Ich klage an!!!

  • Ersthelfer?
    Ich klage an!


    Wie kann das sein, ich sitze hier
    Auf meinem Teller dampft die Gans
    Und plötzlich liegt der neben mir
    Wie hieß er gleich noch? Peter? Franz?


    Sein Gesicht ist in das Glas gedrückt,
    die Birne wird ihm schon ganz blau.
    Des Nachbars Witz hat mich verzückt.
    Wen kümmert schon die arme Sau.



    Ach, ich lass die Wirtin springen,
    der Kerl war eh schon viel zu alt,
    warum noch um sein Leben ringen?
    Oh je, mein Essen wir ganz kalt!


    Wir freuten uns auf diese Nacht,
    Was könnt es so gemütlich sein.
    Jetzt hat er’s uns kaputt gemacht,
    Was fällt dem blöden Kerl auch ein,


    Und diese doofe Feuerwehr?
    Rennt rein und schmeißt uns raus!
    Macht es Euch doch nicht so schwer.
    Mit dem ist’s eh schon aus.


    Was hätte ich denn machen sollen?
    Es war’n noch Andre mit am Tisch!
    Ich hatt’ ja wirklich helfen wollen,
    doch andrerseits: Was kümmert’s mich?


    Er hat das Fest nicht überlebt
    Und mir entging ein leck’res Mahl!
    Ober er jetzt über allem schwebt?


    -IST MIR DOCH SCHEIßEGAL-



    Meddi Müller



    § 323c Strafgesetzbuch
    Unterlassene Hilfeleistung
    Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

  • @ flashfrog: Ich stimme dir zu, was das Auseinanderdriften von Inhalt und Form angeht. Allerdings habe ich darüberhinaus auch einige handwerkliche Bedenken. Wenn ich schon einen klassischen Kreuzreim verwende, muss das Metrum auch stimmen. Und "mich" reimt sich nur für manche Rheinländer auf "Tisch"...


    Also: Ich klage auch an. Den Dichter. Und mich: Weil ich das Gedicht schon einmal gelesen hatte, ohne erste Hilfe zu leisten ;-)

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Hmm, ernstes Thema in Reimform gebracht. Also mich stört die Form weniger. Ok, es holpert ein wenig und ist sicher auch verbesserungsfähig. Allerdings geraten derart ernste Themen auch leicht etwas moralinsauer und so ein Eindruck wäre für meinen Geschmack weitaus schlimmer.

  • Der Text greift ein wichtiges Thema auf. Keine Frage. Er spitzt die Frage, wie egal uns unsere Nächsten sind, in einem beredten Beispiel zu. Indem die Perspektive so gewählt wird, dass sie Widerspruch fordert, regt der Text zu selbigem an...
    So weit so schön.


    Handwerklich entdecke ich jede Menge Mängel. Der Text findet keinen durchgängigen Rhythmus, der zur gereimten Form aber dazugehört.
    Satzbau, Interpunktion und Grammatik werden vergleichsweise frei gehandhabt... Das ist Geschmackssache, mir gefällt es nicht.


    Inhaltlich zu widersprechen fällt natürlich schwer. Aber der Text ist mir zu plakativ, zu sehr schwarz-weiß. Der Text verkennt völlig die Situation, die Zeugen von Unfällen, Anfällen oder ähnlichen Schadensereignissen erleben. Hier wären Recherchen hilfreich gewesen. Die gute Absicht wird auf diese Weise völlig konterkarriert. Die Übertreibung, die man als bewußte Zuspitzung werten könnte, ist überzogen. Sie wird derart irreal, dass das gesamte Gedicht daunter leidet. Völlig unpassend und gegen alles andere, was das Gedicht sonst bringt kommt jener Satz: "Ich hatt’ ja wirklich helfen wollen," - Was soll das? Das ist doch bescheuert! Entweder ist es ihm .....egal, oder er hätte helfen wollen.


