Collins, Wilkie: Die Frau in Weiß

  • Auf Batcats Wunsch hin hier die Rezension des Buches :wave


    Inhalt:
    Nachts, auf dem Weg nach London begegnet der Leherer Walter Hartright einer vollkommen in weiß gekleideten Frau. Sie ist, wie er später erfährt, einer Anstalt entflohen und auf der Flucht. Kurze Zeit später nimmt er eine Stellung in Cumberland an und unterrichtet zwei Halbschwestern, Laura und Marian, in Zeichnen. Eine der beiden, Laura Fairlie, ist ein Ebenbild der weißen Dame und die beiden verlieben sich ineinander. Laura indessen ist einem Anderen versprochen und heiratet Sir Percival Glyde. Eine reine Geldheirat, wie sich später herausstellt und Glyde unternimmt alles, um an das Vermögen seiner Frau zu gelangen. Zudem ist er auf mysteriöse Weise mit der Frau in Weiß verbunden und setzt alles daran, dieses Geheimnis zu wahren. Selbst nicht clever genug, schmiedet sein Freund Conte Fosco einen perfiden Plan, der nicht nur Lauras Leben in Gefahr bringt sondern eine Herausforderung für Walter und Marians Klugheit und Mut ist.


    Formales:
    Das Buch ist in Form von Berichten und Tagebuchaufzeichnungen mehrerer Personen konzipiert. Sie alle schildern die Hergänge aus verschiedenen Perspektiven und Verhältnissen, ihre Eindrücke gewinnen sie unter anderem auch aus den Stellungen, die sie jeweils inne haben (Lehrer, Onkel, Rechtsanwalt, Schwester...).
    Es handelt sich um einen viktorianischen Bestseller, der alles hat, was damals gewünscht wurde: mysteriöse Geheimnisse, Personen aller Schichten, Skandale und Intrigen, Geheimbünde, Unheimliches und ferne Länder.


    Meinung:
    Ich fand dieses Buch klasse. Trotz seiner enormen Seitenzahl und gelegentlicher inhaltlichen Längen habe ich mich blendend unterhalten. Nicht selten musste ich laut lachen, vor allem Marians Aussprüche sind in ihrer Ironie und "weiblichen" Sichtweise (die sie selbst mehrmals betont) nicht zu überbieten. Überrascht haben mich vor allem die vielen Worte, die ich der modernen Zeit zuschrieb und niemals im Viktorianischen Zeitalter vermutet hätte. Und neben all dem Pathos und Herzschmerz, der keineswegs romantisch übertrieben ist, sind es die kleinen Spitzen gegen gesellschaftliche Normen und Regeln, die dieses Buch so schön machen. Amüsiert habe ich mich über den englischen Snobismus (Italiener sind einfach keine Engländer, egal wie sie sich mühen) und die Inselmentaliät. Die Geschichte ist recht spannend geschrieben und die Wendungen sind nicht immer vorherzusehen. Das klassische All-Around-Happy-End fehlt auch und alles in allem ist die Geschichte recht realistisch, zumindest aber nachvollziehbar. Die Personen selbst sind nicht zu flach, sieht man von der schwächlichen Laura ab, die aber sicher dem damaligen Frauenwunschbild entsprochen haben dürfte.
    Fazit: aus meiner Sicht heraus sehr lesenswert, zur Unterhaltung, aber auch, um etwas über das Denken und Handeln der damaligen Menschen (Englands) zu erfahren.


    Liesbett

  • ...für diese tolle rezi!
    ich würde gern ergänzend hinzufügen, dass es zu diesem buch auch eine (mE) ausserordentlich gelungene verfilmung mit guter besetzung gibt.
    ab und zu wird das im spätprogramm der dritten wiederholt.
    auch andere bücher von collins ("die frau mit dem roten schal", "der monddiamant") wurden verfilmt. leider ist es zu lange her, dass ich die nicht mehr in meinem besitz befindlichen bücher las, so dass ich mir eione rezi nicht mehr zutraue.
    aber ein weiteres buch ("jezebels tochter") schlummert in meinem sub und wird in absehbarer zeit rezensiert werden.
    :wave


    nach edit: amazon kennt nur "der rote schal". ich liefere mal die isbn nach...

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

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  • "The woman in White" war, glaub ich, der erste englische Klassiker, den ich freiwillig, also ausserhalb der Schule gelesen habe. Ist schon ewig her, deshalb kann ich nicht mehr viel dazu sagen, aber ich weiss noch, dass ich es damals sehr mochte.

  • Zitat

    Original von Delphin
    ich weiss noch, dass ich es damals sehr mochte.


    :wow Ich auch!! :grin


    Bei mir ist es allerdings auch schon ewig her. Und ebenso gut gefallen hat mir seinerzeit "The moonstone" (das ist dann wohl "Der Monddiamant" auf Deutsch). Bei Gelegenheit sollte ich mich vielleicht mal auf die Suche nach den anderen Collins-Büchern machen, danke für den Anstoß! :-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • "Die Frau in Weiß" fand ich auch toll. Mein Favorit bleibt aber "Der rote Schal". "Lucilla" ist auch toll mit der blinden jungen Frau, die panischen Angst hat vor dunklen Farben. "Das Geheimnis des Myrthenzimmers" ist auch sehr spannend. "Moonstone" habe ich auch, allerdings in deutscher Fassung. Gelesen habe ich es allerdings noch nicht.


