Zwar verkünde ich regelmäßig im Januar lauthals und mit fester Überzeugung, dass ich keine guten Vorsätze fasse, aber insgeheim blicke ich doch auf das vergangene Jahr zurück, wäge Misslungenes und Erfolgreiches gegeneinander ab und frage mich, welche Unwägbarkeiten die Zukunft für mich bereithält. In dieser besinnlich-statistischen Stimmung habe ich neulich in der Stadtbibliothek zur Ratgeberliteratur gegriffen.
Harriet Schechter – Entrümpeln Sie Ihr Leben, 2002
Aus dem Amerikanischen von Christina Haack (Let go of clutter)
3-478-08328-1
Dieses in optimistischem Mittelblau gehaltene Taschenbuch sprach mich äußerlich an: Der Titel hat, schon während man das Buch nach Hause trägt, einen reinigenden Effekt: Ja, jetzt sofort werde ich mich von allem Ballast befreien, der an mir hängt und mein müheloses Fortkommen behindert wie ein fetter Wal, der sich im Schleppnetz des Fischkutters verfangen hat.
Auch die Rückseite erzieht schon beim Angucken: Eine zeitlos-patente Frau in Stöckelschuhen (Büro?) und dunkelblauem Trägerkleid (Haushalt?) wirft überfüllte Aktenordner davon. Neben ihr der Slogan “Weg mit dem Krempel!”
Ja, sie hat Recht. Die Zeitschriftenecke ist voll, das Schuhregal bricht nur deshalb nicht zusammen, weil die Schuhliebhaber unserer Familie ihren Besitz neben dem Regal ausstellen, in jedem Raum findet sich ein Beweis für Wohlstandsmüll.
Leider, leider motiviert der schonungslose Blick auf die Missstände im eigenen Haushalt nicht zum sofortigen Handeln. Das weiß auch Harriet Schechter, und deshalb gliedert sie die Tipps zum Aussortieren in leicht abzuarbeitende Vorschläge:
Teil 1, “Die Vergangenheit”, klärt darüber auf, warum wir so und nicht anders mit unserem Krempel umgehen.
Teil 2, “Die Gegenwart”, liefert Vorschläge für den Umgang mit Papierstapeln, Dingen, die als passives Zeug (Vorräte), mobiles Zeug und dauerhaftes Zeug (Kleidung, Hausrat) bezeichnet werden, und schließlich sentimentalen Krempel, also Andenken.
Anders als Ratgeber, die einen zum radikalen Wegwerfen nötigen, fordert dieses Buch recht realistisch auf zu überlegen, wo Vorräte gelagert werden sollen und wieviel Platz dafür zur Verfügung gestellt werden soll. Ein Beispiel: Der Leser soll sich überlegen, an welchen Stellen der Wohnung er üblicherweise Bürokram erledigt. Genau dort, also in der Nähe aller aufgezählten Orte, soll er sich jeweils ein Bürokörbchen mit den Dingen füllen, die er sich zum Erledigen von Bürokram wünscht, also Schere, Briefumschläge, Kleber usw.
Teil 3, “Die Zukunft”, hilft zukünftigen Krempel nur noch kontrolliert ins Haus zu lassen. Ein Kapitel ist dem “mentalen Krempel” gewidmet, also den Themen, an die man sich entweder erinnern sollte oder die als “Zeug, das man vergessen sollte”, bezeichnet werden.
Von allen patent-energischen aus dem Amerikanischen übertragenen Ratgebern ist dieser einer, der aus meiner Sicht eine Menge umsetzbarer Tipps enthält und der berücksichtigt, dass Menschen eben nicht vollkommen sind oder fähig sind, dieses Ideal dank des frisch gekauften Buches schnell umzusetzen. Zum sofortigen Handeln regt das Buch auf jeden Fall an, einladend sind die zahlreichen Listen, die zum Mitmachen und Nachdenken auffordern. Comics, Kästchen und kurze Unterkapitel wirken auflockernd.
Im Vergleich zum Klassiker "Simplify your life":
Die Tipps sind praktischer und auf den Teilbereich "Krempel in der Wohnung" begrenzt. Andererseits: Wer wirklich findet, dass seine Wohnung zu voll ist, der sollte nicht zum Buch, sondern zum Müllsack greifen.
Lieben Gruß
polli