"Im Rausch der Stille" - Albert Sánchez Piñol

  • Originaltitel: "La pell freda" (2002)
    Übersetzt aus dem Katalanischen von Angelika Maas


    Zum Buch


    Ein irischer Freiheitskämpfer flüchtet ans Ende der Welt, er sucht die Einsamkeit auf einer Insel unter dem Sturm. In einem alten Leuchtturm glaubt er sich sicher. Schon in der ersten Nacht geschieht etwas Seltsames. Unheimliche Wesen aus dem Wasser greifen ihn an. Aus einem erbitterten Kampf auf Leben und Tod entbrennt schließlich eine besessene Liebe ... Ein fantastisches Bravourstück.


    Über den Autor


    Albert Sánchez Piñol wurde 1965 in Barcelona geboren. Er ist Anthropologe und hat über das Volk der Mbuti im Ostkongo gearbeitet. "Im Rausch der Stille" ist sein erster Roman. Er erscheint weltweit in 29 Verlagen und ist in 27 Sprachen übersetzt. Sein zweiter Roman "Pandora al Congo" erschien im Herbst 2005 in Barcelona.


    Meine Meinung


    "Wir ähneln denen, die wir hassen, mehr als wir denken". So beginnt die Geschichte, die in der Ich-Form von einem namenlosen Helden erzählt wird. Der ehemalige irische Freiheitskämpfer hat sich Wetterbeobachter auf eine einsame Insel in der Nähe der Antarktis geflüchtet, um der Gewaltspirale in seiner Heimat zu entfliehen. Wider Erwarten ist er jedoch nicht ganz allein, sondern ausser ihm befindet sich noch ein wortkarger und etwas verrückter Leuchtturmwärter auf der Insel. Und jede Nacht greifen blutrünstige "Froschmenschen" die Insel an. Je brutaler die beiden Protagonisten zurückschlagen, desto mehr eskaliert die Gewalt.


    Das Buch hat mich gefesselt, aber so ganz erschlossen hat es sich mir ehrlich gesagt nicht und ich bin auch ganz froh, dass ich es durch habe. Irgendwie geht es wohl darum, dass man alte Verhaltensmuster ändern muss, um aus Gewaltspiralen ausbrechen zu können, und darum, dass es falsch sein könnte, eine anonyme Gruppe als Feind zu betrachten und dann in Folge jedes Verhalten als feindselig zu interpretieren.


    Oder so.


    Könnte auch anders sein.
    .

  • Ich habe das Buch gelesen und die Botschaft nicht verstanden. Bis zur Hälfte fand ich es total schlüssig, aber was soll einem der Schluss sagen? Irgendwie steig ich nicht dahinter. Das Buch ist aber sehr gut geschrieben, enthält sehr schöne Bilder, nur die innere Gedankenwelt und Beweggründe des Protagonisten erschliessen sich mir nicht. Trotzdem ist es aus meiner Sicht auf jeden Fall lesenswert.




  • Ja, hab ich auch nicht verstanden.



    *schulterzuck*

  • Ich finde das Buch in einigen Ansätzen gut, aber entweder verstehe ich die Andeutungen des Autors nicht oder es sind keine da. Es kann schon sein, dass er auf die ewigen Kreisläufe und Wiederholungen im Leben anspielt oder darauf, dass sich der Mensch mit allem abfinden kann, aber für mich wird nicht erklärt, warum sich jetzt der Protagonist in diese Spirale einreiht. Denn eigentlich ist er doch vom Widerstand gegen seinen Zustand erfasst, zumindest 3/4 des Buches kämpft er gegen seine jetzige Situation.



    Für mich hört das Buch auch da auf wo man eigentlich kurz vor des Rätsels Lösung ist.


  • Ich habe das Buch mit zunehmend, erstaunt hochgezogenen
    Augenbrauen gelesen.


    Die Geschichte ist gut, in den Anfängen...


