Anspruchsvolle Literatur?

  • Aber selbstverständlich habe ich die Intention des Autors als Argument ins Feld geführt ...


    Berhard, nach Deiner für meine Begriffe völlig abstrusen Darstellung, müsste nahezu jedes Buch inclusive der Bibel in der Horrorabteilung unserer Buchläden zu finden sein. Nahezu überall in der Literatur treten mehr oder weniger stark ausgeprägt Motive auf, die man mit mehr oder weniger gutem Gewissen unter dem Stichwort Horror fassen kann.


    Ich frage mich dann allerdings, ob wir dann nicht den Befgriff Literatur gegen den den Begriff Horror austauschen und dann da Untergruppen bilden. Liebeshorror (Romeo und Julia), Teufelshorror (Faust), Geister und Untote (Dracula), Horror, weil grausam zu lesen (Thomas Mann)...


    Je länger ich das so bedenke, desto plausibler scheint mir der Gedanke in der Tat ... es kann wohl kaum anders sein .... Verzeiht, ich habe mich offenkundig getäuscht.

  • Bernhard


    Ich sehe wo der Hund begraben liegt.
    Dein Genre-Begriff ist abseits privater Freizeitwissenschaftlerei schlichtweg falsch.
    Genres werden eben nicht einfach nach Motiven eingeteilt, sondern nach Sprachgebrauch, Handlungsablauf, Strukturen, historischer Entstehung (denn auch ein Genre ist in seiner Definition durch das gewollte Spiel mit den Elementen Definitions-Prozessen ausgesetzt) etc.
    Kurzum: Es wird bestimmt durch ein Verhältnis von Inhalt und Form.


    Anders gesagt: Wenn du die Frage "Was ist ein Genre?" ernsthaft beantwortet haben willst, schau mal ins Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Dort wird ebenso auf Probleme und Diskurse hingewiesen. Wenn du Standards wissenschaftlicher Termini aber nicht akzeptieren willst, wäre eine weitere Diskussion unsinnig. Worum es dir dann aber ginge, bliebe offen.


    Abgesehen davon erhält ein Motiv nicht eo ipso seine Bedeutung (im/für das Werk), sondern im Kontext. Sprich: Motivgeschichte und Gestaltung.


    Wenn du Horror als Kriterium sehen willst und dieses Kriterium dann zur Gattung machst, bewegst du dich dennoch in einem Zirkelschluss. Ein Kriterium ist keine Gattung. (Und Gattung ist auch nicht gleich Genre).


    Und lass es mich böse sagen: Wenn das Horror-Genre es schon nötig hat sich auf Gewalt den Faust einzuverleiben, scheint´s mit dem postulierten Anspruch auch nicht so weit her zu sein.


    Nachtrag:
    Okay, das mit der ISBN klappt nicht: Also setz ich einen Link. Zu finden aber auch in der Uni-Bibliothek deines Vertrauens.

  • Die Physiker ein Krimi, nöö es sei denn, sie haben wen umgebracht, und es kommt heraus :chen- kann mich gar nicht mehr erinnern... haben die physiker wen umgebracht? :gruebel


    @ licht: da hast du ganz recht: :nono die bibel ist nicht nur horror sondern dazu noch ein zutiefst amoralisches buch und gehört auf den index! :chen

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von MagnaMater ()

  • Zitat

    Original von licht
    Berhard, nach Deiner für meine Begriffe völlig abstrusen Darstellung, müsste nahezu jedes Buch inclusive der Bibel in der Horrorabteilung unserer Buchläden zu finden sein.


    Die Bibel anzuführen finde ich nicht hilfreich, da sie in jeder Beziehung eine Sonderstellung hat.
    Ansonsten kommt es darauf an, was das dominante, handlungsbestimmende Element ist. "Faust" wäre ohne die typischen, in vielen als "Horror" klassifizierten Werken anzutreffenden Motive nicht denkbar. Es ist wesentlich und handlungsbestimmend, dass Faust einen Pakt mit dem Teufel eingeht. Die Story würde nicht funktionieren, wenn sein Partner nicht a) böse wäre und b) über übersinnliche Kräfte verfügen würde.


    Wenn Du die Intention des Autors ernsthaft ins Feld führen möchtest, halte ich eine Klassifizierung generell für kaum zu bewerkstelligen, weil Du dann über den eigentlichen Text hinaus weitere Informationen benötigen würdest, um ihn einzuordnen. Nur Stephen King als Beispiel. Ich nehme an, Du stimmst mir zu, dass dieser Autor in der Mehrzahl Horror-Werke schreibt. Ich persönlich wüsste aber gar nicht, welche Intention er damit verfolgt - ich nehme die Einordnung allein auf Basis der dominanten Handlungsmotive vor.


    Zitat

    Original von licht
    Nahezu überall in der Literatur treten mehr oder weniger stark ausgeprägt Motive auf, die man mit mehr oder weniger gutem Gewissen unter dem Stichwort Horror fassen kann.


    Friedensangebot:
    Der Themenstarter liest gern "Horror". Ich nehme an, das tut er, weil er gern über entsprechende Horror-typische Motive liest. Da Du sagst, dass überall in der Literatur mehr oder weniger stark ausgeprägt solche Motive auftauchen: Nenn doch einfach ein paar Werke, die a) anspruchsvoll sind und b) in denen diese Motive stark ausgeprägt auftauchen. Und schon hast Du den Themenstarter glücklich gemacht. :-)


    Aber wenn ich mir Dein jüngstes Posting betrachte, bist Du an einer konstruktiven Diskussion wohl nicht interessiert. Schade. Ich hoffe, Du hast viel Freude am Weiterpolemisieren.

