Fragen an Viola Alvarez

  • Keine Sorge, das Schreiben kann ich gar nicht lassen.
    Es wird also immer weitergehen, und ich freue mich, wenn sich ein paar von Euch mit mir zusammen darüber freuen.
    Der erste Band der Trilogie erscheint vermutlich im Sommer 2008, aber wie gesagt, ich melde mich vorher hier.


    Viola

  • Viola, du setzt immer wieder geschickte und raffinierte Erzähltechniken in deinen Romanen ein. Schon in Das Herz des Königs fiel mir das auf.


    Magst du ein wenig darüber berichten?


    Wie hast du dir diese Schreibtechniken angeeignet?
    Hast du lange an den Romanen gefeilt und den Plot so immer geheimnisvoller und verschachtelter gestaltet?
    Oder ist das halt deine Schreibweise, die du von Anfang an gewählt hast?

  • Hallo Viola


    Was mich dringend interessieren würde:

    Wie lange hast Du an diesem Werk bis zur Fertigstellung gearbeitet ein-
    schließlich Recherchen und Vorbereitungen???


    Woher nimmst Du die "Inspirationen und diesen eigenwilligen "Schreibstil ???


    Liebe Grüße

    "teufelchen

  • Liebe Friderike,


    eine wirkliche "Lesereise" ist nicht geplant. ich habe im letzten Jahr in verschiedenen Städten gelesen und habe auch für dieses Jahr einige Termine ausstehen. Informationen kann man jeweils für einen Monat im Voraus auf der homepage des Verlags finden ( www.luebbe.de).


    Und der Titel ist ein Zitat aus der ersten Erinnerung, ich lege die Titel aber nie allein fest, sondern in Abstimmung mit dem Verlag, bzw. meiner Lektorin.


    Viola

  • Liebe Teufelchen,


    an den "Nebeln" habe ich ca 8 Monate geschrieben, das ist auch so mein Durchschnitt, inkl. recherche, wobei mich oft auch erst das Schreiben selbst auf Recherchefragen bringt, so dass es ein begleitender Prozess ist.


    Was die Inspiration angeht, habe ich einfach Glück. Es würde mir nicht einfallen, dass mir nichts einfällt.


    Und was den "Stil" angeht, ich schreibe, wie ich denke und meistens auch spreche, wie mir die Zeit und die Gefühle der Figuren fast "diktieren".
    Ich wünsche mir natürlich, mich sowohl genau, als auch emotional tragend auszudrücken, keins auf Kosten des Anderen.


    Genauer kann ich das leider nicht beantworten.


    Viola

  • Meine Schreibtechniken sind sicher durch meinen Hintergrund am Theater geprägt. Ich schreibe immer eher dramaturgisch und denke eher an einen Zuschauer als an einen Leser.


    Ich fühle mich auch als Autorin oft eher als Zuschauerin und protokolliere quasi nur, was ich vor meinem Inneren Auge sehe.
    Ich stelle eine Szene und sage dann: "Bitte!"
    der rest funktioniert von allein, und manchmal mit sehr komischen Ergebnissen: wie zum Beispiel bei Siegfried und dem Wandbehang.


    Und die Schreibweise mit Einschüben oder Gegenreden ist eigentlich immer von Anfang an so, wie Ihr sie auch lest. Natürlich überarbeite ich die Romane und komme dabei dann retrospektiv auf meiner Ansicht nach bessere oder spannendere Lösungen, aber eigentlich schreibe ich immer gerade aus.


    Ich hoffe, das beantwortet die Frage,


    Viola

  • Ziemlich interessant! Ich hatte schon öfter den Eindruck, dass der Schreibstil sehr visuelle Ergebnisse liefert.


    Hast du schon Theateraufführungen von den Nibelungen gesehen?
    Bist du noch manchmal am Theater tätig und könntest du dir vorstellen, irgendwann an einer Theateraufführung zu den Nibelungen mitzuwirken?

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Ziemlich interessant! Ich hatte schon öfter den Eindruck, dass der Schreibstil sehr visuelle Ergebnisse liefert.


    :write
    So geht es mir beim Lesen auch, u.a. auch bei der erwähnten Szene mit dem Wandbehang und als Siegfried dann heulend an Krimhilds Rockzipfel hängt, da steigen sofort Bilder in mir auf, ganze Filmfetzen. Ganz große Klasse! *schaut jetzt gleich mal ob iiirgendwann eine Lesung im Großraum Nürnberg geplant ist*

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

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  • Da ja ab morgen eine neue Leserunde beginnt, möchte ich heute - auch wenn noch viele mittendrin sind - einige abschließende Bemerkungen aufschreiben.


    1. Der Erzähler
    Ich habe bewusst einen Ich-Erzähler gewählt, weil er subjektiv sein darf und weil er einen Veränderungsprozeß durchmachen muss, während er erzählt. Bryndt erwähnt ja mehrfach, seit zwei Jahren nicht gesprochen zu haben. Diese elektive Stummheit ist das Ergebnis vieler traumatischer Ereignisse seines Lebens. Jetzt, als er zumindest innerlich wieder redet, verändert sich seine Sichtweise: Von Haß und Schwarz-Weiß zu Verständnis.
    Er löst sich davon, der Sohn einer Tragödie zu sein und nimmt sein Leben an, wie es ist. Er wird erwachsen. Deswegen kann er am Ende loslassen und annehmen, was auch immer kommt.


    2. Brynhild


    Brynhild ist eine Frau, die nicht verwirklicht, wozu sie Anlagen hat. Zu keiner Zeit, weder am Anfang ihres Lebens noch am Ende. Ihr "Nein" ist ein nein zu sich selbst, auch wenn sie das nicht erkennen könnte. Nur durch Hagen wird diese Verhinderung kurzfristig unter- und aufgebrochen.
    Brynhilds Verhängnis ist ein Konjunktiv - sie hätte alles sein können...


    3. Siegfried


    Siegfried ist kein ekelhafter Angeber, Siegfried bleibt sich selbst entfremdet, weil er nach Mime auf keine Grenzen mehr stößt. Er verliert sich - außerhalb seiner zwanghaft gesuchten Zerstreuungen - in sich selbst.
    Unrecht, das er begeht berührt ihn ebenso wenig wie die Chance auf gutes. Nur in direkter Reaktion spürt er sich. Auch wenn er auftritt, wie das Leben selber - eigentlich existiert er gar nicht.


    4. Hagen


    ...ach, Hagen! Hagen ist kein Finsterling, Hagen erliegt den negativen Strömungen seines Familienthemas. Seine enorme Selbstkontrolle, die ihn auch emotional versteinert hat, hat ihn lange überleben lassen. Als dann diese Selbstkontrolle durch Brynhild aufgebrochen wird, beginnt auch sein Weg aufs Ende zu. Er glaubt nicht, etwas so Schönes verdienen zu können.
    Und all das Gute, was er wollte, konnte auch aus diesem Grund keine Wirklichkeit werden, denn der der zuinnerst an Hagen zweifelt - ist Hagen.


    5. Der arme Gunther


    Gunther will es allen Recht machen. Er geht mit Gernoth jagen, obwohl er Angst vorm Reiten hat, er macht, was Hagen ihm sagt, wann hagen es ihm sagt und wie. Seine Sicht auf Frauen, Untertanen usw. machen ihn nicht zu einem Bösewicht, sondern zu einem Mann seiner Zeit ( so weit wir das überhaupt nachempfinden können). Und Gunther liebt: Hagen, Gernoth, Rikchen. Das Gunther nie aufgewacht ist zu dem, was Menschsein sonst noch bedeuten kann, macht ihn doch eher wieder - normal?


    6. Anachronismen und anderes Übel


    Ich stehe geläutert gegenüber all dem, was Atlanten, Bücher, Experten sagen. Ich habe versucht, so genau wie möglich zu erzählen.
    Aber wenn ich zwischen Gelerhsamkeit und Dramaturgie zu wählen habe, dann soll mich der Teufel holen - Dramaturgie gewinnt.
    Auch bei der Sprache.
    Mir ist schon klar, dass Svenke wahrscheinlich nicht wirklich: "Red nicht so mit Deiner Mutter", gesagt hätte. Aber er hätte sich in einer alltagsgemäßen Umgangsprache ausgedrückt. Und die versuche ich umzusetzen.


    7. Die "message"
    Ich habe kein Sendungsbewusstsein, daher keine Message.
    Ich bediene mich aber gerne bei einem lang verstorbenen Landsmann, Christian Dietrich Grabbe, der eines seiner Stücke folgendermassen ankündigte:
    "Findet der Leser nicht, dass diesem Stück eine tiefere Weltanschauung zugrunde liegt, verdient es keinen Beifall."


    So geht es auch den "Nebeln des Morgens".


    Ich bedanke mich ganz herzlich für Euer freundliches Interesse und werde auch in den nächsten Wochen noch hin und wieder hereinschauen, um nachziehende Fragen zu beantworten.
    Es war mir ein großes Vergnügen.


    Herzlich,


    Viola

  • Hallo Viola,


    vielen Dank für die Zusammenfassung. Bei einigen Personen wirft Deine Darstellung noch einmal ein anderes Licht auf meine bisherige Einschätzung.


    Wir hatten in einem Thread die Frage, woher Bryndt die genauen Kenntnisse über die Geschichte und die Protagonisten hat. Ich meine mich zu erinnern, dass Du schriebst, dass es sich am Ende aufklärt. Nun habe ich diese Aufklärung vermisst. Wieso kann Bryndt z. B. auch die inneren Befindlichkeiten von Krimhild schildern, die ihm seine Mutter nicht erzählt haben kann.


    Magst Du dazu vielleicht noch ein wenig schreiben?


    Viele Grüße,


    Friderike :wave

  • Zitat

    Original von Friderike
    Hallo Viola,


    vielen Dank für die Zusammenfassung. Bei einigen Personen wirft Deine Darstellung noch einmal ein anderes Licht auf meine bisherige Einschätzung.


    Finde ich auch, eine echte Bereicherung und der Anlass, noch einmal den subjektiven Blickwinkel zu erweitern bzw. zu wechseln, danke! :-]

  • Entschuldigung, dass ich darauf nicht weiter eingegangen bin.
    Bryndt hat sein Wissen aus eigenen und fremden Erinnerungen und einer hochentwickelten empathischen Kombinationsgabe ( der "Wind" erzählt ihm, alles, was er nicht selbst wissen kann).
    Es steht zu vermuten, dass er sein Leben lang von dieser Geschichte besessen war und überall nach ihr befragt wurde, so dass er alles gesammelt hat, was es gab, ohne sich selbst deswegen daraus befreien zu können.
    Es ist eine Mischung aus Wissen und Projektion, Erinnerung und Dichtung. Bryndt kennt natürlich weder Gibich noch Ylva etc. aber er kennt Menschen.
    Er ist seit jeher, wie er sagt, ein außergewöhnlicher Beobachter gewesen ("ich kann alle nachmachen").
    Und er kann aufgrund seines Vorwissens sehr gut Legende von Wirklichkeit trennen und daraus eigene Schlüsse ziehen: An der Lüge erkennt man die Wahrheit...


    Viola