Corinna Luedtke - Die Nächte mit Paul oder der Tag ist anderswo

  • Es kommt so unscheinbar daher aber bereits das ausgewählte Gedicht und die eindringliche Zeichnung von Corinna Luedtke (sowie bei näherer Betrachtung auch das Cover), machen einem unmissverständlich klar, ein ganz besonderes Buch in den Händen zu halten.


    Von Anfang an begegnet mir Luisa wie eine Freundin, die sich mir immer mehr anvertraut. Die ich kennen lernen darf – mit all ihren Sehnsüchten und Sorgen. Von Seite zu Seite wächst man stärker mit ihr zusammen. Ich habe mit ihr gelitten ... und mich auch mal über sie geärgert. Stichwort: berufliche Unzuverlässigkeit; damit hat sie mich schier zur Weißglut getrieben. Wie ein Puzzle komplettiert sich das Szenario. Ein ewiges Hoffen, Bangen und Hadern.


    Liebe ist stärker als jede Vernunft. Stärker als etwaige Zweifel. Stärker als die Angst.


    Bis dann die Angst stärker ist als die Liebe.


    Paul über seine Eltern:


    Zitat

    Sie lieben nicht und sie leben nicht.


    Und manchmal muss man aufhören zu lieben, um wieder leben zu können.


    Corinna Luedtke schafft es, Erklärungen zu liefern. – Ohne Schuldzuweisungen an das Opfer. Und ohne Rechtfertigungen (wortgetreu gesprochen) für den Täter.


    Bemerkenswert, denn diese Gratwanderung gelingt leider nur selten.


    Eine sehr leidenschaftliche, emphatische und bewegende Geschichte, die mich gefesselt und begeistert hat. Erwartungsvoll und begierig halte ich nun Ausschau nach den nächsten Projekten dieser außergewöhnlichen Autorin und Künstlerin.

  • Ich bin ziemlich aufgewühlt von dieser Lektüre, die eigentlich nicht in mein bevorzugtes Leseschema passt. Durch die vielen Rezensionen hier und die durchaus positiven Meinungen, war ich an dem Wanderbuch sehr interessiert. Das Wanderbuch hat mich vor 2 Tagen erreicht und ich habe es tatsächlich schon beendet.
    Luisa kann ich schwerlich einem Alter zuordnen, vielleicht Anfang bis Mitte 20. Ihre Naivität und ihr Wunsch nach Beachtung, Respekt, Wahrnehmung als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft erscheint mir allerdings etwas zu kindisch, regelrecht pubertär. Auf der anderen Seite aber ihre weltmännischen Ansichten, der tiefgreifende Hang zum Expressionismus, der Wissensdurst über Dichter, die Rebellion gegen bestehende Grenzen wirft ein ganz neues Licht auf die Figur.
    Allgemein werden alle Figuren facettenreich und dreidimensional dargestellt. Luisas Gedanken sind transparent, nahezu real, nachvollziehbar.
    Neu für mich sind die Dialoge, egal welche. Auf der einen Seite kurze, knappe, reduzierte Dialoge, die auf der anderen Seite von Gesprächen, die in das Handlungsschema integriert, abgelöst werden.
    Ich finde es erschreckend, wie sich Gewalt so schleichend in ein normales Leben einschleichen und alles auf den Kopf stellen kann. Luisas Hang Paul zu gefallen, weil sie sich von seiner unabhängigen Art dermaßen angezogen fühlt, halte ich persönlich fast für gefährlich und bin über das Ende dann dementsprechend beeindruckt.
    Ich bin aber froh, dass Schüler nicht mit dieser Geschichte konfrontiert werden: ich wüßte nicht, wie Interpretationen dieser Geschichte aussehen würden. Auch sind sehr viele verhaltenstechnische Hintergründe zum Aufdecken in die Geschichte eingewoben - ein wahres Paradies für Psychoanalytiker.
    Mich hat Wortwahl, Satzbau und der allgemeine Sprachgebrauch außerordentlich berührt, regelrecht abhängig gemacht.
    Ich glaube, dass nach diesem Buch auch zeitgenössische Literatur in mein Leseschema passt.


    Fazit: Ganz großes Erzählkino! Ein absolutes Lesemuss. Ohne Worte 10 Punkte.


    Und ein dickes Danke an Mondstein 100 für die tolle Idee des Wanderns. Ohne sie wäre mir dieses Buch sicherlich entgangen. :wave

  • Ich lese es gerade als WB, werde aber heute abend abbrechen, da ich mir das Buch schon nach den ersten fünfzig Seiten als WB nicht vorstellen kann und es deshalb bestellt habe, dauert zwar etwa zwei Wochen, da es nur noch über den Verlag zu haben ist, aber einfach- ich will das Haben.

  • Meine Meinung:


    Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, einmal angefangen, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Der Kampf von Luisa, erst für die Liebe von Paul, dann gegen sie, ist emotional und berührend geschildert. Auch der Bereich um die Geschichte von Else Lasker-Schüler passt sicht gut ein und ihr Einfluß auf Luisa ist deutlich sichtbar. In schöner klarer Sprache erzählt, ist der Roman ein Kleinod, der zum Nachdenken anregt und hoffentlich noch viele Leser findet.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Leider hat das Buch meine Erwartungen nicht erfüllt. Wobei, ich weiß gar nicht, was ich mir erwartet habe. Überraschend schön gestaltet ist es, schöne Farben, auch das Bild von Luisa und Paul ist toll. Der Stil sagt mir meistens auch zu, lediglich manchmal finden sich einzelne Wörter, die mir nicht in das Sprachbild passen, dass ich von Luisa habe. Aber das mag subjektiv sein.


    Mein Problem in diesem Buch ist Luisa. Ich konnte mich schon auf den ersten Seiten nicht mit ihr anfreunden. Sie wirkt wie jemand, der nicht weiß, was er will, gepaart mit einer unglücklichen Mischung aus Erkenntnis und naivem Wunschdenken. Und so schwankt sie zwischen Extremen, vernachlässigt ihren Job und ihre eingeengte Welt beginnt sich um Paul zu drehen oder eher zu schlingern. Ein Auf und Ab. Ich hatte ständig das Gefühl, dass sie nicht nur um Pauls Liebe buhlt, sondern auch die des Lesers, als Ich-Erzählerin finde ich sie strapazierend. Niemand in diesem Buch hat zu Beginn die Chance sympathisch zu wirken, Paul ist rücksichtslos, Luisa nervt, Dirk samt weinerlicher Freundin geben auch keine freundlichen Charaktere ab.


    Normalerweise muss ich keine sympathischen Charaktere haben, um ein Buch zu mögen. Hier aber dreht es sich um nichts weiter als Beziehungen zwischen ihnen, Gedanken Luisas - und wenn ich mich ständig über ihr Verhalten aufrege, werde ich mit dem Buch einfach nicht warm.


    Schade, ich habe es nach ca. 100 Seiten abgebrochen.

  • Schwer in Worte zu fassen, was mir, nachdem ich das Buch gerade beendet habe, durch den Kopf geht. Jeder, der irgendwann mal ebenso verzweifelt geliebt hat wie Lusia, jede Geste, jeden Blick des anderen versucht hat zu deuten, weil er nicht wusste, woran er war, sich an die kleinsten Dinge geklammert hat, für den ist dieses Buch wie ein Blick in den Spiegel, als würde man die eigene Geschichte in einem Tagebuch lesen.
    Erschreckend aber doch, wie weit Luisa sich hat manipulieren, steuern, sich zum Werkzeug hat machen lassen. Ich hätte sie am liebsten geschüttelt.


    Die klare und schöne Sprache hat mich völlig überzeugt und in ihren Bann gezogen. Ich bin eigentlich kein großer Fan der Ich-Erzählung, aber hier hatte ich Freude, Luisas Erzählung zu folgen, mich von ihrer Geschichte tragen zu lassen, sie zu begleiten, mit ihr mitzufühlen. Zu diesem intensiven Leseerlebnis haben aber auch die anderen Protas beigetragen, die alle unglaublich plastisch und vielschichtig sind, ihre Licht- und Schattenseiten haben.


    Es gäbe noch unendlich viel mehr zu diesem Buch zu sagen und zu schreiben, aber je mehr man hier in dem Rezi-Fred auf den Inhalt eingeht, desto größer ist die Gefahr zu spoilern.


    Hat jemand hier vielleicht Interesse an einer Leserunde? Ich könnte mir vorstellen, dass die sehr intensiv würde. Das Buch ist über den Verlag erhältlich.Ich hatte es als Leihgabe, werde es mir aber auf jeden Fall auch selber zulegen.

