'Buddenbrooks' - Teil 01 - 02

  • Zitat

    Original von -Christine-



    Hier hat mich überrascht, daß Johann so schnell nach dem Tod seiner Frau gestorben ist, als ob dies aus Kummer geschehen wäre. Geliebt, wie seine erste Frau, hat er sie jedoch nie.


    Traurig oder? Jahrelang nebeneinander her zu leben - ohne den anderen wirklich zu lieben.... Dann doch lieber alleine sein. Aber ohne seine 2.Frau konnte Johann auch nicht leben - kurios... :wave

  • * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
    Wiederaufnahme 2014
    * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *



    Jetzt kann ich ja zugeben, daß ich schon vor einigen Tagen mit dem Lesen begonnen habe. Es gab die letzten Jahre verschiedentlich Leserunden zu den „Buddenbrooks“, und jedes Mal paßte es zeitlich nicht. Dieses Mal ist es ungünstig (wir ziehen in sechs Wochen um, und ich bin mitten im Endspurt der Renovierung des Hauses sowie mit den ersten Umzugsfuhren beschäftigt), aber versuchen will ich es wenigstens. Allerdings weiß ich nicht, ob ich viel beitragen kann. Zum einen, weil ich momentan und bis auf Weiteres nur wenig Forenzeit habe, zum Anderen, weil mir beim Lesen nicht viel eingefallen ist, was ich schreiben könnte. Aber möglicherweise bringt das dann die (hoffentliche) Diskussion hier.


    Ich selbst lese eine Ausgabe des Deutschen Bücherbundes in der Reihe „Bibliothek des 20. Jahrhunderts“. Ich habe den Begleittext von Siegfried Lenz zum Buch schon gelesen (auch der spoilert, was mir aber nichts ausmacht - eher im Gegenteil). Und ich „fürchte“, das Buch wird mir ziemlich gut gefallen. Ein Eindruck den ich vor längerer Zeit, als ich eine Geschichte des Romans las, schon hatte. Da hatte ich vermutet, daß Thomas Mann der letzte große Schriftsteller ist, dessen Werk mir gefallen müßte. So ziemlich alles, was danach kommt, dürfte nichts für mich sein (von Unterhaltungsliteratur etc. mal abgesehen). Bisher hat sich diese Vermutung fast immer bestätigt.


    Als erstes habe ich mir ein Personenverzeichnis gesucht, und bin auf den Stammbaum der Buddenbrooks gestoßen:
    http://nomasliteraturblog.word…enliste-der-buddenbrocks/
    http://www.teachsam.de/deutsch…bud/mann_th_bud_3_1_1.htm
    Aber Achtung: aus dem Stammbaum ergeben sich massive Spoiler zum Handlungsfortgang (Geburts- und Todesdaten, wer wen heiratet etc.).


    Bei der Gelegenheit, hier der Link zum Budedenbrookhaus:
    http://buddenbrookhaus.de/de/45/home.html


    Zu Beginn des zweiten Kapitels (S. 14) fragte ich mich, wie Thomas Mann die heutige Zeit kennen konnte:
    (...) ein paar seiner ausgesuchtesten compliments vollführt hatte, compliments, wie die neue Generation sie schlechterdings nicht mehr zustande brachte, und die von einen angenehm stillen und verbindlichen Lächeln begleitet waren.


    Desgleichen dann im 5. Kapitel (S. 28): Da schießen nun die gewerblichen Anstalten und die technischen Anstalten und die Handelsschulen aus der Erde, und das Gymnasium und die klassische Bildung sind plötzlich Betisen, und alle Welt denkt an nichts als Bergwerke ... und Industrie ... und Geldverdienen ... Brav, das alles, höchst brav! Aber ein bißchen stupide, von der anderen Seite, so auf die Dauer - wie?


    Fast schon die Luft angehalten habe ich im 2. Teil, 4. Kapitel (S. 70) an dieser Stelle:
    Er dachte nicht viel, er sah nur unverwandt und mit einem leisen Kopfschütteln auf sein Leben und das Leben im allgemeinen zurück, das ihm plötzlich so fern und wunderlich erschien, dieses überflüssig geräuschvolle Getümmel, in dessen Mitte er gestanden, das sich unmerklich von ihm zurückgezogen hatte und nun vor seinem verwundert aufhorchenden Ohr in der Ferne verhallte ... Manchmal sagte er mit halber Stimme vor sich hin:
    „Kurios! Kurios!“

    Selten habe ich in so wenig Worten eine so zutreffende Beschreibung des Lebens gelesen. Da fiel mir unwillkürlich das Video zu Johnny Cash’s „Hurt“ ein. In drei Minuten ein ganzes Menschenleben. Und dann ist’s vorbei.


