Die Korrekturen – Jonathan Franzen

  • Klappentext:


    Nach fast fünfzig Ehejahren hat Enid Lambert nur ein Ziel: ihre Familie zu einem letzten Weihnachtsfest um sich zu scharen. Alles könnte so schön sein, gemütlich, harmonisch. Doch Parkinson hat ihren Mann Alfred immer fester im Griff, und die drei erwachsenen Kinder durchleben eigene tragikomische Malaisen. Gary steckt in einer Ehekrise, Chip versucht sich als Autor. Und Denise ist zwar eine Meisterköchin, hat aber in der Liebe kein Glück.



    Über den Autor:


    Jonathan Franzen, 1939 in Western Springs/Illinois geboren, wuchs in Webster Groves/Missouri auf. 1988 veröffentlichte er den Roman „The Twenty-Seventh City“ und 1992 seinen zweiten Roman „Strong Motion“. Für seinen Roman „The Corrections“ hat er 2001 den National Book Award verliehen bekommen. Schon vorher hat ihn der „New Yorker“ auf die Liste der wichtigsten Schriftsteller des 21. Jahrhunderts gesetzt. Jonathan Franzen lebt in New York.


    Website des Autors


    Meine Meinung:


    Das Buch hat knapp 800 Seiten und nur sehr selten hatte ich das Gefühl, dass sich die Familiengeschichte in die Länge zieht.


    Enid und Al sind schon lange Zeit verheiratet, leben in ihrem eignen Heim in St. Jude und haben 3 erwachsene Kinder, die natürlich schon lange aus dem Haus sind. Alfred (= Al) hat Parkinson und Enid versorgt ihren Mann. Um endlich einmal dem chaotischen Leben zu Hause entfliehen zu können, bucht sie eine Reise auf einem Luxusliner. Kurz bevor es aufs Schiff geht, treffen sie noch ihre Kinder und Enid tut kund, dass sie sich nichts sehnlicher wünscht als ein gemeinsames letztes Weihnachten auf St. Jude.


    Die Schifffahrt wird nun ausführlich beschrieben, hierbei gibt es Szenen, die nicht immer ganz „stubenrein“ sind. Amüsant, welche Leute das Ehepaar kennen lernt und was sonst so auf dem Luxusliner geschieht.


    Zwischendurch werden die Lebensläufe der 3 Kinder geschildert. Gary, der zu Hause mit seiner Frau richtig Zoff hat. Chip, der Chaot, der beruflich nicht so sehr auf festen Beinen steht und die kleine Denise, die zwar zauberhaft kocht (mir lief so oft das Wasser im Mund zusammen), aber im Bett und in der Liebe noch nicht so recht ihren Zauberer gefunden hat.


    Enids Wunsch ein letztes gemeinsames Weihnachtfest auf St. Jude zu feiern, durchläuft das Buch als roter Faden. Ein letztes Weihnachtsfest deshalb, weil Al's Krankheit bereits so fortgeschritten ist, dass es Enid kaum noch schafft sich um ihn und das Haus zu kümmern. Lasst Euch überraschen, ob dieses Treffen zustande kommen kann.


    Die Charkatere sind allesamt wunderbar beschrieben. Jeder mit seinen eigenen Macken und dem Wunsch das Leben "korrekter" zu leben wie die Eltern.


    Ein amüsantes, tiefsinniges, trauriges aber auch sehr unterhaltsames Buch. Es bekommt von mir 8 von 10 Punkten.


    Ich habe lange überlegt, in welche Sparte diese Rezi passt, man könnte sie auch in Biographie einstellen.

  • Hm.. komisch, ich dachte auch dazu hätte ich damals eine Rezi geschrieben.... :wow


    Naja, hole ich das halt jetzt nach. :-]


    Zitat

    Die Charkatere sind allesamt wunderbar beschrieben. Jeder mit seinen eigenen Macken und dem Wunsch das Leben "korrekter" zu leben wie die Eltern.


    Ein amüsantes, tiefsinniges, trauriges aber auch sehr unterhaltsames Buch. Es bekommt von mir 8 von 10 Punkten.


    Das fand ich auch, allerdings war es mir manchmal doch ein wenig zu langatmig und ausführlich, aber ich bin ja eh nicht so der Familienbuchleser. Trotzdem hat mich das Buch hier total fasziniert, eben weil es neben aller Normalität auch ein wenig strange ist und weil es aus meiner Sicht ganz ohne Betroffenheitsgeschwurbel auskommt. :anbet

  • Friderike :
    Diese Szene habe ich gar nicht mehr in Erinnerung... :gruebel Aber es ist auch schon eine Weile her...


    Mich hat das Buch nachhaltig beeindruckt. Erst als ich es beendet und es sich "gesetzt" hatte, konnte ich sagen, es hat mir gefallen.
    Es sind viele Eindrücke und Befindlichkeiten, die niedergeschrieben und in einer Atmosphäre gefangen sind, die es nicht erlaubt zu beurteilen (ein bissl kompliziert ausgedrückt :grin). Erst nach dem Lesen konnte ich diese ganzen Eindrücke verarbeiten. Und dann hatte ich auch das Gefühl ein bisschen was verstanden zu haben, was mir der Autor sagen wollte.
    Meiner Meinung nach lohnt sich hier das "dranbleiben".

  • Zitat

    Original von SueTown
    Friderike :
    Diese Szene habe ich gar nicht mehr in Erinnerung... :gruebel Aber es ist auch schon eine Weile her...


    Ups, ich hoffe, ich bin im richtigen Buch. Nicht das ich mit jetzt total vertue und ein ganz anderes Buch meine. :wow
    Aber das mit Parkinson, der Kreuzfahrt und den drei erwachsenen Kindern kommt mir sehr bekannt vor...


    Ich werde es vielleicht noch einmal in Angriff nehmen. Vielleicht war es damals die falsche Zeit für dieses Buch.


    :wave

  • Friderike :
    Doch, doch, das passt bestimmt :lache Es ist bestimmt schon drei oder vier Jahre her, seitdem ich dieses Buch gelesen habe. Inhaltlich bin ich von daher nicht mehr auf dem aktuellsten Stand.


    Zitat

    Original von Friderike
    Ich werde es vielleicht noch einmal in Angriff nehmen. Vielleicht war es damals die falsche Zeit für dieses Buch.


    Ja, mach das! Für ein solches Buch braucht es manchmal einfach mehrere Ansätze.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Hm.. komisch, ich dachte auch dazu hätte ich damals eine Rezi geschrieben.... :wow


    Ich habe auch so langsam das Gefühl, als gäbe es hier Rezischwund... :gruebel Ich dachte auch, daß hätte ich hier schon beurteilt...


    Bei mir ist es schon fast 5 Jahre her, daß ich es gelesen hab... Ich fand es gut bis sehr gut. Die Thematik hat mir insgesamt sehr gut gefallen, vor allem die "Nebenrollen" , sprich : die Kinder, fand ich spannend rübergebracht! Da kam mir manches leider etwas zu kurz...

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Mir hat das Buch ausgezeichnet gefallen, obwohl es mir an einigen Stellen "zu voll gepackt" war. In jedem Falle aber war es ein Leseerlebnis dass erster Güte. Ich hab dann im Anschluss "Die 27ste Stadt" gelesen - welch ein Abstieg! Aber dieses Buches wurde wohl aufgrund des Frantzen-Hypes sofort nachgelegt, obwohl Frantzen es eine ganze Zeit vor den "Korrekturen" geschrieben hatte, glaube ich wenigstens.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • @ Fritzi
    Ich glaub, ich hab damals im FF eine Rezi dazu geschrieben, bei mir ist es nämlich ähnlich lange her. Vielleicht bringt uns das ein wenig durcheinander? :wow
    Ich hatte es direkt nach seinem Erscheinen gelesen.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    @ Fritzi
    Ich glaub, ich hab damals im FF eine Rezi dazu geschrieben, bei mir ist es nämlich ähnlich lange her. Vielleicht bringt uns das ein wenig durcheinander? :wow
    Ich hatte es direkt nach seinem Erscheinen gelesen.


    Das kann natürlich sein... :gruebel

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • hmpf.
    die "korrekturen" gehören zu den büchern, die ich nicht zu ende gelesen habe.
    es war mir schlicht zuviel arbeit für zuwenig ertrag.

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Was für ein großartiges Buch! Sprachlich schlichtweg brillant, inhaltlich und die Figuren betreffend auch sehr gut, und die Mischung aus Tiefsinnigkeit, Humor und auch traurigen Aspekten ist sowieso genial. Einziger Kritikpunkt: an manchen Stellen kam es mir, ich will nicht sagen langatmig, aber doch zu detailverliebt und weitschweifig vor, sodaß schon einiges an Zeit und Geduld nötig ist, um "Die Korrekturen" zu lesen, dafür wird man dann aber mit einer exzellenten Familienstudie in ansprechendem Stil entlohnt. Ein gewaltiges Buch, in mehrfacher Hinsicht.
    Ein wenig zu denken gibt es mir, daß ich einzelne Aspekte des eigenen Familienlebens in dem Roman wiedererkenne, wenn auch in real abgemilderter Form.


    "Die 27ste Stadt" (Franzens erster Roman) liegt seit Monaten auf meinem Sub, aber da sollte man wohl nicht mit allzu hohen Erwartungen herangehen, sofern man den Kritiken Glauben schenkt. Naja, irgendwann mal werde ich mir selbst ein Bild davon machen.

  • Es freut mich sehr, dass dir "Die Korrekturen" so gut gefallen haben, mankell :wave


    Zitat

    Original von mankell
    "Die 27ste Stadt" (Franzens erster Roman) liegt seit Monaten auf meinem Sub, aber da sollte man wohl nicht mit allzu hohen Erwartungen herangehen, sofern man den Kritiken Glauben schenkt. Naja, irgendwann mal werde ich mir selbst ein Bild davon machen.


    Hm, ich habe "Die 27ste Stadt" gelesen und habe es als sehr langamtig und zäh empfunden. Wenn man es nach "Die Korrekturen" liest, kann man eigentlich nur enttäuscht sein. Bei mir steht noch "Schweres Beben" ungelesen im SUB, vielleicht werde ich mich noch da ran wagen :-)

  • Das, was du schreibst, scheint der einhellige Tenor über "Die 27ste Stadt" zu sein, weshalb ich auch noch einige Zeit mit dem Lesen zuwarten werde, um nicht den guten Eindruck von "Die Korrekturen" zunichte zu machen. Aber neugierig bin ich schon ein wenig und da es sowieso schon hier liegt, wird es wohl noch heuer drankommen. :wave

  • Habe die Lektüre vor einigen Tagen gleichermaßen traurig und begeistert beendet. Freue mich nun schon auf Franzens neuen Roman, der nach diesem zufriedenstellenden Leseerlebnis in naher Zukunft gelesen werden wird. Hier erstmal einige Eindrücke zum vorliegenden Roman.


    Man muss sich Zeit nehmen für die "Korrekturen". Nicht nur wegen der hier bereits erwähnten Detailverliebtheit des Autors, sondern auch wegen der Geschichte selbst, welche die Charaktere vor den Augen des Lesers genüßlich bloßlegt - keine Schwäche, keine Falte wird ausgespart. Manche Szenen sind gerade aufgrund ihres Realismus derart beklemmend, dass ich immer mal wieder Lesepausen eingelegt habe. Die Beschreibungen der Figuren sind lebensnah, kein schlichtes Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Eine ganze Familie, man könnte auch sagen ein ganzer Roman voller Grautöne.


    Es passiert im Verlauf der über 700 Seiten nicht viel, aber spannend sind ja gerade die unterschiedlichsten Beziehungsgeflechte. Franzen benötigt keine ausufernden Handlungsstränge und abenteuerliche Wendungen, um eine enorme, unterschwellige Spannung zu erzeugen. Selbst an und für sich alltägliche Begegnungen zweier Protagonisten enthalten so eine ungemeine Intensität - gerade auch, weil der Leser ihnen oft einiges an Wissen voraus hat.


    Abgesehen von der psychologischen Tiefe hat mich vor allem die Sprachgewalt Franzens beeindruckt. Es gab etliche Stellen, die mir eine Gänsehaut beschert haben. Alfreds abschließende Szene auf dem Schiff ist z.B. schlicht brilliant. Ansonsten wirkten zwar die zahlreichen Perspektiv- und Zeitwechsel irgendwie chaotisch, aber es funktioniert und vielleicht bezieht der Roman ja unter anderem auch hieraus seine Wirkung.


    So halte ich als Gesamteindruck abschließend fest: Die "Korrekturen" ist ein ziemlich wildes und ziemlich großartiges Werk.


    10/10

    Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
    - Wittgenstein -