    Aufgrund der fehlenden Schlüssigkeit fand ich das Buch
    nicht nur enttäuschend, ich war direkt ärgerlich :fetch, denn


    Auch das Warum hat mir in allen Teilen gefehlt. :rolleyes
    Die einzig für mich schlüssige Erklärung ist ein Fluch, der auf der
    Insel liegt, oder aber der Wahnsinn, dem alle Protagonisten anheim
    gefallen sind.


    wütende Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Ich habe bis jetzt etwa die Hälfte gelesen und finde es sehr spannend und gut geschrieben. Für mich gibt es allerdings auch schon eine Ungereimtheit: Warum ist denn der frühere Wetterbeobachter auf der Insel geblieben? Doch nicht wegen seinem Maskottchen?!



    Bin gespannt, wie es weiter geht.

  • So, nun bin ich durch, und ich habe durchaus das Gefühl, die Botschaft verstanden zu haben. Es ist ein Buch über den Krieg, darüber, wie sinnlos es ist, einen Krieg zu führen, und dennoch wiederholen sich Kriege und Kämpfe in einer Endlosspirale. Manche Kriege scheinen nie zu enden. Der dreißigjährige Krieg, der irische Bürgerkrieg, der Krieg im Westjordanland, der Krieg gegen die Froschmenschen...


    Wer als Soldat im Krieg kämpft, für den ist der Feind ein unmenschliches Monster. Erst wenn der Krieg vorbei ist oder auch nur ein Waffenstillstand, vielleicht sogar der Frieden in Sicht ist, wird manchem Kämpfendem klar, dass der Feind genauso menschlich ist, wie er selbst. Immer und überall gibt es ein paar Fanatiker, die alle Friedensbemühungen im Keim ersticken. Und immer wieder kommen junge Kämpfer nach, die bereit sind, alles zu geben, um den Feind auszumerzen, so lange nur genug Munition da ist.



    Diese "Liebesgeschichte" war mir das einzig rätselhafte an diesem Roman. Der Ire versuchte durchaus, die Persönlichkeit des Maskottchens zu ergründen, aber sie ließ ihn nicht an sich heran, blieb distanziert und rätselhaft. Seine Liebe war einseitig, aber so groß, dass er es nicht fertig brachte, sie für den Frieden an die Froschmenschen auszuliefern. Aber: Was hatte sie getan? Gab es wirklich ein Zerwürfnis zwischen ihr und ihrem eigenen Volk? Ist das Maskottchen ein Sinnbild für die Liebe an sich, die alle Grenzen und Nationalitäten überwindet? Warum hat sie dann den Frieden verhindert?


    Am Schluss reagiert der Ire auf die Ankunft des rettenden Schiffes genau so wie ein Jahr zuvor Caffó. Bei Caffó dachte man, er sei verrückt geworden. Ich konnte sein Verhalten und sein Verbleiben auf der Insel nicht verstehen. Bei dem Iren wusste ich nun, was er mitgemacht hatte. Er hatte länger als ein Jahr ums nackte Überleben gekämpft, er hatte in dieser Zeit außer Caffó keinen Menschen gesehen oder getroffen. Er hatte zu Hause im Krieg gekämpft und auf der Insel wieder. Er hatte gelernt, dass es keinen Ausweg gab: Die Menschen sind so, sie kämpfen, töten, führen Kriege. Er mochte die Menschen nicht mehr. Wie viele Kriegsveteranen hätte er sich in ihrer Gesellschaft nicht mehr wohl gefühlt. Am Ende wird er sich vermutlich töten lassen, wie Caffó auch.


    Mir hat dieses Buch ausgesprochen gut gefallen. Es ist spannend, gut geschrieben und durchdacht konstruiert. Ich vergebe die volle Punktzahl und empfehle es uneingeschränkt weiter!

    Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Waldfee ()

  • Also ich hab es gestern fertig gelesen und drück es mal so aus:
    Ich fand es keineswegs schlecht; aber gefallen hats mir nicht so richtig..


