'Buddenbrooks' - Teil 07 - 08

  • Der 8. Teil hat mir ebenfalls sehr gut gefallen.
    Die Verzagtheit des Senators, der sich selber darüber ärgert, dass er nicht risikofreudiger ist und das Familienvermögen vermehren kann, beschreibt Thomas Mann sehr gut.
    Und auch Hanno charakterisiert er ganz wunderbar. Ich kann mir den sensiblen Knaben, der das musische Talent seiner Mutter geerbt hat, bildlich vorstellen. Eine richtige Künstlernatur also und damit sind die Probleme für die Übernahme des Firmenimperiums wohl schon vorgegeben.


    In der Ehe der armen Erika setzt sich das Unglück ihrer Mutter ebenfalls fort. Ich kann mir vorstellen, wie Tony und ihre Tochter unter Existenzängsten leiden, dazu die ständige Abhängigkeit vom Elternhaus. Das muss ja furchtbar sein. Wie gut, dass wir Frauen heute selbständiger sind und unser (materielles) Lebensglück nicht von einem Ehemann abhängt.

  • Mit Teil 7 und 8 bin ich jetzt durch. Der letzte Teil, in dem es um Hanno geht, hat mir sehr gefallen. Er hat die Liebe zur Musik von seiner Mutter geerbt, mag nicht rechnen, hat nur einen, aber einen guten Freund - ein sehr sympathischer Charakter, der sympathischste überhaupt bisher, auch wenn er noch ein Kind ist und natürlich noch "verdorben" werden kann. Das Verhalten von Tom Hanno gegenüber finde ich ziemlich traurig. Aber Tom sieht in ihm natürlich den einzigen vorhandenen "Stammhalter", der sich quasi nach den Wünschen der Familie entwickeln MUSS. Und es wird jetzt schon deutlich, dass es damit Essig ist.


    Gespannt bin ich, wie sich das Verhältnis zwischen Gerda und Christian weiter entwickeln wird.


    Mit Erika, um die es auch in diesem Abschnitt geht, kann ich überhaupt nicht mitfühlen - ich kenne sie nicht, da sie kaum beschrieben wurde bisher - und mit Tony möchte ich nicht mehr mitfühlen. Sie geht mir einfach nur noch auf die Nerven mit ihrer Laberei und Selbstsucht.

    "Ich bin dreimal angeschossen worden – was soll man da machen." (Robert Enke)


    "Accidents" happen in the dark.

  • So langsam habe ich das Gefühl, dass der 1. - 4. Teil nur eine Einführung in die Geschichte des Hauses Buddenbrooks war und ein verhältnismäßig rasantes Tempo vorlegte.
    Mit dem 5. Teil, als Thomas Buddenbrook der Handelsherr wurde, beginnt der Roman eigentlich erst.


    Im 7. + 8. Teil beginnt das Imperium schon stark zu bröckeln.
    Johann „Hanno“ hat nicht das Zeug zum Kaufmann, er wird wohl eher ein Feingeist, wie es sein Onkel Christian gerne gewesen wäre.
    Thomas Buddenbrook leider an einer depressiven Verstimmung, ihm fehlt der Antrieb. Was er tut, macht er nur, weil er ein Buddenbrook ist. Seinem letzten Aufbäumen ist ein eigenes großes Haus zu bauen.
    Tony wird zu einer schon fast lächerlichen Figur, mit ihrem Standesdünkel. Er ist nur noch die Fassade eines Buddenbrooks.
    Auch ihre Tochter Erika, auf die Tony große Hoffnung setzt, heiratet einen Mann, der sich als „Verbrecher“ herausstellt.
    Christian wird mehr und mehr zu einer jämmerlichen Gestalt.


    Irgendwie stagniert alles, auch die Geschichte. Die Menschen haben sich damit abgefunden so wie es ist.
    Statt Handlung werden einzelne Szenen herausgehoben und detailliert beleuchtet.


