Agnes ist die Geschichte eines Schweizers, der in Chicago Recherchen für ein Buch über amerikanische Luxuseisenbahnwagen betreibt. In der Bibliothek lernt er die junge Physikerin und Mathematikerin Agnes kennen, die ein eher zurückhaltendes Leben führt. Er verliebt sich in sie und bald ziehen sie zusammen. Agnes wünscht sich, dass er ihre Liebesgeschichte aufschreibt, und diese Geschichte nimmt für sie bald einen ebenso großen Stellenwert ein wie die Realität.
Der Roman ist kurz, nur etwa 150 Seiten lang, in klaren, oft knappen Sätzen geschrieben und sehr gut lesbar. Am Ende allerdings hinterlässt er bei mir ein schales Gefühl. Die Geschichte ist traurig, niemand hat aktiv Hilfe für seine/ihre Probleme gesucht oder gefunden. Der Erzähler ist sich seiner Unzulänglichkeit bewusst. Aber wahrscheinlich wird sich nichts ändern - zumindest ist das das Gefühl, das bei mir entsteht. Und es bleiben eine Menge Fragen (siehe weiter unten)...
Würde ich dieses Buch empfehlen? Ich weiß es nicht. Es ist interessant, kein Zweifel, und sicher realistisch. Aber so hoffnungslos... Oder empfinde nur ich es so? Aber auf jeden Fall möchte ich noch einen weiteren Roman des Autoren lesen und sei es nur, um zu sehen, ob "die alle so sind".
Achtung, Spoiler:
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Der Ich-Erzähler gibt zu, sich frei zu fühlen, als Agnes ihn verlassen hat, obwohl er sie wirklich liebt. Geht es darum, dass ein Mensch wie er nicht erkennen kann, wie verstört seine Freundin wirklich ist? Dass er ihr weder helfen kann, noch überhaupt erkennen kann, welche psychischen Probleme sie hat? Oder fühlt er sich ohne sie frei, weil ihre Ängste ihn bedrücken? Welche Rolle spielt die Geschichte, die er schreibt und die sie "nachlebt"? Treibt er Agnes mit der Geschichte bewusst oder unbewusst in den Tod? Wünscht er sich ihren Tod? Jedenfalls unternimmt er nichts, um ihren Selbstmord zu verhindern, selbst als er erkennt, was sie vorhat und es vielleicht noch zeitig genug wäre. Als sie tot ist, beginnt er, immer wieder ein Video eines gemeinsamen Ausflugs zu schauen und sagt "Sie klammerte sich [...] immer enger an mich, je mehr sie sich fürchtete. Ausgerechnet an mich." Dass er ihr keine Hilfe sein konnte, ist ihm also klar.
Viele Grüße aus Köln
Jaleh