Vom Meter in der Zuversicht

  • Respekt! :anbet


    Zitat

    Original von Waldlaeufer
    Ich wusste es, als ich dich lachen sah. Zum ersten Mal. Es war nur ein Meter zwischen uns. Keine Entfernung für einen normalen Menschen. Für mich die Grenze zu einem anderen Leben. Du teiltest dir mit deinem Blick mein Leben in gestern und heute. Und vor diesem heute lag ein morgen, dass ich sah und begreifen konnte. Nur nicht fassen.


    Der Absatz ist gigantisch. :-)


    Zitat

    Original von Waldlaeufer


    Ich sah an mir herab und schaute einen Menschen, der mich im letzten Jahr begleitet hatte und sich nun allmählich aus seiner inneren Verkleidung löste. Sie war schüchtern. Und doch so ehrlich ernst. Mit dir.



    "schaute einen Menschen..." Fehlt da etwas?
    "Sie war schüchtern" Wer ist jetzt "Sie", es gibt doch nur "Du" und "Ich".
    Eine Selbstbeschreibung des "Ich"?, warum dann aber auf "Sie" wechseln?


    -----


    Ich finde diesen kurzen Abschnitt wirklich über alle Maßen gelungen. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob ich alles verstanden habe, aber das muß ich auch gar nicht. Es ist einfach wunderschön zu lesen und auf jeden Fall eines der besten Stücke, die wir hier in der Autorenecke haben. :-)


    Mehr davon!


    :wave

  • Danke



    Die Spaltung zwischen "ich" und "sie" liegt im Empfinden des Erzählers, respektive der Erzählerin, begründet. Man bemerkt ja manchmal, wie man sich verändert und ist sich selbst entfremdet - über den Zustand der Unsicherheit handlungsunfähig. Daher dann die Wahl des Wechselspiels aus der Ich-Perspektive zur dritten Person - die Abstraktion zur eigenen Wahrnehmung.


    Was das schaute angeht... hömm, ich suche mal besser nach einem andren Wort.

  • So ganz langsam finde ich zu dem Text Worte, die auch öffentlich artikulierbar sind.
    Der Text hat mich sofort gepackt. Er hat mich im Augenblick der ersten Lektüre ganz genau meine Resonanzfrequenz getroffen. Da war ich sprachlos.


    Aber der Text verliert auch nicht, wenn ich mit etwas Abstand lese. Er bleibt wunder-voll. Denn er beschreibt ein Wunder. Er bleibt etwas sperrig. Er fügt sich nicht aalglatt oder ölig triefend. Er nimmt wahr, wie die Liebe ist. Manchmal sperrig, so daß man neben sich steht...


    Ein grandioser Text, den ich immer wieder gern lese.
    Danke dafür, Waldlauefer

  • Zitat

    Original von Friderike


    Der Absatz ist gigantisch. :-)


    :write


    Ich habe mir deinen Text gerade ausgedruckt, werde ihn noch mal ganz in Ruhe lesen. Er ist verdammt berührend, ich kann gar nicht sagen, warum.
    :anbet

  • Zitat

    Original von Waldlaeufer
    Die Spaltung zwischen "ich" und "sie" liegt im Empfinden des Erzählers, respektive der Erzählerin, begründet. Man bemerkt ja manchmal, wie man sich verändert und ist sich selbst entfremdet - über den Zustand der Unsicherheit handlungsunfähig. Daher dann die Wahl des Wechselspiels aus der Ich-Perspektive zur dritten Person - die Abstraktion zur eigenen Wahrnehmung.


    Danke für die Erläuterung.
    Das kann ich nachvollziehen, wenn man sich quasi einen Moment lang von außen betrachtet. Ich kann das nicht so gut ausdrücken, aber ich glaube zu verstehen. :-)

  • Hallo, flashfrog


    Ja, das Gefühl kenne ich allzu gut: Da ist ein Text, der braust nur so dahin – und ich hab den Zug verpasst, schaue ihm nach und krieg Sandkörner ins Auge, wenn nicht gar noch Schlimmeres. Und dann kommen so ein paar Klugschwätzer schauen den Schlusslichtern nach und sagen, das war doch der Orient-Express, legendärer Zug, Luxus, schöne Frauen, Champagner und Kaviar … Aber ich habe immer noch Sand im Auge.


    Um mal in der Metapher zu bleiben: Oft liegt es ja nicht am eigenen Zeitmanagement, dass ich allenfalls nur noch die Schlusslichter sehe. Manchmal ist es der Zubringerzug, das trödelnde Postauto, die Baustelle auf dem Weg zum Bahnhof. Das Resultat bleibt gleich: Sand im Auge.


    Was also ist zu tun? Eigentlich nicht viel. Vielleicht überlege ich, ob ich überhaupt mit diesem Zug mitwollte. Oder mitwill, wenn er wieder fährt. Kann ja sein, dass ich Kaviar nicht vertrage und Champagner nicht mag. Und selbst, wenn sonst alles stimmt: Bleibe ich eben. Der nächste Zug wird ganz anders aussehen. Woanders hinfahren. Und ich werde ein Auge zudrücken. Das vermindert die Gefahr, Sand hineinzubekommen.


    Grüssli von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Zitat

    Original von blaustrumpf
    Ja, das Gefühl kenne ich allzu gut: Da ist ein Text, der braust nur so dahin – und ich hab den Zug verpasst, schaue ihm nach und krieg Sandkörner ins Auge, wenn nicht gar noch Schlimmeres. Und dann kommen so ein paar Klugschwätzer schauen den Schlusslichtern nach und sagen, das war doch der Orient-Express, legendärer Zug, Luxus, schöne Frauen, Champagner und Kaviar … Aber ich habe immer noch Sand im Auge.


