Wilde Schwäne - Jung Chang

  • In diesem immerhin 630 Seiten starken Buch erzählt die Verfasserin die Geschichte ihrer Familie in China. Angefangen bei der Ur-Großmutter bis zu ihrer eigenen Auswaderung nach England im Jahr 1978. Dadurch umreißt sie die chinesische Geschichte von der Kaiserzeit über die Anfänge des Kommunismus bis zur vorsichtigen Öffnung gegenüber dem Westen in heutiger Zeit.




    Anfangs stand ich dem Buch eher skeptisch gegenüber. Es erinnerte mich ein wenig an "Nicht ohne meine Tochter". Ich war mir nicht sicher, ob die Familie wirklich all die geschilderten Dinge selbst erlebt hat oder sich die Autorin diese "günstigen Verhältnisse" für ihr Buch selbst zusammenstrickte. Die Urgroßmutter befreite sich aus ihrem Leben als Konkubine, die Eltern hohe Parteifunktionäre - später unter der Kulturrevolution in Ungnade gefallen. Dies alles passt einfach sehr gut (vielleicht zu gut?) zusammen um daraus eine gut leserliche und ich muss zugeben teils auch fesselnde Geschichte Chinas in 80 Jahren zu machen.
    Wie dem auch sei: Ich denke, daß Buch ist interessant für Menschen meiner Generation (Jg. 1975), die nur Schlagworte aus der jüngeren Geschichte Chinas aber nicht die tiefere Bedeutung kennen.


    Viele Grüße
    Leseratte

    ...Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.
    Und er sagte:
    Niemand kann Euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern Eures Wissens schlummert.


    Khalil Gibran
    Der Prophet

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  • Hallo an alle Leserundler,
    ich freue mich, Euch diesen Anstoß gegeben zu haben. Da ich das Buch noch gut im Gedächtnis habe, werde ich mich gerne an Euren Diskussionen beteildigen.


    Viele Grüße
    Leseratte

    ...Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.
    Und er sagte:
    Niemand kann Euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern Eures Wissens schlummert.


    Khalil Gibran
    Der Prophet

  • So, ich bin fertig. Das Buch hat mich enorm gefesselt. Für jemand meiner Generation (ich bin 10 Jahre jünger, als die Autorin) war es unglaublich fesselnd, zu lesen, wie sie in einem Regime aufgewachsen ist, dass nicht unterschiedlicher zu unserer Demokratie sein kann. Denken funktioniert nach völlig anderen Regeln, Kritik war während der Kulturrevolution im besten Fall höchst riskant, nicht selten hat sie ganze Familien ruiniert und zerstört. Das Buch machte auf mich einen sehr authentischen Eindruck, ich hatte an keiner Stelle den Eindruck, dass die Schilderungen konstruiert waren.


    Die Schilderungen des täglichen Lebens waren teilweise sehr schockieren, unabhängig davon, ob es sich um alltägliche Lebensumstände, wie fehlende Wasser- und Stromversorgung in den Häusern in den 70er Jahren handelte, oder die Beschreibung der Denkstrukturen, oder der perfiden Machtausübung unter Mao und seinen Schergen. Es ist fast unvorstellbar, wie es gelungen ist, mit einer Hand voll Menschen über fast 30 Jahre 800 Millionen Menschen so zu unterdrücken.


    Das Buch umfasst insgesamt knapp 80 Jahre der chinesischen Geschichte und der Familiengeschichte der Autorin vom Ende der Kaiserzeit in den Jugendjahren ihrer Großmutter bis zur langsamen Öffnung des Landes, als die Autorin China verließ, um ihr Studium in England weiterzuführen.


    Anders, als ich anderen Büchern, die in China spielen, erfährt man sehr viel über das Land, seine Entwicklung und die, seiner Bewohner. Keine, der 718 Seiten ist langweilig. Vielmehr sind die Schilderungen teilweise sehr bedrückend. Vielleicht kam es auch nur mir so vor, weil ich ständig versucht war, meine Jugend mit der der Autorin zu vergleichen.


    Am Ende des Buches ist eine chronologische Zusammenfassung der geschichtlichen und familiären Ereignisse, sowie eine Karte von China abgedruckt. Diesen Anhang empfand ich sehr hilfreich und hat den Lesegenuss hervorragend abgerundet. :-)


    Das Buch hat mich sehr neugierig gemacht, denn die Autorin hat inzwischen eine einzigartig scheinende Biographie von Mao Zedong geschrieben, die sicher einen Blick mehr wert ist. Die Biographie ist deshalb auch sofort auf meiner Wunschliste gelandet.

  • Zitat

    Original von Idgie
    Es ist fast unvorstellbar, wie es gelungen ist, mit einer Hand voll Menschen über fast 30 Jahre 800 Millionen Menschen so zu unterdrücken.


    Das finde ich auch immer wieder unglaublich.


    Die Rezi macht richtig Lust auf das Buch! Leute, ihr müsst damit aufhören, wir werden arm... :help

  • Lies es! Es lohnt sich wirklich. :-) Das ist auch als TB gar nicht soooo teuer.


    edit: Bei Bertelsmann kostet das 8,95 € :-)

    Lieben Gruß Idgie



    Erst wenn man viel gelesen hat, lernt man wenig Bücher schätzen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Idgie ()

  • Hallo Idgie,
    danke für den Hinweis auf die "Mao"-Biographie. Ich werde sie hoffentlich bald lesen können.


    Viele Grüße
    Leseratte

    ...Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.
    Und er sagte:
    Niemand kann Euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern Eures Wissens schlummert.


    Khalil Gibran
    Der Prophet

  • Ja, das ist ein wirklich tolles Buch.


    Es hat mich teilweise erschüttert, und gleichzeitig fasziniert wie sich das Leben innerhalb drei Generationen so ändern kann.


    Eine Leserunde ist eine gute Idee, weil das Buch doch viele tiefe Aspekte enthält.


    Die Mao Biografie ist nicht einfach zu lesen, jedoch sehr interessant.


    Liebe Grüße
    Zofie

  • Meine Rezension:


    Jung Chang erzählt in "Wilde Schwäne" die Geschichte ihrer Familie und beginnt mit der Großmutter, die in jungen Jahren (wir schreiben das Jahr 1924) als Konkubine eines Provinzgenerals ihr Elternhaus verlässt. Chronologisch begleiten wie sie und später ihre Tochter, also die Mutter der Autorin auf ihrem mühseligen Weg durch die politischen Katastrophen Chinas. Jung Chang gelingt es, einen großen Bogen zu spannen von der Kaiserzeit bis in die späten 80er Jahre und beschreibt dabei aus der Sicht einer betroffenen, wie die Menschen im 20. Jahrhundert in China lebten und leideten. Dass ihre eigene Familie eher zumindest zu Beginn der Zeit Maos zu den Privilegierteren zählte, änderte nichts an dem Leiden, dass sie später erdulden musste. Die Schrecken des Terror-Regimes werden anschaulich und doch zugleich bewundernswert sachlich beschrieben, so dass man auch als Westeuropäer alle Ereignisse mitverfolgen und alle Gefühle und Gedanken gut nachvollziehen kann.
    "Wilde Schwäne" ist ein schweres Buch, denn es bedrückt und wiegt schwer in seinem Inhalt und seiner Bedeutung, niemals zuvor habe ich so viel über die neuere Geschichte Chinas gelesen und gelernt. Es ist ganz sicher nicht zur einfachen Unterhaltung geeignet, denn es fordert den Leser zum Nachdenken auf und zum Begreifen. Umso wichtiger ist es, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was dort tatsächlich geschehen ist und wie die Menschen ihr Leben auch unter den widrigsten politischen Umständen meistern mussten und immer wieder auf Freunde treffen, die ihnen Momente des Glücks und der Hoffnung bescheren - denn das steht in keinem Geschichtsbuch. Trotz aller Sachlichkeit ist es dennoch ein spannendes Buch, denn die Autorin versteht es, den Leser in ihren Bann zu ziehen und dabei geschickt politische und persönliche Ereignisse zu verweben. Ich kann nicht behaupten, dass es ein Lesevergnügen im engeren Sinne war, aber ich bin sehr froh, dass ich es gelesen habe - es hat mein Wissen und meinen Horizont erweitert.


    9 Punkte von mir! :wave

  • So, ich habe es jetzt auch geschafft.
    Zweimal habe ich unterbrochen und was Leichtes zwischendurch gelesen.


    Für mich war das Buch faszinierend und interessant. Auch mich hat es gefesselt wie die Autorin das Leben in China und die Geschichte Chinas erzählt hat und ich habe sehr viel über dieses Land erfahren. Das Buch war aber auch bedrückend, grausam und oft für unser westliches Denken nicht nachvollziehbar.


    ... und zum Aktuellen
    Ich sehe die Olympischen Spiele nach dem Lesen dieses Buches nun oftmals mit ganz anderen Augen


    Von mir auch 9 Punkte

  • Ich habe es nun auch endlich durch, aber ich konnte dies Buch nur häppchenweise lesen.
    Zunächst war ich immer wieder von der Brutalität und den Lebensumständen geschockt, später habe ich oftmals nur dem Kopf schütteln können, über die abstrusen Ideen, die in den Köpfen von Mao und seinem Umfeld rumspukten.
    Ein wirklich lesenswertes Buch.

  • Ich hab irgendwie vergessen, meine Rezi dazu zu schreiben, ich hatte es in der Leserunde gelesen und da die kurz vor den Olympischen Spielen in Peking stattfand, habe ich diese mit ganz anderen Augen betrachtet.


    Ein eindrucksvolles Buch, da macht es auch nichts, wenn man mehrere Monate daran liest.


    Jung Chang hat es geschafft, mir auf sehr eindringliche Weise die Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert bis kurz nach dem Tode Maos und der Zerschlagung der Viererbande nahezubringen.
    Ich finde es sehr erstaunlich, wie es der Autorin gelingt, ein großes Maß an Objektivität zu wahren, handelt es sich hier doch um ihre eigene Familiengeschichte, verfolgt über drei Generationen.