'Stolz und Vorurteil' - Kapitel 01 - 18

  • Echt? :wow
    Ich dachte immer, der Begriff Inzest schließt Cousins/Cousinen ersten und zweiten Grades mit ein...
    Wieder was dazu gelernt :grin
    Danke

  • Zitat

    Original von Eny
    Aber eine Frage: War es damals wirklich legitim, Cousin und Cousine zu verheiraten? Das ist doch Inzest...


    Das ist wohl ein Grenzfall, siehe auch Wikipedia dazu.
    Wie es hier in Deutschland heute ist, weiß ich nicht, aber in Mittelamerika (in christlich geprägten Kreisen!) ist es wohl erlaubt. Und dann wird es damals wohl auch so gewesen sein.

  • Haben die nicht früher schichttechnisch bevorzugt innerhalb der weitläufigsten Verwandtschaften verheiratet, damit sie
    1. wuszten, woran sie sind? und
    2. damit Vermögen, Macht und Einflusz in der Familie bleiben?
    Na ja ... hatte auf jeden Fall seine Vorzüge...

  • Ich mische mich mal ein, weil es doch nicht so leicht ist ein Buch zu verstehen, das knapp 200 Jahre alt ist.
    Die Bedingungen, unter den Frauen des niederen Adels, der sog. gentry, lebten, sind heute kaum noch vorstellbar.


    Diese Frauen taten nicht 'nichts'.
    Es galt, einen großen Haushalt zu führen und zwar zu einer Zeit, in der all das, was wir heute als selbstverständliche Gerätschaften ansehe, nicht existierte.
    Diese Frauen verrichteten keine grobe Arbeiten, wie Böden schrubben oder Schweine schlachten, weniger grobe jedoch schon.
    Alles, was im Haus verbraucht wurde, mußte erst mal beigeschafft werden. Das bedarf einer ziemlichen Organisation und Logistik. Speisepläne, Vorratshaltung, vom Brot bis zum Talg für die Lampen muß gewährleistet werden. Dabei waren nicht die üblichen Mitglieder einer Kleinfamilie zu berücksichtigen, sondern zum Teil Dutzende von Personen. Auch die Familie Bennet besteht schon mal aus sieben Leuten!


    Das Wäschewaschen war so einfach nicht wie heute. Knöpfe mußten abgetrennt und nach dem Waschen wieder angenäht weden, Falten gebügelt, Rüschen, Plissees. Waren die Stoffe empfindlich, vertraute man sie keinem Dienstmädchen an. (Die waren in dem Fall wieder hochbezahlte Spezialistinnen und das konnte sich der Landadel kaum leisten!)
    Wichtig ist Kleidung und Wäsche überhaupt, ein Gutteil wird von den Frauen noch selbst hergestellt. Gerade Unterwäsche, Herrenhemden, Kragen, Handtücher. Dafür lernten die Töchter des Hauses nähen. Gleichfalls sticken. All die wunderschönen Blumenmuster, die bunten Vögel auf Vorhängen und Kissen, wurden in langwieriger Handarbeit angefertigt, das wurde nicht einfach gekauft. Handgenäht wurden auch Kinderkleider und Kleider für junge Mädchen.
    Man muß sich einfach mal überlegen, wie lange man braucht, um einen Meter Saum in winzigen gleichmäßigen Stichen zu säumen.
    Erst für eine Debütantin oder überhaupt einen großen Ball holte man sich eventuell eine Schneiderin ins Haus. Das hieß aber nicht, daß schneiderische Kleinarbeit nicht doch von den Mädchen selbst gemacht wurde.


    Zerstreuungen gab es wenig, kein Radio, kein Fernsehen, kein Kino. Unterhaltung mußte man sich selber machen. Tanzabende sind schön, aber jemand muß am Klavier sitzen und Polka in die Tasten dreschen. Also muß man Klavierspielen können.
    Es geht nicht nur darum, den Gästen vorgeführt zu werden, wie man brav eine Klaviersonate hinklimpert, sondern um den ganz praktischen Eisnatz der Fähigkeit. Tanzen muß ebenfalls gelernt sein, Konversation, die bestimmten Regeln folgen muß, weil es um den Erhalt der Sozialbeziehungen geht.
    Der sonntägliche Kirchgang hatte auch soziale Funktion, man sah sich, sprach miteinander.


