Ende?

  • Es klingelt und ich springe aus der Wanne. Tropfend und naß gehe ich zur Tür. Alles geplant, alles arrangiert. Sie soll sehen, was sie zurück lässt.
    Ich öffne ihr, immer noch nackt und naß. Ihr Blick streift mich, sie schmunzelt und marschiert an mir vorbei ins Bad. Wirft ihre Tasche auf den Boden und verbreitet die ihr eigene Unordnung, bevor sie mir mein Badehandtuch vor die Brust hält. „Du tropfst das Laminat voll.“ Sie geht raus, zieht die Badezimmertüre hinter sich zu und ich steh wie ein begossener Pudel im Bad, tropfend und sprachlos. Dieses Biest!


    Ich brauche ein paar Minuten, bis ich mich wieder im Griff hab und der Gedanke ihr den hübschen Hals herum zu drehen aus meinem Hirn verschwindet.
    Mit Absicht greife ich zu einer ausgeleierten Leinenhose mit Löchern am Hintern und einem Muscleshirt. Sie haßt beides, gut so!
    Als ich ins Wohnzimmer komme, lümmelt sie sich auf meinem Sofa herum und zieht eine Augenbraue nach oben, als sie sieht was ich an habe. „Schick!“ Ich winke ab und deute auf den Stapel Bücher und die Wäsche. „Deine Sachen!“
    Sie reagiert gar nicht und trippelt in die Küche. Ihre Scheißstiefelchen klappern und ich frage mich, warum es mich heute nicht auf die Palme bringt, wie sonst, sondern mich das Klappern irgendwie erfreut.
    „Du hast gar nichts zu trinken da!“
    „Ich habe nie was zu trinken da!“
    Sie steht wieder vor mir, die Hände in den Hüften.
    „Es ist nicht meine Schuld…“, flüstert sie.
    Ich sehe zu Boden und male Kreise mit den Füßen aufs Laminat.


    Gestern, eine kurze Nachricht auf dem ICQ. „Ich entferne mich von dir, tu was!!!“ Drei Ausrufezeichen, mehr nicht. Ja meine Fresse, was soll ich denn tun? Ein leises „Ich weiß nicht!“ von ihr am Telefon.
    Jetzt ist sie hier und was ich tun soll, weiß ich immer noch nicht. Sie steht vorm Sofa, dreht mir den Rücken zu und packt ihren Kram ein.
    „Das Buch da würd ich gern noch zu Ende lesen…“ Sie pfeffert es aufs Sofa, ohne mich anzusehen und packt weiter ein.
    Bücher, ich hab höchstens mal nen Playboy gelesen, bevor dieses blonde Lesemonster in mein Leben getreten ist.
    „Lies das…Lesen bildet!“ Mehr hat sie damals nicht gesagt und mir geholfen mich langsam durch ihre Regale zu lesen, zu fressen.
    Wo bekomm ich also demnächst meine Bücher her?
    Ich schüttel den Kopf, Bücher. Sie will gehen und ich denke an Bücher! Sie ist mit ihrer Packerei fertig und wirft mir einen seltsamen Blick zu. Schräg über die Schulter nach hinten von oben nach unten. Mir wird bewusst, wie dämlich ich mit der Hose und dem Shirt aussehe und ich werd rot. Rot… ich! He, ich bin cool. Ich kann sie alle haben, ich werde doch nicht wegen dieser Rotzgöre, rot werden. Hilft nichts, ich bin immer noch rot. Sie grinst. „Alles gut?“ Ihre Augenbraue wandert wieder nach oben. Wie ich diese Augenbraue hasse.


