'Die Nebel des Morgens' - Seiten 097 - 202

  • Als ich anfing zu schreiben ( ganz zu Anfang meines ersten Romans), war es mir ehrlich gesagt überhaupt nicht bewusst, wie ernst solche Genrefragen außerhalb der Literaturwissenschaft genommen werden.


    Ich bin nie wirklich davon ausgegangen, Autorin "historischer" Romane zu werden. Sondern ich wollte über Themen schreiben, die mich interessierten.
    Ich finde archetypische MYthologie existiert losgelöst von Epochen oder Jahrhunderten. Menschliche Wahrhheiten haben meist eine eigene Zeitebene, das finde ich faszinierend.


    Von daher, wenn jemand sagt, dass meine Bücher keine "echten" historischen Romane sind, hat er/sie sicher Recht.
    Meinethalben könnte nur Roman draufstehen und ich wäre deswegen nicht unglücklich.


    Viola

  • So diesen Teil habe ich nun auch fertig.


    Von Kapitel zu Kapitel wird man immer tiefer in die Geschichte gezogen. Mir macht es sehr viel Freude das Buch zu lesen. :-]


    Gunther verlässt sich sehr auf Hagen. Gernoth ist mir nicht so sympatisch, bei ihm weis ich nicht so recht, woran man bei ihm ist.


    Siegfried steht auf Ruhm, dass merkt man total. Schade das Mimes umgebracht worden ist, er hätte aus Siegfried bestimmt noch viel mehr machen können.

  • Zitat

    Original von Grisel
    Stimmt, die Herangehensweise ist ähnlich, der strahlende Held, der trotzdem, wie Siegfried immer mindestens einen dunklen Fleck hat (der Ehebruch), wird komplett demontiert. Wie mich das bei Cornwell gefreut hat, da ich Lancelot noch nie leiden konnte. :-]
    Und natürlich die Selbstverliebtheit. Das meintest Du, oder?


    Die Selbstverliebtheit, das Erzählen von Heldentaten, die er überhaupt nicht geleistet hat, daß er zwar schön, aber eher eine lächerliche Figur ist, etc.

  • Vielleicht sollten wir mal diskutieren, was das Wort Held bedeutet.
    Wir reden von Helden des Augenblicks, Helden des Alltags, helden der Zivilcourage usw. Aber egal wie oft der Begriff relativiert wird, lauert nicht in der Vorstellung doch immer der Held als Wagner-Tenor?
    Groß, männlich, entschlossen, kampfesmutig mit einer leisen Wunde im herzen, die nur von der dazu passenden Heldenbraut geheilt werden kann??


    Ketzerei?


    Viola

  • Viola
    Nene, ich finde so Unrecht hast Du da gar nicht. Es stimmt schon, wenn ich das Wort "Held" einfach so höre kommt mir auch typischerweise erstmal Siegfried in den Sinn (so wie er eben "klassisch" gesehen wird, das hat übrigens nichts mit dem Buch zu tun, es ist einfach so, Siegfried ist der "Archetyp" des Helden): Groß, blond, breit gebaut, guter Kämpfer, etc. pp.


    Aber genau deshalb ist "Held" meiner Meinung nach auch ein sehr klischeehafter Begriff und wirkt gar nicht mehr sooo positiv (persönliche Ansicht). Zumindest wenn es so einzeln dasteht. Ein "Held des Alltags" ist dann schon wieder etwas anderes, aber nur der reine Begriff "Held" ist einfach schon viel zu oft für irgendetwas verwendet worden, dass dem oben genannten Bild entspricht um es aus meinem Kopf wieder rauszukriegen. Es ist wirklich erstaunlich, was so ein Zusatz ausmachen kann. Bei einem "tragischen Helden" kommt mit dann auf jeden Fall nicht Siegfried in den Sinn, obwohl er ja durchaus ein tragisches Schicksal hatte. :gruebel Hmmm, seltsam. Aber es ist so. Vermutlich wird man von Kindheit an mit gewissen Stereotypen gefüttert (durch Märchen zum Beispiel, Prinz = Held) die sich dann einfach festsetzen. Gerade deshalb machen dann aber auch Filme wie z.B. Shrek so besonders Spaß, weil sie diese Stereotypen so herrlich karikieren (Prince Charming :rofl).

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Das Problem ist, dass Helden in der Rückschau entstehen.


    Die wenigsten Helden ziehen aus um eine Heldentat zu begehen, die meisten möchten nur überleben (z.B. Kriegshelden), ihre Pflicht tun (Firefighter in NY an 9-11) , oder ähnliches. Wir, die wir Ereignisse in der Rückschau betrachten machen dann meist dem zum Helden, der etwas getan hat, das wir uns nicht zutrauen. Also "mit dem Drachen gekämpft hat" und der Drache ist dabei in der Regel das Synonym für die eigene Urangst - also z.B. ins Feuer zu rennen um Leben zu retten, nach einem Erdbeben mit der Hand Verschüttete auszubuddeln sich einer Stampede in den Weg stellen um Kinder zu retten, etc.


    Nur Helden wollen wir zu Denkmälern machen, damit muß dann das ganze Leben "heldenmäßig" sein, ein Held kann der SS- Offizier, der 300 Juden vor dem Tod gerettet hat, weil er 1945 eine Tür aufgeschlossen hat nicht mehr sein oder werden, zu viel Dreck am Stecken- und Ulrich Mühes Stasi Mitarbeiter ist am Schluß des Film eine tragische Figur- wird aber dadurch- trotz seines heldenhaften Handelns nichtzum Held.


    Bei Siegfried hat aber der Mantel des Vergessens das reale Leben überdeckt und nur die (eingebildeten oder echten) Heldentaten "überdauert". Das ist einer der Gründe, warum dieses Buch so faszinierend ist, es gibt uns einen, wenn auch nur einen von mehreren möglichen "ganzen" Siegfried.


    Nur mal zwischendrin zur Wiederholung: Ich schreibe zwar sehr absolut, aber meine, diskussionswürdige Meinung, nicht mehr und nicht weniger.

  • Lieber Beowulf,


    dann würde ich doch gerne diskutieren.
    Wenn nämlich Siegfrieds Kampf mit dem Drachen die archetypische Auseinandersetzung mit dem Schatten oder der "Urangst" bedeutete, wieso verändert er sich dann nicht?
    Wieso gewinnt er durch seinen Sieg keine Tiefe? Und was ist mit existentiell bedrohlichen Situationen - traumatisieren sie oder verändern sie Leben oder beides?


    Viola

  • Missverständnis- ich meine das Siegfried durch dich als ganzer Mensch dargestellt wird, der eben für mich mehr Luftblase als Held ist- sicher ein mutiger und wackerer Kämpfer, nicht nur ein Großmaul. Er hat schliesslich den ein oder anderen Kampf zu bestehen. Der Kampf mit dem Drachen hat bei Siegfried in der Version Viola Alvarez aber gar nicht stattgefunden. Siegfried war bis zu seinem Tode arglos und furchtlos, da er keine richtigen Gefühle hat, hat er auch keine richtige Angst die er überwinden muß. Er empfindet selbst in der Stunde seines Todes nur Staunen warum er sterben muss, die existentiel bedrohliche Situation löst keine Angst, nur Staunen aus.


    In der Rückschau der folgenden Generationen, in der unterschiedlichen Rezeption der Sagas über Siegfried ist aber der Kampf mit dem Drachen das was blieb, weniger Albarichs Kappe und wieder mehr der Schatz im Rhein. Siegfried, so meinte ich das, tut in den Augen der heutigen Menschen das Heldenhafte, das Überwinden des Drachens, den ich laienpsychologisch mit der Urangst gleichgesetzt habe, das was wir uns nicht zutrauen. Hagen von Tronje, der das tut, was er realpolitisch für richtig hält, kann kein Held sein, weil er vernunftgesteuert handelt, weil er eigentlich das tut, was wir für uns für möglich, im Bereich unserer geistigen Möglichkeiten handelt. Deshalb sage ich, dass dieses Buch so faszinierend ist weil es uns einen, wenn auch nur einen von mehreren möglichen "ganzen" Siegfrieds gibt, nicht den jeglichem menschlichen Makel entzogenen Helden und Hagen als möglichen Helden dem gegenübersteht, der weiter denkt und das gemeinwohl im Auge hält, solange es geht.


    Der Mensch neigt dazu, das wollte ich ausdrücken, Helden oder Heilige so zu absoluten Idolen zu machen, dass er sie ohne menschliche Schwächen auf einen Sockel stellen kann- so wie Arminius eben lieber Hermann der Cherusker ist und nicht der römische Offizier, der seinen Fahneneid gebrochen hat, oder schon die Diskussion ob Reb Josua ben Joseph verheiratet war Blasphemie darstellt.