  • Eine Leserunde wäre sicher eine sehr interessante Sache. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass die Autorin eine solche Leserunde gern begleiten würde. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Bott , beowulf, Nachtgedanken, bartimaeus und Bouquineur


    Ein dickes Dankeschön :blume für eure Kommentare zu meinem Roman – ich freue mich wirklich riesig.
    Und dir, Bouquineur, ein Extra-Danke :flowers für die schöne Idee mit der Leserunde.


    Original von Voltaire

    Zitat

    Eine Leserunde wäre sicher eine sehr interessante Sache. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass die Autorin eine solche Leserunde gern begleiten würde.


    @ Voltaire
    Klar, mache ich gern.
    Ich bin gespannt auf unsere „Gespräche“!


    Original von Kristina

    Zitat

    Erwartungsvoll und begierig halte ich nun Ausschau nach den nächsten Projekten dieser außergewöhnlichen Autorin und Künstlerin.


    Informationen über meine aktuellen Projekte könnt ihr gern meinen neu gestalteten Internetseiten entnehmen.


    Liebe Grüße
    Corinna

  • Hallo,


    ich denke das Buch ist genaus das Richtige, welches ich im Moment lesen sollte !


    Mal sehen ob ich es noch bekommen kann.

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )

  • Hallo Melanie,


    das Buch ist in jeder "guten" Buchhandlung bestellbar. Dort muss es direkt beim Verlag bestellt werden, da es nicht über einen Großhändler, wie z B Libri, erhältlich ist.
    Du kannst auch beim Verlag direkt bestellen oder über amazon Marketplace.


    SiCollier hat das ganz gut erklärt, s. 1. Seite dieses threads.


    Also, nachdem Babyjane (unter Vorschläge für priv. Leserunden :grin) sehr anschaulich beschrieben hat, welche Schwierigkeiten sie hat, an mein Buch zu gelangen, wünsche ich dir nun eine weniger aufwendige Bestellaktion :-)
    LG
    Cookie

  • Hallo Cookie,


    danke für die Erklärung ! :wave


    Werde dann morgen nach der Arbeit, wenn ich nicht zuu spät rauskomm. mal in der Buchhandlung meines Vertrauens vorbeischaun. :-)

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )

  • Ich habe dieses Buch gerade im Rahmen der Leserunde gelesen.


    Wenn ich gefragt werden würde, ob es mir gefallen hat, muss ich klar verneinen. Denn es ist so ganz anders als die anderen Bücher, die ich sonst lese.


    Warum es mir nicht gefallen hat? Schwierig zu sagen. Ein Grund ist auf jeden Fall, dass mir die Hauptfiguren kein bißchen sympathisch sind. Luisa hätte ich oft schütteln können. Sie ist mir zu unentschlossen, ständig vergisst sie ihre Pflichten, kann nicht kommunizieren, denn entweder läuft sie weg oder schreit herum, und ihre Liebe zu Paul hat wirklich etwas von Besessenheit.


    Paul dagegen erleben wir immer nur aus der Sicht der Ich-Erzählerin Luisa. Er hatte eine schwere Kindheit, sein Vater hat ihn nicht geliebt, er ist von der Schule geflogen und sein bester, nein sogar einziger Freund Wabe ist auch nicht wirklich jemand, den ich zum Freund haben möchte. Die Art, wie er sich Luisa nähert, ist wohl die einzige, die er versteht. In der Öffentlichkeit großkotzig und große Reden schwingend, im Privaten sein Innerstes auskotzend.


    Die "Beziehung" zwischen Paul und Luisa ist einfach nur schrecklich. Von Liebe bzw. überhaupt von Gefühlen, von Gemeinsamkeiten, von Unternehmungen ist abgesehen von Sex keine Rede. Luisa redet sich ein, dass sie es schafft, Paul die Liebe zu lehren, doch wie sie es macht, hat mich oft genervt. Sie sagt nicht, wenn sie Schmerzen hat, sie lässt alles mit sich machen, bis Paul einen Schritt zu weit geht.


    "Die Nächte mit Paul oder der Tag ist anderswo" ist kein Buch, was man mal eben so lesen und wieder vergessen kann. Es ist verstörend, es regt zum Nachdenken an. Ich fragte mich während des Lesens ständig, warum Luisa nicht einmal klar sagt, was los ist. Ich meine fast, dass Paul mehr zeigte, dass er an einer Beziehung interessiert ist als sie, sie sich aber immer in der passiven Rolle fühlt und alles mögliche erwartet, aber nichts tut.


    Wer sich mit Beziehungen auseinander setzen will, wer Gefühlschaos mag, der wird dieses Buch gerne lesen. Für mich war es eine interesssante Leseerfahrung, aber "gefallen" hat mir das Buch nicht. Dazu war es zu verstörend. Allerdings hat es mich mehrere Stunden gefesselt und mich zum Nachdenken gebracht, und dafür vergebe ich 7 Punkte.

  • Ok meine Rezension:


    Ich habe das Buch soeben beendet und am Liebsten würde ich sagen, daß ich das Buch schlecht, richtig schlecht fand und es dabei bewenden lassen, damit ich Cookie nicht verletze, obwohl das Urteil wahrscheinlich schon nicht gut ankommen wird.
    Da ich aber der Meinung bin, zu so einem Urteil gehört auch eine Begründung, werde ich meine Rezension doch etwas intensiver angehen.


    Zunächst zur Aufmachung, die ist es nämlich wert, daß ich einen der zwei vergebenen Punkte doch noch vergeben habe. Das Buch ist hübsch, wirklich hübsch, eine nette Klappbroschur, ein Umschlag der sich gut anfühlt und in dezenten Farben angenehme gestaltet ist. Die Seiten sind griffig und lassen sich gut blättern.


    Dann zum Stil, den fand ich am Beginn des Buches ganz reizvoll, war aber irgendwann dann doch von den Adjektivanhäufungen und unnötigen Adjektiven ziemlich genervt. (hauchdünn geschnittenes Carpaccio, Carpaccio ist immer hauchdünn/ oder rote Tomaten / grüne Tannenzweige / etc.) Schade, weniger Adjektive und ich hätte die Art zu schreiben durchaus als ansprechend empfunden. Die Art zu schreiben ist sehr sachlich, es werden Emotionen beschrieben, aber im Leser andere Emotionen geweckt oder gar total emotionslos im Berichtsstil erzählt. Hier und da fühlte ich mich an nüchterne Sachverhaltsbeschreibungen aus Psychologielehrbüchern erinnert.
    Dialoge kommen weder glaubwürdig noch real rüber, sie wirken aufgesetzt und künstlich. Mein Gedanke war so häufig: "So redet doch keiner!" oder "Sowas sagt doch niemand!" etc.


    Und letztlich zum Inhalt, der leider für mein Gefühl so gar nicht ging.
    Wen haben wir da, Luisa, Fräulein Traumtänzer, Naivchen, und prüdes Lieschen trifft auf Paul, den dominanten Draufgänger, der auf sexuelle Spielchen aus ist, während Luisa hinter allem eine tiefergehende Liebe vermutet. Beide schleppen so ihre Traumata aus der Kindheit mit sich herum und man fragt sich ständig, warum die zwei sich eigentlich miteinander abgeben, wenn sie doch jeweils immer wieder enttäuscht vom anderen sind. Luisa ist nie in der Lage ihre Wünsche zu artikulieren und redet sich aus welchen Gründen auch immer ein, von Paul mißhandelt zu werden, dabei besteht sein einziges Vergehen darin, keine Gedanken lesen zu können und nicht zu merken, daß Luisa einmal einfach so Schmerzen beim Sex hat, einmal ungünstig auf einer Treppenstufe hockt und einmal die Dornen einer Rose in ihrer Rücken stechen, während er auf ihr liegt.
    Sie artikuliert es nicht und macht es ihm zum Vorwurf, sie so grob zu behandeln. Nein, stimmt nicht, denn sie macht es nur in ihrem Kopf zu seinem Vorwurf, mit ihm reden tut sie nämlich nur in Ausnahmefällen und da verzapft sie meist sehr seltsamen Unfug, ergeht sich in Gedichten und ihren Träumereien und absurden Ängsten.


    Daneben steht Luisas Vater, der seine früh verstorbene Frau vermißt und Luisas Chefin, die ihr sehr wohlgesonnen ist und der sie ständig vor den Kopf stößt, während sie so durchs Leben tänzelt, weder wirklich arbeiten muß, noch sich um sonst irgendwas Gedanken macht, außer um ihre Liebe zu Paul. Paul, dessen Lehrmeisterin in punkto Liebe sie werden will... :rolleyes
    Paul, der wie sollte es anders sein, eine schlimme Kindheit hatte und darunter heute noch leidet, Paul, der sexuell experimentierfreudig ist und doch keine wirkliche Erfüllung findet.
    Dann gibt es da noch Johanna, Luisas Freundin, die ihr weder zu hört, noch beisteht, geschweige denn sie versteht, die aber trotzdem die allerbeste Freundin ist. In diesem Buch scheint niemand wirklich arbeiten zu müssen, alle haben immer Zeit sind immer verfügbar und selbst wenn Luisa sich mal zum Blumenladen bewegt und dort arbeitet, schließt sie den Laden so früh ab, daß andere Geschäfte noch geöffnet sind. Sowas stört mich, wenn es auch immer wieder ansatzweise erklärt wird. Luisas Vater ist halt Fabrikant und kann es sich leisten, sich aus der Firma zurück zu ziehen. Paul ist selbstständig und arbeitet nur wenn er Lust hat, Luisa jobbt halt nur und Johanna, hm hab ich vergessen, hat aber auch immer Zeit.


    Man ist immer wieder der Meinung, wenn man Luisa durchs Leben folgt, den Fußspuren eines Kindes zu folgen, das naiver und unsicherer nicht sein könnte. Dennoch weckt das Buch weder Sympathie noch Mitgefühl für Luisa in mir, sondern im Gegenteil, ich verspürte immer mehr Abscheu und Unverständnis ihrer Person gegenüber, die letzten Seiten habe ich lediglich noch gelesen, weil ich sehen wollte, wie dieses dumme Kind ihr Leben gänzlich gegen die Wand fährt. Ob das nun passiert oder nicht, werde ich hier nicht verraten...
    Neben Luisas Leben finden sich immer wieder Einschübe und Gespräche über Else Lasker-Schüler, Mühsam und Hiller, die NS-Zeit und die Schwierigkeiten für Freigeister zu dieser Zeit. Die Gespräche fügen sich leider überhaupt nicht in die Geschichte über Luisa ein, sie wirken aufgesetzt und künstlich, so als habe die Autorin unbedingt etwas zu diesem Thema sagen wollen und es irgendwie mit Gewalt in diesem Buch untergebracht.
    Schade, dieses durchaus interessane Thema hätte vielleicht ein eigenes Buch und eine eigene Geschichte verdient? Hier geht es im Einheitsbrei total unter.


    Im Schlußwort wird darauf hingewiesen, daß zu dem Buch viel über die Thematik des Stockholmsyndroms recherchiert wurde. Diese Thematik fand ich in dem Buch so gar nicht umgesetzt, genauso wie mir die zerstörerische Gewalt fehlte und ich auch die Erniedrigungen nicht wirklich erkennen konnte.


    Ich hatte mich wirklich sehr auf die Leserunde gefreut und bin leider leider wirklich tief enttäuscht worden, weil das Buch so gar nicht hielt, was ich mir aufgrund der Rezensionen und meiner Vorfreude davon versprochen habe.
    Wie gesagt, mit sehr viel Wohlwollen gibts 2 von 10 Punkten, einen davon fürs Outfit, den anderen für den guten Willen.

  • Die Nächte mit Paul oder Der Tag ist anderswo Corinna Luedtke


    Meine Meinung:
    Ein Buch, das mit Luisa eine Hauptperson besitzt, die ein ambivalenter Charakter ist. Sie steckt fest in ihrem Leben, wohnt noch beim Vater, mit dem sie aufgrund der Kindheit, als ihre Mutter starb, eine problematische Beziehung pflegt und kann sich weder zum Studium noch zu einer beruflichen Karriere entschließen. So jobbt sie nur, ist insgesamt verunsichert, antriebslos und unzufrieden.
    Dann stürzt sie sich mit dem scheinbar selbstbewussten, arroganten und latent aggressiven Paul in eine selbstzerstörerische Liebesbeziehung. Sie ist fixiert auf Paul, doch sind die Dominanzversuche Pauls auch erschreckend für sie.


    Es ist nicht einfach, sich mit Luisa zu identifizieren, man mag sie streckenweise nicht einmal.
    Doch dafür ist sie eine realistische, nicht auf Leserwünsche zurechtgeschneiderte Protagonistin und die Autorin erlaubt eine sehr intensive Teilnahme an Luisas Gedanken- und Gefühlswelt.


