John Updike - Hasenherz

  • Inhalt von amazon.de


    John Updikes Roman »Hasenherz«, Auftakt des Zyklus über seinen Helden Harry Angstrom, gehört längst zur modernen Weltliteratur. Der Warenhausverkäufer Angstrom, ein blonder Hüne mit zierlicher Nase, die ihm den Spitznamen »Hasenherz« einbringt, hat Glück bei den Frauen – aber er bringt ihnen keines. Er verläßt Frau und Kind und versucht, seine ruhelose Sehnsucht in der wilden Liebe zu einer Gelegenheitsprostituierten zu stillen. Nach einem tragischen Ereignis in seiner Familie kehrt er jedoch zu ihr zurück, ...


    Ich bin mit sehr großen Erwartungen an dieses Buch herangegangen, war es doch mein erster Updike und hatte ich schon viel Lobenswertes über ihn gehört.


    Umso enttäuschter war ich nach der Lektüre. Woran es lag? Sicherlich nicht nur an dem fürchterlichen Cover meiner Ausgabe (siehe Abbildung unten) :zwinker:


    Einerseits ist es sicher die Figur des Harry "Rabbit" Angstrom, die mir einfach zutiefst zuwider ist. Ich habe keinerlei Verständnis oder Sympathie für Männer, die sich vor Verantwortung drücken, Problemen aus dem Weg gehen, Schwierigkeiten davonlaufen und nur "das Eine" im Kopf haben. "Davonlaufen" - das ist die Devise von Rabbit und es ist unfassbar, wie gut er mit dieser Methode fährt. Und immer wieder findet sich jemand, der ihm weiterhilft, wo er Zuflucht findet, und immer wieder landet er auf den Beinen. Aber vielleicht liegt die Bedeutung Updikes darin, dass er genau dieses Phänomen so großartig beschreibt.


    Andererseits sind es wohl auch die ersten ca. 150 Seiten (von insgesamt 315), durch die ich mich sehr gequält habe. Die langatmige, ausufnernde Beschreibung der Flucht durch Amerikas Wildnis stießen bei mir auf keinerlei Begeisterung. Ohne dem festen Vorhaben, endlich einmal "einen Updike" zu lesen, hätte ich wohl nicht durchgehalten.


    Updike schreibt unbestritten gut, denn diese Oberflächlichkeit der Gesellschaft bringt er einfach gut rüber, auch viele andere gesellschaftskritische Themen werden angesprochen. Doch insgesamt bin ich doch einigermaßen enttäuscht.


    Hasenherz ist der Beginn der sogenannten "Rabbit-Pentalogie", welche folgende Bände umfasst (lt. wikipedia)


    1960 - Rabbit, Run (dt. Hasenherz, 1976)
    1971 - Rabbit Redux (dt. Unter dem Astronautenmond, 1978)
    1981 - Rabbit Is Rich (dt. Bessere Verhältnisse, 1983)
    1990 - Rabbit at Rest (dt. Rabbit in Ruhe, 1992)
    2002 - Rabbit Remembered (dt. Rabbit, eine Rückkehr , 2002)


  • Ich bin überhaupt kein Updike-Fan und habe daher auch
    wenig Geduld mit diesem Titel gehabt :rolleyes


    ich gehe und suche den Fred .."welche Bücher habt Ihr abgebrochen" :grin


    und jetzt ein Glas Rotwein Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Harry "Rabbit" Angstrom rennt (engl. Originaltitel Rabbit, run) - in erster Linie vor seinen Problemen davon, aber unweigerlich auch in neuen Schlammassel hinein, denn er ist von einer beinahe kindlich-naiven Selbstbezogenheit, dass es ihm nie in den Sinn kommt, er könnte sich irren.
    Ehefrau Janice, schwanger und mit Söhnchen Nelson überfordert, verbringt die Tage trinkend vor dem Fernseher, während Rabbit, der ehemalige Basketball-Star seiner Schule, nun Küchenutensil verkauft. Aus einem Impuls heraus verläßt er Frau und Kind und landet eher zufällig in den Armen der Gelegenheitsprostituierten Ruth. Er richtet sich bei ihr häuslich ein, felsenfest davon überzeugt, das Beste zu sein, dass Ruth in ihrem Leben passiert sei, und erst als seine Frau "sein" Baby bekommt, kehrt er - auch dies eher ein spontaner Entschluß - wieder zu ihr zurück. Doch es geht nicht lange gut mit den beiden und Rabbit rennt wieder davon.


    Die meiste Zeit habe ich beim Lesen vor mich hingeschimpft, weil dieser Rabbit ein derartig unsympathischer Charakter ist, den Updike ohne jede auktoriale Bewertung oder Distanzierung auf den Leser losläßt - allein dafür gebührt ihm mein Respekt. Jede Figurenperspektive (auch Janice) wird ohne jede Abwertung und dabei sehr genau geschildert - die Szene, in der Janice erneut dem Alkohol verfällt ist einfach großartig geschrieben.


    Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, man könnte fast sagen, trotz der Hauptfigur, denn Updikes Umgang mit Worten und seine Art zu Beschreiben entschädigen den Leser für fast alles. Und daran kann nicht einmal ein echter Kotzbrocken wie Rabbit etwas ändern ;-)

  • Ich würde gern für etwas mehr Verständnis für dieses großartige Buch werben. Der Schreibstil von John Updike hat mich hingerissen, schier umgehauen. So bildhaft ohne kitschig zu sein, so voller treffender Beschreibungen, dass ich atemlos in seiner trostlosen Geschichte versank. Lange ist mir das nicht mehr passiert, dass ich in einen Text, nicht unbedingt den Inhalt, so versunken bin, dass ich die Außenwelt kaum mehr wahrnahm. Danke dafür.


    Zum Inhalt eine Anmerkung: Das Buch erschien 1960, es spielt also in den 50er Jahren, und damals war die Gesellschaft eben so. Vor allem in Amerika. Die Männer hielten sich für den Nabel (oder etwas tiefer) der Welt, Frauen mussten gehorchen, sie hatten kaum eine Ausbildung, wurden geächtet, wenn sie unverheiratet schwanger wurden, Verhütung war längst nicht so ein Thema wie im heutigen Zeitalter von Aids. Wenn sie verheiratet waren, waren sie der Willkür ihrer Männer ausgeliefert. Sie durften nicht mal ohne deren Einverständnis arbeiten gehen oder ein eigenes Bankkonto besitzen. Entsprechend mächtig fühlten sich die Männer und führten sich auch so auf. Rabbit ist also keine Ausnahme, kein Hirngespinst.


    Aus diesem Sumpf haben sich die Frauen übrigens erst viel später mit der Emanzipationswelle bzw. Frauenbewegung befreit und den Männern einigermaßen Manieren beigebracht. :grin


    Kurzer Sprung in die Historie: In Deutschland trat 1958 das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft, ein Jahr später wurde der Gehorsamsparagraf für nichtig erklärt. Aber erst 1976 wurde die Gleichberechtigung bei finanziellen Angelegenheiten in der Ehe jenseits der Schlüsselgewalt eingeführt. Hat jetzt nicht direkt mit dem Inhalt des Buches zu tun, aber ich denke, man sollte das vielleicht berücksichtigen, wenn man dieses Buch liest.


    Die Rollenspiele werden sonst nicht so nachvollziehbar.


    Was natürlich nicht entschuldigt, dass Harry "Rabbit" Angstrom ein schrecklicher Unsympath ist! Ich glaube, in meinem fortgeschrittenen Alter habe ich das Buch sicher mit anderen Augen gelesen als eine Zwanzigjährige. Für mich war es eine Offenbarung und stilistisch eine ganz, ganz große Wonne.


    Ich zitiere nur mal einen Satz (Die Ehefrau kommt nach der Entbindung nach Hause): "In den ersten Tagen nach ihrer Ankunft füllt die Anwesenheit des Babys die ganze Wohnung, wie ein kleines Gefäß mit Weihrauch eine Kapelle füllt."


    Mir gefallen solche Bilder.


    Dennoch: die weiteren vier Rabbit-Folgen schenke ich mir lieber; das halte ich (inhaltlich) dann doch nicht aus. :grin

  • Interessantes Thema. Bei John Updike bin ich hin und her gerissen:
    Ich liebe seine "Hexen von Eastwick", auch die "Witwen" in der Fortsetzung - aber an die vielgelobten Rabbit-Bücher komme auch ich aus den von euch schon genannten inhaltlichen Gründen nicht heran.


    Dennoch spricht aus dem Eastwick-Stoff sowohl menschlich als auch literarisch eine Weisheit, die mich sicherlich zu einem zweiten Versuch inspirieren könnte.


    Nur noch nicht heute ...