    Stilistisch gefällt mir das Buch außerordentlich gut, wenngleich ich einige Zeit gebraucht habe, so richtig „anzukommen“. Das kann aber auch an meiner derzeitigen Überanstrengung, die sich inzwischen auch mental auswirkt, liegen.


    Auch - das mag jetzt vielleicht wie „Majestätsbeleidigung“ klingen, aber so empfinde ich es - habe ich das Gefühl, daß Thomas Mann durch ausgedehntes Schreiben und Ausholen manche mangelnde Detailkenntnis verschleiert bzw. überspielt.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • So, ich gestehe ebenfalls, schon mal vorgelesen zu haben ;-) damit's mit der anderen Leserunde Anfang Juli noch hinhaut.


    Ich hatte das Buch vor 20 Jahren oder so schon mal gelesen und habe in Erinnerung, dass es mir sehr sehr gut gefallen hat. Dementsprechend frohgemut ging ich ans Lesen, musste aber feststellen, dass mir der Einstieg doch recht schwer fiel. Die umständliche Sprache, die vielen Beschreibungen und die vielen Leute... aber der zweite Teil gelang dann schon besser.


    Ich mag ja diese alten Bücher, wo so viele französische Wendungen eingeschoben werden. :-) Und hier noch das Plattdeutsch dazu, das gefällt mir.


    SiCollier : Die Stelle auf Seite 70 (habe anscheinend die gleiche Ausgabe, so ein Uralt-Ding aus der Bücherei) über das Leben fand ich auch sehr treffend und hat mich berührt.


    Witzig finde ich ja immer, dass die Leute damals anscheinend abends zu Mittag aßen. Und vor allem hatten sie ein paar Hausfreunde "auf ein ganz einfaches Mittagbrot gebeten" und dann essen sie dermaßen viel, dass dem armen Christian nachher ganz übel ist.. und der Hausarzt rät wie üblich zu "ein wenig Taube - ein wenig Franzbrot". ;-)


    Das Personenverzeichnis schaue ich mir lieber noch nicht an, wenn es zu viel spoilert. So langsam gewinnt man ja dann doch einen Überblick über die Familienmitglieder und ihre Eigenheiten... Tony dem Luxus sehr zugetan und recht verzogen und eingebildet, Christian ein Spaßvogel, Thomas der ernsthafte älteste Sohn, der ins Geschäft einsteigt. Dazu noch die aufgenomme Cousine Thilda, die anscheinend nicht die Hellste ist und sich das Essen reinschaufelt, als gäbe es morgen nichts mehr...

  • Ich bin gestern gestartet, aber nicht, weil ich so brav bin, sondern weil ich nochein anderes Buch am Start habe, das eigentlich schon gelesen sein wollte. In den letzten Tagen war die Lesezeit ein wenig knapp, was aber nicht König Fußball zuzuschreiben ist.


    Vor gefühlten Ewigkeiten habe ich "Buddenbrooks" schon einmal gelesen, weil ich es musste und ich habe mich mehr oder weniger durch das Buch gequält. Ein paar Jahre später, mein Sohn war noch klein habe ich es noch eimal begonnen und bin gescheitert. Aber es lag wohl eher an der sehr beschränkten Lesezeit. Gestern habe ich auch nur das erste Kapitel geschafft und so richtig drin bin ich auch noch nicht. Aber die Sprache ist großartig. Ich langweile mich nicht bei den umfangreichen Beschreibungen. Wenn ich auch sagen muss, warum muss ich als Leser wissen, dass eine Hose waschbar ist. (S. 9 in meiner Ausgabe) Aber das ist keine Kritik, nur Verwunderung.


    Zitat

    SiCollier schrieb
    Auch - das mag jetzt vielleicht wie „Majestätsbeleidigung“ klingen, aber so empfinde ich es - habe ich das Gefühl, daß Thomas Mann durch ausgedehntes Schreiben und Ausholen manche mangelnde Detailkenntnis verschleiert bzw. überspielt. .