    Ich empfand das Buch durch seinen Stil als psychologisch dicht und intensiv.
    Ein Zeitgefühl der späten Achtziger Jahre zeichnet den Roman aus.
    Der Roman zeigt die große Komplexität von schwierigen Beziehungen.


    Hinzu kommt ein Anteil im Roman, der mich besonders interessierte. Luisa steht in einer besonderen Beziehung zur Literatur von Else Lasker-Schüler. Mit einem Besitzer eines Antiquariats, der über viel Hintergrundwissen über diese Dichterin verfügt, kann sie deren Lebensweg ergründen
    Diese besondere Nähe zur Literatur wurde gut vermittelt und es wird gezeigt, wie Literatur den Lebensweg und Entscheidungen bis zu einem gewissen Grad mit beeinflussen kann.


    "Die Nächte mit Paul" bietet ein selten intensives Leseerlebnis. Ein Roman, über den man beim Lesen viel nachdenkt und der einen nicht so schnell loslässt.

  • Ich habe das Buch zunächst als Wanderbuch erhalten, dann aber abgebrochen, da ich das Bedürfnis hatte das Buch selbst zu besitzen, als sich dann die Leserunde abzeichnete, habe ich es jetzt im Rahmen dieser Leserunde gelesen.


    Ein verstörendes, ein emotional aufwühlendes Buch, kein Lesevergnügen. Das Buch will erarbeitet sein, braucht Zeit, es ist allein aus der Sicht der Protagonistin geschrieben. In Ich- Form, trotzdem gelingt es nicht eine Identifikation, eine Sympathie für die Protagonistin aufzubauen.


    Nein - gefallen kann das Buch nicht- will es vielleicht auch nicht, aber beschäftigen tut es mich, wie ich auf das gelesene reagiere, wie ich aus einem eigentlich emotionslos erzählten Buch solche gegensätzlichen Emotionen entwickeln kann.


    Langweilig war mir keine Zeile, auch fand ich die Bezugnahme auf die Gedichte von Else Lasker-Schüler nicht aufgesetzt, sondern aus der Lebensgeschichte Luisas glaubwürdig entwickelt und die Liebe zum Buch und zu dem was die Bücher der frühverstorbenen Mutter bedeutet haben entwickelt sich dann auch folgerichtig die weitere Bestimmung des Lebensziels von Luisa, die bei einem Antiquar erkennt, was ihr in ihrer Ziel- und Richtungslosigkeit und ihrer Zukunfts- und Haltlosigkeit Hoffnung, Zukunft und Ziel sein kann und sie dazu bringt sich mit sich selbst und ihrer Vergangenheit auszusöhnen.


    Ich kann jedem nur raten sich dieses Buch anzutun- die Arbeit die man sich als Leser damit machen muß, ist meiner Ansicht ein Gewinn, von mir 8/10 Punkten.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Kann mir wer erklären, warum auf der Portalseite Taciturus als letzter Bearbeiter angezeigt wird, ich hier aber keinen Beitrag von ihm finde? :gruebel

  • Wie immer wenn mir ein Buch nicht gefallen hat, fällt mir eine Rezi noch schwerer als sonst. Hätte es zu dem Buch keine LR gegeben, würde ich auch sicherlich keine schreiben.


    Ich war sehr erstaunt, dass die Autorin hier vom Stockholm Syndrom spricht. Wäre ich Lehrerin und das ein Aufsatz einer meiner Schüler, hätte ich geschrieben: Thema verfehlt. So wie ich das Buch gelesen und interpretiert habe, fehlt es mir definitiv an Anzeichen und Verhaltensmustern dafür.


    Die Gewalt, die im Klappentext erwähnt wird, war nur sehr dezent vorhanden. Zu wenig für mich, um hier eine große Rolle zu spielen. Auch gab es keine klare Täter-Opfer Abgrenzung. Jeder war hier Täter und Opfer zugleich. Das Problem der Protagonisten lag nicht in der Gewalt, sondern in der mangelnden Kommunikationsfähigkeit. Und hier hat das Buch für mich einen Pluspunkt erzielt. Es macht deutlich, was passieren kann wenn man nicht miteinander redet sondern sich verschließt.


    Für eine gute Benotung hat dieser Pluspunkt aber nicht gereicht, daher von mir nur 4 Punkte.