    Hm, ich habe gesehen, dass die Bücher noch gar nicht rezensiert sind, ich glaube, das sollte ich mal nachholen. :gruebel :lache

  • Ich Glückliche habe das Buch mal im Peru-Urlaub gegen einen unsäglich schlechten Actionroman getauscht und war begeistert. Die Idee, die Geschichte von verschiedenen Personen und dementsprechen aus unterschiedlichen Perspektiven zu schildern fand ich innovativ und es war sehr spannend zu lesen.

  • Eines der schönsten Bücher von Wilkie Collins gibt es seltsamerweise nicht auf Deutsch (außer man besitzt eine dt. Übersetzung aus dem 19. Jahrhundert): NO NAME. Das Buch entstand zwischen "Die Frau in Weiß" und "Der rote Schal", also zu Collins' bester Zeit in den 1860er Jahren. Keine Ahnung, warum es nicht auf deutsch lieferbar ist. Wer gut englisch kann und Wilkie-Collins-Fan ist, sollte sich das Buch nicht entgehen lassen.

  • Habe dieses Buch in der Leserunde gelesen und kann es nur empfehlen. Obwohl ich am Anfang so meine Schwierigkeiten hatte konnte ich es dann fast nicht mehr aus der Hand legen.


    Die Spannung wird durch den besonderen Schreibstil nicht nur aufgebaut sondern bleibt bestehen bis zum Ende. Erst zum Schluss werden alle Rätsel/Unklarheiten aufgelöst.


    Dieses Buch bekommt von mir die vollen 10 Punkte.


    Viele Grüße :wave

  • Der Roman hat mich wirklich beeindruckt, wo ich es gar nicht erwartet hatte.


    Scheinbar mühelos schaffte es der Autor, mich in die Geschichte hinein zu nehmen und ließ mich nicht mehr los. Der Spannungsbogen riss bis ganz zum Schluss nicht ab, und obwohl das Buch vor so langer Zeit geschrieben wurde, braucht es sich vor so manchem aktuellen Krimi nicht zu verstecken.


    In von unterschiedlichen Personen als deren Aussage vor Gericht geschriebenen Abschnitten entwickelt sich der Fall vor unseren Augen Stück für Stück, wobei jeder Schreiber dem Fortgang seinen eigenen Tonfall aufprägt und so das Lesen zu einem besonderen, abwechslungsreichen Vergnügen macht.


    Sicher, das Verbrechen und die Geschehnisse überhaupt können uns, die wir in aktuellen Krimis schon viel erschreckendere Details gelesen haben, nicht erschüttern. Eher wirkt das Buch auf angenehme Art entscheunigend, ist aber zu keinem Zeitpunkt langweilig und ermüdend.


    Wirklich ein Leseerlebnis, erst recht für Liebhaber von Krimi-Klassikern!

  • Was für ein herrlicher Schmöker!
    Allein schon die Figuren und ihre Zeichnung:
    eine schlicht hinreißende junge Dame mit Charme, Witz, Selbstbewusstsein und -losigkeit,
    ein allzu zartes Pflänzchen – und wenn es einen Makel an dem Buch gibt, dann den, dass dieses Pflänzchen mit Namen Laura genau so zart beschrieben, um nicht zu sagen allzu blass geblieben ist -,
    ein Schuft mit einem viel zu schönen Namen (Percival)
    und
    ein Bösewicht, gesegnet mit einem schier unvorstellbaren Selbstbewusstein, leider auch mit Witz, Charme und einer (Sanges-)Stimme, die mich fast doch für ihn eingenommen haben,
    ein männlicher Held, tapfer und mit hohen moralischen Ansprüchen und leider von Autor dazu verdammt, die (für mich) Falsche zu lieben,
    dazu eine ganze Reihe von Nebenfiguren, allesamt so lebendig gezeichnet, dass sie mir sofort vor Augen standen.


    Eine Handlung, wunderschön ausufernd und hin und wieder auf falsche Fährten lockend erzählt, die es wahrlich in sich hat.


    Grandios, wie mühelos Wilkie Collins die vielen Fäden in der Hand behielt; kein loses Ende verwirrt den geneigten Leser, es ist einfach alles stimmig. Die wenigen Fragen, die für mich offen blieben, waren letztlich zeitbedingt und wären gut in einer kommentierten Ausgabe zu beantworten gewesen, aber da ich das Pech (nein, natürlich ist das das falsche Wort – es ware ein glücklicher Umstand, der mich hat zu dem Buch greifen lassen, um an der interessanten Leserunde teilnehmen zu können) hatte, eine ältere Bücherbund-Ausgabe gelesen zu haben, bleiben sie, was sie sind, ohne dass es mich weiter stören würde.


    Mich hat das Buch einfach köstlich unterhalten.

  • Nachdem das Buch "Die Frau in Weiß" von Wilkie Collins jahrelang in meinem SuB "geschlafen" hat, habe ich es im April in einer LR gelesen. Die ausführlichen Beschreibungen der Personen, der Gegend und der Handlung haben mich begeistert. Es hat einfach Spaß gemacht diesen Kriminalfall aus dieser Zeit zu lesen!