'Getrieben' - Seiten 121 - 155

  • Die Hinrichtung einer schönen Geliebten


    Das ist genau die Art von Titel, die mich dazu bringen, die dazugehörige Geschichte als erste von einer längeren Liste lesen.
    Ich habe mich auf ein Drama gefreut. So in Richtung Wong Kar-wai-À bout du souffle, zum Beispiel. Lebewohl, meine Geliebte, Effi Anna Bovary.
    Aber es war nur ein Duell im Morgengrauen. Mann gegen Mann, der Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen nicht mal so lang wie ein kleiner Zeh.
    Der Autor im Lazarettzelt unterhalb der Barrikaden.
    Irgendwie vertraut, irgendwie immer dasselbe.


    Und doch so wichtig.
    Aber hat Karl Kraus nicht bereits alles darüber gesagt?


    Nicht der richtige Einstieg für mich.
    Ich bin umgehend zum Eros übergelaufen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Aber, Magali,


    die schönste Geliebte, die wir Deutsche und Deutschinnen haben, ist doch unsere Sprache, erotischer geht es nicht mehr. Sie ist wie flüssiger Sex, sie hält uns warm, sie nimmt uns her, sie entführt uns, sie ist immer sinnlicher als wir, sie ist das Begehrlichste, was wir Deutsche und Deutschinnen erfunden haben, herzlich, Andreas

  • Was erotisch ist und was nicht und ob es Superlative der Erotik gibt, darüber kann man lange diskutieren.
    Daß Sprache eine sinnliche Komponente hat, unterschreibe ich.
    Nicht nur wegen Deiner lustvoll formulierten Verteidigung.


    Die 'Deutschinnen' habe ich notiert, herrlich.
    :rofl


    Ich werde Dich zitieren, Du bist hiermit gewarnt. ;-)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @BJ


    Beweise, verehrter Holmes, Beweise!


    Und überhaupt: findest Du Sprache erotisch? Als Lesende? Als Schreibende?
    Das ist nämlich wirklich ein interessanter Punkt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ Magali
    Ich hätte hier ein Video... :lache :rofl
    Spaß bei Seite....


    findest Du Sprache erotisch?


    Oh ja, ich verweise auf: Jahres-Gewinner Schreibwettbewerb 2006! (zweiter Beitrag) :chen


    Als Lesende?
    Oh ja!! Allerdings nicht jede Sprache. Englisch hat für mich eher etwas hartes, liest sich weniger erotisch, als mehr ... hm... geil? :grin
    Französisch ist sinnlicher...
    Spanisch heißblütiger....
    Vorurteile? Nein, Klang im Hirn... :-]
    Natürlich auch nicht jede Sprache, mir fällt da z.B. Grass ein, der kann sogar Szenen, die ich eigentlich erotisch finden würde auf so ätzende/fiese Art wiedergeben, daß die Sprache jeder Erotik entbehrt.
    Einen Liebesbrief (NEIN KEINE EMAIL!!) zu lesen, kann auch sehr erotisch sein, knisterndes Papier, vielleicht noch der Duft des anderen, ein Kaffeefleck und man fühlt sich ihm nah durch einen Fetzen Papier.



    Als Schreibende?
    :chen
    Hm.... Schreiben ist ein Ventil. Wenn ich brenne muß es raus, mit Erotik hat das erst etwas zu tun, wenn jemand liest und versteht.
    Andererseits hat ein gewisser Zeitvertreib mal behauptet ich würde ihn mit meinem MS Word betrügen und sei verliebter in meine eigenen Worte, als ich es je in einen Menschen sein könnte.... aber das ist wohl weniger Erotik, als mehr Eifersucht. :rolleyes :chen


    @ Andreas
    Erotik hat aber doch nicht zwangsweise etwas mit SEX zu tun... Eine Geste, Bewegung, ein Blick kann erotisch sein....Übersexualisierung verbinde ich da weniger mit.... oder hab ich das Ironieschildchen übersehen?

  • @BJ


    es geht doch nicht um Sex, das war schon klar.
    Dann wäre da noch die Frage, ob es um die Buchstabenkombination geht, das Abbild, also.
    Oder um die Assoziationen.
    Oder um den Klang.


