Ich habe diesen Herbst am schreiblabor im Literaturhaus Hamburg teilgenommen und stellte mit Erstaunen folgendes fest:
Wir waren 8 Mädels und 6 Jungen, bzw. Frauen und Männer. Da kam die Frage auf, welches Geschlecht unsere Hauptprotagonisten meist haben. Die Mädchen haben über beides geschrieben, nicht wenige hatten eine 50/50- Balance. (So auch ich, übrigens.)
Von den Jungs hingegen gaben nur drei zu, überhaupt einmal über eine weibliche Hauptperson geschrieben zu haben, und alle hatten sie einen großen Überschuss an männlichen Protagonisten.
Also meine Frage: War das nur ein zufälliges Phänomen? Oder ist es wirklich so, dass Männer fast nur über Männer schreiben? Und wie sieht es mit den Damen aus? Ausgewogen oder Tendenz zu einem bestimmten Geschlecht?
Wäre nett, wenn sich sowohl die männliche, als auch die weibliche Seite der Schöpfung zu Wort meldet.
Liebe Grüße,
Eny
Schreiben Männer wirklich nur über Männer?
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Interessante Frage!
Zufällig habe ich gestern ein bißchen in dem Buch die Giftmischer (1983) von Margaret Atwood geblättert und folgenden Abschnitt gelesen, den ich sehr amüsant fand und der gut zu diesem Thema passt:
Frauenromane
1. Männerromane handeln von Männern. Frauenromane handeln ebenfalls von Männern, aber unter einem anderen Gesichtspunkt. Es gibt Männerromane, in denen keine Frau vorkommt, ausgenommen vielleicht die Zimmerwirtin oder die Stute, aber es gibt keinen Frauenroman, in dem keine Männer vorkommen. Manchmal bringen Männer in ihren Romanen Frauen unter, übergehen aber gewisse Körperteile, die Köpfe, zum Beispiel, oder die Hände. Auch Frauen übergehen in ihren Romanen Teile der Männer. Manchmal ist es der Abschnitt zwischen Bauchnabel und Knien, manchmal ist es der Sinn für Humor. Es ist nicht leicht, bei stürmischem Wind in einem weiten Umhang auf dem Moor Sinn für Humor zu entwickeln.
Frauen schreiben gewöhnlich keine Romane, wie sie von Männern bevorzugt werden, aber Männer schreiben bekanntlich Romane, wie sie von Frauen bevorzugt werden. Es gibt Leute, die das seltsam finden .... -
Sehr interessante Frage!
Da habe ich ehrlichgesagt noch nie drüber nachgedacht.Die Mehrheit meiner Hauptfiguren sind tatsächlich Männer. Das mag daran liegen, dass mich hauptsächlich Themen interessieren, die traditionell eher männlich besetzt sind: Medien, Politik, Philosophie, Fußball.
Bei Texten mit Ich-ErzählerIn überwiegen bei mir die weiblichen Protagonistinnen.
Das ließe darauf schließen, dass ich aus weblicher Perspektive schreibe, aber lieber Männer beobachte und beschreibe."Leons Spiel" hieß übrigens ursprünglich "Selenas Spiel". Da es mir aber nach einiger Überlegung glaubwürdiger (=traditioneller) erschien, dass sich ein Junge das Computerspiel wünscht (ein Mädchen hätte sich vielleicht eher Klamotten gekauft), und ich das Spiel/spielen als Motiv brauchte, habe ich meine beiden Helden einer Geschlechtsumwandlung unterzogen. So wurde aus Selena Leon und aus Babette Moritz. (Den "abgespaceten Nagellack" musste ich dabei leider opfern, bin deshalb nicht ganz glücklich mit dieser Stelle im Text.)
[Editiert wg. geschlechtsübergreifendem Unsinn: "Der weibliche Protagonist" ]
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Ich denke, das kann man sp pauschal mal wieder nicht beantworten.
In meinen Schreibgruppen haben Männer und Frauen, grob über den Daumen gepeilt, ausgewogen über beide Geschlechter geschrieben.
Ich denke, das hängt auch stark davon ab, was man erzählen will. Bei manchen Themen eignen sich weibliche Protags sicher besser als männliche und umgekehrt. Das Geschlecht des Autors scheint mir in dem Fall unerheblich zu sein - als Autor solltest Du Dich mit männlichen und weiblichen Figuren "gleich gut" auseinander setzen können.
Liebe Grüße
Silke -
*lach* ganz einfach männer verstehen uns einfach nicht, darum können sie auch nicht über uns schreiben (was für gedankengänge sollte das denn geben)
denke aber auch das männer ebendso gut über frauen schreiben können, wie frauen über männer. aber ich persönlich finde es einfacher mich mit figuren meines eigenen geschlechts zu identifizieren und mich auch besser reinversetzen.
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Von den Büchern, die ich in 2006 gelesen habe, waren die mit männlicher Hauptfigur zu
72 % von Männern geschrieben und zu
28 % von FrauenUnd die mit weiblicher Hauptfigur waren zu
70 % von Frauen geschrieben und zu
30 % von MännernVielleicht habe ich aber nur die Bücher bevorzugt, bei denen ein Autor über eine Hauptfigur desselben Geschlechts schreibt.
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@ Delphin... äh... wenn ich sie in der masse beurteilen müsste... ich lese meistens bücher ohne hauptpersonen - sondern über Dinge - und es stimmt: die meissten werden von männern geschrieben.
Sonne, Monde, Planeten
Archäologische Streifzüge durch Südtirol
Die frühen Völker EurasiensWeit und breit keine lebenden menschen nicht!
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Zitat
Original von Eny
Oder ist es wirklich so, dass Männer fast nur über Männer schreiben? Und wie sieht es mit den Damen aus? Ausgewogen oder Tendenz zu einem bestimmten Geschlecht?
Stimmt nicht. Ein gründlicher Blick in die Weltliteratur zeigt, daß Männer und Frauen über alles schreiben, was sie interessiert. Bei Schriftstellern männlichen Geschlechtes sind weibliche Hauptfiguren absolut keine Seltenheit.
Schriftstellerinnen allerdings waren früher weitaus seltener vertreten, verglichen mit der Zahl der Kollegen männlichen Geschlechts, was mit der jeweiligen weiblichen Lebenswelt ebenso zu tun hat wie mit der Überlieferungslage.Allerdings herrschen derzeit vor allem in den Publikumsverlagen gewisse Marktzwänge, die ein Übermaß an Heldinnen produzieren. Es heißt, Frauen machten den absoluten Löwenanteil der Buchkäufer und Leser aus und sie wollten lieber über Frauen lesen, weil sie sich besser mit Angehörigen des eingene Geschlechts identifizieren könnten.
Also sind alle Autoren gehalten, sich Heldinnen zu erkiesen.
Dann kommt hinzu, daß die Leserinnen einem Autor männlichen Geschlechtes angeblich keine Heldinnen abnehmen.
Daher diese gewaltige Flut an Belletristik von Frauen mit Frauen für Frauen.Männer dürfen auch über Männer schreiben, also Romane für die Nische "Leser (männlich)".
(Wobei mir die Behauptung, Männer läsen keine Romane, angesichts der Programme der vergangenen Jahre vorkommt wie self-fulfilling prophecy ...)
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Zitat
Original von Iris
Allerdings herrschen derzeit vor allem in den Publikumsverlagen gewisse Marktzwänge, die ein Übermaß an Heldinnen produzieren. Es heißt, Frauen machten den absoluten Löwenanteil der Buchkäufer und Leser aus und sie wollten lieber über Frauen lesen, weil sie sich besser mit Angehörigen des eingene Geschlechts identifizieren könnten.Ich hab im letzten Jahr 72 Bücher mit männlicher Hauptfigur gelesen und nur 20 mit weiblicher.
Ich wollte es nur mal festhalten, falls hier mal irgendein Verlagsmensch reinschaut.
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Wenn ich mir nur meine Leseliste des letzten halben Jahres nachschaue, erscheint mir das unlogisch:
Da wären die Rebellinnen vom Mallorca (ich weiß die schreiben zu zweit, aber unter dem männlichen Namen veröffentlicht), Oliver Bottini nimmt seine Kommisarin Boni jeder als glaubwürdig ab, Titus Müller schreibt klassische "Die .. in " -Romane, Iris Kammerer fehlt eine weibliche Heldin völlig, weder Cinna noch Heinrich Raspe sind weiblich, Tanja Kinkel schreibt über einen amerikanischen Journalisten, Frd Vargas schreibt Krimis mit männlichen Ermittlern, das alles neben den vielen Frauen, die Frauengestalten beschreiben, die aber auch von Männern gelesen werden, von Viola Alvarez oder Kirsten Schützhofer und wie sie alle heissen.
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Die Geschichte "So kalt", mit der ich die Ehre hatte, den Schreibwettbewerb im Juli 06 zu gewinnen, hat eine weibliche Hauptfigur. Zumindest bei den Eulen schien das zu wirken
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*g* Bescheiden wie immer - Churchill, du hast ja nicht nur den Juli gewonnen, sondern gleich das ganze Jahr
Von Ines gab es unlängst einen sehr interessanten Fred hier zum Thema Wenn Männer aus Frauensicht schreiben
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Hier mal ein Gegenbeispiel, das mir vor allem wegen der wunderbar überzeugenden weiblichen Hauptfigur sehr gut gefallen hat:
Der Sommer der Mörder von Oliver Bottini
Viele Grüße,
Bücherfrau
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Zitat
Original von beowulf
Wenn ich mir nur meine Leseliste des letzten halben Jahres nachschaue, erscheint mir das unlogisch:
Ich habe nicht behauptet, daß logisch ist, was ich beschrieb, aber es ist eine Erfahrung, die insbesondere Autorinnen heutzutage verstärkt machen müssen.
Ich habe auch nicht behauptet, daß das dem tatsächlichen Lesegeschmack entspricht, und schon gar nicht dem aller (!) Leser. Das entzieht sich ohnehin meiner Kenntnis. -
Zitat
Original von beowulf
Iris Kammerer fehlt eine weibliche Heldin völlig, weder Cinna noch Heinrich Raspe sind weiblich,Ich hatte mir ja mehr eine Antwort auf diese Zeile von dir erhofft...
Musstest du den Verlagen gegenüber kämpfen, wollte man z.B. mehr ein Buch über Elisabeth als über Heinrich Raspe? -
Ich vermute mal, dass dem Verlag die Story der armen Hure, die von Heinrich "benutzt" wurde, lieber gewesen wäre. Sie hätte durch diese Begegnung auf die Burg gelangen und politisch wichtige Entwicklungen beeinflussen können. Außerdem wäre bestimmt derjenige Mann aufgetaucht, der sie letztendlich so sehr liebt, dass er alles für sie aufgibt
Elisabeth ist heilig. Viel zu heilig. Da zählt sie irgendwie nicht richtig als Frau
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Zitat
Original von churchill
Elisabeth ist heilig. Viel zu heilig. Da zählt sie irgendwie nicht richtig als Frau
Immerhin ist sie Mutter gworden, Landesmutter noch heute.
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hi...ich bins nur...hef...
die Frage ist wirklich interessant...weil...
Mein Heimatverlag ist Lübbe.
Ich scheibe aber auch noch ne andere Linie, für die ich einen Verlag suche.
Da kam folgendes zurück: RoRoRo eine Lektorin!!!! ....zu männerlastig
KiWi: ein Lektor: ein Klasse Männerroman aber usw.....eben die üblichen Absagen.
Frauen und Männer scheinen wirklich völlig andere Leseweisen zu haben.
Ich habe mal versucht über Lübbe die Lesegewohnheiten herauszufinden...und siehe da....Frauen sind die besseren Leser.
Und was machen wir Männer? Kontoauszüge lesen?euer hef buthe
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Ich glaube allerdings kaum, dass Günter Grass vorgeworfen wird zu "männerlastig" (?) zu schreiben.
Es kommt scheinbar auch drauf an, was es denn werden soll.
Sprich: die Kundenkaufkraft - hm, ich meine natürlich die geneigte Leserschaft.
Ab einem gewissen Kunstgrad sind Geschlechterunterschiede womöglich auch egal.
Oder erwünscht.
Siehe Bukowski.
Wer weiß. -
Mir ist es oft lieber, Männer schreiben über Männer. Oder zumindest einen Roman aus männlicher Sicht. Denn versuchen sie es aus weiblicher, liest sich das häufig irgendwie verkehrt. Ich denk dann immer, das ist keine Frau, das ist ein Kerl. So würde ein Weib nie und immer in der Situation denken, fühlen, reagieren, handeln.
Ich fürchte, wenn Frauen etwas aus männlicher Sicht schildern, wird das auch oft diesen Unglaubwürdigkeitseffekt haben.
Gut, natürlich, es gibt KönnerInnen, die bringen das astrein hin. Aber es kommen auch so unglaubwürdige Frauengestalten dabei raus wie in DER SCHWARM oder in den von mir sehr geliebten Krimis von Kinky Friedman. Diese Stephanie, also nee, so stellen sich die Jungs vielleicht vor, dass eine Frau sein soll. Aber so authentisch Kinkys männliche Spießgesellen rüberkommen, so falsch wirkt Stephanie.
Dann gab es noch eine Buchserie über eine arbeitslose Schauspielerin, die sich als Catsitter durchschlägt und immer in Kriminalfälle verwickelt wird. Die Frauensperson war dermaßen unglaubwürdig, dass ich nicht fassen konnte, dass das eine Autorin geschrieben haben soll. Bis ich las: Der Autor ist ein Mann, der Held war auch ursprünglich als Mann angelegt, bis man verlagsseitig sagte, das ist eher ein Frauenthema, und der Autor solle doch einie Heldin draus machen und unter weiblichem Pseudonym veröffentlichen.
Leider hab ich weder Titel noch Autor mehr parat, ich hab die ganze Reihe über booklooker vertickt. Vielleicht fällt's mir noch ein.