die Seite der Gedenkstätte Dachau ist mir selbstverständlich bekannt.
Eben in der Frage der jüdischen Häftlinge genügt ein Blick nicht.
Es geht darum, daß Zusak mehrfach ganze Züge jüdischer Häftlinge dorthin marschieren läßt, angefangen vom September 1942.
Zur historischen Lage:
Ab Sommer 1941 aber wurden Jüdinnen und Juden immer sytematischer in Lager in den besetzten Ländern im Osten verbracht (Stichwort Endlösung, die Göríng organisieren sollte).
Eine 'Konzentration' in Dachau im Herbst 1942, noch dazu nach dem Erlaß Himmlers am 5. Oktober, ist wenig wahrscheinlich.
Hätte man Max in dieser Zeit aufgegriffen, hätte man ihn in den nächsten Viehwaggon gestopft und nach Auschwitz verfrachtet.
Noch mal zu Dachau zurück, damit wir das komplett haben: 1944 wurden Juden aus den Lagern im Osten in beträchtlicher Zahl zurücktransportiert, um sie in der Rüstungsindustrie einzusetzen. Sie kamen auch nach 'Dachau', aber nicht in das Lager dieses Namens, sondern in sog. Außenlager.
Insofern ist es grundsätzlich richtig, von Juden in Dachaus zu sprechen, nur der Zeitpunkt für Liesel ist der falsche.
Deinen Einwand, daß das Buch nicht vom Nationalsozialismus handelt, habe ich in Deiner ersten Stellungnahme schon gelesen und ich habe ihn auch ernsthaft durchüberlegt.
Im heutigen Kontext, wie die Nazi-Herrschaft und der zweite Weltkrieg gedeutet und erinnert werden soll, führt die Überlegung in meinen Augen nirgendwohin. Ich habe die Befürchtung, daß man rationalisiert, wenn man das von diesem Buch erwartet.
Was im übrigen eine durchaus plausible Reaktion auf die starke Emotionalität ist, die mit dem Text durchgängig evoziert wird. Das Buch ist emotional extrem fordernd.
'Nationalsozialismus' ist an sich und in sich so wirkunsgmächtig, daß er nicht als Symbol für eine Diktatur, welcher Art auch immer stehen kann. Er kann nicht Stalinismus, Pinochet, Pol Pot, Bokassa oder Papa Doc symbolisieren.
Er ist Hitler und Deutschland.
Unter anderem deswgen, weil sich inzwischen Autorinnen und Autoren in der dritten Generation emotional und eben leider nicht politisch an diesem Thema abarbeiten. Erst wenn man das Ganze strukturell erfaßt hat und Linien ziehen kann, Vergleiche anstellen, dann könnte eine Diktatur ein Symbol für andere werden. Aber soweit sind wir nicht.
Ich brauche nicht dazu zu sagen, wie sehr ich das bedaure?
Mit meiner Bemerkung zum Leben des Autors wollte ich keineswegs sagen, daß man ihm eine fiktive Biographie verapßt hat. Bestimmt stammen seine Eltern aus Bayern resp. aus Östereich, wenn ich es recht verstanden habe, ist ihnen das Buch ja auch gewidmet.
Mir fiel beim Lesen von Rezensionen und Buchanzeigen zur 'Bücherdiebin', womit ich in den letzten Tagen einige Zeit zugebracht habe, nur auf, daß ein zunächst australischer Autor zu einem quasi österreichsich-deutschen mutierte. Das muß hinterfragt werden.
Vielleicht soll das auch nur die Authentizität seines Romans für deutschsprachige Leserinnen und Leser erhöhen?
Auch in dem Fall aber müßte man sich fragen, warum.
Die Lanze für das Buch brauchst Du nicht mehr zu brechen, es wird tausendfach gelesen und geliebt.
Ich betätige mich nur einmal mehr in meiner geliebten Rolle als Abweichlerin vom Zeitgeist
magali