeichnet doch ein falsches Bild von den Deutschen, das womoeglich noch vorhandene Vorurteile bestaetigt.


    Nun hab ich natuerlich im Laufe meines Lebens schon dutzende Buecher zu dieser Thematik gelesen. Als Jugendliche besonders, aber auch als Erwachsene. Dann wird es natuerlich schwerer ein Buch zu finden, dass mir zur Hitlerzeit noch etwas neues/besonderes erzaehlen koennte. Doch da gab es auch in den letzten Jahren noch einiges. Bei den Erwachsenentiteln hat mich Bernhard Schlinks "Der Vorleser" wesentlich staerker beeindruckt und Gedanken hervorgehoben, die ich mir so vorher noch nie gemacht hatte. Bei den Kinderbuechern hab ich Damals war es Friedrich wiederholt gelesen und es hat mich trotz der Wiederholung wieder umgeworfen. Auch bei den neueren Kinderbuechern finde ich andere Titel eher empfehlenswert wie Hitler's Daughter von der ebenfalls australischen Autorin Jackie French. Das Buch schaffte es naemlich die Thematik auch fuer die heutige Zeit aktuell zu machen.


    Fazit: Wieder ein Buch zum Nationalsozialismus, das sich nur ein klein wenig vom Rest unterscheidet. Sicherlich nicht schlecht. Aber ich wuerde lieber andere Titel weiterempfehlen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Zitat

    Original von Beatrix
    Andererseits ist der Plot aber zu einfach gestrickt, als dass er mich als Erwachsene wirklich beeindrucken koennte.


    Wie meinst du das denn? Inwieweit ist der Plot denn "einfacher gestrickt" als, sagen wir mal, der des "Vorlesers"?


    Zitat

    Original von Beatrix
    Obendrein ist in der englischen Ausgabe auch noch ein dicker Fehler drin, wo behauptet wird, dass 1933 90% aller Deutschen unbeirrt fuer Hitler waren. In der deutschen Uebersetzung wurde das etwas abgemildert, aber es zeichnet doch ein falsches Bild von den Deutschen, das womoeglich noch vorhandene Vorurteile bestaetigt.


    Wieso ist das ein Fehler? Ich glaube eher, das ist eine der vielen ironischen Bemerkungen, die man in einem solchen Buch nicht erwartet, die sich der Erzähler Tod aber leisten kann, sofern er von einem Markus Zusak entworfen wird. Ich hatte eine ganz interessante Diskussion über eine Stelle, in der Zusak im Zusammenhang mit einem Marsch nach Dachau von einer "Parade" spricht. Ich weiß, dass viele diese Flapsigkeit der Ausdrucksweise des Todes gestört hat. Ich empfand das nie als respektlos oder zynisch. Man darf auch nie vergessen, dass diese Dinge der Tod sagt.
    Ich würde denken, dass es sogar hochgegriffen ist, von 10% im aktiven Widerstand auszugehen. Das "unflinching" lese ich sehr ironisch, so etwa wie "90% wandten unerschrocken den Blick ab". Mache ich mich verständlich?


    Zitat

    Original von Beatrix
    Nun hab ich natuerlich im Laufe meines Lebens schon dutzende Buecher zu dieser Thematik gelesen. Als Jugendliche besonders, aber auch als Erwachsene. Dann wird es natuerlich schwerer ein Buch zu finden, dass mir zur Hitlerzeit noch etwas neues/besonderes erzaehlen koennte.


    Ich halte "The Book Thief" nicht in erster Linie für ein Buch über die Nazizeit. Das Neue daran ist, dass es vor dem Hintergrund der Nazizeit spielt und auf diesem eine sehr persönliche Geschichte erzählt.


    Zitat

    Original von Beatrix
    Doch da gab es auch in den letzten Jahren noch einiges. Bei den Erwachsenentiteln hat mich Bernhard Schlinks "Der Vorleser" wesentlich staerker beeindruckt und Gedanken hervorgehoben, die ich mir so vorher noch nie gemacht hatte. Bei den Kinderbuechern hab ich Damals war es Friedrich wiederholt gelesen und es hat mich trotz der Wiederholung wieder umgeworfen. Auch bei den neueren Kinderbuechern finde ich andere Titel eher empfehlenswert wie Hitler's Daughter von der ebenfalls australischen Autorin Jackie French. Das Buch schaffte es naemlich die Thematik auch fuer die heutige Zeit aktuell zu machen.


    Nun, über persönliche Vorlieben lässt sich schwer streiten. "Damals war es Friedrich" habe ich vor so langer Zeit gelesen, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Den Jackie-French-Titel kennen ich nicht. "Der Vorleser" halte ich hingegen für ein gefährliches und verharmlosendes Buch, das allzu leichtfertig die persönliche Verantwortung den Zwängen der Zeit unterordnet.

  • Zitat

    Original von Bartlebooth
    Wie meinst du das denn? Inwieweit ist der Plot denn "einfacher gestrickt" als, sagen wir mal, der des "Vorlesers"?


    Eher in dem Sinne, dass die Geschichte ziemlich vorhersehbar ist - vor allem da sie vom Tod ja auch mit Absicht so erzaehlt wird.


    Zitat

    Original von Beatrix
    Obendrein ist in der englischen Ausgabe auch noch ein dicker Fehler drin, wo behauptet wird, dass 1933 90% aller Deutschen unbeirrt fuer Hitler waren. In der deutschen Uebersetzung wurde das etwas abgemildert, aber es zeichnet doch ein falsches Bild von den Deutschen, das womoeglich noch vorhandene Vorurteile bestaetigt.


    Zitat

    Original von Bartlebooth
    Wieso ist das ein Fehler? Ich glaube eher, das ist eine der vielen ironischen Bemerkungen, die man in einem solchen Buch nicht erwartet, die sich der Erzähler Tod aber leisten kann


    In diesem Fall wurde die Zahl aber als FACT praesentiert in Fettdruck, eindeutig nicht vom Tod. Das sollte also nicht ironisch gemeint sein und kommt bei mir als Leser ganz sicherlich hier nicht so rueber. Sachlich ist es schlicht falsch, da 1933 ganz sicherlich nicht so viele Leute pro Hitler waren.


    Zitat

    Original von Bartlebooth
    "Der Vorleser" halte ich hingegen für ein gefährliches und verharmlosendes Buch, das allzu leichtfertig die persönliche Verantwortung den Zwängen der Zeit unterordnet.


    Sehe ich nicht so, sonst haette die "Schuldige" ja letztlich nicht ob ihres Gewissens den Tod gewaehlt. Das Buch hat auch eine wesentlich staerkere Verbindung zum heute weil es ja auch die Frage der Verantwortung der nachgeborenen Generationen stellt.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Beatrix
    [In diesem Fall wurde die Zahl aber als FACT praesentiert in Fettdruck, eindeutig nicht vom Tod. Das sollte also nicht ironisch gemeint sein und kommt bei mir als Leser ganz sicherlich hier nicht so rueber. Sachlich ist es schlicht falsch, da 1933 ganz sicherlich nicht so viele Leute pro Hitler waren.



    Sehe ich nicht als Fehler an. Denn es sollte ja in der Welt so rüberkommen, dass alle dafür waren.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein