Ryu Murakami - In der Misosuppe

  • Ryu Murakami: In der Misosuppe, KiWi Taschenbuch, 206 Seite, 8,90€


    Offizieller Text über das Buch:
    Präzise, schonungslos und scharf wie ein Sashimi-Messer. Kenji führt Touristen durch Tokios Rotlichtviertel. Frank ist Amerikaner und Kenjis Kunde. Er ist fasziniert von der Atmosphäre der Stadt und vom erhabenen Klang japanischer Worte - und er ist fasziniert von Gewalt. Die letzten drei Tage des Jahres. Wie immer drängeln sich in Kabuki-cho, Tokios bekanntem Rotlichtbezirk, sexhungrige Freier durch die vom flackernden Neonlicht erfüllten Häuserschluchten. Minderjährige Mädchen verabreden sich zum Sex mit »väterlichen Freunden«. Auf der Straße werben Anreißer für Peepshows, Dessous-Bars und Massagesalons. Eine Welt mit einem eigenen Code. Jene, die ihn nicht verstehen, wenden sich an Kenji. Kenji ist zwanzig und Nightlife-Guide. Er übersetzt die Wünsche seiner Kunden und teilt ihnen die Konditionen der Anbieter mit. Die Leere und Einsamkeit der Menschen nimmt er ungerührt wahr und bleibt stets auf Distanz. Er weiß zwar, was ihm nicht behagt, doch er richtet nicht und greift nicht ein. Dann trifft er Frank, und zum ersten Mal weicht seine gewohnte Coolness einem nervösen Unbehagen. Eine Reihe scheinbar zusammenhangloser Kleinigkeiten formt sich in Kenjis Kopf zu einem Verdacht. Der Leser folgt Kenji durch die Straßen Tokios tief in die menschliche Psyche hinein.
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    Über den Autor:
    Ryu Murakami, geboren 1952 in Sasebo, war Schlagzeuger, Radiomoderator, Filmregisseur, Gastgeber einer Talkshow und Unternehmensberater. Noch als Student gelang ihm sein literarischer Durchbruch mit »Blaue Linien auf transparenter Haut«. Das Time Magazine zählt ihn zu den elf Menschen, die Japan revolutionieren könnten. In Europa wurde er durch seinen Film »Tokio Dekadenz« und die Verfilmung seines Romans »Audition« bekannt. Derzeit wird sein Roman »Coin Locker Babies« mit Val Kilmer und Liv Tyler verfilmt. Im Jahr 2000 erschien sein Roman »69«.
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    Meine Meinung:
    Ich glaube, es ist nachvollziehbar, dass ich ein Buch mit diesem Titel einfach lesen musste. Ryu Murakami dürfte weit weniger bekannt sein als der (nicht verwandte) Haruki Murakami, lediglich das Büchlein "69" erschien in deutscher Übertragung: Eine einfache Geschichte, fast beiläufig erzählt.
    "In der Misosuppe" ist anders. Geblieben ist die knappe und einfache Sprache Murakamis, die, passend zum Charakter, sachlich und distanziert wirkt. Wer den Film "Audition" kennt kann sich aber ungefähr vorstellen, was auf ihn oder sie hier zukommt. Es fällt mir schwer, die Erzählung in ein Genre einzuordnen. Die Geschichte ist schockierend und düster, ohne dass die Einsamkeit und Verlorenheit der Protagonisten grell überdeckt wird. Der klassische Thrillerleser wird wahrscheinlich enttäuscht werden, obwohl es ein Thriller ist, und auch der in der Ankündigung plakative "erotische Hintergrund" tritt deutlich zurück.
    Der Fokus liegt ganz auf der Beziehung zwischen Frank und Kenji, man folgt einem geschriebenen Film, der vor allem am Anfang einige dramaturgische Schwächen zeigt, die sich durch das starke letzte Drittel aber auflösen - mehr kann ich nicht sagen, ohne den "Effekt" der Geschichte herzugeben.


    Ich habe es in wenigen Stunden gelesen, atemlos, und das kleine Buch beschäftigt mich weiter. Ich weiß nicht, ob ich es empfehlen kann. Es ist "eigenartig" in seiner Stille, distanziert beschriebenen Brutalität, aber dann wieder auch verstörenden, aber genauen Psychologie.


    Einen Nachsatz zur Übersetzung: Ursula Gräfe übersetzt auch die Romane von Haruki Murakami; auf ein abschließendes Lektorat wurde offensichtlich wieder verzichtet. Glücklicherweise ist die Fehlerquote aber nicht ganz so hoch wie z. B. bei "Kafka am Strand".

  • Habe das Buch vor einigen Tagen gelesen und bin, ehrlich gesagt, froh, das es bereits ein so treffendes Review gibt, denn ich hätte wohl Schwierigkeiten gehabt, den Film in Worte zu fassen, den dieses Buch im Kopf anwirft.


    Dachte zunächst auch, das es wieder, wie in "69", eine eher beiläufig erzählte Geschichte ist, wie Nudelsuppe es treffend beschrieb. Man weiss wie Kenji den Amerikaner schlecht einzuschätzen, man friert mit den beiden auf dem Baseballtrainingsplatz.....und irgendwann überschlägt sich alles.


    Sehr faszinierendes Buch!

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    ... ob es Audition als deutsche Buchveröffentlichung gab?


    Hallo!


    Ich bin zwar nicht der Gefragte und der Beitrag ist nun ja auch schon einige Zeit alt, aber da ich gerade darüber gestolpert bin und letztens sowohl über Film als auch Buch: Zu Audition kommt diesen Frühling die Romanvorlage auf Deutsch (unter dem Titel "Das Casting".)



    "In der Miso-Suppe" war vor ein paar Jährchen mein erster Kontakt mit Ryu Murakami - und ist meiner Meinung nach sein bisher bester auf Deutsch vorliegender Roman; da ich damals noch weniger Kontakt mit härterer literarischer Kost hatte, bot mir das Buch doch einen kleinen schockierenden Aha-Effekt ... :schlaeger.


    Liebe Grüße, Folk

  • In der Miosuppe – Ryu Murakami


    Mein Eindruck:
    In der Miosuppe ist nach The Audition der zweite Roman, den ich von Ryu Murakami lese und wieder fühl ich mich vom Text tief in ein modernes Tokyo eingesogen, dass mir fremd ist.


    Der junge Fremdenführer Kenji führt an drei Tagen den US-Amerikaner Frank durch die Sexclubs und Bars Tokyos.
    Frank ist sonderbar. Manchmal wird sein Gesichtsausdruck ganz starr, dann wieder erzählt er etwas, was nicht zu stimmen scheint. Kenjis anfänglicher Verdacht, dass mit Frank etwas nicht stimmt, wird sich in der zweiten Nacht bewahrheiten.


    Teilweise ist der Roman ein ganz schöner Schocker, es steckt auch ein wenig Gesellschaftskritik drin, wenn auch mehr unter der Oberfläche versteckt (oder ich interpretiere es nur rein, auch möglich).


    Es geht um Grenzmomente. Wann kippt der alltägliche Zustand, der oft schon bizarr genug ist, in ein Extrem um und überschreitet alle Grenzen? Kenji muss schließlich auch sich selbst in Frage stellen. Diesen Momenten ist Ryu Murakami auf der Spur.


    Sein Schreibstil ist nüchtern, aber visuell. Man kann sich die Szenen gut vorstellen, nicht zuletzt denkt man an den Film Tokyo Dekadenz.


    Auf schlichte Art erzeugt der Autor dichte Atmosphäre. Es ist keine, in der man sich beim Lesen wohlfühlt, dafür vergisst man einige bestimmte Passagen nicht so schnell.