Das Wüten der ganzen Welt - Maarten 't Hart

  • Originaltitel: Het Woeden der Gehele Wereld, 1993



    Über den Autor: (das hab ich jetzt mal schnell bei einer anderen Rezension von mir selbst geklaut)
    Maarten 't Hart wurde 1944 in Maassluis bei Rotterdam als Sohn des lokalen Totengräbers geboren. Er studierte an der Rijksuniversiteit Leiden Biologie und arbeitete dort viele Jahre als Dozent für Tierethologie, ehe er sich ganz der Schriftstellerei widmete.
    Seine bekanntesten Romane sind „Ein Schwarm Regenbrachvögel“, „Das Wüten der ganzen Welt“ und „Die Netzflickerin“.
    Maarten 't Hart lebt in Warmond, einem Vorort von Leiden.


    über "Das Wüten der ganzen Welt"


    Zitat

    Ne pas sentir tant que ce rêve dure,
    Le temps durer,
    Mais n'apportant de passion profonde,
    Qu'à s'adorer,
    Sans nul souci des querelles du monde


    Nicht spüren, solange der Traum dauert....
    ...ohne Rücksicht auf das Wüten der Welt.


    Der Titel des Buches stamt aus dem Lied „Au bord de l'eau“ von Fauré und verrät bereits eine der Hauptingredienten dieses Romans: die Liebe zur Musik.


    Diese Liebe zieht sich durch das ganze Buch: Beethoven, Mozart, Bruckner, Scarlatti und vor allem Johann Sebastian Bach.
    Alexander Goudveyl, der Ich-Erzähler, der in einem streng reformierten Dorf in Zuid-Holland in den 50er Jahren aufwächst und auf einem alten Blüthner sich selbst Klavierspielen beibringt, träumt davon, Komponist zu werden. Er finanziert sich schließlich selbst Klavierunterricht von der Mutter eines Freundes, doch seinen Eltern zuliebe verzichtet er auf das Konservatorium und studiert stattdessen Pharmazie.


    Ein weiterer roter Faden, der sich durch das ganze Buch zieht, ist der Mord an dem Polizisten Vroombout, von dem Alexander Zeuge wurde. Die Suche nach dem Mörder ist zu einer fixen Idee geworden und beeinflußt so manche seiner Handlungen.


    Vroombout, der um seine pädophilen Neigungen bekannt stand und der auch unseren Erzähler mit einem „kwartje“ verführt hatte, ihm sein Geschlechtsteil zu zeigen, wird an einem Nachmittag im September 1956 in der Scheune hinter dem Haus der Goudveyls erschossen. Alexander spielt zu der Zeit in der Scheune gerade Klavier während einer großen Evangelisierungskampagne und sieht den Mörder, wenn auch nur flüchtig und mit halbverdecktem Gesicht. Seitdem versucht er, die Identität dieses Mannes herauszufinden.


    Der Roman gibt ein gutes Stimmungsbild der 50er und 60er Jahre wieder, ist witzig und spannend geschrieben.
    Ich persönlich finde es das beste Buch von Maarten ’t Hart, das ich bisher gelesen habe.
    Wer allerdings total keine Affinität zu klassischer Musik, bzw. Barockmusik hat, sollte vielleicht eher die Finger davon lassen. Obwohl...


    Nach dem Lesen von „Das Wüten der ganzen Welt“ hatte ich plötzlich Lust, mehr von und über Bach zu hören und zu lesen.


    Fazit: Mir hat es gefallen, sehr sogar!

  • Zitat

    Original von Wilma Wattwurm
    [
    Nach dem Lesen von „Das Wüten der ganzen Welt“ hatte ich plötzlich Lust, mehr von und über Bach zu hören und zu lesen.



    Dann solltest du das Buch


    "Bach und ich (inkl. CD)" von Maarten't Hart lesen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Das Hörbuch liegt gerade bei mir zuHause auf dem nachttisch.

    Manchmal betrachte ich seine Augen ... es liegt so vieles darin, aber seinen Mund hält er verschlossen. Später einmal im Leben, das vielleicht seinen Mund immer fester verschließen wird, muss er eine Möglichkeit haben, zu reden...
    Buddenbrooks

  • Hallo Clärschen,


    ich kann mir vorstellen, daß der Roman als Hörbuch sogar noch eindrucksvoller ist. Wenn man zumindest auch die Musik, die darin vorkommt, hören läßt.
    Du läßt mich (uns) doch nach dem Anhören wissen, wie es war und was Du davon gefunden hast?


    Ubrigens habe ich vergessen zu erwähnen, daß meiner Ausgabe eine CD beiliegt mit den meisten der in der Geschichte vorkommenden Musikstücken.


    Groetjes,
    Wilma :wave

  • Hallo,


    das Buch befindet sich in meinem RUB und ihr habt mich sehr neugierg gemacht vor allem da ich die MUsik von Bach sehr, sehr gerne mag.