    Bezeichnend ist für mich was zur Musik gesagt wird und wie Hanno zur Musik kommt. Sein Lehrer, Herr Pfühl, ist in der Tradition verhaftet, seine Mutter Gerda offen für das neue (Richard Wagner). Hanno nimmt von beidem das Beste. Langsam kann Gerda Herrn Pfühl überzeugen.
    Thomas gegenüber macht sie gar nicht den Versuch, sondern spricht ihm einfach die Fähigkeiten, Kunst zu verstehen, ab.
    Solch ein Einfluss, neues zu erkennen und anzuwenden, scheint Thomas zu fehlen, während seine Konkurrenten damit kein Problem haben.


    Irgendwie verlässt sich alles auf den Ruf des Namens Buddenbrook, ohne ihm neue Inhalte und Qualität zu geben.


    Der Absturz scheint nur noch eine Frage der Zeit.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Hachja, da läuft zunächst alles so gut im Hause Buddenbrook, und dann baut es sich alles so langsam wieder ab.
    Thomas Aussage hierzu finde sehr passen: "Ich weiß, daß oft die äußeren, sichtbarlichen und greifbaren Zeichen und Symbole des Glückes und Aufstieges erst erscheinen, wenn in Wahrheit alles schon wieder abwärts geht. Diese äußeren Zeichen brauchen Zeit, anzukommen, wie das Licht eines solchen Sternes dort oben, von dem wir nicht wissen, ob er nicht schon im Erlöschen begriffen, nicht schon erloschen ist, wenn er am hellsten strahlt..." (S. 431)


    Tony geht mir im Moment schon sehr auf die Nerven. Natürlich, sie hatte es schwer im Leben, aber dass sie sich dann auch noch so viel drauf einbildet... :rolleyes
    Und Thomas verändert sich immer mehr, wie ich finde. Und nicht gerade ins Positive.
    Ich bin gespannt, wie es weiter geht. Vor allem, was Thomas und die Firma betrifft.

  • In diesen zwei Teilen scheint sich das Blatt für die Buddenbrooks zu wenden. Die Familie ist auf dem Höhepunkt ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihres Vermögens, und doch zeigen sich Zeichen einer unglücklichen Zukunft. Wie Thomas es schön beschrieb: Ein leuchtender Stern, von dem man nicht weiß, ob er nicht schon längst erloschen ist.


    Thomas wird müde und depremiert, nicht einmal zum 100-jährigen Jubiläum kann er sich aufraffen, wahrlich freudig zu sein. Ich hätte nicht erwartet, dass er so eine Entwicklung durchmacht. Aber eben durch diese kann ich ihn als Charakter viel besser nachvollziehen. Früher war er wohl "zu perfekt".


    Hanno ist mir sympatisch, aber als Erbe des Hauses Buddenbrook ist er natürlich die reinste Katastrophe. Ich kann Thomas nachvollziehen. Er versucht seinen Sohn und einzigen Erben in die familiäre Linie zu hineinrücken. Doch darunter hat Hanno mit seinem sensiblen Wesen nur zu leiden und die Beziehung zwischen Vater und Sohn wird immer schlechter. Mal sehen wie sich diese weiterentwickelt.


    Christians Warnung an Hanno, sich nicht zu sehr mit den Künsten zu beschäftigen, um dann doch sofort darauf in den Klub zu gehen, wird wohl auch wenig dazu beitragen, dass Hanno sich grundlegend ändert. Onkel Christian ist nunmal ein mieses Vorbild. :grin


    Tony's "3. Ehe", wie sie so passend bezeichnet wird :grin, und das Scheitern dieser ist mir dieses Mal absolut nicht nahe gegangen. Erika ist ein sehr blasser Charakter, man erfährt fast nichts über sie und kann nicht mit ihr fühlen. Und Tony mag zwar in ihrem Leben einige Tragik durchstanden haben, aber ihre Art damit umzugehen ist mir zuwider... ich kann Leute, die ihr Leiden permanent herumposaunen müssen, nicht ausstehen. :rolleyes

    "Von den vielen Welten, die der Mensch nicht von der Natur geschenkt bekam, sondern sich aus dem eigenen Geist erschaffen hat, ist die Welt der Bücher die größte." (Hermann Hesse)

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  • Mitleid mit Tony habe ich auch keines mehr. Sie suhlt sich regelrecht in ihrem Leid und geht mir damit völlig auf die Nerven.


    ich denke mit Hanno ist der Niedergang des Hauses Buddenbrook mehr oder weniger besiegelt, so sympathisch mir der Junge auch ist, zum Kaufmann wird er wohl nicht taugen, sein Vatermit seinem Anspruchsdenken, ist dem schüchternen Jungen auch keine Hilfe, der arme Kerl kann einem richtig leid tun. ;-(

  • Im ersten Teil dieses Abschnittes scheint es denn Buddenbrooks, zumindest was das finanzielle angeht, noch recht gut zu gehen. Thomas hat das Unternehmen erfolgreich modernisiert und wird sogar Senator. Eigentlich alles sehr vielversprechend. Wenn da nicht der Rest der Familie wäre, die auf eine Art und Weise ihren Lebensstandard aufrecht erhalten möchte, als ob das Geld nie ausgehen würde, als würde es sich von selbst vermehren. Doch es bleibt nicht aus, langsam zeichnen sich die ersten Vorboten finanzieller Schwierigkeiten ab. Thomas' Verzweiflung ist sehr gut nachzuvollziehen, gibt er doch alles dafür, daß es der Familie an nichts mangelt.


    Der kleine Hanno entwickelt sich nur sehr langsam und entdeckt zum Entsetzen seines Vaters seine künstlerische Ader und Liebe zur Musik, die er wohl von Gerda geerbt hat. Thomas hätte natürlich sehr gerne einen würdigen Nachfolger für das Familienunternehmen und übt einen sehr starken Druck auf Hanno aus, der dem aber nicht gewachsen ist. Mir tut der Kleine unheimlich leid, aber ein wenig Verständnis kann ich auch für seinen Vater aufbringen. Beide können einfach nicht aus ihrer Haut und sein, was der andere gerne hätte. Hanno ist von Geburt an gesundheitlich sehr angeschlagen. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie habe ich das Gefühl, das nimmt kein gutes Ende.

  • Hallo!
    Ich habe ne Frage.. überall höre ich etwas über Ironie in dem Buch, und jetzt versuche ich welche im 7. Teil zu finden, aber ich finde keine.. ganz ehrlich, ich verstehe das nicht. hat einer von euch vielleicht 2,3 beispiele, die er mir erläutern kann? Bin ich zu doof dazu? :help :help ?(

  • Oh nein, arme Tony. :-( So viel Pech hat sie doch eigentlich gar nicht verdient. Nun ist auch noch ihr Schwiegersohn zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurden. Allerdings, den mochte ich von Anfang an nicht und mir ist auch nicht ganz klar, warum sie so einen ungebildeten bzw. ungehobelten Mann in Betracht zogen, der passte doch gar nicht in die Familie.


    Und dann Tom, der wohl zwischenzeitlich so eine Art Burn-Out hatte. Ich habe aber nicht ganz verstanden, wieso das Thema nach der Hundertjahresfeier dann wieder so plötzlich fallen gelassen wurde und er anscheinend wieder ganz der Alte war. Er hat sich dann ja z.B. auch gar nicht mehr groß über Weinschenks Verhaftung aufgeregt, wo er doch früher immer so um das Ansehen des Hause Buddenbrooks fürchtete. Dass er seinem Sohn so fremd ist, tut mir leid für ihn... einsam in der eigenen Familie...
    Was mir auch recht seltsam erschien war, dass er sich ein so großes Haus gebaut hat. Das passte doch eigentlich gar nicht recht zu ihm, wo er doch sonst immer so um das Kapital der Firma besorgt war?


