Lukas Hammerstein: Die 120 Tage von Berlin
Klappentext: Mitten in Berlin, im noch kalten, neuen Herzen der Stadt, beziehen Menschen die noch unvermieteten Räume eines neuen Büroturms. Im Auftrag der Investoren sollen sie das riesige Gebäude aus Stahl und Glas für 120 Tage bewohnen, um so echte Mieter anzuziehen. Am Ende der 120 Tage steht ein Fest, das alle Grenzen sprengen soll.
Amazon-Beschreibung: Lukas Hammersteins Roman ist schnelle, hochmoderne Prosa, die ein scharfes Bild der deutschen Gegenwart entwirft. Er erzählt von Rausch und Ekstase, Hingabe und Phantasie, Revolution, Spektakel, Spaß und von der Ordnung, die das Chaos braucht.
Eigene Leseerfahrung: Das ist eine Geschichte für sich. Ich bin auf Lukas Hammerstein zum ersten Mal bei seiner Lesung beim Bachmann-Wettbewerb aufmerksam geworden.
Dann hab ich mir gedacht:: Berlin-Mitte-Szene-Roman, jau, klingt nett.
Und nach dem Lesen habe ich mich geärgert, dass ich Geld für so ein Mistbuch ausgegeben habe.
Dann hab ich allerdings angefangen, darüber nachzudenken, warum ich das Buch in die Ecke gepfeffert habe.
Die Idee ist nämlich eine ziemlich geniale: Ein leeres Glashaus am Protzdamer Platz, in dem Pseudo-Menschen Pseudo-Leben führen, das Leben besteht nur noch als sinnentleerte Imitation von Leben, das Leben im Schaufenster, Big Brother total.
Ein Pseudo-Roman, der keine Handlung hat, mit völlig nichtssagenden Personen, die man sich eh nicht zu merken braucht, weil sie alle nur austauschbare Platzhalter sind.
Dann wird da noch ein bisschen virtueller Terrorismus gespielt, Falschmeldungen per Computer in Medien eingeschleust, falsche Spuren gelegt wider die allgegenwärtige Überwachung des gläsernen Menschen.
Sprachlich besteht das Ganze aus jeder Menge sinnentleerter Zitate und Klischees, weil die ganze Welt zu Zitat und Klischee geworden ist. (Der Titel ist natürlich eine Anlehnung an de Sade.)
Je näher ich mir das überlege, desto genialer finde ich das Buch, das nirgends besser als in der neuen Berliner Mitte angesiedelt sein könnte!
Leider hat man immer das Gefühl: Da hätte der Autor mehr draus machen können! Auch sprachlich ist einiges leider etwas schludrig und handwerklich schlecht gemacht. Und am Ende stürzt sich der Erzähler nichtmal vom Dach. Das ist ein bisschen schade.
Aber als Experiment eines Nichtromans und Parabel über das moderne Scheinleben semigescheiterter Fassadenexistenzen (also quasi uns allen) ist es lesenswert!
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