  • Faust als Horror zu bezeichnen mag eine Übertreibung sein, aber ich halte den Grundsansatz für durchaus nachvollziehbar und richtig: eindeutige Genre-Einteilungen sind häufig nicht möglich. Es gibt phantastische Motive, es gibt Horror-Motive, es gibt kriminalistische Motive und häufig sind Bücher nicht eindeutig einem Genre zuzuordnen. Nicht einmal vom Autor selber.


    Es spricht aus meiner Sicht absolut nichts dagegen, auf die Frage nach einem guten Fantasy-Roman, einem guten Horror-Roman oder einem guten Krimi u.U. dieselbe Empfehlung auszusprechen.

  • nur nochmal zum Faust und zur Bibel: es gehen nur beide oder keiner: Die Fauststory ist in der Rahmengeschichte des Hiobbuches schon mal Literarische Form gegossen ...


    und ansonsten verstehe ich mein letztes Posting inhaltlich dem von Waldläufer sehr verwandt, nur dass ich es nicht so gut literaturwissenschaftlich ausdrücken kann und damit zum Stilmittel der Ironie gegriffen habe ... Manchmal macht ja die völlige Überspitzung etwas sichtbar ...

  • Zitat

    Original von Festus
    Faust als Horror zu bezeichnen mag eine Übertreibung sein, aber ich halte den Grundsansatz für durchaus nachvollziehbar und richtig: eindeutige Genre-Einteilungen sind häufig nicht möglich. Es gibt phantastische Motive, es gibt Horror-Motive, es gibt kriminalistische Motive und häufig sind Bücher nicht eindeutig einem Genre zuzuordnen. Nicht einmal vom Autor selber.


    Da hat er halb Recht:
    Ja, es gibt Probleme in der Genre-Zuordnung. Die wird auch nicht einfach vom Autor getroffen.
    Aber: Motive sind nicht die entscheidenden Kriterien. Insofern ist Bernhards Argumentation unsinnig und nicht nachvollziehbar.


    Zitat

    Es spricht aus meiner Sicht absolut nichts dagegen, auf die Frage nach einem guten Fantasy-Roman, einem guten Horror-Roman oder einem guten Krimi u.U. dieselbe Empfehlung auszusprechen.


    Da hat er Recht.

  • deshalb:

    Zitat

    Es spricht aus meiner Sicht absolut nichts dagegen, auf die Frage nach einem guten Fantasy-Roman, einem guten Horror-Roman oder einem guten Krimi u.U. dieselbe Empfehlung auszusprechen.


    es hat nicht jeder leser literatur studiert.
    Und wenn jemand zu mir sagt, er will was anspruchsvolles über hexen lesen, kriegt er von mir macbeth und faust unter die nase gerieben.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Zitat

    Original von MagnaMater
    es hat nicht jeder leser literatur studiert.
    Und wenn jemand zu mir sagt, er will was anspruchsvolles über hexen lesen, kriegt er von mir macbeth und faust unter die nase gerieben.


    Nö, spricht aber auch nichts dagegen, denen zuzuhören, die es getan haben - wenn wirklich Unsinn im Raum steht.
    Ich red nicht gegen die Faust-Empfehlung, nur gegen die Klassifizierung unter Horror.

  • Zitat

    wobei und weshalb?


    Vielleicht damit, dass nicht alle Autoren das Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft lesen bevor sie ihr Werk eindeutig kategorisierbar verfassen (und für Literaturwissenschaftler möglichst mundgerecht präsentieren)?

  • verzeih, festus, das will auch keiner, aber wer mir ein klassisches drama wie den faust als horrorliteratur verkaufen will, sollte seine argumente schon einigermassen stichhaltig vortragen und wissenschaftlich fundiert begründen können.

  • Waldlaeufer
    Schade, das Reallexikon habe ich nicht.


    Wenn ich Dich recht verstanden habe, kann aber der identische Text einmal Horror sein und einmal nicht, je nachdem, wann er entstanden ist.
    Je nach Sprachgebrauch (ich nehme an, damit ist so etwas gemeint wie das stilistische Niveau) kann er auch aus dem "Horrorbereich" herauswachsen.
    Ich frage mich allerdings schon, was er dann "wird".


    Das scheint mir schon arg theoretisch zu sein. Wenn mir jemand sagt: "Ich lese gern Horror", dann verbinde ich damit nicht ein stilistisches Niveau oder eine Entstehungszeit, sondern eine Vorliebe für bestimmte Motive - wie sie etwa im Faust zu finden sind.
    Gerade an diesem Thread wird das ja auch deutlich: Der Themenstarter liest gern Horror *und* er möchte anspruchsvolle Sachen lesen. Man scheint also beide Vorlieben zugleich haben zu können. Es würde mich wundern, wenn es nicht auch Bücher gäbe, die beides zugleich befriedigen können.


    Während ich das so schreibe, fällt mir noch ein weiterer Autor ein, der infrage käme: Kafka. Er ist dafür bekannt, bedrückende Stimmungen zu erzeugen (Horror, oder zumindest Horror-nah) und gilt sprachlich als ausgesprochen hochwertig.

  • Zitat

    Original von Festus


    Vielleicht damit, dass nicht alle Autoren das Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft lesen bevor sie ihr Werk eindeutig kategorisierbar verfassen (und für Literaturwissenschaftler möglichst mundgerecht präsentieren)?


    Der Autor bestimmt auch nicht das Genre.
    Es gibt einige, die durchaus bewusst mit Genre typischen Elementen spielen, sie weiterentwickeln.
    Aber Genres sind eben Einteilungen von Literaturwissenschaftlern.
    So what? Es geht hier ja auch um die nachträgliche Kategorisierung.


    Merkwürdig, dass betreffs der Biologen keiner so rummosert, wenn die den Rand des Schneckengehäuses in gelippt, gezahnt und wasweißich einteilen. :lache