    Um mal in der Metapher zu bleiben: Oft liegt es ja nicht am eigenen Zeitmanagement, dass ich allenfalls nur noch die Schlusslichter sehe. Manchmal ist es der Zubringerzug, das trödelnde Postauto, die Baustelle auf dem Weg zum Bahnhof. Das Resultat bleibt gleich: Sand im Auge.


    Was also ist zu tun? Eigentlich nicht viel. Vielleicht überlege ich, ob ich überhaupt mit diesem Zug mitwollte. Oder mitwill, wenn er wieder fährt. Kann ja sein, dass ich Kaviar nicht vertrage und Champagner nicht mag. Und selbst, wenn sonst alles stimmt: Bleibe ich eben. Der nächste Zug wird ganz anders aussehen. Woanders hinfahren. Und ich werde ein Auge zudrücken. Das vermindert die Gefahr, Sand hineinzubekommen.


    eindeutig das beste, was ich hier in letzter zeit gelesen habe!


    bo, der schleimer ;-)

  • hallo, flashfrog


    also, bitte, nach meiner erfahrung qualifiziert ein literaturstudium unter anderem eben auch zu aushilfsjobs in der gastronomie. okay, das war nicht fein, gebe ich zu.
    aber wo steht denn, bitte, dass jeder text von jedem/jeder verstanden werden muss? es gibt genügend, zu dem ich beispielsweise keinen zugang finde. als beispiel sei hier "moby dick" genannt, den ich bis auf wenige seiten einfach nur öde finde. dabei habe ich unter anderem anglistik und englische literatur studiert.
    mit anderen worten: okay, du findest keinen zugang zum "meter in der zuversicht". ja, und? macht doch nix. das macht weder dich noch den text schlechter.


    grüssli, blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Zitat

    Original von flashfrog
    Wenn ein Text hier so über den grünen Klee gelobt wird, ich ihn aber trotz mehrmaligen Lesens und Literaturstudiums nicht verstehe, frage ich mich einfach mit weit aufgerissenen Augen, warum dem so ist.


    Nun, ich habe den Text auch über den grünen Klee gelobt.
    Ohne Literaturstudium, aber immerhin nach mehrmaligem Lesen. :-)
    Der Text hat mich erreicht. Mich spricht diese Spiel mit abstrakter Distanz und Nähe an, bildlich ausgedrückt durch diesen konkreten Meter. Das finde ich kreativ und habe es in der Form noch nicht gelesen.


    Zudem kommt emotional auch einiges rüber, nämlich erstaunte Unsicherheit und Zerrissenheit, aber auch Hoffnung. Zumindest lese ich das so. Aber ich bin auch nicht der Meinung, den Text vollständig verstanden zu haben. Er wirkt -für mich- auch ohne eine Erklärung für das letzte Komma oder ein einzelnes Wort.


    Warum Dich der Text nicht erreicht, kann ich Dir auch nicht sagen, vielleicht ist es auch nur momentan nicht der richtige Text für Dich.
    Manche Texte sprechen mich auch nur in bestimmten Lebenssituationen an. Andere werden mich nie erreichen. Aber ich mache mir damit keinen Stress, wenn ein Text nicht so auf mich wirkt, dann bekommt er manchmal eine zweite Chance. Manchmal bleibt er auch für immer abgehakt.


    :wave

  • Zitat

    Original von Tom
    Kann es sein, daß Ihr überhaupt nicht den Text besprecht? :wow


    Ich überlege gerade, wie Du das meinen könntest, Tom.


    Inhaltlich? Ja, das fällt mir schwer, mich zum Text inhaltlich zu äußern.
    Meine Begründungen dafür, dass mir der Text gefällt, halte ich für ziemlich mau.


    Aber der Text wirkt auf mich. Das wollte ich zum Ausdruck bringen.


    :wave

  • Nun, warum mir der Text gefällt, kann ich sagen - aber es ist nicht einfach.


    Waldläufer knüpft für mich an eine literarische Tradition an, die inzwischen (leider) kaum noch präsent ist - z. B. Gertrude Stein oder Meret Oppenheim. Gerade bei Gertrude Stein war die Wortwiederholung ein wichtiges Stilmittel, und das sehe ich hier angewendet - es ist rhythmisiert, abstrakt, ohne, das ist das Wesentliche, den Inhalt zu vergessen. Die Sprache hat eine eigene, persönliche Ästhetik. Es ist aber ein Experiment auf *sehr* hohem Niveau, das zu einer eigenen Sprachästhetik führen kann.


    Nächtliche Grüße,
    Marcel

  • Zitat

    Original von flashfrog
    Sorry, ich wage eure Verzückung ja kaum zu stören, aber mir zumindest ist nicht recht klar, wer hier auf den zuläuft. Oder nicht. Oder davon. Oder warum. Mit wem. Zuzeiten. Oder.
    In. Ewigkeit. Verschwurbelt? ;-)


    :write :wow :write :wow :write


    Dachte erst, nur ich könne mit dem Text nichts anfangen?


    Gut zu wissen, dass nicht nur ich ihn verschurbelt finde (schöne Wortschöpfung übrigens :lache)


    Vielleicht muß man sich ja in irgendwelchen abgehobenen Sphären befinden, um so etwas zu verstehen? :gruebel