    Hanno ein hochsensibles Kind, das so gar nicht den Erwartungen seines Vaters entspricht.. tut einem im Herzen weh zu lesen, wie der Vater ihn immer mit Prüfungen quält und dann verletzende Kommentare abgibt, wenn er nicht besteht. So gern ich Tom mag, aber da kann ich ihn nicht leiden. Aber natürlich ist es schon auch traurig für ihn, dass Gerda und Hanno so ganz in ihrer eigenen Musik-Welt leben und er da außen vor ist.

  • In diesem Abschnitt finde ich Thomas noch unsympathischer als vorher.
    Er hat wohl wirklich so etwas wie ein "Burn-Out-Syndrom". Er arbeitet sehr viel, zieht sich mehrmals am Tag um , wird noch zum Senator gewählt und baut für seine Familie auch noch ein großes Haus.


    Als seine Schwester Clara stirbt, streitet er sich mit Tony und seiner Mutter um das Geld, welches nach Claras Wunsch dem Witwer überlassen wird. Da gewinnt er bei mir auch keine Sympathie-Punkte!!
    Dann wird er auch noch geizig und entlässt den alten treuen Diener der Familie.
    Und wie er erst seinen Sohn Hanno behandelt: er hat überhaupt kein Gefühl für das Kind. Er verlang von ihm nur Erfolge und Härte. Für die musikalische Begabung von ihm hat er keinerlei Verständnis. Ob er überhaupt etwas wie Liebe für ihn empfindet??
    Ich verstehe schon, dass er ihn gerne als Nachfolger für die Firma heranziehen möchte. Aber wenn Hanno keinerlei Neigung dazu hat, kann man es wohl auch nicht erzwingen.


    Das Weihnachtsfest, welches aus Sicht von Hanno beschrieben wird, fand ich sehr schön. Alles ist so festlich und feierlich und friedlich. Die ganze Familie kommt noch einmal zusammen und jeder bekommt die gewünschten Geschenke und es gibt ein riesiges Festmahl.
    Dies wird wohl das letzte richtig glückliche Zusammentreffen der Familie gewesen sein.
    Ab jetzt geht es wohl eher bergab mit den Buddenbrooks.

  • Thomas' Zustand hätte ich als Depression bezeichnet, aber ok, mit Burn out kann ich auch mitgehen, obwohl das zur Entstehungszeit des Romans sicher noch nicht bekannt war. Die Verschlechterung von Thomas' Zustand geht einher mit dem langsam zu erahnenden Untergang der Firma und dem Verfall der Familie. Dabei hatte er doch noch den Senatorposten bekommen.


    So unsympathisch finde ich ihn als Romanfigur gar nicht, eher interessant. Gut, das ist auch nicht unbedingt eine Sympathiebekundung. Aber er ist, wie die anderen Charaktere auch, gut beschrieben und seine Entwicklung scheint irgendwie unausweichlich.

  • Ich habe jetzt den siebten Teil beendet und die Atmosphäre wird immer grauer und grauer. Passiert denn gar nichts fröhliches in der Familie?
    Die Ehen sind freudlos und anscheinend nur dazu da, einen Erben zu produzieren. Selbst der kleine Johann kriegt schon von Geburt die ganze Bürde dieser Familie aufgeladen. Auf ihm lastet als einzigem Nachkommen die ganze Familein-Bürde. Ich sehe schon vor mir wie er von der Familein-Chronik erschlagen wird. Dass Hanno große Schwierigkeiten hat, das selbstständige Laufen zu erlernen, wirkt sehr symbolhaft. Hier ist mir das Buch fast schon zu vorhersehbar.
    Am Anfang habe ich das Buch durchaus auch heiter und vor allem gespickt mir Ironie empfunden, das fehlt mir zunehmend.


    Mit 37 Jahren wird Thomas Senator. Mir ist schon häufiger aufgefallen, dass Figuren in der Literatur genau dieses Alter haben. Es scheint ein besonders magisches, schaffensreiches und interessantes Alter zu sein.