    Ich springe auf und stehe hinter ihr. Ziemlich nah. Sie bewegt sich nicht, starrt geradeaus die Wand an.
    „Darf ich dich noch anfassen?“ Kein Nicken, keine Bewegung, kein Wort.
    Vorsichtig, lege ich meine Hand auf ihre Taille. Als sie sich nicht wehrt. Die zweite. Ich vergrabe mein Gesicht in ihren Haaren. Sie riecht nach Männerparfum. Ich werde rasend, ziehe sie an mich, platze fast vor Wut, bis mir wieder einfällt, dass das mein Duft ist und sie ihn immer benutzt „weil ich dann immer bei ihr bin.“ Ich atme tief durch. Ich muß was tun. Ich küsse ihre Schulter. Immer noch bewegt sie sich nicht. In der Fensterspiegelung sehe ich, dass sie die Augen geschlossen hat. Ich drehe sie um. Augen bleiben zu, ich suche ihren Mund, meine Lippen streifen ihre Wange, sie dreht sich weg. Meine Hände rasen über ihren Körper. Ich kenne ihn. Kenne ihn so gut, dass sie weich wird, lächelt. Die Augen immer noch zu, den Kopf weggedreht. Wir sinken aufs Sofa, ich ziehe sie mit mir. Mein Sofa. Sie haßt das Sofa, es kratzt, darum krabbelt sie immer auf mir herum, bemüht so wenig Stoff wie möglich zu berühren. Heute auch, nur dass sie mich nicht ansieht dabei. Ich starre ihr ins Gesicht, will sie mit meinen Gedanken dazu bringen, mich an zu sehen. Sie klammert sich an mich, öffnet schließlich die Augen und sieht an mir vorbei aus dem Fenster.
    Ihre Fingernägel krallen sich in meine Schulter.


    „Tu was!“


    Ich antworte nicht. Irgendwann steht sie auf. Rückt ihre Kleidung zureckt. Nimmt ihre Tasche und geht zur Türe.
    Ich springe auf, als sie schon im Hausflur ist.
    „Warte…“
    Sie dreht sich um. Wartet, sagt nichts, sieht zu Boden und malt Kreise mit dem Fuß.
    „Halt mich auf dem Laufenden, also wenn du deine Meinung… also, du weißt schon?“ Scheiße, dämliche Scheiße, was sag ich da eigentlich? Warum kann ich nicht tun, was sie will? Nicht retten, was wir sind? Nicht sagen, was ich denke?


    Sie nickt und geht.
    Erst als ich glaube, dass sie es nicht mehr hören kann, strecke ich die Hand aus.
    „Ich liebe dich. Bleib hier.“

  • Mmh, ja, eigentlich eine ganz schöne Geschichte.
    Ich sag jetzt einfach mal, was ich positiv und negativ finde:
    Negativ:
    -Manche Wörter wie "Ja meine Fresse..." oder "dämliche Scheiße" passen einfach nicht in diesen Text. Meiner Meinung nach könnte man die Gefühle des Jungen/Mannes auch mit anderen, vielleicht etwas besseren/sittlicheren Wörtern beschreiben.
    - Der Leser erfährt leider nichts über die Vergangenheit und die Hintergrundgeschichte der beiden. Warum leben sie sich auseinander/entfernen sich? Wie haben sie sich kennen gelernt, wie lange sind sie schon zusammen, wie alt sind sie? Und warum versuchen sie es nicht zu verhindern,dass sie sich voneinander entfernen?
    -Wortwiederholungen: am Anfang geht der Junge/Mann tropfend und nass zur Tür.Wer tropfend ist,ist auch nass, wenn er kurz davor gebadet hat.In diesem Absatz kommen noch öfters die Worte "nass" und "tropfend" vor.
    Positiv:
    - keine Rechtschreib,- und Satzzeichenfehler (oder ich habe sie nicht entdeckt)
    - es ist anschaulich und interessant (ich will jetzt hier nicht spannend sagen) geschrieben


    Ansonsten aber eine schöne Geschichte. Nur was soll sie dem Leser sagen?

    Das Vielsinnige des Lesens: Die Buchstaben sind wie Ameisen und haben ihren eigenen geheimen Staat.
    (Elias Canetti (1905-94), Schriftsteller span.-jüd. Herk.)

  • @ Marlowe
    Danke :knuddel1


    @ Mondstein
    Es handelt sich um die Geschlechter, die du hinein interpretierst, ich schreibe gerne, so daß nicht feststeht, welches Geschlecht der Erzähler hat.
    Hier handelt es sich jedoch zumindest in meiner Vorstellung um einen Mann und eine Frau. ("sie riecht nach Männerparfum")


    @ Sonnenblume88
    Schimpfwörter.
    Ich fluche schrecklich gerne. Natürlich kann man auch andere Worte wählen, die weniger fäkal oder wohlklingender sind. Allerdings glaube ich, daß der Mann in meiner Geschichte, genau das gedacht hat, was ich geschrieben habe. Er flucht nämlich auch gern. ;-)


    Vorgeschichte,
    da hast du recht. Aber wenn ich alles der beiden erzählen würde, dann wäre es keine Kurzgeschichte mehr und größere Dinger kann ich einfach nicht. :cry
    Manche Geschichte lebt auch durch die Dinge, die nicht gesagt werden und die der Leser sich dazu reimen darf.
    Allerdings gibt es zu den beiden noch eine Geschichte:
    Meine


    Wortwiederholungen:
    Wieder hast du Recht. Speziell die Wörter tropfend und naß und begossen und nackt hab ich mit Absicht gewählt, ich wollte seine Hilflosigkeit/Verletzlichkeit/Trauer damit ausdrücken.
    Schade, wenn mir das nicht sooo gut gelungen ist. :-(


    Aussage:
    Die Geschichte will nichts sagen.
    Ich mag keine MoralvonderGeschicht-Texte.
    Die Geschichte will erzählen und was jeder daraus macht, das bleibt ihm selbst überlassen. :kiss

  • Die Geschichte hat mich von Anfang an gepackt. Ich habe sie gern bis zum Ende gelesen, zwischendurch herzlich gelacht.


    Hier wird erzählt in bester Erzählmanier. Zwei Personen interagieren. Ihre Empfindungen werden in Gestik und Mimik spürbar und nachvollziehbar.
    Es kommt ein relativ kurze Zeitspanne in den Blick, eine Scene, ein Moment. Die kurzen Anrisse der Vorgeschichte skizzieren völlig ausreichend, was man wissen muß. (Spielt da eine Eule eine Rolle? Jedenfalls hatte die Dame einen gewissen missionarischen Eifer an den Tag gelegt, und das bei BJs sonstiger Aversion gegen alles missionarische!! Ich staune :grin ) Der Konflikt, der die Szene bestimmt, verdampft in einen Satz, der erzählt und erfreulicher Weise nicht beschreibend dargeboten wird („Ich entferne mich von dir, tu was!!!“).


    Gestik, Interieur, Klamotten und Sprache der Protagonisten passen. Ich empfände eine Form von Hochsprache sogar unpassend für Typen und Situation. Einschränkend könnte man auch sagen: die Sprache charakterisiert andersherum die Typen. Das geschieht dann aber so, dass alles zueinander passt und dass die Figuren lebendig wirken. Ganz wunderbar ein Detail: Sie kreist immer wieder mit den Füßen. - Wieviel ist mit dieser kleinen Skizze gesagt?!


    Ein Moment wird erzählerisch focussiert. Die Geschichte erzählt exemplarisch, was zwischen zwei Leuten vor sich geht, deren Beziehung auf der Kippe steht. Die Situation ist angepannt. Beide sind hin und hergerissen. Was genau auf dem kratzenden Sofa geschah wird der Fantasie der Leserschaft anheimgestellt. Ebenso, wie lange das währt. Die könnte man als schwache Stelle der Geschichte deuten. Jedenfalls verliert die Erzählung dabei kräftig an Dynamik.


    Das Ende ist, wie es eben oft im Leben geht. Halb offen ... Etwas halbherzig bei den Protagonisten, umso überzeugender geschrieben.


    Genre und Thema der Geschichte sind freilich nicht jedermanns Sache. Irgendwelche philosophischen Tiefen werden weder gesucht noch berührt. Gesellschaftliche, solzialkritische oder ähnliche Gutmenschen-Themen bleiben außen vor. Wer dies notwendig von Literatur erwartet, wird enttäuscht. Ich bin da anderer Meinung. Ich lese gern auch solche Beschreibungen menschlichen Miteinanders und finde das keineswegs trivial.


    Facit: BJ kanns noch - eine richtig gelungene Geschichte.

  • Danke Licht... :wave


    Die Sofaszene hat mich auch ordentlich Nerven gekostet, es sollte jugendfrei sein und trotzdem irgendwie spannend... besser gings nicht ohne Hilfe. :rolleyes

  • hi, Bj,


    es kommt wieder, fein! :anbet


    Der erste Abschnitt ist zu 'naß', ich bleibe auch an dem 'begossenen Pudel' hängen. Klingt so altmodisch, gerade im Vergleich zu den wenig sittlichen :wow Ausdrücken, die der Protagonist sonst denkt.
    Ich bin immer dafür, die Sprachebenen der einzelnen Personen zu vereinheitlichen, also in sich harmonisch zu machen.


    Dann die üblichen Verdächtigen: platze vor Wut, Hände rasen über den Körper etc. pp.


    Findest Du alle selber, wenn Du es noch mal in Ruhe durchliest.


    Mir gefällt, wie sich die Geschwindigkeit innerhalb der Handlung steigert, könnte noch stärker sein.


    Aber von außen krittelt es sich leicht.
    Was will uns das sagen?
    :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ Magali


    Zitat

    Was will uns das sagen?


    Ende mit Zeitvertreib... :(


    Am Rest bastel ich noch.
    Stört eigentlich niemanden, daß so oft gehaßt wird?
    Ich stolper da die ganze Zeit drüber, find aber irgendwie paßt es.... :keks

  • Zugegeben: ich finde die Sofaszene wesentlich reizvoller so ... Ich finde es Klasse, wenn da die Phantasie gekitzelt wird. Soll doch jeder denken, was er will.
    Im übrigen trifft Curt Goetz den Nagel auf den Kopf: "Nichts in dieser Welt ist so schmutzig wie eine schmutzige Phantasie es machen kann. Oder eine zu moralische. Wie man es nennen will."

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Stört eigentlich niemanden, daß so oft gehaßt wird?
    Ich stolper da die ganze Zeit drüber, find aber irgendwie paßt es.... :keks


    öhhmm. Ich dachte, das gehört zu den Leuten. Wenn Du die aalglatt machst, stromlinienförmig und normal dann wird das ganze banal, langweilig und klischeehaft. Außerdem - ist es nicht so, wenn diese Marotten (das Geklapper) und der gesamte Spittel, der mir in meinem Leben eher fremd war einem einfach nur noch auf die Ketten geht, dass man das mit "Ich hasse es!!" beschreibt? ...
    (Ok, ich gebs zu, ich gehe von mir als Choleriker aus ...)

  • BJ, wenn Du etwas ändern willst: lass ihn mal lieber die Maxime gelesen haben, die hat mehr Niveau, bessere Bilder und tatsächlich Texte, die Männer lesen (können).


    edit: "Mir wird bewusst, wie dämlich ich mit der Hose und dem Shirt aussehe und ich werd rot." Dieser Satz ist einfach nur genial!!

  • Zitat

    Original von Mondstein100
    für mich liest es sich so, das es sich um zwei Frauen handelt.... :gruebel


    Eine Frau,die Männerparfum benutzt?


    @ Babyjane:
    Ja,jeder reagiert anders auf die Schimpfwörter.
    Dass du diese Wortwiederholugen mit Absicht gewählt hast, um die Trauer/Hilflosigkeit/Verletzlichkeit auszudrücken, habe ich leider nicht bemerkt. Erst jetzt, wo du es sagst! Vielleicht haben es ja die restigen Leser bemerkt!


    Liebe Grüße! :wave

    Das Vielsinnige des Lesens: Die Buchstaben sind wie Ameisen und haben ihren eigenen geheimen Staat.
    (Elias Canetti (1905-94), Schriftsteller span.-jüd. Herk.)

  • Ein toller Text. Und eine interessante analytische Rezeption. Da tun sich ja völlig neue Koalitionen auf :grin


    Bei Sonnenblume grübel ich noch ein bisschen, ob sie die "rostigen Leser" oder die "restlichen Leser" meint ;-) (Achtung, nicht bös gemeint :knuddel1)

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • @ BJ:
    Oh wie peinlich, stimmt! :bonk


    @ churchill:
    Ich weiß doch, dass es nicht böse gemeint ist! :-)
    Aber du hast ungenau gelesen: ich hab "restigen" geschrieben und überlege grad, ob es dieses Wort überhaupt gibt!? Auf alle Fälle meine ich die restlichen!


    Lg! :wave

    Das Vielsinnige des Lesens: Die Buchstaben sind wie Ameisen und haben ihren eigenen geheimen Staat.
    (Elias Canetti (1905-94), Schriftsteller span.-jüd. Herk.)