Kleiner Leitfaden durch die Welt der Buchveröffentlichung - der echten und der nur so genannten
Wenn man die ersten positiven Rückmeldungen für eigene Texte bekommen hat, ob die Texte nun "nur aus Spaß" verfaßt worden sind, oder durchaus in der Absicht, die eigene Befähigung als Autor zu prüfen, liegt der Gedanke nahe, den nächsten Schritt in Erwägung zu ziehen: Die Veröffentlichung.
Man gewinnt den Eindruck, daß inzwischen jeder Mensch, der irgendwann mal ein paar Zeilen zu Papier gebracht hat, früher oder später den Wunsch verspürt, Schriftsteller zu sein. Irgendwer hat mal gesagt: "Jede Aldi-Billig-PC-Aktion erzeugt 500 neue Autoren." Das ist nicht sooo weit von der Realität entfernt. Ist ja auch toll: Man wird bekannt, hat Presse, joggt von einer Fernsehshow zur nächsten, darf bei Raab im Wok fahren - und man verdient eine Heidenkohle. Mal eben ein Büchlein geschrieben, 300 Seiten, das müßte hinzukriegen sein, und danach hockt man nur noch im Lehnsessel vor dem Kamin, kontrolliert gelegentlich die Bestenlisten, und nimmt ab und zu einen Anruf der Bank entgegen, weil schon wieder eine weitere Null vor dem Komma steht und die Jungs nicht wissen, wohin mit der ganzen Schütte.
Die Realität ist leider ein bißchen anders.
Von den vielen tausend Autoren, deren Erstlinge veröffentlicht werden, landen nur einige wenige auf irgendeiner Bestsellerliste. Selbst die, die es schaffen, verdienen sich nicht notwendigerweise blöd dabei; Leute wie Stuckard-Barre oder Benjamin Lebert sind absolute Ausnahmen. Das Gros der auch bei großen Verlagen veröffentlichenden Autoren verdient an den Büchern weit weniger als ein ungelernter Bauarbeiter. Wenn es denn überhaupt so viel ist. Hartz IV ist wahrscheinlich näher dran, siehe unten.
Der übliche Weg, den ich nur kurz anreißen möchte, weil es mir um etwas Anderes geht, besteht darin, daß ein Autor sein Manuskript dem Verlag vorstellt, oder einer Literaturagentur. Wenn das Werk überhaupt zur Kenntnis genommen wird, was bei vielen Verlagen und Agenturen - ob des enormen Andrangs und weil einfach kein Bedarf an neuen Autoren besteht - tatsächlich NICHT der Fall ist, wird es geprüft und in 99,9 % der Fälle zusammen mit einer Formablehnung wieder zurückgeschickt. Das liegt dann in der Hauptsache daran, daß es erstens viel zu viele selbsternannte Autoren gibt und zweitens die meisten von denen einfach keine sind. Die Geschichten sind schlecht. Die eingangs genannte positive Resonanz stammte von Gutmenschen, Freunden, Forenkumpels oder Verwandten, und die haben keine Ahnung, sorry for that, und/oder trauen sich nicht, die Meinung zu sagen. Von veröffentlichungsfähigen, gewinnbringend (!) veröffentlichungsfähigen Manuskripten ist die überwiegende Anteil dieser Projekte Lichtjahre entfernt. Die 0,01 %, die es schaffen, einen großen Verlag oder eine angesehene Agentur von sich zu überzeugen, bekommen einen Verlagsvertrag, einen Vorschuß auf die erwarteten Tantiemen (Anteile aus dem Buchverkauf) und später Prozente, besagte Tantiemen, aus den tatsächlich erfolgenden Verkäufen, abzüglich des bereits geflossenen Vorschusses. Der Verlag leistet Lektoratsarbeit, verfeinert also in Zusammenarbeit mit dem