  • Ich wußte gar nicht, dass es eine Ausgabe mit CD gibt. Das hätte mir auch gefallen.


    So habe ich mir mit meinen eigenen Bach-CD's zu dem wunderbaren Buch die richtige Stimmung geschaffen. Obwohl es das Buch gar nicht wirklich braucht. Ist nur eine schöne Ergänzung.


    Und Bach höre ich auch ohne Maarten 't Hart. ;-)


    Viele Grüße
    Shirat

    Viele Grüße
    Shirat


    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere. (Groucho Marx)

  • Meine Meinung:


    Das Wüten der ganzen Welt tobt in jedem Jugendlichen irgenwann einmal und wenn man wie Alexander Goudveyl auch noch der einzige Zeuge eines Polizistenmordes ist, dann scheint dieses Wüten zeitweise unüberwindbar zu sein. Doch bis es soweit ist, lernen wir erst einmal seine Welt kennen, die statt von Liebe und Fürsorge vor allem von Sparsamkeit und Einsamkeit geprägt ist. Erst nach und nach schafft es Alexander sich aus ihr zu befreien und sich immer mehr von seinen Eltern, die aus ihm unerfindlichen Gründen in der Umgebung nie wirklich akzeptiert wurden, zu lösen. Doch sein ganzes Leben ist bestimmt vor der Angst, dass der Mörder des Polizisten von einst zurückkehrt und den Zeugen seines Verbrechens tötet.


    Maarten t' Hart schafft eine ganz eigene Atmosphäre, die geprägt ist von einer beklemmenden Beschaulichkeit, was sich zwar wie ein Widerspruch anhört, aber doch mein Gefühl gut widerspiegelt, das sich beim Lesen eingestellt hat. Vielleicht liegt es auch an dieser merkwürdigen Atmosphäre, dass mir der Erzählfluss zwischenzeitlich etwas träge vorkam. Die Auflösung, so spektakulär sie eigentlich ist, wird ebenfalls ruhig und im gleichen sanften Fluss präsentiert, was allerdings durchaus seinen Reiz hat - bleibt doch so genügend Raum für eigene Gedanken, ohne dass sie durch Effekthascherei erstickt werden. Ob die Geschichte als Roman oder als Krimi einzustufen ist, fällt mir schwer zu entscheiden, auf jeden Fall ist es eine Geschichte fernab vom Mainstream, die durchaus empfehlenswert ist. Man sollte jedoch eine ruhige Erzählweise mögen und auch der klassischen Musik etwas abgewinnen können, da ihr als der großen Leidenschaft der Hauptfigur, auch ein entsprechender Raum in der Handlung gegeben wird.


    Knappe 7 Punkte von mir.

  • Das Wüten der ganzen Welt lag jetzt einige Jahre auf meinem SuB. Jetzt habe ich es mit kleiner Unterbrechung endlich gelesen, und es hat mir gefallen.


    Wie milla den Erzählstil und -Fluss beschrieben hat, trifft wunderbar. Das ruhige Tempo ließ mich zunächst nicht richtig in die Geschichte hineinkommen, aber einmal drin, ließ ich mich wie auf einer Grachtenfahrt treiben (mit kleinen Stromschnellen zwischendurch) ;-)


    Für mich kam die als überraschend beschriebene Wende zum Schluss zwar nicht mehr allzu überraschend, aber das war in Ordnung. Insgesamt habe ich das Buch mit den vielen Bezügen zur klassischen Musik gemütlich genossen :-)


    8 Punkte von mir :wave

  • Man muss sicher den Erzähler mögen, um das Buch zu mögen.
    Und das finde ich nicht immer ganz einfach. Zwar zeigt er bisweilen eine wohltuende Selbstironie, zugleich aber auch eine eigenartige Gefühlskälte, besonders im letzten Drittel des Romans. Ich kann da nicht richtig den Finger drauf legen, schon gar nicht meine Meinung mit Zitaten belegen, hatte aber beim Lesen zunehmend den Eindruck einer Distanzierung des Erzählers von sich selbst ... vielleicht ein Kunstgriff, damit man nach den Enthüllungen am Schluss keine Angst um das seelische Gleichgewicht des Erzählers haben muss.
    Ein Beispiel (fällt mir gerade ein) ist die Beschreibung des ersten Zusammentreffens mit seinem Schwiegervater. Er betont ausführlich, dass sein Schwiegervater schneller isst als er selbst, obwohl sich der Erzähler sein Leben lang etwas darauf eingebildet hat, schneller essen zu können als alle anderen Menschen, mit denen er zusammen gegessen hat.
    Das fand ich dermaßen daneben, dass ich auf den darauf folgenden Seiten den Erzähler nicht mehr recht ernst nehmen konnte.
    Und ausgerechnet auf diesen Seiten folgte dann die Auflösung des Geheimnisses ...


    Grüße von Zefira