    Man war aufeinander angewiesen; wenn einem die Nase des Nachbarn nicht paßte, konnte man nicht einfach ins nächste Café abhauen.
    Im Winter vor allem war die Lage ziemlich übel. Wer nicht das Geld hatte, nach London zu gehen, saß zuhause. Im Wortsinn. Die Straßen waren ja nicht asphaltiert, ein Landstrich konnte in kurzer Zeit durch Winteregen im Matsch versinken. Kutschen kamen kaum noch durch.
    Selbst die gräßlichste Nachbarin war da eine Erlösung, wenn man sich zum ersten Mal nach 14 Tagen wieder sah.
    Ein kleiner Tanzabend ein echtes Glanzlicht, eine private Theateraufführung eine Sensation.
    Bücher waren nicht unbedingt billig, die Titel oft zensiert. Mädchen durften nicht alles lesen. Die Bennet-Töchter haben Glück, daß es überhaupt Bücher gab im Haus.


    Krankheiten waren gefährlich, es gab keine Antibiotika, kein Aspirin. Eine Erkältung, wie Jane sie hatte, konnte zur Lungentzündung werden. Die verliefen oft genug tödlich, um den Menschen klarzumachen, daß eine Krankheit höchst besorgniserregend war.
    Krankenpflege oblag den Frauen, in der Familie wie in der Gemeinde. Gute Werke gehörten zum Alltag. Arme besuchen, Sonntagsschule halten, all so etwas.
    Die Mädels hocken nicht bloß im Wohnzimmer und träumen vom Prinzen.


    Eine Berufstätigkeit war für solche Frauen ausgeschlossen, weil es in England gesetzlich verboten war, daß Frauen dieser Stände einer Berufsarbeit nachgingen. Das kam erst nach 1850 langsam.


    Die Mädchen wurden für dieses Leben erzogen, man paßte sich an, weil man zur Gruppe gehören wollte, mußte. Es war überlebenswichtig, angesehen zu sein. Man kann sich nicht einfach außerhalb stellen, schon weil die ökonomischen Mittel fehlten
    Man kannte es kaum anders. Es galt als erfülltes Frauenleben. Es war die Ordnung der Welt, so lernte man das von Kindesbeinen an.
    Veränderungen kommen sehr langsam in Gang, Austens Romane dokumentieren eine solche Veränderung.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ Lisbett: bewusst blödsinn reden... naja, in solchen situationen drehe ich den frauen in der oberflächlichen gesellschaft demonstrativ den rücken zu, und unterhalte mich mit den männern, obwohl es etliche Mr Collins gibt, manchmal steht zwischen ihnen ein brauchbarerer gesprächspartner.
    Ich brauch in meiner umgebung leute, die mich inspirieren, und mit denen man sich zu immer wahnwitzigeren themen und erörterungen aufschwingen kann.
    Auf solchen gesellschafts-parties würde ich sterben, war glücklicherweise in meinem ganzen leben nur auf einer, bei der ich mich wirklich unwohl gefühlt habe... einem hausball in wien, der in etwa wie dieser bei den Bingleys abgelaufen ist. Ich musste mit dem abgelegten liebhaber der tochter des hauses tanzen, ohne eine ahnung zu haben, wie die tänze gehen, zu denen da aufgespielt wird. Ich bin ihm ständig auf die füsse gestiegen, und er war so völlig eiskalt höflich. Alle anderen gäste waren wirtschafter und juristen der wiener society, lokaler geld- und beamtenadel mit denen ich absolut nichts gemeinsam hatte, nicht einmal die körperhöhe, denn ausser mir waren alle um die 2 m gross.
    Glücklicherweise habe ich am buffett eine interessante biologin meiner bescheidenen grösse getroffen mit der ich nach einem intro über zwerge und riesen und hausbälle und unserem trampel- und landpomeranzendasein in einer ecke gelandet bin und über umweltverschmutzung und alternative energiegewinnung und kuriose parties mit kuriosen menschenschlägen geredet habe, sonst wäre der abend völlig surreal gewesen.
    Um uns herum haben sich alle über gesellschaftstratsch uns unbekannter personen und das wetter, friseurgeschäfte und nobel-boutiquen unterhalten. So komplett fehl am platz war ich weder vorher noch nachher in meinem leben.


    Es gibt sie noch, diese frauen, es ist noch immer nicht absolute verangenheit. Die männer dieser frauen auf der party haben so viel verdient, dass sie nicht arbeiten gehen mussten, ihre aufgabe ist es, perfekt auszusehen, perfekte gastgeberinnen zu sein und kontakte zu anderen frauen derselben schicht und deren wichtigen männern zu knüpfen. Einige hatten zumindest charities daneben laufen. Aber ich hatte mit keiner von ihnen eine gemeinsame gesprächsbasis.
    Als archäologin gehöre ich zu den schminke-verweigerinnen, klobige-schuhe trägerinnen mit ork-gang, die sich mit erdigen fingernägeln mit einer bierflasche zum fertig-gericht-abendessen setzen, über ordinäre witze ordinär lachen und laut rülpsen, wenn ihnen danach ist.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • @ magali:
    Du hast natürlich vollkommen Recht! Danke dafür, dass Du so sachlich und ohne uns Hühnerhaufen zu schelten :grin so viele Infos geliefert hast. Man vergisst nämlich, dass das eine ganz andere Zeit war, wenn man als Frau von heute in der Mittagspause zur Ablenkung von endlosen Zahlenkolonnen mal eben ein paar Kapitel Jane Austen liest.


    Aber das ist ja das Schöne an den Büchern, dass sie zum Beispiel auch das Leben und die Atmosphäre vergangener Epochen bewahren.


    Das Leben damals war natürlich kein Zuckerschlecken. Ich könnte mir auch vorstellen, dass junge Frauen nicht viel Ahnung davon hatten, was ein Mann möglicherweise außer einem gut geführten Hausstand noch von einer Ehefrau erwartet. Ganz davon zu schweigen, wenn man dann ein Kind zur Welt bringen musste ... oder so. Da ist für die Frauen bestimmt vieles vorher im Dunkeln gewesen. Und die Chance auf die echte, wahre Liebe hatten wohl nicht viele.

  • Ich lese die englische Ausgabe und muss zugeben, dass ich das Lesen kein bißchen genieße, sondern ganz oft am Nachschlagen bin, was die Worte denn so heißen. Wortwitz ist mir noch nicht aufgefallen. Blöd... :-( Ich hab vorhin die ersten 4 Kapitel gelesen. Mal sehen, ob ich morgen Lust zum Weiterlesen habe, ansonsten werde ich mich ausklinken und irgendwan auf Deutsch lesen.


    @ BJ: Hüülfe, wo bist Du?

  • Dass die ersten Kapitel zum großen Teil aus Dialogen bestehen, ist etwas gewöhnungsbedürftig. Es bleibt also der Phantasie des Lesers überlassen, sich ein Bild von der Landschaft, den Häusern mit ihren Einrichtungen und dem Aussehen der Personen zu machen. Auf die Kleidung wird gar nicht eingegangen.
    Zu viel Bildung bei den Damen war verpönt und schreckte potentielle Ehekandidaten ab.
    Kaum taucht in der Nachbarschaft ein Junggeselle auf, wird automatisch davon ausgegangen, dass er eine Frau sucht.
    Mr. Bingley und Jane passen hervorragend zusammen aus meiner Sicht.
    Eine jegliche, auch nur entferne Verwandtschaft zu Mrs. Bennet würde ich vehement leugnen. :stop
    Nachdem man im Laufe der ersten Kapitel mehr von Elizabeth erfährt, wird sie mir sympathisch. Dass Darcy sich zu ihr hingezogen fühlt, gefällt mir. Er ist bislang der einzig wirklich interessante Mann in der ganzen Geschichte.
    Mr. Collins ist einfach nur unglaublich nervig. :nerv In Kapitel 18 (Ball bei den Bingleys) überkam mich das starke Bedürfnis, ihn zu erwürgen.
    Mr. Wickham ist sicher mit Vorsicht zu genießen.


    Ich glaube schon, daß in den sogenannten besseren Kreisen soviel Personal vorhanden war, daß die Damen im Haushalt nicht viel mehr zu tun hatten außer die Menüfolge für den Abend zu besprechen. Die Tage also mit Malen, Sicken, Singen, Klavierspielen und Tratschen verbrachten.
    Austens Roman scheint mir nur von historischer Bedeutung zu sein und hat keinerlei Bezug zu unserer Gegenwart. Wenn man aber bedenkt, daß das Buch 1813 erschienen ist, war es schon höchst bemerkenswert, der damaligen Gesellschaft so den Spiegel vorzuhalten.