Autor das Manuskript, es wird korrigiert, ausgestattet (Cover, Satz usw.), hergestellt, beworben, vertrieben (Vertreter reisen durch die Republik und überzeugen Buchhändler davon, es in das Sortiment zu nehmen), an die Presse geschickt, Lesungen werden organisiert. Für all das zahlt der Autor nichts, das Risiko übernimmt von A bis Z der Verlag, ganz im Gegenteil bekommt eben der Autor Geld. Übrigens auch dann, wenn das Werk floppt. Die Vorschüsse müssen i.d.R. nicht zurückgezahlt werden. Läßt sich der Autor von einer Agentur vertreten, so besteht der übliche Weg darin, daß die Agentur gemeinsam mit dem Autor an dem Projekt (weiter-)arbeitet und es dann den Verlagen anbietet. Wenn ein Verlagsvertrag abgeschlossen wird, und nur dann, bekommt die Agentur Prozente von den Tantiemen, irgendwas um die 15 %. Man nennt das "Erfolgshonorar". Auch hier zahlt der Autor nichts im voraus und beteiligt sich nicht am Risiko, er gibt nur von seinen Einkünften ab, und zwar dann, wenn sie tatsächlich fließen. Das sind, realistisch geschätzt, bei den meisten ein paar tausend Euro. Der überwiegende Anteil der selbst bei großen Verlagen veröffentlichten Bücher bleibt bei einer Auflage von einigen tausend Exemplaren und schafft es nie in die Bestsellerlisten. Man kann sich selbst ausrechnen, was ein Autor verdient, dessen Buch 5.000 Mal verkauft wird, zu einem Abnahmepreis von 10 Euro, wovon er 7 bis 10 % bekommt, nämlich Fensterkreuz mal Pi um die 3.500 bis 5.000 Euro. Dafür hat er ein, zwei Jahre am Manuskript gearbeitet. Viele, die allermeisten Bücher überschreiten die 10.000 verkauften Exemplare nicht. Solche Bücher sind nach wenigen Wochen wieder aus den Auslagen der Buchhandlungen verschwunden, und wenn der Autor Glück hat, probiert's der Verlag ein, zwei Jahre später nochmal mit ihm. Das ist der übliche Weg.
Und was ist mit den 99,99 verbleibenden Prozent?
Hemingway ist siebzigmillionen Male abgelehnt worden, sagen sie sich. J. K. Rowling wurde ebenfalls zunächst nicht beachtet, da gibt es sicher einige Lektoren, die sich heute noch grün und blau ärgern. Das stimmt zwar, aber wenn der Nachbar den Jackpot im Lotto abgeräumt hat, ist das auch kein verläßlicher Grund dafür, anzunehmen, daß man es in der nächsten Woche selbst schafft. Man sollte schon noch bis zur Ziehung warten, bevor man die Yacht bestellt.
Trotzdem gibt man die Hoffnung nicht auf. Warum auch? Die Verlage schreiben ja nicht "Sorry, aber Ihr Manuskript war die größte Scheiße, die ich je gelesen habe. Sie können nicht schreiben; probieren sie es doch mit häkeln." Sondern: "Ihr Werk paßt nicht in unser Programm, das ohnehin mit Hausautoren besetzt ist. Viel Glück noch mit Ihrem Buch." Meistens ist das Manuskript ohnehin nicht gelesen worden, und selbst wenn, wird ein Lektor den Teufel tun und es bewerten. Das hätte eine Rattenschwanz-Diskussion zur Folge, die endlos wäre, zudem fehlt für derlei die Zeit; es landen tonnenweise unverlangt eingesandter Manuskripte auf den Lektorenschreibtischen. Der Autor erfährt also auf diesem Weg nicht, daß er es nicht kann. Er versucht weiter, und dann stößt er früher oder später auf jene Unternehmungen, um die es mir hier eigentlich geht.
Eine große Branche ist entstanden, während der vergangenen Jahre, die sich nur um solche Leute "kümmert". Man erkennt sie an Slogans wie "Autoren gesucht", "Auch Sie können ein Buch schreiben!", "Werden Sie ein erfolgreicher Schriftsteller." Sie besteht aus mehreren Unternehmensarten. Es fängt klein an, bei sogenannten "Schreibakademien", die auf den Rückseiten der Yellow-Press-Magazine werben. Für ein paar hundert Euro pro Monat darf man Übungstexte einsenden, die von einem "Lektor" bewertet werden, üblicherweise begeistert, man will den Schüler ja nicht verlieren. Am Ende bekommt man ein Zertifikat, das nicht einmal die paar Milligramm Toner wert ist, die dafür verschwendet wurden, und das ist es dann auch schon. Viele dieser "Akademien" sind sogenannten "Verlagsgruppen" angeschlossen, die wohlklingende Namen haben, die sich erst auf den zweiten Blick als Mogelpackung erweisen. Meistens wird der Name eines berühmten Autors benutzt, weil man sich diese Rechte bei einem Erben, dreißig Generationen weiter, eingekauft hat. Oder bei jemanden, der nur zufällig auch "Heine" heißt. So, wie es viele Müllers gibt, von denen nur die wenigsten noch etwas mit der Mehlproduktion zu tun haben. Von dieser Verlagsgruppe schneit dann kurz nach oder sogar gemeinsam mit dem Zertifikat der Superakademie ein Angebot ins Haus. Man ist aufmerksam geworden. Wenig später sitzt der Akademieabsolvent mit einem Verlagsvertrag da, der keiner ist. Denn das Unternehmen verdient nicht, wie richtige Verlage, mit den Buchverkäufen an die Leser (bzw. die Buchhandlungen), sondern daran, daß die Autoren ihre Bücher selbst kaufen. Hier fallen im Verlagsvertrag Begriffe wie "Risikobeteiligung", dafür ist von einem Vorschuß keine Rede, und natürlich auch nicht von einer gedruckten Auflage. Der Autor wird zur Kasse gebeten, nicht selten fünfstellig, um sich mit dem Verlag das Risiko der Buchveröffentlichung zu "teilen". Geteilt wird nichts, der Autor zahlt alleine, meistens für eine sehr niedrige Auflage, wenige hundert Exemplare, der Verlag streicht ein Vielfaches der Herstellungskosten ein. Im Anschluß geschieht überhaupt nichts. Es gibt keine Presse, keine Werbung, das ohnehin nicht sehr hübsche und nur nachlässig lektorierte Buch ist in keiner Buchhandlung zu bekommen, höchstens auf Bestellung; es wird per Digital-Direktdruck hergestellt, was den "Verlag" selbst manchmal weniger als 1.000 Euro für zweihundert Exemplare kostet. Sechs Monate später bietet der Verlag dem Autor an, die "nicht verkaufte Restauflage" selbst abzunehmen, wofür er dann nochmal ein paar tausend Euro auf den Tisch legt, und am Ende ist er arm, meistens nicht einmal um eine Erfahrung reicher. Denn er glaubt ja immer noch, Schriftsteller zu sein, vielleicht mehr denn je. Schließlich nimmt er einen Kredit auf und finanziert das zweite, dritte, zehnte Buch. Diese Variante nennt man "Druckkostenzuschußverlag". Wie gesagt, es handelt sich dabei nicht um Verlage im Wortsinn. Aber dieser Begriff ist nicht geschützt; jeder Unternehmer darf seine Firma "Verlag" nennen, wenn er will. Merke: Die ISBN auf der Buchrückseite hat überhaupt nichts zu bedeuten. Jedermann kann sich ISBNs im Zehnerpack für ein paar Euro kaufen.
Hiervon gibt es einige Varianten, auch abgeschwächte. Letztlich läuft es immer darauf hinaus, daß der Autor das Buch selbst finanziert, daß es keine der üblichen Verlagsleistungen - Lektorat, Presse, Vertrieb - gibt, und daß kein Mensch auf diesem Planeten, von der Verwandtschaft abgesehen, das Buch lesen will (die Verwandtschaft MUSS); diese "Verlage" sind in keiner Buchhandlung präsent, die Bücher liegen, wenn sie überhaupt gelistet werden, bei Amazon auf Verkaufsrängen um die 1.000.000 und haben den Vermerk "Lieferbar in drei bis sechs Wochen". Diese Form des Geschäfts mit der Eitelkeit ist die am weitesten verbreitete. Einige dieser Unternehmungen nutzen BoD (Book on demand) oder PoD (Publishing on demand), was jeder Autor mit dem selben Ergebnis auch alleine machen kann; sie stellen die Bücher also nicht einmal selbst her bzw. lassen sie drucken (nur wenige große Verlage haben angeschlossene Druckereien).
Aber es gibt auch originelle Abarten. Es werden zum Beispiel Literaturwettbewerbe ausgeschrieben, bei denen als Preis die Veröffentlichung in einer Anthologie (Kurzgeschichtensammlung) winkt. Es gewinnen sehr viele Leute, und alle zahlen dann 50 Euro pro Druckseite "Risikobeitrag", wovon natürlich vorher keine Rede ist, aber in der Euphorie des Wettbewerbssieges latzt man das gerne mal ab. Belegexemplare muß man extra zahlen, und mehr als die Belegexemplare wird auch niemals gedruckt. Oder es werden "Lyrische Jahresbände" unter wohlklingenden Namen veröffentlicht, Schwarten mit vielen tausend Seiten, in denen zehntausend Gedichte erscheinen, einfach alle, die eingesandt worden sind, und jeder beteiligte Autor darf für einen Vorzugspreis bis zu 4 Exemplare abnehmen, zum Beispiel für hundert Euro pro Stück (das ist kein Scherz!). Man kann sich leicht ausrechnen, wieviel der Verlag daran verdient, und von den zehntausend beteiligten Autoren abgesehen kauft kein Mensch diesen "Jahresband" (ich darf den richtigen Namen hier nicht nennen, weil die zugehörige "Verlagsgruppe" extrem prozeßfreudig ist).
Auch einige sogenannte "Literaturagenturen" haben diesen Markt entdeckt. Wie das Geschäft normalerweise funktioniert, habe ich eingangs skizziert. Wobei ich anmerken muß, daß es durchaus seriöse Agenturen gibt, die ein Einstiegshonorar oder eine Bearbeitungsgebühr verlangen. Wer die Wahl hat, sollte sich an eine Agentur wenden, die ausschließlich auf Erfolgsbasis arbeitet.
Einige Agenturen lassen sich die "Begutachtung" der Manuskripte bezahlen, oder/und ein anschließendes "Vorlektorat", und dann zu einem gesalzenen Seitenpreis. Einen Vertretungsvertrag oder gar einen Verlagsvertrag hat man damit zwar noch nicht in der Tasche, dafür aber ein Loch. Lektorat ist üblicherweise eine kostenlose Leistung des Verlags, und selbst wenn das Manuskript in der Rohfassung noch nicht marktfähig ist, wird eine auf Erfolgsbasis arbeitende Agentur gemeinsam mit dem vertretenen Autor versuchen, es KOSTENLOS zu verbessern, schließlich ist man ja aus irgendeinem Grund von diesem Projekt überzeugt. Man verdient das Geld später, wenn der Verlagsvertrag vorliegt. Den gibt es in solchen Fällen meistens nicht. Denn es geht hier, wie bei Druckkostenzuschußverlagen, ausschließlich daran, am vermeintlichen Autor Geld zu verdienen. Buchverkäufe hat hier niemand im Sinn.
Undsoweiter. Die Branche wächst und gedeiht, weil der Nachwuchs an selbsternannten Autoren von Tag zu Tag größer wird. Es gibt Lektoratsservices, die keine sind, nur teuer, es gibt Internetportale, auf denen man für ein paar Euro pro Monat - abgeschlossen werden 10-Jahres-Verträge - sein Manuskript "interessierten Verlagen" anbieten kann; welche "Verlage" es sind, die sich daraufhin melden, könnt Ihr Euch selbst denken. Kein "richtiger" Verlag schickt seine Headhunter (die es auch überhaupt nicht gibt) im Internet auf die Suche nach brauchbaren Manuskripten. Wozu auch? Sie ersticken in Manuskripten.
Was ich damit sagen will und warum ich das schreibe? Nunwohl, die Herrschaften sind sehr umtriebig und ständig auf der Suche nach neuen Kunden. Sie haben inzwischen entdeckt, daß es Foren wie die "Büchereule" und ähnliche gibt, wo sich auch Hobbyschreiber wohlfühlen. Flugshurtig ist ein lustiger Nick vergeben, und irgendwer, der einfach nur "Erfahrungen austauschen" oder "auf ein tolles Angebot, daß er selbst entdeckt hat, aufmerksam machen" will, postet einen Link. Und schon ist man gelinkt. Seid vorsichtig. Lest die Angebote genau; alleine die Tatsache, daß etwas angeboten WIRD, sollte Euch stutzig machen. Die großen Verlage haben es nicht nötig, auf Autorenfang zu gehen. Es sind die Bauernfänger, die derlei tun. Jene, die an der Eitelkeit, an der falschen Selbsteinschätzung, an der Realitätsferne der Menschen verdienen. Und daran, daß viele einfach nicht wissen, wie es "richtig" wäre. Deshalb meine Erläuterungen am Anfang.
Ich will hier niemanden davon abhalten, zu schreiben. Darum geht es in diesem Posting ganz sicher nicht.
(Und ich bitte um Vergebung dafür, daß ich hier viel erläutert wurde, das in anderen Threads schon Thema war; ich dachte, es wäre an der Zeit, die ganze Sache mal auf den Punkt zu bringen.)