    Nach dem 1. Kapitel kann ich noch nicht viel dazu sagen, magst du ein Beispiel geben?


    Zur Majestätsbeleidigung, da kann ich noch eins draufsetzen, mir gefällt das Werk von Bruder Heinrich Mann nämlich besser.


    SiCollier
    Danke für die Links. Ich habe aus alten Schulzeiten auch noch ein Personenverzeichnis und einen Stammbaum. Ich hatte schon überget, diese einzuscannen.


    OT: SiCollier, nun treffen wir uns erstmalig bei einem Nicht-Russen zur Leserunde. Ich hatte schon mal überlegt, ob es im Spätherbst nicht wieder mit einen Runde zu einem alten Russen klappen würde.

  • Ich habe auch schon diesen Abschnitt vorgelesen - da gleichzeitig eine 2.LR stattfindet.


    Da ich beim letzten Mal das Buch abgebrochen habe, möchte ich es diesmal doch schaffen.


    Nach anfänglichen "Einleseschwierigkeiten" bin ich mittlerweile gut im Buch drin und freue mich schon auf den nächsten Teil.


    Besonders die eingeschobenen plattdeutschen Sätze gefallen mir sehr gut.


    @Si Collier: Danke für die Links - ich werde sie mir nachher mal in Ruhe anschauen!

  • Zitat

    Original von apfelgrün
    Ich hatte das Buch vor 20 Jahren oder so schon mal gelesen und habe in Erinnerung, dass es mir sehr sehr gut gefallen hat. Dementsprechend frohgemut ging ich ans Lesen, musste aber feststellen, dass mir der Einstieg doch recht schwer fiel. Die umständliche Sprache, die vielen Beschreibungen und die vielen Leute... aber der zweite Teil gelang dann schon besser.


    Mir geht es ganz genauso wie apfelgrün!
    Ich habe das Buch vor fast 20 Jahren schon gelesen und es in sehr guter Erinnerung behalten. Ich kann mich zwar an die Handlung im Einzelnen nicht mehr wirklich erinnern, nur das es sich um eine interessante Familiengeschichte handelt in der zum Schluss alles irgendwie schlecht ausgeht.


    Ich habe mir hier am Anfang auch etwas schwer getan, als so viele Personen auf einmal vorgestellt wurden, und auch mit den eingestreuten Plattdeutschen und auch französischen Sätzen bin ich nicht so recht klar gekommen.


    Aber spätestens im zweiten Teil hat mich das Buch schon wieder gepackt und es macht mir jetzt richtig Spaß es zu lesen! Die Sprache und der Stil von Thomas Mann empfinde ich als sehr angenehm und leicht zu lesen.


    Ich kann mich nun auch wieder ein wenig an die Personen erinnern, und obwohl Tony schon ein ganz schön verwöhntes und freches Mädchen ist, mag ich sie sehr gerne. Sie ist bis jetzt meine Lieblingsfigur in dem Buch!
    Schade, dass der alte Johann Buddenbrook schon so zeitig stirbt in dem Buch, er hat mich so an meinen eigenen Großvater erinnert.


    Das mit dem Mittagessen um 4 Uhr Nachmittags ist mir auch aufgefallen. Eine komische Zeit zum Essen ? ?(
    Ich hoffe ich komme die nächsten paar Tage zum lesen, ich habe leider im Moment beruflich und privat ziemlich viel zu tun und nicht so viel Lesezeit wie ich es mir wünschen würde.

  • Zitat

    Original von Rouge


    Das mit dem Mittagessen um 4 Uhr Nachmittags ist mir auch aufgefallen. Eine komische Zeit zum Essen ? ?(


    Ehrlich? Wir essen oft auch erst warm um 16.30/17.00 Uhr. Unter der Woche wegen der Arbeit und am WE frühstücken wir etwas kräftiger, wenn man dann noch etwas unternimmt, ist das eine nette Zeit. Allerdings müssen wir mit den Essenszeiten auch nicht mehr auf Kinder Rücksicht nehmen.

  • Zitat

    Original von Karthause


    Ehrlich? Wir essen oft auch erst warm um 16.30/17.00 Uhr. Unter der Woche wegen der Arbeit und am WE frühstücken wir etwas kräftiger, wenn man dann noch etwas unternimmt, ist das eine nette Zeit. Allerdings müssen wir mit den Essenszeiten auch nicht mehr auf Kinder Rücksicht nehmen.


    Bei uns ist es auch oft am Wochenende so, dass wir etwas später und dafür reichhaltiger frühstücken und dann erst am Abend etwas warmes essen. Dann aber erst so ab 18 Uhr und das ist dann für mich natürlich Abendessen :-)
    Ich persönlich würde ein Essen ab 16 Uhr nicht als "Mittagstisch" bezeichnen. Bei meinen Großeltern gab es Mittagessen immer genau um Punkt 12 Uhr. Und dann um 16 Uhr Kaffee. Sie sind fast nie von ihren festen Zeiten abgewichen. Zum Glück bin ich da schon etwas flexibler:lache :lache


    Aber jeder hat halt andere Gewohnheiten und Sitten. Ist ja ganz normal, für mich klingt es nur ungewöhnlich!

  • Hm, bisher scheine ich der einzige zu sein, der die Buddenbrooks das erste Mal liest?


    Zitat

    Original von apfelgrün
    Witzig finde ich ja immer, dass die Leute damals anscheinend abends zu Mittag aßen.


    Das ist mir schon öfters in Büchern jener Zeit begegnet. Und ich habe mich manchmal nach dem vollständigen Tagesablauf gefragt. Der muß teilweise doch sehr anders als heute gewesen sein - und das, vor Einführung der elektrischen Beleuchtung!



    Zitat

    Original von Karthause
    Nach dem 1. Kapitel kann ich noch nicht viel dazu sagen, magst du ein Beispiel geben?


    Schwierig, konkret fällt mir keine Stelle ein (bin derzeit in der Mitte des nächsten Abschnittes). Anders ausgedrückt, empfinde ich das Buch als zeitlos. Es kann zu so ziemlich jeder Zeit zwischen etwa 1800 und dem 1. Weltkrieg spielen, ohne daß man groß etwas austauschen müßte. Ich habe überhaupt kein Gefühl für die Zeit, in der es spielen soll. Als ich etwa Gustav Freytags „Soll und Haben“, das im Kaufmannsmilieu um 1850 spielt, las, hatte ich immer genau gegenwärtig, wann das spielte (wobei Freytag, wie ich zugeben muß, stilistisch bei weitem nicht an Mann herankommt). Selbst als ich im Dezember den neuen Roman von Heidi Rehn „Die Liebe der Baumeisterin“, der im 16. Jahrhundert spielte, las, hatte ich immer das Gefühl, in genau jener Zeit zu sein. Aber hier nicht, es erscheint mir quasi zeitlos und ich frage mich dauernd, warum die Leute nicht einfach telefonieren ...


    Mit Heinrich Mann kann ich (noch) nicht vergleichen.



    OT

    Zitat

    Original von Karthause
    Ich hatte schon mal überlegt, ob es im Spätherbst nicht wieder mit einen Runde zu einem alten Russen klappen würde.


    Yep, und meine Rezi zum „Spieler“ habe ich immer noch nicht geschrieben.


    Die Herbst-Russen-Leserunde habe ich übrigens durchaus nicht vergessen, sondern im Hinterkopf. Es war ja auch schon ein Werk in Aussicht genommen worden (ohne daß es fest vereinbart wäre). Im Juli/August will ich einen Vorschlagsthread erstellen, je nach dem, wie mich unser Umzug die Zeit dazu finden läßt. Da das dann wohl Richtung Oktober gegen würde, reicht das auf jeden Fall.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Das ist mir schon öfters in Büchern jener Zeit begegnet. Und ich habe mich manchmal nach dem vollständigen Tagesablauf gefragt. Der muß teilweise doch sehr anders als heute gewesen sein - und das, vor Einführung der elektrischen Beleuchtung!


    Ja, mir nämlich auch. Ich habe gerade Anna Karenina gelesen und da ist mir das auch aufgefallen (ich glaube auch bei Shirley?), da gab es dann irgendwie ganz spät das Abendessen und die Leute sind glaube ich oft erst um 1 oder 2 ins Bett?

  • Bei den Russen - insbesonderen aus der Literatur des 19. Jh. - sehe ich das ein bisschen anders. Da herrschte ja in adeligen und begüterten Kreisen ein bisschen die Oblomowerei vor. Man genoss den Tag und das Leben, schlief lange und ging spät zu Bett. Bei den Buddenbrooks mag das für die Damen vielleicht ein wenig zutreffen. Die Männer waren im Kontor und gingen ihren Geschäften nach. Aber für den Haushalt gab es Personal, so ganz sicher bin ich mir nicht bei dem Tagesablauf der weiblichen Buddenbrooks. Das (Mittag-)Essen um 16 Uhr ist mir fast ein bisschen zeitig. Das würde ja auf einen 8-Stunden-Arbeitstag hinaus laufen. Den hätte ich länger erwartet in einer Kaufmannsfamilie.

  • Zitat

    Original von Karthause
    Bei den Russen - insbesonderen aus der Literatur des 19. Jh. - sehe ich das ein bisschen anders. Da herrschte ja in adeligen und begüterten Kreisen ein bisschen die Oblomowerei vor. Man genoss den Tag und das Leben, schlief lange und ging spät zu Bett. Bei den Buddenbrooks mag das für die Damen vielleicht ein wenig zutreffen. Die Männer waren im Kontor und gingen ihren Geschäften nach. Aber für den Haushalt gab es Personal, so ganz sicher bin ich mir nicht bei dem Tagesablauf der weiblichen Buddenbrooks. Das (Mittag-)Essen um 16 Uhr ist mir fast ein bisschen zeitig. Das würde ja auf einen 8-Stunden-Arbeitstag hinaus laufen. Den hätte ich länger erwartet in einer Kaufmannsfamilie.


    Ah, Oblomow steht auch schon lange auf meiner Liste der zu lesenden Bücher. Du hast recht, natürlich kann man den Tagesablauf von Adeligen und einer Kaufmannsfamilie nicht vergleichen. Ich gehe mal davon aus, dass das "Mittagbrot" dann quasi das Abendessen war und es danach nichts mehr gab, wohingegen es bei den Adeligen wohl ein spätes Diner und dann noch Souper gab.
    Witzig, ich googelte gerade mal nach "Arbeitstag Kaufmann 19. Jahrhundert" und der erste link bezieht sich auch gleich auf die Buddenbrooks. Das Büro des Vaters lag ja im Wohngebäude der Familie, so dass Arbeit und Familie nicht streng getrennt waren, steht dort. Außerdem:


    Dabei verbringt auch Thomas seinen Arbeitstag nicht hauptsächlich im Büro. Dort verweilte er morgens nur eine Stunde, erledigte die dringendsten Angelegenheiten und erteilte Anweisungen an seine Untergeben. Thomas Buddenbrooks restlicher Tag ist erfüllt von zahlreichen Aufgaben und Pflichten. Zum Ansehen eines Kaufmanns tragen nicht nur die Solidität und die Bonität seiner Firma, sondern auch seine Präsenz in der stadtbürgerlichen Öffentlichkeit bei. Die Zeiten im Büro, im Comptoir, sind nicht die einzigen, die zu seinem Arbeitstag zählen. Er begibt sich an die Börse, ist mit Ratsangelegenheiten beschäftigt, nimmt an Sitzungen teil, inspiziert die Speicher und die Schiffsladungen, zeigt sich im Club, wo er auf andere Kaufleute trifft und auch Geschäfte zwanglos vorbereitet werden, besucht die Lesegesellschaft „Harmonie“, in der sich die angesehenen Bürger versammeln, und ist auch bei abendlichen geselligen Ereignissen präsent. Die Mahlzeiten, das zweite Frühstück und das Mittagessen gegen vier werden im Kreis der Familie eingenommen. Danach nimmt er sich auch Zeit für eine halbstündige Ruhepause auf dem Diwan, die aber auch der Zeitungslektüre gewidmet ist.
    Beruf, politisches und karitatives Engagement in der Stadtbürgergemeinde und Geselligkeit, sind in der männlichen Lebenswelt des Bürgers kaum voneinander zu trennen. Es ist kein moderner Arbeitstag mit streng eingehaltenen Bürozeiten von 8 bis 17 Uhr. Er lässt auf der einen Seite Zeit für gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie, Besuche im Herrenclub und einer Lesegesellschaft, die man eigentlich dem Freizeitbereich zuordnen würde. Gleichzeitig ist auch bei dieser Freizeitgestaltung die Frage des Geschäfts immer im Vordergrund.


    aus: https://www.fk12.tu-dortmund.d…e_sechste_Tagung/ochs.pdf

  • Zitat

    Original von SiCollier



    Anders ausgedrückt, empfinde ich das Buch als zeitlos. Es kann zu so ziemlich jeder Zeit zwischen etwa 1800 und dem 1. Weltkrieg spielen, ohne daß man groß etwas austauschen müßte. Ich habe überhaupt kein Gefühl für die Zeit, in der es spielen soll.
    .


    Das empfinde ich ganz genauso! Irgendwann wird im ersten Teil mal ein Jahr erwähnt: " im Jahre 18...." da musste ich wirklich erst mal überlegen welches Jahrhundert jetzt eigentlich gemeint ist und in welcher Zeit dieses Buch spielt.
    Nur die Beschreibung der Mode und der Frisuren gibt ein bisschen Aufschluss darüber.
    Ansonsten kann ich dir nur wirklich zustimmen, ich empfinde das Buch auch als sehr zeitlos.

  • Zum Tagesablauf: mir ist auch in manchem englischen Klassiker schon aufgefallen, daß die seinerzeit anscheinend einen doch recht anderen Tagesablauf hatten, auch zeitlich gesehen. Ich frage mich immer wieder, wie die ihr Pensum geschafft haben. Es gab kein Telefon, vom Handy oder Internet ganz zu schweigen, und die schnellste Art der Fortbewegung war bis zur Erfindung der Eisenbahn das Pferd. Und auch bei der dann erfundenen Eisenbahn war noch lange nicht an Tempo 200 zu denken.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Endlich habe ich auch mit den "Buddenbrooks" angefangen. Wie schon vorausgesagt, werde ich hinterherschnecken, das macht aber nichts, es passt irgendwie zum Buch.


    Ich lesen die "Buddenbrooks" zum ersten Mal und habe von Thomas Mann noch nichts gelesen. Ich bin sehr überrascht, wie gut mir das Buch gefällt. Ich habe ein schwerfälliges, langatmiges Buch erwartet und wollte es eigentlich nur lesen, weil ich denke, "man" müsste es gelesen haben. Jetzt finde ich es richtig schade, dass ich in den nächsten zwei Wochen nur wenig Lesezeit habe, denn es hat einiges zu bieten.


    Die Figuren bieten einiges an Entwicklungspotential. Die Brüder Tom und Christian sind sehr unterschiedlich, dazu die muntere Tony, von der noch einiges zu erwarten ist. Mal sehen, ob sie die Traditionen der Familie auf den Kopf stellt.
    Auch von Gotthold ist noch einiges an Ärger zu erwarten. In dieser Bruderbeziehung zwischen ihm und dem Konsul steckt noch ordentlich Zündstoff.


    Sehr interessant finde ich das Familien-Buch. Wie spannend muss es sein, darin zu blättern. Sehr ungewöhnlich, dass die privaten Gedanken darin ebenfalls notiert werden und der alte Buddenbrook keinen Heel daraus macht, dass er seine Josephine so sehr liebte.


    Wieder ein "Querbeet-Buch", das mir gefällt. :kiss

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Dann werde ich mich irgendwann zu Dir gesellen. Ich bin irgendwo bei Seite 550, habe aber für die aktuelle offizielle Leserunde unterbrochen, und zuvor irgendwie nicht die Zeit gefunden, hier zu posten. Mal sehen, wenn die LR öfters hoch kommt, schaffe ich es vielleicht doch noch, die paar Zettel im Buch in Leserundenbeiträge zu verwandeln.


    Mit dem Buch erging es mir ähnlich wie Dir, vom Stil war ich sehr positiv überrascht.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Dann werde ich mich irgendwann zu Dir gesellen. Ich bin irgendwo bei Seite 550, habe aber für die aktuelle offizielle Leserunde unterbrochen, und zuvor irgendwie nicht die Zeit gefunden, hier zu posten. Mal sehen, wenn die LR öfters hoch kommt, schaffe ich es vielleicht doch noch, die paar Zettel im Buch in Leserundenbeiträge zu verwandeln.


    Mit dem Buch erging es mir ähnlich wie Dir, vom Stil war ich sehr positiv überrascht.


    Das freut mich! :knuddel1

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin