Roger Willemsen - Ein Schuss, ein Schrei, Das Meiste von Karl May (Gedichte)

  • Klappentext:


    Dreiundzwanzig Bände Karl May, komprimiert in dreiundzwanzig Gedichten von Roger Willemsen und illustriert mit historischen Karl-May-Abbildungen.


    Den Westen malte er banal,
    Den Osten bestenfalls trivial.
    Wovon er schrieb, das sah er nie:
    Alles bloße Phantasie.
    Zum Lachen ging er in den Keller,
    Deutschlands großer Volksschriftsteller.
    Im Knast schrieb er aus Langeweile –
    Halt! Das sind alles Vorurteile!


    Meine Meinung:


    Ich habe im Theater das „Maysical“ gesehen und möchte euch - sofern ihr feine Ironie und eine gewisse Skurrilität zu schätzen wisst - dieses Buch oder besser noch das Hörbuch ganz heiß empfehlen.


    Maysical – das heißt: Roger Willemsen trägt die Gedichte aus diesem Buch vor und bringt den Humor, der in den Versen steckt, ganz hervorragend rüber. Für die Zwischentöne sorgen Anna und Ines Walachowsky an zwei Konzertflügeln. Ich hatte Vorurteile, denn es fiel mir schwer, Roger Willemsen mit Karl May in Verbindung zu bringen. Auch wusste ich nicht, wie witzig Willemsen sein kann. Ich habe viel gelacht und bereits in der Pause das Buch zum Maysical gekauft.

  • Ich bin auch begeisterter Maysical-Hörer. Erstmals hörte ich eine verkürzte Radio-Version (55 min) auf WDR 5. Obwohl ich die Veranstaltung damals mitgeschnitten hatte, habe ich mir die Doppel-CD gekauft. (Ja verehrte Musikkapitalisten, so sind wir Internetfreaks, wir wollen gar nicht alles für umsonst.)


    Ich finde, es ist Willemesen vor allem hoch anzurechnen, dass er den komprimierten May in tradierte und gesetzte Textformen bringt, die er - vermutlich im Gegensatz zu so manch modernem Dichter - beherrscht. Zusammen mit der außergewöhnlichen Auswahl an Musikstücken entsteht ein ganz eigenes wie originelles Klangbild.

  • Karl May – ein absolutes Phänomen zur damaligen Zeit, immerhin erschuf er die Helden vieler Kindheiten, ohne je einmal einen Fuß aus Deutschland zu setzen. Winnetou, Old Shatterhand, Old Surehand, Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud Al Ghossarah waren Alltag in vielen Kinderzimmern, mit ihnen erlebte man die größten Abenteuer, begrub Freunde wie Feinde und erlebte Aufregendes, bis das Böse besiegt war. So mancher blieb dabei auf der Strecke, ein langes Leben war zu der Zeit nicht vielen gegeben. Solange unsere Helden siegreich daraus hervorgingen wurde ihnen alles verziehen. Älteren Lesern fielen dann auch die vielen skurrilen Nebencharaktere auf, die oft viel interessanter waren als die ewig glatt gebügelten Helden.


    Doch auch sein Natur-Verständnis
    fördert seine Selbsterkenntnis,
    so wie er es selbst bezeugte:
    Als ich mich zum Wasser beugte,
    mich im Spiegel schillern sah,
    war nur der Gedanke da:
    Komisch, vage ähnelt dies
    der Erscheinung von Pierre Brice. (Seite 50)


    Dreiundzwanzig Büchern nimmt sich Roger Willemsen an, fasst sie in Versen und reimt, dass sich die Balken biegen. Dazu scheut er auch nicht Vergleiche mit modernen Zeiten, aktuelle politische Ereignisse erwähnt er genauso wie die vergangenen Zeiten, in denen Karl May seine Epen verfasst hat. Wer aber jetzt glaubt, er braucht die Bücher nicht mehr zu lesen, der irrt, denn die Reime sind teilweise so hanebüchen, dass man vom Inhalt wenig erkennt. Was ja auch nicht einfach ist, denn die Inhalte der Karl May Bücher ähneln sich in großen Teilen. Unrecht passiert, die Helden kommen, meistens gibt es vorher schon Tote, das Abenteuer beginnt, bis das Böse besiegt ist und die Helden wieder einmal in den Sonnenuntergang reiten – auf zum nächsten Abenteuer. Flüssig zu lesen ist es auch nicht, bei so manchem braucht man schon mehrere Blicke, um den Sinn zu erkennen. Leider flüchtet sich Willemsen oft in Allgemeinplätzen und Klischees, er schwafelt – zwar meisterlich in Versen – sagt damit aber nicht wirklich viel aus.


    Trotzdem lohnt es sich, weitere Blicke in das Büchlein zu werfen, das für seine Dicke allerdings auch etwas teuer ist. Willemsen versteckt Witziges gekonnt zwischen den Zeilen, er zieht Parallelen zum heutigen Leben und zu so manchem Sinnspruch kann man nur bestätigend nicken. Zusätzlich analysiert er auch noch in kurzer Form Mays Werke, sein Leben und seine Intention. Es stecke eine Menge drin in den Versen – man muss sich nur die Mühe machen und es auch finden.


    Fazit


    Eine vergnügliche Ergänzung – für Karl May Fans auf jeden Fall. Neulinge bekommen auch nicht zu viel verraten, die Ereignisse muss man sich schon aus der Verssprache zusammenklauben. Da Willemsen allerdings auch nicht bis ins kleinste Detail geht und sich alles auch so zurechtschneidet, dass es in Verse passt, bleibt einem doch nichts anderes übrig, als zu einem wahren Karl May zu greifen, um für sich selber zu vergleichen, wieviel Wahres und Passendes die Verse enthalten.