    Es war durchaus schön und malerisch geschrieben, ich konnte mich sehr gut hineinversetzen und die Geschichte an sich finde ich interessant und originell. Ich meine auch, die Botschaft verstanden zu haben - ich hatte dabei, wie Waldfee an eine Symbolosierung der Sinnlosigkeit des Krieges gedacht. Allerdings fand ich es irgendwie inhaltslos...


    Fragen über Fragen!


    Wie gesagt: Die Geschichte an sich finde ich im Ansatz wirklich interessant, originell und spannend, und zum Diskutieren einladend. Aber so richtig begeistert hat mich dieses Buch leider nicht. Auf jedenfall aber lässt es mich so schnell nicht los und ich werde sicher noch eine ganze Weile darüber philosophieren.
    Ich denke, ich würde es trotzdem auch weiterempfehlen.

  • Ja, das ist wirklich ein komisches Buch... einerseits fand ich es wirklich spannend, andererseits kann ich überhaupt nix damit anfangen.
    Die Sprache war super, ich hab buchstäblich die Insel, den Leuchtturm, das Meer und die "Frösche" gesehen, aber die Personen, was sie antreibt, wie sie sind... das blieb mir bis zum Schluß ein Rätsel und das Buch hat mich völlig unbefriedigt zurückgelassen.
    Ein unendlicher, sinnloser Kreislauf in dem immer der Nachfolger völlig unmotiviert den Platz des Täters einnimmt. :gruebel

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    (\__/)
    (o ,o)
    (>_<) <- This is Bunny.


    Copy Bunny into your signature to help him on his way to world domination.

  • Es ist komisch mit diesem Buch. Mir hat es ausgesprochen gut gefallen, aber ich würde von diesem Autor kein anderes lesen wollen... Wahrscheinlich, weil die Handlung der blanke Horror war.

  • Danke, Seestern, dann wären wir ja schon zu zweit... :-) Ich überlege jetzt mal, ob ich den Vorschlag einstelle. Zwar bin ich noch nicht allzu lange dabei und wollte mich erstmal an anderweitig organisierten Runden beteiligen - aber die Meinung der Eulen zu den Seeungeheuern des Herrn Pinol würde mich jetzt schon sehr interessieren...

  • Ein irischer Freiheitskämpfer flüchtet auf eine einsame Insel. Der einzige Mensch den er dort trifft, ist der mürrische, unnahbare Leuchtturmwächter.
    Er richtet sich in seiner Hüte ein und versucht einzuschlafen. Aber dann geht es plötzlich los: aus dem Wasser kommen unzählige, blutgierige Ungeheuer, die es auf ihn abgesehen haben…
    Albert Sanchez Pinol ist ein begnadeter Schriftsteller. Die Geschichte hab ich im Nu durchgelesen. Dennoch hätte ich ein paar kritische Bemerkungen.
    Mich hat es am Anfang sehr gewundert, dass der Held das Auftauchen der Ungeheuer als etwas völlig selbstverständliches ansah. Er hatte zwar Angst, aber zweifelte nicht eine einzige Sekunde lang an seinen Verstand.
    Der Roman ist eine Allegorie der tiefsten menschlichen Urinstinkte und die Sinnlosigkeit der Gewalt. Der Protagonist geht an seine psychischen und körperlichen Grenzen und entwickelt in extremen Situationen ungeahnte Kräfte. Wenn es um das reine Überleben geht, zählen keine Sentiments und Moral. Weil er ein Mensch ist, ergreift der Leser automatisch seine Partei, jedoch mit der Zeit werden auch die Ungeheuer immer menschlicher. Sie kämpfen auch nur ums Überleben, um ihr Land und Territorium.
    Der erste Teil des Buches ähnelt einer anthropologischen Studie (der Autor hat ja auch Anthropologie studiert), allerdings unter dem Deckmantel einer gruseligen Fantasygeschichte. Es sind mir zahlreiche klischeehafte Ausdrücke wie etwa „Asiatenfleiß“ unangenehm aufgefallen. Erst ab der Seite 138 wird es richtig schön. Sehr beeindruckend fand ich die plastischen, lebendigen Darstellungen der Ungeheuer.
    Kennzeichnend für diesen Roman ist eine ganze Reihe von verschiedenen Lebensweisheiten .
    Folgende hat mir am besten gefallen:


    Vielleicht sollte man den Satz Frau Roche vorlesen?
    Mit dem Roman soll uns die Botschaft vermittelt werden, dass Krieg und Gewalt keine Lösung darstellen. Obwohl der Mensch auch nur ein von seinen Trieben gesteuertes Ungeheuer ist :monster, muss er gegen das Tier in sich stets ankämpfen und darf niemals das Menschsein vergessen. Wir sind ein Teil der Natur, füreinander verdammt und unzentrennbar. Das was uns am stärksten verbindet, ist die Fähigkeit, Gefühle zu empfinden. Die Liebe ist über alles erhaben. Sie beachtet keine von Menschen aufgestellten Verbote.
    „Im Rausch der Stille“ ist ein außergewöhnlicher, düsterer, gewagter Roman. Die erzählerische Kunstfertigkeit von Pinol lässt sich nicht bestreiten. Allerdings ist das Thema an sich ist ziemlich „altbacken“, universell.
    Ich freue mich schon auf den nächsten Roman von ihm. Vielleicht weißt er dann seine schriftstellerischen Fähigkeiten etwas besser einzusetzen.


    Edit: Tippfehler korrigiert

    "Die Bildung kommt nicht vom Lesen, sondern vom Nachdenken über das Gelesene."
    (Carl Hillty)

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  • Zitat

    Original von Alicja


    Ich freue mich schon auf den nächsten Roman von ihm. Vielleicht weißt er dann seine schriftstellerischen Fähigkeiten etwas besser einzusetzen.


    Seine schriftstellerischen Fähigkeiten hat Sanchez Pinol meines Erachtens schon mit diesem Roman unter Beweis gestellt.
    Pandora im Kongo, der Nachfolger, ist mindesten genauso eindrucksvoll.

  • Eigendlich wollte ich das Buch nach 50 Seiten weglegen, aber nach den vielen guten Stimmen hier werde ich doch noch etwas weiterlesen.


    Am Anfang habe ich noch Schwierigkeiten mit der Geschichte des irischen Freiheitskämpfers und die Erziehung durch seinen Vormund.

  • 9 Punkte von 10 von mir für diesen besonderen Roman. Waldfee hat in ihrem Spoiler sehr gut zusammengefasst, was es zu sagen gibt, auch die anderen Meinungen sind sehr aussagekräftig, also mache ich mir die Mühe mal nicht ;-)


    Was die Fragen in Sachen Logik angeht, vor allem Sansonnets letzte Frage im Spoiler ist naheliegend, aber ich denke, bei einem Roman dieser Art kann man so etwas in Kauf nehmen, weil er sowieso nicht vorgibt, eine in der Realität verankerte Geschichte zu erzählen, jedenfalls nicht im engeren Sinn.


    Dass der Ire die Existenz der Ungeheuer sofort akzeptiert und nicht an seinem Verstand zweifelt ist für mich nachvollziehbar, schließlich hat er eine ganze Nacht im Nahkampf gegen sie verbracht.


    Ich fand es übrigens sehr raffiniert, wie der Autor


    Gruß, Bell

  • Ich fand Pinols Roman phantastisch. Natürlich ist es rätselhaft, ich muss auch sagen, dass ich die Protagonisten am Ende nicht mehr ganz verstanden habe. Aber ich finde nicht, dass das gegen das Buch spricht. Mich hat dieses Buch so viel beschäftigt, wie kaum ein anderes in den letzten Jahren.
    Die Beschreibung der Insel ist wunderbar atmosphärisch, die Sprache gerade in ihrer Schlichtheit anrührend und präzise. Wirklich ein tolles Buch!