    Der Protzklotz, den Tom sich baut, wird wahrscheinlich sein eigenes Mausoleum werden. Er fühlt sich alt, seine Lebensgeister schwinden und wirkt zunehmend arrogant.


    Der Verfall beginnt. :grin


    Edit:
    Der Zustand der Familie Buddenbrook lässt sich eigentlich ganz gut an den Häusern ablesen.
    Das ursprüngliche Haus in der Mengstraße scheint der Firma und der Familie angemessen. Es ist groß genug, aber nicht protzig. Die Familie kann es sich leisten. Es ist mit Kindern bevölkert.
    Nach und nach ziehen alle aus und sind zum Teil rastlos. Tony versucht immer wieder, ein eigenes Nest zu bauen, kommt aber wie ein Bumerang zurück ins Elternhaus.
    Christian hat keinen Platz dort. Für ihn scheint das Haus zu eng-geistig. Auch er lebt mal dort, mal da. Clara verlässt das Haus und gründet eine eigene Familie, die aber kinderlos bleibt. Auch dieser Versuch, woanders sesshaft zu werden, scheitert, nicht zuletzt, weil sie viel zu früh stirbt.
    Tja, und Thomas könnte eigentlich mit seiner Mutter die Häuser tauschen. Als Frimenoberhaupt und Senator würde das Haus in der Mengstraße doch genügen. Stattdessen übernimmt er sich und baut eine Villa, die er sich eigentlich nicht mehr leisten kann. Überhaupt findet er zunehmend Gefallen an Luxus und wird immer eitler. Das äußere Gehabe passt gar nicht zu seiner Überarbeitung und zu dem Gefühl, dass er sich so alt fühlt.


    Das Haus in der Mengstraße steht leer.
    Ich bin mal sehr gespannt, wie es weitergeht. Ob Hagenströms eines Tages in die Fischer-Villa einziehen?

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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  • Zitat

    Original von apfelgrün
    Oh nein, arme Tony. :-( So viel Pech hat sie doch eigentlich gar nicht verdient. Nun ist auch noch ihr Schwiegersohn zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurden. Allerdings, den mochte ich von Anfang an nicht und mir ist auch nicht ganz klar, warum sie so einen ungebildeten bzw. ungehobelten Mann in Betracht zogen, der passte doch gar nicht in die Familie.
    ...


    Das habe ich beim Lesen auch gedacht. Weinschenk reiht sich nahtlos die Riege von Tonys Ehemännern ein. Überhaupt benimmt sie sich, als hätte sie noch einmal geheiratet und blüht förmlich auf.
    Ob die drei Männer- Grünlich, Permaneder und Weinschenk- ausdrücken sollen, dass man nur qua Geburt würdig ist, ein Buddenbrook zu werden? Ich weiß es nicht. Oder sind die Damen alle so hässlich, dass man Angst hat, keinen mehr abzubekommen?

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von apfelgrün
    ...
    Und dann Tom, der wohl zwischenzeitlich so eine Art Burn-Out hatte. Ich habe aber nicht ganz verstanden, wieso das Thema nach der Hundertjahresfeier dann wieder so plötzlich fallen gelassen wurde und er anscheinend wieder ganz der Alte war.
    ...


    Ich hatte eher das Gefühl, dass Thomas während der Jubiläumsfeier wie erstarrt ist. Er hat ein schlechtes Gewissen, weil er sich auf ein windiges Geschäft einglassen hat. Interessant, dass Tony ihm dazu geraten hat. Überhaupt scheint sie sich gerne in alle möglichen Dinge einzuarbeiten. Ich habe schon ein paar Mal gedacht, dass sie eigentlich die ideale Geschäftspartnerin für Tom wäre.
    An der Feier erfährt er, dass sein spakulatives Geschäft fehlgeschlagen ist.
    Demgegenüber steht das wie in Stein gemeißelte Firmenmotto: "Mein Sohn, sey mit Lust bei den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, daß wir bey Nacht ruhig schlafen können." (S.482)
    Auf mich wirkt Thomas so, als ziehe er sich komplett in eine eigene Welt zurück und als funktioniere er nur noch nach außen hin.


    Zitat

    Original von apfelgrün
    ...
    Er hat sich dann ja z.B. auch gar nicht mehr groß über Weinschenks Verhaftung aufgeregt, wo er doch früher immer so um das Ansehen des Hause Buddenbrooks fürchtete. Dass er seinem Sohn so fremd ist, tut mir leid für ihn... einsam in der eigenen Familie...
    ...


    Das ist mir beim Lesen auch übel aufgestoßen. Allerdings muss man Thomas auch als Kind seiner Zeit sehen. Endlich kommt der langersehnte Erbe zur Welt und erhält mit seinem Namen gleich ein ganzes Paket voller Erwartungen. Gerda nennt den Kleinen "Hanno" und ab diesem Moment habe ich das so empfunden, als sei Hanno "ihr" Kind. Er ähnelt so seiner Mutter und ist mit ihr auf einer Wellenlänge, dass er sich zugleich von seinem Vater meilenweit entfernt. Ich hatte den Eindruck, dass es für eine Vater-Sohn-Beziehung eigentlich gar keine Chance gab.
    Das gipfelt für mich in der Szene am Weihnachtsbaend, als Hanno mit Thomas anstoßen soll und die beiden sich nicht in die Augen sehen können. Bei der Szene würde mir eiskalt. Dieser so stumme und einsame Moment in all dem Glitzer, dem Überfluss, dem märchenhaften Abend.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von apfelgrün
    ...


    Hanno ein hochsensibles Kind, das so gar nicht den Erwartungen seines Vaters entspricht.. tut einem im Herzen weh zu lesen, wie der Vater ihn immer mit Prüfungen quält und dann verletzende Kommentare abgibt, wenn er nicht besteht. So gern ich Tom mag, aber da kann ich ihn nicht leiden. Aber natürlich ist es schon auch traurig für ihn, dass Gerda und Hanno so ganz in ihrer eigenen Musik-Welt leben und er da außen vor ist.


    Mit Hanno kann ich gar nichts anfangen. Ich frage mich, warum Mann sich so eine Figur ausgedacht hat. Zunehmend wirkt der Roman auf mich wie ein Schachspiel oder wie die Ausführung eines fest stehenden Musters. Sieht man die männlichen Erstgeborenen in einer Reihe, dann ist Hanno die logische Fortsetzung und von Geburt an vom "Verfall" gezeichnet.
    Aufgefallen ist mir, dass Hannos Zähne beschrieben werden. Äußerlich schön und stark wie die der Mutter, sind sie zu weich und empfindlich, um ein Leben zu überstehen, wie der Vater.
    Die Szene, in der Hanno sein Musikstück vorspielt, hat etwas Entrücktes und Ekstatisches, ja fast Erotisches. Hanno ist nicht von dieser Welt und nicht aus Buddenbrookschem Getreide gemahlen.


    Interessant finde ich auch, dass er in Kai einen Freund findet. Er ist ebenfalls ein Außenseiter und auch in dieser Familie scheint es finanziell bergab gegangen zu sein. Die beiden haben ja ein fast zärtliches Verhältnis zueinander.


    Hanno scheint bald zu sterben. Er zieht einen doppelten Schlussstrich unter seinen Namen in dem Familienbuch. Ob er sich umbringt?


    Interessant finde ich auch die Gegensätze, mit denen Mann ganz stark arbeitet. Ich erinnere mich noch an die Stelle, als Tony mit stolzer Brust die Familienchronik zur Hand nimmt und ja ihr lebenlang verzweifelt versucht, eine den Buddenbrooks würdige Ehe zustande zu bringen, damit sie diese voller Stolz in das Buch eintragen kann.
    Hanno kann mit der Familientradition nichts anfangen. Er zieht gleich einen Schlusstrich.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin