Die Attentäterin – Yasmina Khadra

  • Originaltitel: LÁttentat, 2005 (2006 bei Nagel und Kimche in deutsch erschienen)


    Übersetzt von Regina Keil-Sagawe
    http://www.keil-sagawe.de/


    Inhalt (Backcover)
    Amin Jaafie ist Chirurg in einem Krankenhaus in Tel Aviv. Er erhält die schreckliche Nachricht, dass seine Frau bei einem Attentat ums Leben kam. Nicht genug damit - seine Frau soll diesen Anschlag selbst verübt haben. Das kann Jaafie unmöglich glauben. Gegen alle Ratschläge seiner Freunde macht er sich auf die Suche nach den Motiven und Hintergründen des Verbrechens. Dabei gerät er immer tiefer in die Verstrickungen einer tödlichen Feindschaft.


    Über den Autor:
    Yasmina Khadra, eigentlich Mohammed Moulessehoul. Der 1955 in Algerien geborene Autor war hoher Offizier in der algerischen Armee. Wegen der strengen Zensurbestimmungen veröffentlichte er seine Kriminalromane mit Kommissar Llob unter dem Namen seiner Frau.
    Erst nachdem er im Dezember 2000 mit seiner Frau nach Frankreich ins Exil gegangen war, konnte er das Geheimnis um seine Identität lüften. Yasmina Khadra ist eine der wichtigsten Stimmen der arabischen Welt. Zuletzt erschienen von ihm die Romane Die Schwalben von Kabul (2003), Nacht über Algier und Die Attentäterin.
    Von Khadra stammt auch die Serie von Krimies um Kommissar llob:
    Khadra, Yasmina


    Meine Meinung:
    Schon in „Die Lämmer des Herrn“ und in „Wovon die Wölfe träumen“ hat Yasmina Khadra darüber geschrieben, was einen Menschen zum Terroristen werden lässt.
    Dieses Thema hat ihn auch in diesem Roman nicht losgelassen, aber er hat die Perspektive gewechselt.
    Es ist der Chirurg Amin Jaafari, der erzählt.
    Nachdem er nach einem Selbstmordattentat stundenlang die Opfer operiert hat, muss er erfahren, dass es seine eigene Frau war, die das Selbstmordattentat durchgeführt hat.
    Er fällt aus allen Wolken. Wie er an dieser Situation fast zerbricht und wie er über die Ursachen nachspürt, ist spannend und mitfühlend von Khadra beschrieben.
    Ich halte Die Attentäterin nach Die Schwalben von Kabul für sein bestes Buch.
    Khadra zeigt alle Seiten, so gerecht oder ungerecht, wie es die Realität eben fordert.
    Da gibt es die Israelischen Freunde, aber auch die arabische Familie und die Extremisten auf beiden Seiten.
    An Stelle einer einfachen Lösung lässt Khadra seinen Helden eine tiefe Selbsterfahrung durchleben. Und der Leser ist immer dicht an Amin dran.
    Das Resultat ist so human, wie Khadras sensible Sprache. Er lässt seinen Protagonisten nie alleine und ebenso wenig seine Leser.


    An manchen Stellen frage ich mich, ob wirklich so viele Dialoge zwischen den Parteien realistisch sind. Auch die Strapazen, die Amin durchmacht, drücken sich nicht immer in der Form der Verzweifelung aus, die ich mir vorstelle. Doch da dieses Unfassbare kaum vorstellbar ist, kann Khadras Version ebenso realistisch sein.
    Die verschiedenen emotionellen Stadien, die Amin durchläuft, sind auf jeden Fall sehr glaubhaft.


    Sehr gelungen finde ich seine Beschreibungen der autonomen palästinensischen Städte Betlehem und Dschenin im Westjordanland, wo Amin schockiert über den Verfall ist.


    Die Attentäterin lässt den Leser nicht unberührt, aber der Roman ist leichter lesbar und verdaubar als die oben erwähnten Romane von Yasmina Khadra, da sein Protagonist als Sympathieträger das Buch trägt und prägt.


    Yasmina Khadra ist der sympathische Erzähler mit den grausamen Themen.


    Ich bin schon gespannt auf die Verfilmung.

  • Der Roman ist auch als Hörspiel erschienen.


    Christian Berkel spricht Amin Jaafari.
    Weitere Sprecher: Astrid Meyerfeldt, Hans Peter Hallwachs, Ulrike Bliefert, Udo Schenk u.a.
    Laufzeit ca. 68 Minuten.
    Bearbeitet von Frank-Erich Hübner.


    Nominiert für den Deutschen Hörbuchpreis 2007
    Begründung der Jury:
    Ein brisantes und polarisierendes Thema wird hier ergreifender und tiefer nahe gebracht als es die tägliche Fernsehberichterstattung vermag. Rundum gelungen.


    Kurzbeschreibung
    Eines Nachts erfährt der Arzt Amin Jaafie, dass seine Frau bei einem Anschlag ums Leben kam. Zugleich wird ihm eröffnet, dass sie selbst diesen Anschlag verübt haben soll. Nach dem Schock macht sich Jaafie auf die Suche nach den Spuren des Menschen, den er durch und durch zu kennen glaubte ... Ein Hörspiel über Treue und Verrat, das vom Ohr direkt in die Seele kriecht. Sprachrhythmus, Inhalt und Musik sind jederzeit im Einklang, präzise und virtuos aufeinander abgestimmt: eine akustische Reise in menschliche Abgründe.




    Das Hörspiel habe ich noch nicht gehört.
    Eine Meinung, wie gelungen die Umsetzung ist, würde mich interessieren.

  • Ich habe das Hörspiel zu "Die Attentäterin" gehört. Es handelt sich um eine CD mit einer Gesamtlaufzeit von ca. 68 Minuten, produziert vom Westdeutschen Rundfunk im Jahr 2006.
    Die Amin Jaafari wird von Christian Berkel gesprochen.


    Das Hörspiel hat mir sehr gut gefallen. Es ist meiner Meinung nach sehr sorgfältig gemacht (allerdings kenne ich das Buch nicht). Sehr eindringlich. Ich habe es fast atemlos verfolgt. Man muss sich schon ein bisschen konzentrieren, da die Handlung in einem recht hohen Tempo abläuft. Vielleicht höre ich mir das Hörspiel auch noch einmal an oder lese das Buch.


    Auf der Rückseite steht: "Ein Hörspiel über Treue und Verrat, das vom Ohr direkt in die Seele kriecht." Etwas pathetisch ausgedrückt, aber da ist schon was dran.


    Die literarische Umsetzung des Themas finde ich sehr gelungen. Die verschiedenene Standpunkte und Konflikte kommen klar heraus.


    Das Booklet zur CD enthält einen vierseitigen Essay von Uri Schneider: "Ich weiß genau, wovon ich rede". Yasmina Khadras Die Attentäterin ist das Psychogramm einer Terroristin.
    Der Text ist auch im http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/94794/index.html]Internet [/URL]abrufbar.


    -

  • Das Buch stand schon einige Zeit auf meinem Wunschzettel, da ich den Autor aus seiner Krimireihe kenne.


    Die Attentäterin hat mich weniger beeindruckt, als ich es nach den Kritiken und den Rezensionen hier erwartet habe- mag sein die Erwartungen waren einfach zu hoch gesteckt.


    Die Geschehnisse, die den Protagonisten schwer treffen, werden seltsam objektiv, wie von einem Dritten beobachtet erzählt- da wird gelitten, gedürstet, gestunken und gehungert, gedemütigt , verprügelt, verletzt und irgendwie kommt bei mir emotional nichts an. Ein armer, tief verwirrter Mann, der im Todeswahn seine letzten Tage nacherlebt und der schildert wie es dazu kommt, dass er von einer Bombe zerissen wird im immer gleichen Rad aus Anschlag, Gegenanschlag Terror und Staatsterror in dem was wir so verniedlichend israelisch-palästinenschen Konflikt nennen. Das Buch ist sicherlich nicht schlecht- es beschreibt die Konfliktlage und besonders die Seelenlage des in den Kampf hineingezogenen Protagonisten als Opfer sehr gut- es bleibt aber bei der Beschreibung und da kann Khadra sicherlich mehr.

  • Yasmina Khadra ist das Pseudonym von Mohammed Moulessehoul. Er wurde 1955 geboren und war ein hoher Offizier der algerischen Armee. Er ist zudem Schöpfer beliebten Krimifigur Kommissar Llob.


    In diesem Buch erzählt Kadra die Geschichte des Arztes Amin Jaafari. Jaafari ist ein arabischer Israeli in Tel Aviv, erfolgreich und glücklich verheiratet. Doch dann nimmt sein Leben eine tragische Wendung. Seine Frau verübt als Selbstmordattentäterin einen Anschlag bei dem siebzehn Menschen getötet werden, darunter viele Kinder. Amin Jaafari wird völlig aus der Bahn geworfen und kann nicht glauben, dass seine Frau wirklich für diesen Anschlag verantwortlich ist. Er macht sich auf in den palästinensischen Widerstand und muss dann akzeptieren, dass seine Frau wirklich diesen Anschlag verübte.


    Nach der Lektüre dieses Buches bleibt man mit zwiespältigen Gefühlen und Eindrücken zurück. Es wird nicht so recht deutlich, was der Autor eigentlich mitteilen will. Die Botschaft, das Terror und Gegenterror niemanden von Nutzen sind, kommt ein wenig zu vordergründig. Einige Dinge bleiben allzu gewollt an der Oberfläche und auch so manches Klischee wird bedient. Und dann im letzten Drittel dieses Buches meint man zwischen den Zeilen so etwas wie die Rechtfertigung für den Terror zu lesen. Opfer sind notwendig und unvermeidbar wenn das „große Ziel“ erreicht werden soll. Nur selten wird der Fanatismus deutlich der hinter dem Ganzen steht. Man hätte sich von diesem Buch mehr Tiefe gewünscht, eine intensivere Auseinandersetzung mit den bestehenden Verhältnisse wäre wünschenswert gewesen. So bleibt ein leichter Nachgeschmack, ob hier nicht vielleicht etwas unterschwellig suggeriert werden soll, dass Terror halt nicht gleich Terror ist. Es fehlt die klare Position des Autors zum Islamismus.


    Ein lesenswertes Buch, weil sehr gut als Diskussionsgrundlage geeignet. In literarischer Hinsicht allenfalls Durchschnitt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Nachdem ich vor kurzem "Die Schwalben von Kabul" beendet habe und der Inhalt sowie die Erzählweise mir recht naheging, bin ich auf den Thread gestoßen. Nach Herrn Palomars Vorstellung dachte ich ok. da ist noch was für mich. Allerdings schätze ich Voltaires Meinung sehr und seinen klaren Blick.
    Deswegen bin ich noch unschlüssig ob ich "Die Attentäterin" auch lesen soll.

  • Hallole!


    Über den Autor und den Inhalt des Buches ist weiter oben bereits genug geschrieben worden.


    Im Rahmen der Reise um die Welt habe ich dieses HB aus der Bibliothek ausgeliehen und heute neben der Hausarbeit gehört.
    Irgendwann habe ich Haushalt Haushalt sein lassen und nur noch gespannt zugehört.


    Ohne die Reise um die Welt hätte ich mir so ein Buch, bzw HB nie ausgeliehen, ich bin Fantasyleserin und lese auch gerne wissenschaftliche Sachbücher... :-]



    Das Hörspiel ist gegenüber dem Buch bestimmt immens gekürzt, aber mir reicht dieser kurze, beklemmende Eindruck durchaus.


    Die Hauptperson ist ein gut integrierter arabischer Arzt in einem Krankenhaus in Tel Aviv. Verheiratet, wohnt gut bürgerlich.
    Und eines Tages bricht seine Welt zusammen, nachdem seine Frau ein Selbstmordattentat verübt hat.
    Er durchlebt alle möglichen Phasen, von Verleugnen über sich-besaufen hin zu langsam akzeptieren...
    Dann versucht er, die Hintermänner kennen zu lernen, die seine Frau dazu gebracht haben, das zu tun. Aber es gibt nicht "die Hintermänner". Nur die verzweifelte Situation der palistinensischen Flüchtlinge, deren Ehre mit Füßen getreten wird...


    Fazit: Beklemmend.

    Wenn mein Kopf auf ein Buch trifft, klingt es hohl. Das muß nicht immer am Buch liegen...
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Ich habe das Buch innerhalb 3 Stunden verschlungen gestern. Allerdings bin ich deswegen nicht ausnahmslos begeistert...


    Mir war der Roman insgesamt zu effekthascherisch. Die Thematik ist natürlich interessant und ganz wenige Abschnitte auch augenöffnend, aber dennoch bleibt ein fahler Beigeschmack. Zu viel Krimi, zu viele Dialoge trüben den literarischen Wert und die Wirkung der wenigen politischen Aussagen des Autors.


    Vor kurzem habe ich "Die Schuld des Tages an die Nacht" von Yasmina Khadra gehört und hatte einen gänzlich anderen Eindruck vom Autor. Dort zeichnet den Autor ein wesentlich behutsamerer und feinfühligerer Ton aus. Umso überraschter bin ich gerade über die Trivialität dieses Romanes. Im Vergleich zu Leon de Winters "Recht auf Rückkehr" bin ich eher enttäuscht von diesem Buch.


    Fazit: Thematisch sehr interessant, literarisch bin ich ebenfalls der Meinung, nichts Besonderes. Liest sich weg wie nichts, ist dafür aber eben wenig weitreichend.

  • "Die Attentäterin" habe ich soeben nach 1 1/2 Tagen beendet. Es las sich schnell und hat mich auch gefesselt, sonst hätte ich es nicht so schnell durch gehabt, aber es hat mir nicht so gut gefallen, wie "Die Sirenen von Bagdad". Es ist vermutlich leichter zugänglich, da die Hauptfigur ein Sympathieträger ist, aber mir waren die Figuren zu klischeehaft.


    Die Hauptfigur ist ein arabischer Arzt mit israelischem Pass, der an der Uni mehr als perfekt sein musste, um gegenüber seinen jüdischen Studienkollegen zu bestehen. Einfach zu edel und gut. Seine wunderschöne, anmutige Frau wird ohne sein Wissen zur Selbstmordattentäterin. Zur Seite stehen ihm unerschütterlich der örtliche jüdische Kommissar (ich hatte immer Marino aus der Kay Scarpetta-Reihe vor Augen) und seine beste Freundin, eine jüdische Ärztin aus seinem Krankenhaus, die für ihn alles stehen und liegen lässt. Im Westjordanland gibt es noch seine Sippe (viele Generationen unter einem Dach) und den uralten jüdischen Siedler, der schon mit dem arabischen Vater der Hauptfigur befreundet war und die Mauer bedauert, die die Israelis durch das Land gezogen haben und mit ihm gemeinsam Bibelverse rezitiert und sich fragt, wieso man sich eigentlich nicht verstehen kann.
    Und dann gibt es noch die bösen Israelis: Seine Nachbarn, die ihm nach dem Attentat die Fenster einwerfen und ihn aus ihrem Wohnviertel vertreiben wollen, seine Kollegen, die seine Suspendierung durchsetzten, die israelischen Bulldozer, die Häuser von Angehörigen von Selbstmordattentätern plattmachen. Es liest sich gut, es erfüllt die Erwartungshaltung, aber eben mehr auch nicht.


    Unabhängig davon habe ich mir aber schon die nächsten beiden Khadras in der Bibliothek vorbestellt und ich überlege, ob ich morgen direkt "Die Lämmer des Herrn" ausleihe, das wäre nämlich verfügbar, oder ob das Overkill ist.

  • Nachdem ich vor kurzem "Die Schwalben von Kabul" beendet habe und der Inhalt sowie die Erzählweise mir recht naheging, bin ich auf den Thread gestoßen. Nach Herrn Palomars Vorstellung dachte ich ok. da ist noch was für mich. Allerdings schätze ich Voltaires Meinung sehr und seinen klaren Blick.
    Deswegen bin ich noch unschlüssig ob ich "Die Attentäterin" auch lesen soll.


    Und? Hast du's seitdem gelesen? :lache


    Bei mir ist es nun auch schon ein paar Jahre her; ich erinnere mich aber, dass ich das Buch sehr spannend und beklemmend fand und es in einem Rutsch weggelesen habe. Habe es auch ein- oder zweimal verschenkt. Eine Yasmina-Khadra-Manie hat es dann aber doch nicht bei mir ausgelöst.

  • Und? Hast du's seitdem gelesen? :lache


    Bei mir ist es nun auch schon ein paar Jahre her; ich erinnere mich aber, dass ich das Buch sehr spannend und beklemmend fand und es in einem Rutsch weggelesen habe. Habe es auch ein- oder zweimal verschenkt. Eine Yasmina-Khadra-Manie hat es dann aber doch nicht bei mir ausgelöst.

    Hab ich nicht, es kamen mir immer andere Bücher dazwischen und ich habs vergessen. Da die Wunschliste, auf die ich solche Bücher gepackt hatte, nicht mehr existiert, weiß ich auch nicht, was mir vor Jahren hier auch mal ins Auge fiel.