Anita Shreve : Stille über dem Schnee

  • Originaltitel: Light on Snow


    Inhalt:


    »Der Schmerz meines Vaters ist, stelle ich mir vor, wie ein schwerer Mantel, der ihm manchmal das Atmen schwermacht.« – Zwei Jahre liegen die tragischen Ereignisse schon zurück, die Robert Dillon und seine zwölfjährige Tochter Nicky aus New York ins einsame New Hampshire verschlagen haben. Eines Abends jedoch, als sie im letzten Licht des Tages eine Schneewanderung machen, offenbart ein schrecklicher Fund die Zerbrechlichkeit ihres neuen Lebens: Vor ihnen im tiefen Schnee liegt ein Neugeborenes, in ein blutiges Handtuch gewickelt. Sie erreichen noch rechtzeitig die Intensivstation der örtlichen Klinik und können das Kind vor dem Erfrieren retten. Doch in den folgenden Tagen und Wochen muß Nicky Dinge erleben, die ihr Verständnis der Welt und der Erwachsenen, die sie bewohnen, für immer verändern. Und zum ersten Mal stellt sie sich entscheidende Fragen: Wieso hat ihr Vater sich an diesen einsamen Ort zurückgezogen? Und welche Mutter bringt es fertig, ihr Kind im Schnee zurückzulassen?



    Meine Meinung:


    Dieses Buch habe ich förmlich eingesogen: einmal angefangen, konnte ich es kaum aus der Hand legen! Shreve versteht es einmal mehr, die Emotionen und Abgründe ihrer Protagonisten so zu beschreiben, daß man das Gefühl hat, diese Personen zu kennen.
    Nicky und ihr Vater haben sich auf Initiative des Vaters hin in die Einsamkeit zurückgezogen, nachdem ein schwerer Unfall ihnen Frau/Mutter und kleine Tochter/Schwester genommen hat. Noch sind sie nicht daran zerbrochen, aber das Finden des Babys und alle Fragen, die damit verbunden sind, zeigt ihnen, daß sie sich zusammen auf sehr dünnem Eis bewegen. Nicky treibt durch ihr Verhalten den Vater dazu, sich endlich mehr zu öffnen, sich ihren Fragen zu stellen.
    Alles vorangetrieben durch die Tatsache, daß die Mutter des Babys plötzlich in ihrem Haus erscheint, um sich bei Robert zu bedanken. Ein Schneesturm zwingt sie zum Bleiben und während Robert sich hütet, auch nur ein Wort mit Charlotte zu wechseln, stellt sich Nicky bereits vor, wie es wäre, eine "richtige Familie" zu sein: Charlotte und ihr Baby, Nicky und ihr Vater...
    Doch die Realität macht Nickys Phantasie einen Strich durch die Rechnung, denn der Ortspolizist weiß, daß Charlotte sich bei ihnen aufhält und nimmt sie fest...


    Im Grunde genommen wechselt die Geschichte nur zwischen den 4 Hauptpersonen Nicky, Robert, Charlotte und dem Polizisten, andere Personen erscheinen, bleiben aber am Rande. Aber diese 4 Personen füllen mit ihren Emotionen und Ängsten diesen Roman, daß es einen wirklich packt!

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Hi Fritzi :wave


    Ich habe das Buch als TB im April verschlungen und kann Deine Bewertung zu 100% zustimmen :write
    Ich konnte die Kälte des Schnee's richtig fühlen.
    Danke für die tolle Rezi


    LG
    bonomania :wave

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
    _______________________________________________________
    :kuh:lesend


  • Das freut mich! :wave

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Ich habe das Buch gestern zu Ende gelesen und war wieder mal sehr begeistert von dem Roman von Anita Shreve.


    Man kommt schnell rein und fühlt direkt die Eiseskälte des verschneiten New Hampshires.


    Es ist ein leises, unaufgeregtes Buch, was aber tiefe Einblicke in die Gefühlswelten der handelnden Personen gewährt.


    Ich habe es auch immer nur sehr ungern aus der Hand gelegt.


    Im Grunde ist Fritzi's Rezension nichts hinzuzufügen. Ein tolles Buch!

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt


  • Prima, das hier doch noch Eulen dieses tolle Buch für sich entdecken! :-)

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Nach den guten Worten hier habe ich mir das Buch heute bestellt (allerdings im englischen Original). Ich "fürchte", das ist was für mich. Insofern erst mal danke für die Rezension. :wave Jetzt muß ich nur noch die Zeit zum Lesen finden...

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Bell
    Hallo,


    eine Frage, aus welcher Perspektive ist der Roman geschrieben? Es wird nicht ganz deutlich. Aus der der Tochter oder etwa wechselnd aus der Sicht aller Beteiligten?


    Gruß, Bell


    Also ich mußte direkt erstmal etwas nachdenken.


    Es wird aus der Perspektive der zwölfjährigen Tochter Nicky erzählt. Aber es ist jetzt nicht umbedingt in kindlicher Sprache verfasst und man bekommt auch sehr gut die Gedanken und Gefühle des Vaters und Charlotte's mit. Jedenfalls konnte ich mich gut in jede der Personen hineinversetzen.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Ich habe mir nach The Pilots Wife dieses Buch als Zweites von Anita Shreve herausgesucht, im Original, und bin nicht enttäuscht worden. Wie Fritzi schon schreibt, ein packendes Buch, dicht und trotzdem leicht.


    Gerade die Schilderungen der Tochter haben es mir angetan. Nach und nach entblättert sich eine erschütternde Familiengeschichte, die trotz ihrer Tragik von der Tochter eher sachlich geschildert wird. Man bemerkt, dass sie die Ereignisse entweder noch nicht verarbeitet hat oder bereits etwas mehr Abstand gewonnen hat als der Vater, der sich in seinen Schmerz vergräbt und das Thema konsequent umgeht. Die beiden sind sich trotzdem relativ nahe, nur bemerkt man, dass das Auseinanderdriften bereits beginnt. Was Nicky vor allem fehlt ist eine Ansprechpartnerin, eine Frau für all die Probleme, die Mädchen in ihrem Alter so haben und die noch kommen werden, die Pupertät wartet bereits. Und in Charlotte erkennt sie diese Frau, sie ist nur ein paar Jahre älter.


    Der zweite hochinteressante Punkt sind die Beweggründe und Umstände, die eine Frau dazu bringen, ihr Baby dem Tod preiszugeben. Leider darf ich das Ende nicht verraten.


    Diese beiden Stränge laufen parallel und sind beide faszinierend geschildert, innerlich wie äußerlich.


    Auch in diesem Buch schafft die Autorin es meiner Meinung nach wieder, am Ende einen Lichtblick zu kreieren, der den Leser nicht in Wut oder Traurigkeit versinken lässt, sondern Hoffnung oder gar Gewissheit auf eine bessere Zukunft gibt.


    Zitat

    Sigrid
    Es ist ein leises, unaufgeregtes Buch, was aber tiefe Einblicke in die Gefühlswelten der handelnden Personen gewährt.


    Den kann ich nur zustimmen. Shreve hat eine angenehme Art, die Leute in ihren innersten Welten zu schildern ohne in Kitsch oder Abstrusitäten abzugleiten.


    Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt weiter. Es ist packend, faszinierend und irgendwie wunderbar.


    PS.: Ich habe eine ABACUS-Ausgabe von 2004, die ein wunderbares Cover trägt.


  • Dem kann ich mich nur anschließen. Ein auf jeden Fall zu empfehlendes Buch.

  • :write und schwupps füllt es meine Wunschliste :-).

    LG Katja :wave


    "Die reinste Form des Wahnsinns ist es ,
    alles beim alten zu lassen .
    Und gleichzeitig zu hoffen , das sich etwas ändert."-Albert Einstein ."


    :lesend "FÜNF "- Ursula Poznanski

  • ....und schon liegt es auf meinem Nachttisch :-].

    LG Katja :wave


    "Die reinste Form des Wahnsinns ist es ,
    alles beim alten zu lassen .
    Und gleichzeitig zu hoffen , das sich etwas ändert."-Albert Einstein ."


    :lesend "FÜNF "- Ursula Poznanski

  • So, ich habe fertig :-). Bedingt durch meinen MD- Infekt habe ich das Buch an einem Tag verschlungen.


    Fritzi´s Rezi ist fast nichts mehr hinzu zufügen. Das Buch ist stimmig, und es passte gerade so gut, spielt es doch im Dezember und direkt zu Weihnachten :-]. Die Kälte und Einsamkeit ist förmlich zu spüren. Nicky ist mir sehr ans Herz gewachsen, wenn ich sie auch in manchen Momenten als zu abgeklärt, zu erwachsen und zu lieb ihrem Vater gegenüber fand.


    Eine Shreve wie ich sie liebe, einfach ein wunderschönes Buch!

    LG Katja :wave


    "Die reinste Form des Wahnsinns ist es ,
    alles beim alten zu lassen .
    Und gleichzeitig zu hoffen , das sich etwas ändert."-Albert Einstein ."


    :lesend "FÜNF "- Ursula Poznanski

  • Hi,
    das Buch „Stille über dem Schnee“ von Anita Shreve ist ein wunderbares Buch!
    Tatsächlich „…wie eine Tasse bittersüße Schokolade“!
    Es ist leicht, trotz der zwei schlimmen Schicksale, die in diesem Buch aufgeführt werden & einen krassen Gegensatz darstellen!
    Man kann von den drei Hauptpersonen direkt das Leid, den Kummer & die Sorgen spüren & nachvollziehen!
    Das Buch wird aus Sicht der 12 jährigen Nicky Dillon erzählt & während des Geschehens wird die Vergangenheit der Familie Dillon erläutert!
    Ich habe es regelrecht verschlungen! & es ist das Zweite Buch nach „Gewicht des Wassers“ von Anita Shreve,
    das ich gelesen habe & mir sehr gut gefallen hat!
    Ich kann es nur weiterempfehlen & bin auf weitere Bücher von ihr gespannt!
    (Olympia habe ich noch daheim zu lesen! :-) )


    Gruß Nadine

  • Wenn man ein Buch von Anita Shreve liest, muss man wissen, worauf man sich einlässt.
    Auch in diesem Buch geht es wieder etwas traurig und melancholisch zu.
    Die Eindringlichkeit, mit der die Autorin ihre Figuren zeichnet, kommt hier ganz besonders raus.
    Es passiert nicht wirklich viel in dem Roman und doch wird eine Spannung erzeugt, die fesselt.
    Am Ende bleibt der Leser etwas unbefriedigt zurück, aber auch das ist typisch für ihren Stil.
    Ein stilles Buch, was durch Eindringlichkeit und Liebe zum Detail besticht.
    8 Punkte.

  • Ich habe Anita Shreve erst vor ein paar Monaten entdeckt.
    Dieses ist mein zweites von ihr.
    Sie bescheibt wie Nickiy und ihr Vater ihre Familiengeschichte noch nicht verarbeitet haben.
    Dann finden sie im eisigen Wald ein ausgesetztes Baby.
    Anita Shreve hat einfühlsam beschrieben, wie Nicky sich wieder eine heile Familie wünscht
    Ich kann den Roman auch nur empfehlen!

  • Ich bin auch ein Fan von Anita Shreve. Das hat mit "Der weiße Klang der Wellen" angefangen und seitdem habe ich alles von ihr gelesen.
    Bei "Stille über dem Schnee" war ich ein wenig über den Schluß enttäuscht.