    Mag sein, dass das so oder so ähnlich erlebt wurde. Um die Sache literarisch wirkungsvoll und glaubhaft zu machen, gehört mehr dazu, als das in mehr oder weniger gelungene Verse zu bringen. Trotz Überhöhung muss es stimmen.


    Ich wiederhole: Recherchen über Menschen in besonderen Situationen wären hilfreich gewesen. Es hätte dem Text gut getan, wenn Form und Inhalt aufeinander abgestimmt worden wären.
    Es wäre der Sache dienlich, wenn weniger Beschimpfung stattfände als Motivation zum Helfen.


    Und zum Schluß die Frage an jeden, der da mit Steinen wirft: Wie hättet ihr reagiert? Ganz ehrlich!!! Geht mal in euch!! -...


    Nun habt ihr nachgedacht, dann zitiere ich Euch noch etwas ...: "Wer von Euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein." (Johannes - Evangelium, Kapitel 8, Vers 7) ....

  • Zitat

    Nun habt ihr nachgedacht, dann zitiere ich Euch noch etwas ...: "Wer von Euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein." (Johannes - Evangelium, Kapitel 8, Vers 7) ....


    Sorry, aber sind wir jetzt zum Christenforum mutiert? :wow

  • BJ ich denke der Satz ist auch für Nichtchristen verständlich. Ansonsten betrachte ihn bitte als meine ganz persönliche Meinung.

  • @BJ
    In meine Augen hat licht das gleiche Recht, das Forum hin und wieder mit seiner Kanzel zu verwechseln, wie Du es hin und mit dem Kasernenhof verwechselst.



    zum Topic


    ich finde das Gedicht ziemlich gut. Ich mag den Ärger, offen wie untergründig, der zum Ausdruck kommt.


    'Tisch' und 'mich', ja, darüber kann man streietn


    Ach, neige
    Du Schmerzenreiche ...


    :grin


    Johann Wolfgang durfte auch.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Meddy : Wenn Du diesen Text mal spaßenshalber in Prosaform bringst (drei Zeilen dürften ausreichen), merkst Du, wie fad er letztlich ist. Die Botschaft ist holzhammermäßig direkt und gleichzeitig minimalistisch, weshalb der Text bei mir nur Widerwillen auslöst.

  • Tom


    Eugen Roth wurde berühmt mit solchen 'Gedichtchen', um nur einen zu nennen.


    Nicht daß ich so etwas lese, aber in dem Kontext ist Meddis Beitrag kaum schlechter.
    Es geht um Publikumswirksamkeit, die Moooooraaaaal.
    Es wirkt.


    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • magali : Sorry, aber ist dieser Vergleich wirklich ernstgemeint? :wow


    Ein Mensch hat eines Tags bedacht
    was er im Leben falsch gemacht
    und fleht genarrt von Selbstvorwürfen
    Gut machen wieder es zu dürfen
    die Fee die zur Verfügung steht
    wenn sich's wie hier ums Ändern dreht
    erlaubt ihm drum auch augenblicks
    die Richtigstellung des Geschicks,
    Der Mensch besorgt dies außerst gründlich
    merzt alles aus was dumm und sündlich
    doch spürt er daß der saubren Seele
    ihr innerlichstes Wesen fehle und scheusslich
    gehts ihm auf die Nerven
    er hat sich nichts mehr vorzuwerfen
    und niemals wird er wieder jung
    im Schatten der Erinnerung.
    Dummheiten fühlt er, gibts auf Erden
    nur zu dem Zweck gemacht zu werden.


    (Eugen Roth)

  • Ich fürchte, horribile dictu, daß ich das in letzter Konsequenz ernst meine.


    Sprachlich ist Roth unstreitig meilenweit überlegen.
    Inhaltlich wirkt er auf mich von jeher nur moralisierend.
    Um es höflich auszudrücken.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von licht
    Der Text findet keinen durchgängigen Rhythmus, der zur gereimten Form aber dazugehört.


    Tut es? Nö, tut es nicht. Ich verwende gern Rhythmus- und Tempowechsel, um etwas Inhaltliches zu betonen, verschiedene Sprechstimmen oder Sinneinheiten von einander abzugrenzen.
    Solange man nicht über ein Silbenchaos stolpert - und das tue ich hier nur an einer Stelle, - finde ich das in einem Gedicht, in dem es um Brüche geht, ok.


    Was mich (und vermutlich auch die meisten anderen hier, die sich über Moralapostelei beklagen) wirklich stört, ist, wenn ichs näher bedenke, eigentlich hauptsächlich der Titel (inkl. Threadtitel) und die Erläuterung unter dem Gedicht. Das hätte es nicht gebraucht, wir (Leser) verstehen auch so, worum es geht, ohne dass man uns die Moral von der Geschicht nochmal zweimal explizit unter die Nase reibt.
    Mit einem lakonischen Titel, der zum Ton des Gedichts passt ("Dumm gelaufen" oder "Das letzte Abendmahl" (falls Babyjane nix dagegen hat:grin ) oder sowas) könnte der Text besser funktionieren.


    PS: Nix gegen Eugen Roth!
    :-)

  • @ Flashfrog
    Den Seitenhieb hättest du dir sparen können.
    Ich war lediglich von den doch immer mal wieder in Lichts Beiträgen auftauchenden religiösen Hinweisen genervt.
    Dazu seine eigene Widersprüchlichkeit, nervt einfach.
    (Soll ich bezüglich des Rhythmusses wirklich zu seinem "Du"-Gedicht verlinken? Besser nicht... :grin )


    Das geht so weit, daß der User Licht für mich nicht meh existent ist. :-]

  • Jane,


    Du allerdings läßt auch keine Gelegenheit aus, anzumerken, wie wenig Du mit diesem Thema anfangen kannst.


    Leben und leben lassen ist mein Motto. Ich lese auch nicht jedes Statement hier (vom Kommentieren gar nicht erst anzufangen....). ;-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Batcat


    Richtig, weil wir hier nicht bei den jungen Christen heute, sondern bei der Büchereule sind und das der ein oder andere gerne vergißt.
    Hin und wieder komme ich mir wie in einem Kirchenrekrutierungsforum vor. :grin

  • Zitat

    Original von Babyjane
    (Soll ich bezüglich des Rhythmusses wirklich zu seinem "Du"-Gedicht verlinken? Besser nicht... :grin )


    Mach doch.
    Wird weder Licht noch mich - noch andere stören.
    Und dann kann ich vielleicht auch nochmal was über transitive Verben erzählen.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Richtig, weil wir hier nicht bei den jungen Christen heute, sondern bei der Büchereule sind und das der ein oder andere gerne vergißt.
    Hin und wieder komme ich mir wie in einem Kirchenrekrutierungsforum vor. :grin


    Ich mir nicht. Weder in der passiven noch in der aktiven Rolle. :rolleyes

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Vielleicht sollte der Thread in die Abteilung Politik/Weltgeschehen verschoben werden... ;-)


    Zum Gedicht selbst: Hmm... ich deute es mal als Versuch ein ernstes Thema in Gedichtform satierisch/ironisch/... darzustellen. Aber irgendwie wirkt dieser Versuch zu aufgesetzt...
    Das mit dem Tempowechsel und den erzwungenen Reimendungen finde ich gar nicht so schlimm, mich stört die plumpe Ausdrucksweise. (I'm sorry, das ist nicht bös gemeint) Die Worte finde ich manchmal echt unglücklich gewählt.


    Ich weiß nicht, sag mal Meddi, ist da vielleicht irgendetwas zum Fest bei dir vorgefallen, oder warum postet du gleich den Gesetzesauszug gleich mit? Da ist doch sicher was im Busch...