'Das Paradies der Assassinen' - Seiten 188 - 374

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    Original von Friderike
    Hattin - Da war ich auch gerade. :-)
    Jetzt zeigt sich wirklich deutlich, das Lusignan (nennen wir ihn doch so, damid keine Guy/Guido-Verwirrung aufkommt :grin ) eine Pfeife ist.
    Nun hat er neben seiner Entscheidungsschwäche auch noch eine schlechte Menschenkenntnis und vertraut genau den falschen Beratern.


    Es mag noch andere Motive gegeben haben. Demurger (S. 126) zB erwähnt, daß Ridefort eigentlich widerrechtlicherweise einen Teil der Gelder, die König Henry II von England den beiden Ritterorden zur Aufbewahrung für seinen eigenen (nie stattgefundenen Kreuzzug) gegeben hat, dazu verwendet hat, ca. 4-5000 zusätzliche Soldaten für den Herrbann anzuwerben. Das Geld mag vielleicht auch eine Rolle gespielt haben, daß sich Lusignan für Rideforts Meinung entschieden hat. Oder er war einfach der überzeugendere. Oder er hatte das letzte Wort.


    Zitat

    Die Templer kommen in Berlings Schilderung gerade in dieser Schlacht besonders schlecht weg: Erst veranlassen sie Lusignan, wider jeglicher Vernunft, ihren strategisch günstigen Lageplatz aufzugeben und in die Schlacht um eine relativ unbedeutende Stadt - Tiberias - zu ziehen. Dann machen sie als Verursacher dieser unüberlegten Situation auch noch schlapp, ohne sich bis an das notwendige Wasser vorzukämpfen.
    Das ist sicherlich nicht so überliefert, oder? Aber einer muss ja an dieser verheerenden Niederlage schuld sein und bei Berling sind es diesmal die Templer.


    Das steht auch genauso bei Runciman und macht mich schon etwas stutzig. Denn die Ordensritter waren die Elitesoldaten, daß von allen ausgerechnet die Templer und offenbar nur die Templer schlapp gemacht haben, kann ich fast nicht glauben.
    Vielleicht ist es einfach günstig, ihnen auch noch das in die Schuhe zu schieben, da sich ohnehin alle darauf geeinigt haben, daß sie durch Ridefort die Schuld an diesem Debakel haben. Oder Ridefort hatte einen heftigen Todeswunsch und hat das als Grund vorgeschoben. Leider ist Runciman mein einziges Kreuzzugsbuch, hier hätte ich gerne eine Vergleichsquelle.
    Demurger erwähnt davon nichts. Er erwähnt dafür, daß die Templer am Tag danach, als es zur Katastrophe kam, in der Nachhut Reiterangriffe führten, für die sie von den anderen keine Unterstützung bekamen. Klingt eigenartig, wenn man bedenkt, daß sie am Tag davor offenbar allesamt schlapp gemacht haben. Interessanter Punkt, den muß ich mir merken.
    Ich sage nicht, daß es nicht sein kann, ich sage nur, daß es mir komisch erscheint.


    Zitat

    Wenigstens ist der Chatillion nicht mehr. Dafür haben wir jetzt einen "Herrn Thomas", der charakterlich ohne große Mühe die dramaturgisch entstandene Lücke auffüllt. :grin


    Chatillons Bild hier fand ich sehr interessant. Seine Zügellosigkeit und seine Gier und seine scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen seiner Taten wurde nicht verschwiegen, aber wirklich ungut kam er für mich nicht rüber.
    Aber gut, ich mag ja auch Husain später ...


    Aber gerade bei diesen Erzschurken wie Chatillon und Ridefort frage ich mich oft, was ist Überlieferung und was ist wahr?

  • Zitat

    Original von Grisel
    [Demurger (S. 126) zB erwähnt, daß Ridefort eigentlich widerrechtlicherweise einen Teil der Gelder, die König Henry II von England den beiden Ritterorden zur Aufbewahrung für seinen eigenen (nie stattgefundenen Kreuzzug) gegeben hat, dazu verwendet hat, ca. 4-5000 zusätzliche Soldaten für den Herrbann anzuwerben.


    Ist "Herrbann" ein Schreibfehler oder was verbirgt sich dahinter?


    Zitat

    Original von Grisel
    Chatillons Bild hier fand ich sehr interessant. Seine Zügellosigkeit und seine Gier und seine scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen seiner Taten wurde nicht verschwiegen, aber wirklich ungut kam er für mich nicht rüber.
    Aber gut, ich mag ja auch Husain später ...


    Aber gerade bei diesen Erzschurken wie Chatillon und Ridefort frage ich mich oft, was ist Überlieferung und was ist wahr?


    So richtig objektive Geschichtsschreibung wird es wohl nicht geben. Die Chronisten hatten sicherlich auch ihre Lieblinge auf der einen und "Feindbilder" auf der anderen Seite. Berling nutzt in seinen Büchern ja sehr oft Chronisten, auch um die Handlung zu erklären. Ich finde, dass er das gut macht. In den Gralsbüchern war es ja William Roebruk (args, bin mir mit der Schreibweise des Nachnamen unsicher) und Jean de Joinville. Hier ist es An-Nasir, aber der ist im Gegensatz zu seinen Grals-Kollegen wohl fiktiv?


    Chatillon fand ich als Person nicht so spektakulär. Aber in der Szene, als er das erste (und m. E. einzige Mal) auf Husain traf, war mein spontaner Gedanke: "Da haben sich jetzt zwei gefunden..."


    :wave

  • Zitat

    Original von Friderike
    Ist "Herrbann" ein Schreibfehler oder was verbirgt sich dahinter?


    Grisel, die zu faul war, sich ein anderes Wort zu überlegen und Demurgers geborgt hat. :grin
    Ich denke aber, schlicht und ergreifend Heer oder Armee tun es hier auch. Kampftrupp. Such Dir was aus.


    Zitat

    So richtig objektive Geschichtsschreibung wird es wohl nicht geben. Die Chronisten hatten sicherlich auch ihre Lieblinge auf der einen und "Feindbilder" auf der anderen Seite.


    Natürlich, man muß alles mit einer gewissen Skepsis lesen. Aber sich auch irgendwo festhalten müssen. Die Frage ist halt, lesen wir deshalb immer vom dümmlichen Lusignan, teuflischen Chatillon und rachsüchtigen Ridefort, weil sie so waren, oder weil es einfach der eine brav beim anderen abgeschrieben hat?
    Daß die drei Herren in dem ganzen Debakel ein paar Böcke geschossen haben, scheint klar. Die Frage ist, haben sie alle geschossen, die ihnen zur Last gelegt werden?


    Zitat

    Berling nutzt in seinen Büchern ja sehr oft Chronisten, auch um die Handlung zu erklären. Ich finde, dass er das gut macht. In den Gralsbüchern war es ja William Roebruk (args, bin mir mit der Schreibweise des Nachnamen unsicher) und Jean de Joinville. Hier ist es An-Nasir, aber der ist im Gegensatz zu seinen Grals-Kollegen wohl fiktiv?


    Ist er, da bin ich mir ziemlich sicher.


    Zitat

    Chatillon fand ich als Person nicht so spektakulär. Aber in der Szene, als er das erste (und m. E. einzige Mal) auf Husain traf, war mein spontaner Gedanke: "Da haben sich jetzt zwei gefunden..."


    Das erklärt wohl, warum ich für beide eine Schwäche habe. :lache


    Aber sogar Ridefort zeigt hier, bei Berling, IMO einen Anflug von Charakter, als er sich nach dem Schicksal seiner Männer erkundigt - auch, wenn er es nicht teilen will.

  • Der Chatillon ist meiner Meinung nach, jetzt wo ich so weit bin, die faszinierendste Person des Buches, er bekennt als einziger Farbe und steht zu seiner Person, bleibt sich selbst treu und geht in den Tod.

  • Zitat

    Original von buttercup
    Schön fand ich, als Chatillon Jaluddin gegenüber von Husain Ad-Din Marzipan spricht :lache


    Das gefällt mir :grin, hab ich aber glatt überlesen. :wow

    Viele Grüße
    Shirat


    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere. (Groucho Marx)

  • So, zweiter Versuch, nachdem mein erster Versuch beim Zurücksetzen auf die Forensicherung zum Opfer fiel.


    Ich gestehe ehrlich ein, daß mir dieser Berling einiges an Schwierigkeiten bereitet. Wie Euch alle, stört es mich doch sehr keine Zeitangaben zu haben (und ich lese nun mal nicht gerne vor dem Computer). Ok, eine Alternative wäre Runciman gleich mit dazu zu nehmen. Aber dennoch. In einem Roman versucht mir der Autor eine Geschichte zu erzählen. Und zu einer Geschichte gehört nun mal auch eine Vorstellung der zeitlichen Abfolge.


    Ich gebe auch zu, daß ich als ich letzte Woche krank war, dann doch zu einem Zweitbuch greifen mußte, weil mir Berling da einfach zu anstrengend war.


    Des weiteren habe ich nach wie vor das Problem, daß mir die Charaktere nicht griffig genug sind. Am Besten ausgearbeitet erscheinen mir Kira, Sayf, An-Nasir und Saluddin (der ja etwas Geheimnisvolles haben muß). Ich habe mich auch gefragt, warum das so ist. Ich vermute, daß es daran liegt, daß mir die Geschichte zu temporeich erzählt ist. Berling entwickelt diesmal nur wenig über Dialoge sondern faßt große Teile der Handlung in relativ kurzen Abhandlungen zusammen.


    Sehr gut gefallen hat mir in diesem Abschnitt, daß zum Ende hin endlich wieder dieser leicht ironische Ton da ist, den ich von der Grals-Pentalogie kenne und schon ein bißchen vermißt habe.


    Bisher für mich also leider ein Berling, der erzählerisch nicht an die Grals-Pentalogie herankommt.

  • Zitat

    Original von Pelican
    Bisher für mich also leider ein Berling, der erzählerisch nicht an die Grals-Pentalogie herankommt.


    Das wird ihm so schnell wohl nicht noch mal gelingen. War ein viel "epischeres" Werk, denn hier haben wir zwar auch viele Handlungsstränge, aber doch alle auf gleichem Raum und im Dunstkreis der politischen Ereignisse. In den Gralsbüchern gibt es zwar stets ein herausragendes politisches Ereignis, das im Mittelpunkt steht, aber auch die anderen spielen eine Rolle.
    Die Einzelromane seither sind in gewisser Weise, verglichen damit, immer noch "Berling light", was ich jetzt aber nicht als Qualitätsurteil verstanden haben möchte, da mir "Die Ketzerin" und auch "Das Kreuz der Kinder" in ihrer enger gefassten Dimension qualitätsmäßig durchaus vergleichbar erschienen sind.

  • Die Ketzerin kenne ich ja nicht, aber Du hast Recht, im Vergleich zu "Das Kreuz der Kinder" ist es auf gleichem Niveau. Wobei ich Berling-Einsteigern dann eher "Das Kreuz der Kinder" empfehlen würde, weil die fehlenden Zeitangaben bei "Das Paradies der Assassinen" einem Neuling das Leseleben doch arg schwer machen.

  • Wobei sich gleicher Neuling dann über die beiden parallelen Zeitebenen freuen kann. :grin
    Ich fand "Das Kreuz der Kinder" besser, gerade weil er sich da ein bißchen mehr Zeit gelassen hat, seine Geschichte auszubreiten.
    Aber, beide erst einmal gelesen, wirklich wissen werde ich das erst beim zweiten Mal in einem zivilisierten Lesetempo.