  • Das mit dem berufsverbot für frauen in england ist mir im buch der Mary Godwin das erste mal aufgefallen. Und wenn sie gearbeitet hat und verheiratet war, gehörte ihr ganzes erabeitetes vermögen automatisch ihrem mann.
    Als ledige Wäscherin, Hausmädchen, Tagelöhnerin und Bauernmagd war man damals viel freier als eine Dame der Gesellschaft. Die einzige karrieremöglichkeit war Gouvernante oder Lehrerin.
    Jane Austen dokumentiert diese veränderung nicht nur, sie war ein teil davon: sie blieb aus eigener entscheidung unverheiratet, um sich neben den komplizierteren alltagsanforderungen dem schreiben widmen zu können, das ihr persönlich mehr als die beschränkte karrieremöglichkeit einer Ehefrau und Mutter gab.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


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    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Zitat

    Original von geli73
    Ich lese die englische Ausgabe und muss zugeben, dass ich das Lesen kein bißchen genieße, sondern ganz oft am Nachschlagen bin, was die Worte denn so heißen. Wortwitz ist mir noch nicht aufgefallen. Blöd... :-( Ich hab vorhin die ersten 4 Kapitel gelesen. Mal sehen, ob ich morgen Lust zum Weiterlesen habe, ansonsten werde ich mich ausklinken und irgendwan auf Deutsch lesen.


    @ BJ: Hüülfe, wo bist Du?


    @geli: :knuddel1
    Dein Beitrag beruhigt mich. Ich dachte bis eben, ich sei ein Weichei, weil ich die englische Ausgabe nach einem Kapitel ganz schnell wieder weggelegt habe und mir die deutsche geschnappt habe. Ich hätte auf englisch auch keinen Wortwitz erkannt und finde die deutsche Übersetzung manchmal auch schon recht mühsam zu lesen.

  • Zitat

    Original von Eny
    Was ich wirklich befremdlich finde, ist dass die Gespräche manchmal in indirekter Rede "zusammengefasst" sind. Das erinnert mich so schrecklich an das leidige Deutschthema "Konjunktiv"... :grin


    Weiß einer von euch, was mit "...shire" gemeint ist, dem Korps von Mr. Wickham? In meiner Ausgabe steht immer genau das, "...shire". Hat da jemand was anderes (oder eine Erklärung)?


    Ein Roman, in dem alle Dialoge in indirekterer Rede verfasst sind, ist Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann. Ich fand gerade diese Dialoge köstlich und auch hier finde ich sie amüsant. Vielleicht liegt das auch daran, dass Deutschunterricht bei mir schon einige Jährchen her ist... :grin



    "...shire" wird in meiner deutschen Ausgabe als "Milizregiment" übersetzt. (Ich habe beide Ausgaben hier liegen und konnte das mal miteinander vergleichen...)

  • magali
    Auch von mir Danke für Dein Info!


    Leider komme ich nicht so schnell voran, wie ich gerne möchte.......bis Kapitel 10 bin ich gekommen, und immer noch kein MR. Collins, schnüff!
    Dafür war ich umso erstaunter, dass Mr. Darcy anscheinend doch Gefallen an Elizabeth gefunden hat, doch ganz schlau werde ich aus ihm noch nicht....
    Elizabeth bietet ihm aufjedenfall gute Paroli, und ich denke, dass macht sie umso interessanter! Wunderbar auch, dass die Bingley-Schwestern so herrlich dabei auflaufen :-]


    Mrs. Bennet ist es tatsächlich wichtiger, ihre älteste Tochter in die Arme Bingleys zu treiben, und riskiert dabei eine schwere Erkältung Janes (was damals ja wirklich schnell bedrohlich werden konnte!)....also nee!
    Und dann diese falschen Bingley-Schlangen, die ihre Besorgnis und Hilfe um Jane halbherzig befolgen.... :fetch


    Was mich auch erstaunte:
    In Kapitel 7 wird am Anfang beschrieben, dass der Besitz der Bennets aus Mangel an männlichen Erben an einen entfernten Verwandten übergehen wird....hat man da Töne! So waren die Töchter tatsächlich dazu gezwungen, gut verheiratet zu werden...wie magali ja schon geschildert hat!


    JaneDoe
    Ich denke auch, dass man in diesen Kreisen Personal haben mußte, wahrscheinlich je mehr desto angesehener....Mrs. Bennet ist ja auch ganz stolz, dass ihre Mädchen nicht kochen gelernt haben! (Kapitel 9)


    Nein, man kann die damaligen "Anforderungen" an das Frauenbild (und auch an das Männerbild) nicht mit Heute vergleichen....aber auch heute gibt es gewisse Eigenschaften/ Bildungsgrade/ was auch immer, mit denen man bestimmt besser ankommt oder angesehen ist.


