C. J. Cherryh/Tripoint

  • Tatsächlich, nicht eine einzige Cherryh-Rezension hier! Wirklich eine Schande. Allerdings ist es höllisch schwer, diese Bücher aus dem Gedächtnis zu rezensieren. Bei dem hier sollte es gehen, weil ich es erst vor kurzem recht intensiv durchgeblättert habe.


    "Tripoint" gehört zu den sog. "Merchanter"-Romanen, die sich vor allem mit den Familienschiffen nach den "Company"-Kriegen beschäftigen. Es ist allerdings, so wie die meisten dieser Romane, in sich abgeschlossen.


    Inhalt:
    Thomas Bowe lebt und dient auf der Sprite, dem Schiff seiner Familie. Doch ist er dort ein Außenseiter, da er das unerwünschte Produkt der Vergewaltigung seiner Mutter ist. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen dockt die Sprite eines Tages an derselben Station an, wie die Corinthian, das Schiff von Captain Austin Bowe, dem Übeltäter. Beim Versuch, seine Mutter Marie daran zu hindern, Dummheiten zu machen, gerät Tom selbst in die Hände der Crew der Corinthian und wird gegen seinen Willen an Bord verschleppt. Die Corinthian ist kein Familienschiff und steht im Ruf, mit den sog. Mazianni, der in Piraterie abgedrifteten abtrünnigen Flotte in Verbindung zu stehen.
    Er wird hier nicht nur mit seinem verhaßten Erzeuger Austin konfrontiert, sondern auch mit Christian, seinem Halbbruder und vor allem zwei Frauen, die bleibenden Eindruck hinterlassen, der exzentrischen Capella, Navigatorin und Gefährtin Christians, die ein gefährliches Interesse an ihm hat und Sabrina, die ihm noch weit gefährlicher werden könnte. Als Christian beschließt, den unerwünschten Halbbruder loszuwerden, tritt er damit eine fatale Kette von Ereignissen los.


    Autorin:
    Caroline Janice Cherry(h), geboren 1942 in St. Louis, Missouri, hat seit den 1970ern mehr als 50 Science Fiction- und Fantasy-Romane und –Erzählungen geschrieben, darunter auch drei Hugo-Award-Gewinner.
    siehe hier:
    Cherryh bei Wikipedia.de


    Meinung:
    Meine allererste Cherryh und immer noch mein Lieblingsbuch von ihr. Wenn man die Inhaltsangabe liest, ahnt man gleich, wo das hinlaufen wird: Böser Austin, böser Christian und eventuell wird der gute Tom mit Hilfe einer der beiden Damen es schaffen, sich von diesem Höllenschiff, idealerweise in der Mitte eines Konflikts mit Piratenschiffen (so die Corinthian nicht ohnehin selbst eines ist!) retten zu können. Falsch gedacht.


    Bei Cherryh ist nichts so, wie es scheint. Selbst Austin Bowe ist alles andere als der Schweinehund, den man eigentlich erwartet und die Geschichte von Toms Zeugung klingt bei ihm naturgemäß anders als bei Marie Hawkins. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
    Und was Christian und seinen Versuch, Tom loszuwerden betrifft ...


    In erster Linie ist dies eine Geschichte über Söhne und einen Vater, der niemals Vater sein wollte. Nun hat er mit Christian einen, der im Bemühen, seine Anerkennung zu gewinnen, einen Bock nach dem anderen schießt. Und dann taucht auf einmal Tom auf, der sich so gar nicht von Austin einschüchtern läßt, was wiederum für Christian ein Problem ist, der sich Sorgen um seine Zukunft auf der Corinthian macht, speziell als sowohl seine Freundin, als auch seine Cousine und Quasi-Ziehmutter ein Auge auf den unwillkommenen und unfreiwilligen Eindringling werfen. Es entstehen dadurch eine Reihe von interessanten Konflikten.


    Bei Cherryh stehen immer die Charaktere und die Beziehungen im Mittelpunkt, weshalb ich sie wohl auch so leidenschaftlich gerne lese. Allerdings bleibt die Action auch nicht zu kurz. Das Ende ist ausgesprochen nervenzerfetzend.
    Von allen Figuren dieses Buches war es vor allem Christian, der es mir schwerstens angetan hat. Der erste einer immer weiter wachsenden Reihe von Cherryh-Charakteren, denen das gelungen ist.
    Aber auch die anderen können sich sehen lassen, speziell Capella. Cherryh hat die wunderbare Gabe, auch Frauenfiguren zu erschaffen, die ich großartig finde, obwohl ich mit denen sonst oft Probleme habe.
    Schön ist zB auch die Entwicklung, die mit Marie in der Zwischenzeit auf der Sprite vor sich geht.


    Das Motiv der Familienschiffe, die im Besitz eines Familienclans sind und fast ausschließlich von Familienmitgliedern betrieben werden, und wo die Frauen für Nachwuchs sorgen und Onkel weit wichtiger sind als Väter, ist hochinteressant und wurde, wie ich vermute, von Heinleins "Citizen of the galaxy" übernommen und weiterentwickelt. Wobei es hier nicht so deutlich im Mittelpunkt steht wie in anderen Romanen, speziell "Finity's end/Pells Stern".


    Interessant ist diese Geschichte auch dann, wenn man mehrere der Bücher dieser Reihe gelesen hat, da dieses bislang das einzige ist, wo man auch mal eine andere vage Sicht auf die berüchtigten Mazianni bekommt, da die Corinthian bislang das einzige Cherryh-Schiff ist, das mit ihnen zusammenarbeitet. Und ist sie ein böses Schiff oder doch nicht?
    Ich denke, das Ende spricht für sich.


    Vorkenntnisse sind nicht Grundbedingung. Klar gibt es günstigere Lesereihenfolgen, aber da es in sich abgeschlossen ist, kann man dieses Buch durchaus auch ohne Kenntnis anderer Cherryh-Romane verstehen und genießen. Mir ging es auf jeden Fall so, da dies zwar eben nur das erste einer in der Zwischenzeit stark angewachsenen Menge an gelesenen und genossenen Cherryh-Romanen ist, aber nichtsdestotrotz eben immer noch mein Liebling.


    Leider, wie so viele Cherryhs, in beiden Sprachen out of print.

  • In den 80ern hab ich auch eine Reihe von ihr gelesen, nicht schlecht!
    (obwohl ich da noch sehr wählerisch in Punkto SF und Fantasy war! :knuddel1

    Gruss Hoffis :taenzchen
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    :lesend Der fünfte Tag - Jake Woodhouse
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  • Cherryh gehört immer noch zu meinen Lieblingsautoren, was Fantasy und SF angeht. Im Zyklus "Die Sterbenden Sonnen" verknüpft sie beide Genres wunderbar miteinander.


    Zum Inhalt: Die Mri sind gefürchtete Söldner und nach dem Ende der Kriege zwischen den Menschen und den Regul eigentlich obsolet. Da man sie fürchtet, wäre man sie gern losgeworden, und macht deshalb auch auf die letzten beiden Überlebenden Jagd.


    Eigentlich thematisieren die Romane das Aufeinandertreffen zweier einander völlig fremder Kulturen. Auf der einen Seite steht Sten Duncan, der als militärischer Spezialist einer High-Tec-Welt entstammt; auf der anderen die Mri, die ein bisschen an die Tuareg erinnern - mit einer völlig fremden Gesellschaftsordnung, einer Kriegerkaste mit Ehrenkodex, alten Überlieferungen usw. Für Duncan völlig unbegreiflich, lehnt der Mri Niun beispielsweise das Lesen ab, weil es nicht zum Wissen seiner Kaste gehört.


    Cherryh hat sich unter anderem mit Archäologie und Mythologie beschäftigt, und das merkt man ihren Büchern an.


    Viele Grüße!


    Heide

  • Ich habe das Buch eben zum zweiten Mal beendet und bin immer noch schwer begeistert. Macht gleich nochmal so viel Spaß, wenn man sich ein bißchen besser auskennt. So kann ich nun ergänzen, daß man nicht nur einen anderen Blick auf die Flotte bzw. Mazianni bekommt, sondern auch, daß man einiges mehr über sie erfährt und warum die Begriffe doch nicht austauschbar sind.
    Was ich beim ersten Mal auch übersehen habe, sind die Mütter. Es geht nicht nur um einen unfreiwilligen Vater und seine zwei verkorksten Söhne, sondern auch um die Mütter, die diese Söhne aus den falschen Gründen bekommen haben, was nicht zuletzt dazu beigetragen hat, daß sie verkorkst sind und warum Tom irgendwann merkt, daß er und Christian vielleicht doch eine ganze Menge gemeinsam haben.
    Damals wußte ich noch nicht, daß es ein Vergnügen für mich ist, Cherryhs Frauenfiguren die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen, wie ihren Männern.


    Im Prinzip ist das Ende ein ganz fieser Cliffhanger, wo wir nun schon seit vielen Jahren hängen. Wenn ich mir ein Buch von Cherryh wünsche, dann eine Fortsetzung zu diesem hier.

  • Auch Tripoint konnte ich in Lesegemeinschaft mit Grisel kennen und lieben lernen. Und mit ihrer Rezension und ihrem Nachtrag ist eigentlich schon alles gesagt. Absolute Empfehlung dieses Buch.


    Tripoint ist wahnsinnig packend geschrieben, Charaktere zum anfassen und hineinversetzen. Von der Story und den Charakteren her hätte es natürlich in jedes Setting gepasst, aber in diese Post Company War Atmosphäre war es perfekt eingebettet.