    Andreas


    Jungfrau-Geborene. Bin demnach von den Sternen dazu verurteilt zu sezieren und zu analysiern. Gnadenlos, 24/7, was oder wer auch mmer das Unglück hat, mir unter die Augen zu kommen.
    Meine Lieblingsbeschäftigung, diesen Auseinandernehmen.
    Und ich habe mit den Sternen eine Institution, der ich die Schuld zuschieben kann.
    Manchmal halte ich mich für einen glücklichen Menschen. :-]



    Ich selber sehe Sprache als Rauschmittel. Gehört verboten. :grin
    Mich verbindet etwas damit, was ich als Haßliebe bezeichnen könnte, so etwa. Worte reichen nicht aus, es genau zu definieren.


    Übrigens finde ich Schweigen erotischer, wenn es um Erotik geht.
    Aber darum geht es hier nicht, kannst also den Film im Schrank lassen, BJ.


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Schau mal, Magali,


    hier ein Absatz aus meinem neuen Buch (über Südamerika, September 2007, Dumont Verlag), hier steht, was ich unter sinnlich verstehe, danke, Andreas



    Es geht um Nerudas Memoiren, Ich gestehe, ich habe gelebt:




    ".....Dieses Buch fällt unter das Betäubungsmittelgesetz, wer es anfasst, muss wissen, auf was er sich einlässt. Es kann den Leser mit Sehnsucht vergiften und es kann ihn niedermachen. So deprimierend mag die Sicht auf einen Mann sein, der verstand, „mit allem Seinem“ zu existieren. Nach der Lektüre weiß man nicht, was man mehr beneidet: So zu sein oder so darüber schreiben zu können. Unerträglich die Einsicht, dass einer beides konnte..."

  • Ob Neruda wirklich beides konnte? Das spielt keine Rolle. Es ist gleich, ob wir im Leben oder in der Sprache erfinden. Deshalb widerspreche ich dir auch. Du bist Romancier. Betörend, singend, bezirzend. Und du übersetzt es in die Wirklichkeit der geschriebenen Geschichten, der dauerhaften Erinnerung.


    Und - ja - Sprache ist Geliebte oder Geliebter, ohne Lust bleiben Leben, Worte und Geschichten leer.


    Herzlich,
    Marcel

  • Wieso sich eigentlich darüber streiten, ob Sprache nun sinnlich ODER erotisch ist?
    Sie kann doch wie Sex beides, keines, mal das eine, mal das andere sein, zärtlich, brutal, heilend, zerstörend.
    Und Andreas: Längst nicht jede Geliebte wird von ihrem Liebhaber(n) gut behandelt...

  • Zitat

    Spricht hier Leid aus Saraswati, und wisse: auch nicht jeder Liebhaber wird lieb von seiner Geliebten behandelt,


    Entschuldigung, aber der Vertipper ist zu schön....
    :grin
    Nein, nicht jeder wird behandelt, geschweige denn gut... :kiss


    Ich trabe allerdings rein gedanklich hinter Saraswati her:

    Zitat

    Sie kann doch wie Sex beides, keines, mal das eine, mal das andere sein, zärtlich, brutal, heilend, zerstörend.

  • Ich trabe allerdings rein gedanklich hinter Saraswati her:

    Zitat

    Sie kann doch wie Sex beides, keines, mal das eine, mal das andere sein, zärtlich, brutal, heilend, zerstörend.

    [/quote]


    Sorry, Babyjane, es ist schon spät: Was bedeutet "hinterhertraben"? Derselben Meinung sein, oder nicht mitkommen? :gruebel

  • When a woman loves a man


    Nicht unbedingt stark, wie churchill sagt, aber kräftig.
    Eine Geschichte, eine interessante Studie zweier Charaktere, wunderbar unsentimental.
    Ich glaube, am liebsten mag ich den Autor, wenn er nicht von sich erzählt.
    Auch die Formulierungen sitzen, da kann man sich einiges auf der Zunge zergehen lassen.



    Die Beule - Die Leere


    ja, ja, der Augenblick der Erkenntnis. Eher der Ausgangspunkt für ein Gespräch.
    So ist es halt, für den Erzähler. Hört man sich halt an.
    Trotz mancher treffender Formulierung sprang der Funke nicht zu mir.


    Jeder Furz ein Abenteuer


    Was ich mit solchen Statements anfangen soll, weiß ich nie.
    Das liegt sicher an mir.
    Ich ärgere mich auch oft über andere Leute, aber Aufschreiben lohnt sich nicht, finde ich.
    Andere sind anders. Sollen sie Markenklamotten tragen (woher kennt ihr bloß all die Markennamen???) , in 5-Sterne-Hotels rumhängen oder sich in Mallorca besaufen.
    Was hat das mit mir zu tun?


    Natürlich kann ich anfangen zu hirnen:
    über den Massentourismus und die ökologischen Folgen, über eine Gesellschaft, die Abenteuer des Denkens nicht erlaubt, songern den jeden Drang via Werbung umleitet in den Konsum.
    Drang ist wörtlich zu nehmen. Inzwischen gibt es Klopaier, das nach Spekulatius duftet und zu Weihnachten verkauft wird.
    So könte man hirnen.
    Das müßte kein politisches Pamphlet werden, da stecken Geschichten drin.


    Vielleicht schreibt die doch mal jemand.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Zitat

    Original von magali
    When a woman loves a man


    Nicht unbedingt stark, wie churchill sagt, aber kräftig.
    Eine Geschichte, eine interessante Studie zweier Charaktere, wunderbar unsentimental.
    Ich glaube, am liebsten mag ich den Autor, wenn er nicht von sich erzählt.
    Auch die Formulierungen sitzen, da kann man sich einiges auf der Zunge zergehen lassen.


    Kann ich nur unterschreiben.


    Mir ist da noch ein Satz aufgefallen. S.129 2. Abs.:


    Diese typische Frauendummheit, die noch nach tausend Niederträchtigkeiten an die Wiederauferstehung der Liebe glaubt?


    Ist das wirklich Frauendummheit? Es gibt sooo viele Männer die genaus auf die gleiche Art leiden und von einem Disaster ins nächste stolpern. Ährlisch. :grin Auch der Protagonist dieses Büchleins ist in einigen Storys ein solcher. ;-)




    Die Beule - Die Leere


    Nette Beschrebung wie jemand aus blindem Perfektionismus die egene Perfektionierung beim handwerklichen Tun ausser Acht lässt. Man könnte fast Mitleid haben. :grin



    Jeder Furz ein Abenteuer



    Hat mich sehr zum Nachdenken angeregt. In vielem kann ich zustimmen.
    Andrerseits, kann man heute noch wirkliche Abenteuer erleben? Das Leben ist doch derart sortiert, organisiert und abgesichert, dass es für die damaligen Abenteuer gar nicht mehr kommt.
    Und in diesen Nischen, die das Leben noch lässt, sucht sich jeder sein eigenes Abenteuer. Und das kann auch schon in ganz kleinen Dingen eines sein. Das Abenteuer aus dem alltäglichen Trott einfach mal auszubrechen und verbotenes, unerwüschtes oder von der Gesellschaft geächtet zu tun. ;-)


    Die Wortwahl gibt einem als Normalo das Gefühl, dass sich der Protagonist auf einen hohen Sockel stellt und alle, die anders denken und fühlen, auslacht. :nono ;-)


    Die Hinrichtung einer schönen Geliebten


    Mit dem Text konnte ich wenig anfangen. Ja, er nervte mich sogar extrem.
    Ein arroganter Besserwisser, der mit sicherheit die Worte besser setzen konnte, erhebt isch über allem was nders schreibt und denkt als er. Und dies auf eine fiese und spitzzüngige Art, dass er eigentlich nur nervt und man ihn gern die Mails ins große Maul stopfen will. :schlaeger


    Im mittleren Teil des Buches erlebte ich einen eher unangenehmen Zeitgenossen, der nur sich selbst für das Nonplusultra hält, von jedem Rücksicht verlangt, aber selbst zu dieser nicht bereit ist. Ein Mensch, der nicht mit, sondern neben dem Leben her läuft.

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

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