    Hoffe auf mehr Lesezeit, bis dahin: weiterhin viel Spaß allen!

  • Ich bin auf das Wort "Fideikommiß" zum erstenmal in Daphne du Mauriers Rebecca gestoßen. Auch da ist es offensichtlich so, dass der Besitz aus der Familie kommt, wenn es keine männlichen Nachkommen gibt. Dabei spielt dieser Roman, soweit ich mich erinnere, erheblich später.


    Dazu möchte ich noch anmerken, dass ich durchaus ein gewisses Verständnis für Mrs. Bennet aufbringe. Fünf Töchter sind bestimmt finanziell eine schwere Belastung. Vater Bennet kann sich noch so lange lustig machen, Tatsache ist wohl, dass die Töchter weder eine reiche Mitgift noch die Aussicht auf ein nennenswertes Erbe mitbringen, folglich kann man davon ausgehen, dass die Bewerber nicht gerade Schlange stehen. Ich kenne einen Roman von Emile Zola, in dem sehr anschaulich beschrieben wird, wie eine mittellose Familie im wahrsten Wortsinn hungern muss, damit die Töchter vorzeigbare Ballkleider haben. Und angenommen, eine oder mehrere bleiben unverheiratet, was hätten sie zu erwarten, wenn die Eltern nicht mehr leben und Herr Collins Anspruch auf Longbourn erhebt? Es ist leicht, sich darüber lustig zu machen, aber wenn ich mich in Mutter Bennets Lage versetze, mir ginge da auch die Muffe.

  • Eben, aus der damaligen Sicht ist es auch verständlich, dass Mrs. Bennet nichts anderes wollte, als ihre Töchter einigermaßen gut zu verheiraten....denn auf ein Erbe konnten sie ja nicht zurück greifen, und eigentlich sollte Mr. Bennet ja auch daran interessiert sein!
    War er bestimmt auch, und ich denke mal, dass er es nicht so gemeint hat, als er sagte, seine beiden Jüngsten wären nicht klug.....ich glaube ihn hat einfach das jugendliche Gehabe der beiden gestört, dass "Hinterherrennen" hinter den Uniformen.

  • Ich bin der meinung, Mary passt von all den töchtern am ehesten zu Mr Collins, sie ist unromantisch und pflichtbewusst, die ideale frau für einen pastor. Eine umsichtige mutter hätte das sofort bemerkt, und ihn sanft in diese richtung dirigiert. Aber sie mag Lizzy am wenigsten von ihren töchtern und will sie so schnell wie möglich irgendwie loswerden.
    Sie kümmert sich nicht wirklich um ihre töchter, sondern ist eher ichbezogen, oberflächlich und angeberisch und ganz und gar nicht diplomatisch in der frage wie man sie am besten an den mann bringt. Sie will ihre erste tochter gut verheiraten, um ihr die verantwortung passende männer für ihre jüngeren schwestern zu finden, aufzuhalsen, und stattdessen als schwiegermonster des reichen bentley lieber auf prächtige gesellschaften gehen.
    Ihr getue ist nervensägend. Kein wunder, dass ihr Mann in die bibliothek flüchtet, er ist vor seiner familie in die innere emigration gegangen. Und ich denke mir, dass es dem alten Bennet eigentlich egal ist, wen seine töchter heiraten, und ob er unbedingt reich und von stand ist, er will sie nur versorgt wissen, aber nicht um jeden preis.
    Aber es stimmt: im vergleich zu mutter Bennett und ihren nachbarinnen sind die Bentley-schwestern und lady de Burgh in ihrem dasein als reiche damen noch viel nutzloser.
    Ich kann mit dieser art von gentry-dasein wenig anfangen, meine sympathie gehört ganz und gar dem ungezierten bauern-frauentyp, die grob mit anpacken, anstatt auf gesellschaften rumzustehen und zu tratschen.
    Wenn ich bedenke, dass zwei meiner urgrossmütter, beide um 1860 geboren, wie auch ihre mütter und grossmütter vor ihnen jede zwischen 12 und 18 überlebende kinder zu betreuen hatten und die halbe zeit alleinerziehende und hofführende grossbäurinnen waren, und sie neben ihren kindern zur erntezeit noch dazu einen 10-20-köpfigen arbeiterstab dirigiert und gefüttert haben, weil ihre männer zusätzlich als händler bzw brunnenbauer auswärts tätig waren, glaube ich nicht, dass die viel gelegenheit hatten, an ihre nerven zu denken.
    Und ihren jüngeren töchtern, für die die aussteuer nicht gereicht hat, haben sie mitgegeben: Am land kann man nicht verhungern, das arbeiten hab ich dir gelernt. Wenn's gsicht zum heiraten nicht reicht, gehst eben als magd.
    Ähnlich entspannt sieht es, denk ich, auch der alte Bennett, nur er meint: lesen, schreiben und klavierklimpern hast glernt: gehst eben als Gouvernante.
    Sorgen macht er sich deswegen nur um seine jüngeren töchter, denn die scheinen ihm zu dumm für so eine 'selbstversorgung'.

    DC :lesend


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    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Ja, Mary hätte ihn ja auch genommen. Vorausgesetzt, sie hätte ihn überreden können, Bücher zu lesen und sich "an ihrem Beispiel hochzuranken". Wieder so ein köstlicher Ausdruck.


    Ich muss sagen, je länger diese Diskussion hier fortdauert, um so mehr deprimieren mich die Voraussetzungen, auf denen die Konflikte in diesem Roman beruhen. Womit ich nichts gegen die Diskussion gesagt haben will. Aber mir kommt alles, was in dem Roman gesagt und getan wird, wie eine schöne Folie vor, quasi ein schillernder Ölfilm auf einem Tümpel mit reichlich trüber Brühe.


    Trübe Aussichten ...
    gutnacht
    Zefira

  • *seufz* Ja, Zefira, es stimmt:
    das leben als arme landadelige ohne mannkaufende mitgift war zumindest im 18./19. Jh in england sehr unerfreulich. Da gibt es weit und breit keine renaissance-fürstinnen oder viragos wie Marie von Schottland (Mutter Maria Stuarts) oder Katharina Sforza in Forli, oder die erste weibliche philosophie-Professorin von Padua, eine Gonzaga, die schon im 17. Jh promoviert hat.
    Oder solche frauen, wie die, die mit ihren männern auf die kreuzzüge gingen oder die burgen in deren abwesenheit als herrinnen verwalteten und auch verteidigten, wie... jetzt weiss ich nicht mehr den namen ihrer Burg, Marie... von Lincoln???, die für den kleinen Edward III, als der bei ihr befindlich belagert wurde, noch als betagte dame die verteidigung ihrer burg organisiert und trotz ihres hohen alters ihre männer in rüstung selbst angeführt hat, bis Guillaume le Marechal mit dem entsatzheer anrückte (müsst noch mal nachlesen, steht entweder bei Duby oder Pernoud)


    Oder das weiberregiment von Sigismund dem Münzreichen, der in Tirol die regierung seinen konkubinen und deren günstlings-clans überliess, weil er lieber auf die jagd ging und seine hauptfrau lieber ritterromane übersetzte. Es waren diese frauen, die durchsetzten, dass man den päpstllichen Inquisitor samt seinem Hexenhammer des landes verwies - mit dem hinweis, wenn das tatsächlich hexerei sein sollte, gäbe es in ganz tirol keine frau, die keine hexe sei.
    Die Äbtissin vom kloster Sonnberg schickte zur selben zeit ein Söldnerheer gegen die steuereintreiber des trientner bischofs - und auch gegen ihre eigenen leute, die ihr nicht zahlen wollten.
    Sie waren in nachfolge einer Margarete Maultasch, die kurzerhand ihren mann vor die tür gesetzt hat; und ebenso resolut war im 16. Jh die Schwinghammerin, eine tiroler Freifrau, welche die scheidung von ihrem Mann erzwang, weil er sich zu wenig gewaschen hat, und sie sich ekelte und ihn kurzerhand aus der kammer prügelte, wann immer er sich ihr näherte.


    Für Frauen hat zu aller zeit gegolten: man hat immer nur die Macht und den Einfluss, den man sich nimmt. Wenn man sich von den widrigen umständen die schneid abkaufen lässt und das gesellschaftsspiel artig mitspielt, ist man selbst schuld.


    Solche bücher, die sich mit der situation in egal welcher Zeit abfinden, find' ich furchtbar frustrierend.

    DC :lesend


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    (Grabinschrift F. Sauter )

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